Jean-Pierre Ponnelle – ein großer Theatermann (1932–1988)

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2008
JOURNAL
Die Münchner Opernfreunde
27. Jahrgang
Jean-Pierre Ponnelle – ein großer Theatermann (1932–1988)
V
Geboren wurde Ponnelle am 19. Februar 1932 in Paris. Zur Schule ging
er zunächst in Beaune (Burgund), wo
die Familie in der Nähe ein Weingut
besaß. Doch ab 1945 besuchte er das
französische Gymnasium in BadenBaden, da sein Vater (im Auftrag der
Besatzungsmacht) hier den Südwestfunk mitbegründen sollte. Nach dem
Abitur 1948 in Straßburg studierte
er an der Sorbonne Philosophie und
Kunstgeschichte, Malerei gar bei Fernand Léger. Er war nicht nur stets der
Erste in der Schule, sondern wurde
auch einer der besten Bühnen- und
Kostümbildner sowie ein herausragender Regisseur. Mit etwas Glück
könnte er noch heute (er wäre 76)
wirken. Nicht auszudenken (George
Tabori hielt mit über 90 noch durch)!
1957 heiratete er die Schauspielerin
Margit Saad und in München kam
sein Sohn Pierre-Dominique (Dirigent,
eben erfolgreich an der Deutschen
Oper am Rhein) zur Welt. Mit Dagmar Friedrich hat er noch einen Sohn
Jean-Philippe 1985 bekommen. Nach
einer Bypassoperation am 10. Feb-
Foto: Sabine Töpfer
or 20 Jahren, am 11. August
1988, starb Jean-Pierre Ponnelle im Alter von nur 56 Jahren im Münchner Krankenhaus Rechts
der Isar. Begraben wurde er in seiner
Geburtsstadt Paris auf dem Friedhof
Père Lachaise. Mehr als sein Tod hat
ihn aber das Leben mit unserer Stadt
verbunden, und er gestand: „Ich fühle
mich in Deutschland, in meiner Wahlheimat München, sehr wohl. Ich mag
Bayern, ich bin nach so langer Zeit sogar ein wenig bayerisch angehaucht.“
Bonvivant und „Vollmensch“
ruar 1988 arbeitete er rastlos weiter
– bis zu seinem Tod im selben Jahr.
Sehr früh, 1952 mit 20 Jahren, schuf
er sein erstes Bühnenbild in Hannover für die Uraufführung von Henzes
Boulevard Solitude, ebenso 1956 für
König Hirsch in Berlin. Henze und
Ponnelle blieben Freunde fürs Leben.
Bald rief Amerika (San Francisco) mit
Orffs Carmina Burana und Die Kluge.
Seine erste Opernregie war Tristan
und Isolde in Düsseldorf. Fürs Münchner Gärtnerplatztheater brachte er
zunächst Purcells Feenkönigin heraus.
Die erste Regiearbeit für die Bayerische Staatsoper war 1966 Simon
Boccanegra. Bei den Salzburger Festspielen debütierte er mit Rossinis
Barbiere 1968, den er auch für Unitel
verfilmte. Zur Legende wurde sein
Monteverdi-Zyklus in Zürich mit Nikolaus Harnoncourt am Pult 1975-79
(Gastspiel auch in München 1980).
Furore machten dann Wagners RingZyklus in Stuttgart 1977-79. Es folgte
viel Mozart und dann schließlich
1981 Tristan in Bayreuth, den Simone Young als ihr Schlüsselerlebnis von
1986 nennt: „Es war dieses herrliche
Bühnenbild mit dem riesigen Baum...“
Um seine Gesundheit stand es schon
damals nicht mehr zum Besten. Bei
ihm traf sicher zu, dass seine Schaffenskraft sich wie eine an beiden Enden brennende Kerze verzehrte. In
München hat er eigentlich mit einer
Ausstattung an den Kammerspielen 1952 begonnen, um dann 1958
für das Ballett der Staatsoper im
Prinzregententheater Josephs Legende auszustatten, mit den später typischen berauschenden Rot-Tönen.
1960 folgte Intermezzo von Strauss
und Händels Agrippina im CuvilliésTheater, aber auch Carmen. (Ich glaube, seine Carmen wird gerade irgendwo
wieder belebt.) Die Kritik schrieb vom
„Triumph einer barocken Bühnenrevue“ im Zusammenhang mit der Feenkönigin. Also so neu ist alles von heute
gar nicht, nur halt Alltagsrevue, wie
öde! Fürs Deutsche Theater machte
Ponnelle komplett Hallo Dolly und eine
Schöne Helena für das Gärtnerplatztheater. Legende bleibt sein Titus im
Cuvilliés-Theater mit Julia Varady und
Brigitte Fassbaender. 1975 gab es für
die Bavaria/ZDF die Carmina Burana.
Sein nächster Streich hier wurde die
Uraufführung von Aribert Reimanns
Lear an der Staatsoper mit Dietrich
JEAN-PIERRE PONELLE ZUM 20. TODESTAG
IMPRESSUM - IBS JOURNAL
Zeitschrift des Interessenvereins des
Bayerischen Staatsopernpublikums e.V.
im Eigenverlag.
Herausgeber: Der Vorstand
Redaktion:
Vesna Mlakar
Layout:
Ingrid Näßl
Erscheinungsweise: 4 x jährlich
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Jahresabonnement für Nichtmitglieder
€ 15,-- einschließlich Zustellung.
Zur Zeit gültige Anzeigenpreisliste:
Nr. 6, 1. März 2006
Die mit Namen gekennzeichneten Artikel stellen
die Meinung des Verfassers und nicht die
Ansicht der Redaktion dar.
Nachdruck in anderen Druckwerken
nur mit Genehmigung des Vorstandes.
Druck: Druck & Medien Schreiber GmbH
Vorstand
Jost Voges Monika Beyerle-Scheller  Richard
Eckstein  Hans Köhle  Vesna Mlakar  Wulfhilt Müller  Eva Weimer
Ehrenmitglieder
Heinrich Bender, Inge Borkh, Sir Peter Jonas,
Hellmuth Matiasek, Aribert Reimann, Wolfgang
Sawallisch, Wolfgang Scheller, Peter Schneider,
Peter Schreier, Peter Seiffert, Konstanze Vernon
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1/2 Jean-Pierre Ponelle
zum 20. Todestag
3 Veranstaltungen
4 Mitgliederversammlung
5 Nicole Cabell
6 Joel Frederiksen
7 Nikolai Schukoff
8 Hanno Müller-Brachmann
9 Peter Anders zum 100. Geb.
10 Salome in Innsbruck
11 Cardillac in Augsburg /
Kopfstimme an der
Bayerischen Theaterakademie
12 Arbeit Nahrung Wohnung:
Eröffnung der 11. Münchner
Biennale
13 Verschiedenes
14 Ausstellungen
15/16 Buchbesprechungen
Fischer-Dieskau. Mustergültig! 1980 minierte und am Ende blutige Tränen
bekamen wir seine Cenerentola (Hän- verströmte (Kostüme von Pet Halmen,
de weg davon, die lebt noch 30 Jah- wie so oft). Damit könnte man noch
re!) mit Frederica von Stade. Passen heute reüssieren. Nur ausgeliehen hamusste Ponnelle 1982 bei Moses und ben wir eine Italiana von Rossini beAron wegen Krankheit, als er von
kommen und Massenets Manon.
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Künstlers:
WagCoullons in Burners Frühwerk Das
gund von seinem
Liebesverbot (in der
Vater. Everding nannAZ von Marianne Reißte ihn „Vollmensch“,
inger zwar zerzaust) oder
der nicht Intendant werHindemiths Cardillac – „ein
den wollte. Die Zahl seiner
funkelnder Edelstein im Geschmeide Werke summiert sich auf die undes Staatsopern-Repertoires“, wie in glaubliche Zahl von 230. Er arbeiteder tz der damalige Kritiker schrieb te sogar noch am Tag seines Todes.
(oh weh, wenn ich da an die jetzige Dank der modernen Technik bleiben
Augsburger Inszenierung denke; öde, seine Kostüme, Bühnenbilder und
oft peinliche Alltagstristesse unserer Regietaten der Nachwelt und den
Videoüberwachungsgegenwart). Auch nachwachsenden Künstlern erhalten.
Turandot wurde ein Opernereignis mit
dem Ahnenhaupt, das die Bühne doFidel Rabong
Foto : Flyer Büh
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INHALT
Wir gratulieren
13.08.2008
Kathleen Battle zum 60. Geburtstag
15.08.2008
Hanna Schwarz zum 65. Geburtstag
21.08.2008
Janet Baker zum 75. Geburtstag
26.08.2008
Wolfgang Sawallisch zum 85. Geburtstag
12.09.2008
Luis Lima zum 60. Geburtstag
22.09.2009
Andrea Bocelli zum 50. Geburtstag
23.09.2008
Spas Wenkoff zum 80. Geburtstag
06.10.2008
Udo Zimmermann zum 65. Geburtstag
Peter Konwitschny zur Ernennung als Chefregisseur der Leipziger Oper für sechs Jahre
Anne-Sophie Mutter zur Verleihung des Ernst-von-Siemsens-Musikpreises
Sir Peter Jonas und Zubin Mehta zur Verleihung des Maximiliansordens
Dem Münchener Kammerorchester für den Preis „Neues Hören“ der Kölner Stiftung „Neue Musik im
Dialog“
Lucia Lacarra, Lisa-Marie Cullum, Alen Bottaini und Norbert Graf vom Bayerischen Staatsballett zur
Verleihung der Kammertänzerwürde
Wilfried Hiller, Prof. Siegfried Jerusalem und Prof. Klaus Schultz zur Verleihung des Bayerischen Verdienstordens
Wir gedenken
04.08.1908 – 29.06.1994
Kurt Eichhorn zum 100. Geburtstag
22.08.1928 – 05.12.2007
Karl-Heinz Stockhausen zum 80. Geburtstag
25.08.1918 – 14.10.1990
Leonard Bernstein zum 90. Geburtstag
17.09.1908 – 12.09.1982
Franz Grothe zum 100. Geburtstag
23.09.1923 – 20.05.2002
Sándor Kónya zum 85. Geburtstag
18.03.1901 – 29.09.1993
Tatjana Gsovsky zum 15. Todesstag
Anlässlich des 5. Todestags von Otto Edelmann (1917-2003) wurde am 14. Mai 2008 in Wien, vor der
Einfahrt zum Kollegium Kalksburg, der Otto Edelmann Weg eröffnet.
VERANSTALTUNGEN
KÜNSTLERGESPRÄCHE
KULTURELLER VORMITTAG
WANDERUNGEN
Piotr Beczala
Der aus Polen stammende Sänger war
Ensemblemitglied am Linzer Landestheater und der Oper Zürich. Heute zählt er
zu den führenden Tenören des lyrischen
Fachs. Neben der Oper singt er auch ein
umfangreiches Konzertprogramm. 2006
gab er sein Debüt an der Bayerischen
Staatsoper. Im Juli können wir ihn wieder
als Werther erleben. Bei den diesjährigen
Salzburger Festspielen wird er als Prinz in
Rusalka debütieren.
Freitag, 25. Juli 2008, 19.00 Uhr
Moderation: Helga Schmidt
Zweiter Besuch der Werkstätten der
Bayerischen Staatsoper in Poing
7. Oktober 2008, 15.30 Uhr
Bereits auf der Warteliste stehende Mitglieder werden über den genauen Termin
informiert.
Einige Plätze sind noch frei.
Anmeldung bitte ab 8. September über
das IBS-Telefon.
Leitung: Eva Weimer
Samstag, 23. August 2008
Rund um den Eibsee und nach Grainau
Gehzeit ca. 3 ½ Std.
Einkehr nach ca. 2 Std. im Hotel Eibsee
Führung: Hiltraud Kühnel
Tel.: (089) 755 91 49
München Hbf
ab 8.32 Uhr
Garmisch
an 9.59 Uhr
Zahnradbahn
ab 10.15 Uhr
Eibsee
an 10.45 Uhr
Kosten: Bayernticket plus ca. € 8,-(für die Zahnradbahn)
Achtung: Anmeldung über Frau
Kühnel direkt.
Dr. Ulrich Peters
Der Intendant des Staatstheaters am
Gärtnerplatz blickt auf seine erste
erfolgreiche Saison und mit Fra Diavolo
auf sein Münchner Regiedebüt zurück.
Im Gespräch stellt er den Opernfreunden außerdem seine Pläne für die neue
Spielzeit vor.
Donnerstag, 18. Sept. 2008, 19.00 Uhr
Moderation: Richard Eckstein
Beverly Blankenship
Die Regisseurin, die am Staatstheater
am Gärtnerplatz Das Märchen vom Zaren
Saltan von Rimski-Korsakow (Premiere:
20. Dezember 2008) inszenieren
wird, studierte am Max Reinhardt Seminar. Seither hat sie in Deutschland,
Österreich und Australien für Oper,
Schauspiel und Film gearbeitet.
Freitag, 13. Dezember 2008, 19.00 Uhr
Moderation: Helga Schmidt
Alle Veranstaltungen finden im
Künstlerhaus am Lenbachplatz statt.
Kasse und Einlass jeweils ½ Std. vor
Beginn
Kostenbeitrag: Mitgl. € 4,-- / Gäste € 7,-Schüler und Studenten zahlen die Hälfte.
Traditioneller Biergartentreff
im Augustiner-Biergarten, Arnulfstraße,
rückwärtiger Teil bei der Selbstbedienung
Dienstag 12. August 2008, und/oder
Dienstag 19. August 2008,
jeweils ab 17.00 Uhr
Telefonische Nachfrage bei Herrn Köhle
unter Tel.: (089) 719 23 96
VERANSTALTUNGSHINWEIS
Vortrag: „Die Juden in der Oper“ von
Thomas Bogatz, (RWV und Staatsoper
Stuttgart)
Samstag, 11. Oktober 2008, 15.00 Uhr
Künstlerhaus am Lenbachplatz
Ermäßigter Eintritt bei Vorlage des IBSMitgliedsausweises
Das IBS-Büro ist vom 4. August bis
einschließlich
7. September geschlossen.
Ab dem 8. September 2008 sind wir
wieder für Sie da. Wir wünschen
einen schönen Sommer!
Vorschau 2009  Künstlergespräche
Genia Kühmeier
8. Januar 2009
Dominique Visse
25. Februar 2009
Bertrand de Billy
9. März 2009
Joseph Calleja
25. Mai 2009
Samstag, 13. September 2008
St. Koloman – Berg – Wörth – Wifling
– St. Koloman
Gehzeit ca. 3 Std.
Führung: Erika Weinbrecht
Tel.: (089) 691 53 43
Marienplatz
ab 9.15 Uhr
(S2 Richtung Erding)
St. Koloman
an 9.53 Uhr
Einkehr: nach ca. 2½ Std. (Da Giuseppe)
Rückfahrt: im Takt 13.27 Uhr,
14.07 Uhr, 14.27 Uhr, 15.07 Uhr
Samstag, 11. Oktober 2008
Schliersee und
Markus-Wasmeier-Museum
Gehzeit ca. 3 Std.
Führung: Wolfgang Scheller
Tel.: 08022-3649
BOB München Hbf
ab 8.42 Uhr
Schliersee
an 9.33 Uhr
Einkehr: nach ca. 2 Std. „Beim Wofen“,
anschließend Führung durch das Museum: Eintritt mit Führung € 8,-Rückweg über Panoramaweg am See,
ca. 1 Std.
Rückfahrt ab Schliersee z. B. 16.35 Uhr
Nicht-Wanderer (nur Museumsbesuch)
mit BOB bis Fischhausen-Neuhaus
(bitte bei W. Scheller melden)
Achtung: Anmeldung über IBS-Telefon
wegen BOB-Tagesticket
Jeder Teilnehmer unternimmt die Wanderungen auf eigene Gefahr. Irgendeine Haftung für Schäden wird nicht übernommen.
IBS e. V., Postfach 10 08 29, 80082 München
Tel. und Fax: 089 / 300 37 98  [email protected]  www.opernfreundemuenchen.de
Bankverbindung: Postbank München 312030800 (BLZ 70010080)
Bürozeiten Montag  Mittwoch  Freitag 10-13 Uhr
3
A
m 26. April 2008 fand die ordnungsgemäße Mitgliederversammlung im Künstlerhaus
am Lenbachplatz bei einer Teilnahme
von 60 Mitgliedern statt. Der 1. Vorsitzende Wolfgang Scheller begrüßte
die Teilnehmer und verkündete, dass
dies die letzte MGV seiner nunmehr
fast 25-jährigen Amtszeit sei. Höhepunkte des vergangenen Jahres waren
der Festakt mit Konzert zum 30-jährigen Bestehen des Vereins im Gartensaal des Prinzregententheaters,
in Anwesenheit von Herrn Staatsminister Dr. Thomas Goppel, sowie
das Mickisch-Konzert im Gasteig.
Die Mitgliederzahl per 26. April 2008
betrug 469 Mitglieder. Erfreulicherweise durften wir im vergangenen
Jahr 27 neue Mitglieder begrüßen.
Die Schatzmeisterin, Frau BeyerleScheller erläuterte die Finanzen. Die
größten Ausgabeposten sind die Veranstaltungen und das IBS Journal.
Es wird erwogen, den Abopreis für
die Künstlergespräche im kommenden Jahr auf € 20,-- anzuheben. Das
30-jährige Jubiläum konnte trotz
enorm hoher Kosten dank der vielen Spenden, die im Laufe des Jahres eingingen, einen kleinen Überschuss verbuchen. Die Jahresbilanz
wurde mit einem leichten Minus
abgeschlossen, das im kommenden
Jahr durch den Wegfall der Mietkosten für das Büro in der Gartenstraße aufgefangen werden dürfte. Frau
Beyerle-Scheller dankte allen Damen
für ihren Einsatz bei Einlass und
Kasse während der Veranstaltungen.
Frau Weimer dankte den Damen,
die sie dabei unterstützen, den 3x
wöchentlichen Telefondienst für
die Mitglieder aufrecht zu erhalten.
Herr Köhle gab anschließend einen
Überblick über die Veranstaltungen des letzten Jahres: 13 Künstlergespräche, ein Salongespräch, eine
Veranstaltung der Reihe „Werk &
4
Interpret“, sieben kulturelle Vorbzw. Nachmittage, fünf Sonderveranstaltungen (2x Biergartentreff,
das 30-jährige Jubiläum, Adventsbeisammensein und das MickischKonzert), sowie 13 Wanderungen.
Er
dankte
allen
Mitarbeitern
für ihre Unterstützung, den Planern und Moderatoren der Künstlergespräche, den Planern und
Leitern der Wanderungen, etc.
Herr Eckstein ließ Grüße von Frau
Mlakar ausrichten, die – beruflich bedingt – nicht an der MGV teilnehmen
konnte. Er erläuterte noch einmal,
wie schwierig es sei, in den Medien
präsent zu sein. Sein ganz besonderer Dank galt Frau Mlakar und Frau
Näßl, die mit enormem Einsatz das
4 mal jährlich erscheinende IBS Journal herausbringen. Frau Gutjahr berichtete, dass die stattgefundene Kassenprüfung ohne Beanstandungen
durchgeführt wurde. Alle zwei Jahre
findet die Wahl der Kassenprüfer
statt; es kandidierten Frau Gutjahr
und Frau Billmeier. Sie wurden einstimmig gewählt. Herr Krauth beantragte die Entlastung des Vorstandes,
die einstimmig angenommen wurde.
Vom Vorstand wurde vorgeschlagen, Ks. Edita Gruberova die Ehrenmitgliedschaft anzutragen, sie
zu einem Künstlergespräch mit anschließender Verleihung einzuladen.
Der Vorschlag wurde angenommen.
Da Herr Scheller sein Amt als 1. Vorsitzender niederlegte, bestimmte der
Vorstand (lt. Satzung) Herrn Jost
Voges für ein Jahr bis zur satzungsmäßigen Neuwahl zum 1. Vorsitzenden. Herr Voges erklärte sich bereit,
das Amt zu übernehmen und stellte sich den Mitgliedern vor. Er ist
66 Jahre alt, verheiratet und Vater
einer Tochter. Nach seinem Studium in Köln war er im Management
tätig. Seit 1972 wohnt er im schö-
Foto: Wulfhilt Müller
IBS − MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2008
Neuer 1. Vorsitzender des IBS: Jost Voges
nen München. Wer ihn erreichen
möchte, kann dies gerne telefonisch
unter der Nummer 089/ 635 14 22
oder per Fax 089- 635 14 38 bzw.
Email: [email protected] tun.
Herr Köhle dankte Herrn Scheller für
seine jahrelange ehrenamtliche Tätigkeit als 1. Vorsitzender und überreichte ihm eine Karte für die Festspielaufführung der Meistersinger im
Nationaltheater, seiner Lieblingsoper.
Eva Weimer
Insidertipp:
Viele dieser Bilder sind gewiss nicht jedermanns Sache. Was so alles in den
beiden Jahrzehnten vor dem Ersten
Weltkrieg – als Gegenbewegung zum
akademischen Stil – gemalt wurde, zeigt
die Villa Stuck bis zum 14. September in
einer der Münchner Secession gewidmeten Ausstellung. Mehr als 100 Gemälde und einige Statuetten veranschaulichen den Stilpluralismus, der von 1892
bis 1914 geherrscht hat: Ausläufer der
Gründerzeit spiegeln sich in der damaligen Kunstproduktion ebenso wider wie
impressionistische oder symbolistische
Tendenzen und Spielarten des Jugendstils. Plötzlich steht man aber vor einem
Bild, dessen magisches Blau auch heute noch einfach unwiderstehlich wirkt:
Hans Thomas 1906 entstandene fast surreale Szenerie mit dem Titel „Einsamkeit“.
ZU GAST BEIM IBS
... and the winner is: Nicole Cabell – eine Stimme wie flüssiges Gold
Als Nicole Cabell vor ca. 30 Jahren in
Kalifornien geboren wurde, ahnte sicherlich niemand diesen Berufsweg
voraus. Sie wollte eigentlich Schriftstellerin („vielleicht schreibe ich später unter einem Pseudonym“) oder
Basketball-Spielerin werden. Gesang
und klassische Musik interessierten
sie zunächst nicht bzw. zusammen mit
einer Freundin nur insofern, als man
jeden Musik-Interpreten nachzuahmen versuchte, u. a. auch Dame Kiri
Te Kanawas Puccini-CD. Die Mutter
bestand jedoch auf Flötenunterricht
und schickte sie in den Schulchor. Bei
einer Schulmusical-Aufführung fiel ihr
Talent auf. Sie nahm drei Jahre privaten Gesangsunterricht bei Linda K.
Brice, bevor sie an der Eastman School
of Music aufgenommen wurde. Nach
nur kurzer Zeit an der Juilliard School
holte man sie an das Lyric Opera Center for American Artists der Chicagoer
Oper, ähnlich unserem Opernstudio.
Nicole Cabell fällt nicht allein ihres gesanglichen Talents wegen auf, sondern
auch ihr Äußeres ist beeindruckend,
geprägt durch afro-amerikanisch-europäisch-koreanischen Einfluss. Ihr
Großvater war der erste afro-amerikanische Sheriff von Los Angeles.
Auf ihre bunt-gemischten Gene ist sie
mit Recht sehr stolz. So präsentiert
sie sich an diesem 18. April 2007 im
Künstlerhaus ganz als Dame, die üppige Haarpracht gebändigt und streng
ordentlich zurückgekämmt, schwarz
gekleidet, mit hinreißendem Ohrgehänge und stellt sich bereitwillig, diszipliniert und charmant lächelnd den
klugen Fragen von Michael Atzinger
(BR 4 Klassik), den Wulfhilt Müller
bei der englischen Übersetzung unterstützt. Nicole Cabell greift des öfteren
in die Übersetzung ein, was vermuten
lässt, dass sie bereits gut deutsch versteht, verrät sie uns doch auch, dass
München mittlerweile ihre zweite
Heimat ist, sie ihre Freizeit gerne im
Umland verbringt. Und dann fallen
namentlich die Highlights Linderhof,
Neuschwanstein und Oberammergau.
Foto: Homepage der Künstlerin
S
o hieß es für die junge amerikanische Sopranistin im Juni 2005
beim alle zwei Jahre stattfindenden BBC Cardiff Singer of the World
Competition (in Wales behauptet man,
den größten Gesangswettbewerb der
Welt zu veranstalten). Dieser Sieg – in
der Jury saßen so namhafte Künstler
wie Elly Ameling, Helmut Deutsch,
Marilyn Horne, Rene Kollo und Sergej Leiferkus – katapultierte die Karriere der sympathischen Sängerin
weltweit explosionsartig nach oben.
Presse in Berlin, als sie überraschend
im Dezember 2006 an der Deutschen
Oper für die erkrankte Angela Gheorghiu an der Seite von Neil Shicoff
die Juliette singen durfte. Den guten
Kontakt zu München verdankt sie der
Zusammenarbeit mit verschiedenen
Orchestern, so den hiesigen Symphonikern unter Georg Schmöhe, dem
Münchner Rundfunkorchester unter
Miguel Gomez-Martinez, hier war sie in
der Rolle der Norina in Don Pasquale zu
hören (Rollendebüt) und der BohèmeEinspielung (Musetta) mit Netrebko/Villazon unter Bertrand de Billy
mit dem Symphonieorchester des BR.
Bald wird es dazu auch einen Film auf
DVD geben.
Verschiedene Musikbeispiele aus ihrem ersten Album wie Musetta, Louise,
Bess, Lauretta und Norina dokumentierten eindrucksvoll, dass es sich hier
um ein Stimm-Potential mit guter Technik handelt, das sich nicht in wenigen
Jahren zu erschöpfen droht. Folgender
Aussage von Marilyn Horne wollen wir
uns uneingeschränkt anschließen: „Nicole Cabell wird ein erfülltes Leben mit
der Musik verbringen, und ich persönlich freue mich darauf, diesen besonderen Klang viele, viele Male zu hören.“
Sieglinde Weber
München verbunden: US-Sopran Nicole Cabell
Nicole Cabell achtet bei ihren Auftritten sehr darauf, dass es Rollen sind,
die ihrem Stimmcharakter entsprechen. Singen soll ihr und ihrem Publikum Spaß machen. Ihr Lieblingskomponist ist zwar Puccini, sie hält
ihre Stimme vorläufig dafür aber nicht
für geeignet. Damit befolgt sie auch
den Rat von Dame Joan Sutherland,
als diese ihr die Kristall-Trophäe als
Schirmherrin in Cardiff überreichte:
„Machen Sie nicht zu früh zu viel!“
Vielleicht in zehn Jahren kann sie sich
eine Mimi oder Manon vorstellen.
„Sie kam, sah und siegte“, schrieb die
Dietrich Henschel als Karl V.
In seinem „Bühnenwerk mit Musik“ Karl V.
zeichnet Ernst Krenek (Libretto/Musik) das
Leben des mächtigen Kaisers nach. Dieser
beichtet auf dem Totenbett einem jungen
Mönch die Motive und Folgen seines politischen Handelns. Beim Versuch, in einer
von Brutalität und Krieg geprägten Zeit
den moralischen Ansprüchen gerecht zu
werden, sieht er sich dabei immer wieder mit der Frage nach persönlicher Verantwortung des Einzelnen konfrontiert.
1938 in Prag uraufgeführt, geht von der
selten inszenierten, ersten abendfüllenden Zwölftonoper der Musikgeschichte
bis heute eine fesselnde Aktualität aus.
Bregenz, Festspielhaus, 24., 27., 31. Juli,
3. August.
5
ZU GAST BEIM IBS
Coloratura basso profondo & Lautenist: Joel Frederiksen
J
Was dieses musikalische Multitalent
auszeichnet, war schnell klar: eine
imponierende Statur (wozu der vom
bewunderten Kollegen Samuel Ramey
entlehnte Bart genuin gehört), großes
Charisma, ein gewinnendes Lächeln
und eine Bestimmtheit in den Antworten auf die Fragen des Verfassers dieser Zeilen, die jedem deutlich werden
lässt, dass Frederiksen nicht nur weiß,
worüber er spricht, sondern auch, dass
er exakt weiß, was er will; zwei Eigenschaften, die ihn zu einem Experten in
Theorie und Praxis des riesigen vokalen Alte-Musik-Repertoires machen.
Solch eine Stimme prägt sich ein, ob
sie nun britisch-amerikanische Balladen aus dem 19. Jahrhundert vorträgt oder den emotionalen Verlauf
von französischen und italienischen
Renaissance-Arien seismographisch
genau nachzeichnet: Zu Frederiksens balsamisch-schwarzem Timbre
gesellt sich eine perlende Koloraturgeläufigkeit. Zupackende ExtremHöhen und -Tiefen werden über eine
völlige Ausgeglichenheit der Register
erreicht. Nicht zu vergessen: Seine
glänzende Virtuosität auf der Laute!
Wenn sich Frederiksen auf der Laute
oder Erzlaute selbst begleitet, fühlt
man sich mitten hinein in vergangene Zeiten versetzt. 2007 wurde er
deshalb für seine künstlerische Imaginationskraft mit dem AZ-Stern
6
Foto: Eric Larrayadieu for Harmonia Mundi
a, gerade jenseits des Klassik-und
Opern-Mainstreams gibt es noch
Entdeckungen zu machen. Dazu
bot die Neuausgabe der IBS-Reihe
„Werk & Interpret“ am 26. April 2008
ein ideales Forum. In Wort und LiveTon konnte man dem amerikanischen
Bassisten und Lautenisten Joel Frederiksen, einem Nachfahren dänischer
Wikinger – wie er schmunzelnd selbst
behauptete – und Renaissance- bzw.
Barock-Barden auf höchstem künstlerischen Niveau, richtig nahe kommen.
Bass und Lautenist in Personalunion
des Jahres im Bereich Klassik ausgezeichnet. Seit einigen Jahren prägt
seine musikalische Präsenz auch
das von ihm gegründete Ensemble
Phoenix Munich – ein Zusammenschluss von international renommierten Sängern und Instrumentalisten.
An dieser Stelle verwies der Künstler auf die überaus positiven Erfahrungen, die sein Ensemble und er mit
der Konzertreihe „Zwischen Mars &
Venus“ im Bayerischen Nationalmuseum machen durften. Von Publikum
wie Presse umjubelt, waren dort seit
September 2007 fokussierte Einzelprogramme zu den ewig zeitlosen Themen Liebe, Gewalt und Leidenschaft
zu erleben. Den Abschluss der Serie
bildete am Mittag des 27. April The
Elfin Knight – nur einen Tag nach dem
„Werk & Interpret“-Nachmittag. Wir
durften vorab Ausschnitte hören…
Frederiksen studierte Gesang und Laute in New York und Michigan, wo er an
der Oakland University sein Examen
machte. Im Anschluss an sein Studium
arbeitete er mit den führenden amerikanischen Ensembles für Alte Musik
wie der Boston Camerata und dem Waverly Consort zusammen. Unter dem
Namen L’antica musica leitete er außerdem eine eigene Gruppe in New York.
Zeitgleich machte er als Opern- und
Oratoriensänger auf sich aufmerksam.
Engagements führten ihn vom Vancouver Summer Festival (Plutone in Monteverdis Orfeo) bis zu den Festivals von
Hongkong und Brisbane (Australien).
Nach seinem erfolgreichen Debüt 1998
bei den Salzburger Festspielen in Kurt
Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny unter Dennis Russel-Davies
ließ er sich in Europa nieder. Von seinem Wohnsitz in München aus bereist
Frederiksen seither regelmäßig das
In- und Ausland, um als Solist mit anerkannten Größen der Szene wie Jordi
Savall, Paul van Nevel, Stephen Stubbs
und Paul O’Dette zu singen bzw. mit
den weltweit bedeutendsten Gruppen
für Alte Musik – u. a. dem Huelgas Ensemble, dem Ensemble Gilles Binchois,
dem Ensemble Unicorn, dem Freiburger
Barockorchester, dem Hassler-Consort
oder der Musica Fiata – aufzutreten.
Unlängst ist seine Debüt-CD mit dem
Ensemble Phoenix Munich beim renommierten Label Harmonia Mundi
erschienen, die zahlreiche Münchner
Opernfreunde im Anschluss erwarben
und sich signieren ließen. Aufgrund
des großen Erfolgs dieser CD hat Frederiksen bereits eine weitere Platte bei
Hamonia Mundi eingespielt, die im
kommenden August erscheinen soll.
Ihm wurde die Ehre einer Solo-CD zuteil! Und auch seine Konzertreihe „Zwischen Mars & Venus“ läuft weiter: Die
nächsten Termine im Bayerischen Nationalmuseum sind der 2. Oktober und
13. November 2008. Mit O felice morire
– einem Programm virtuoser Musik aus
dem italienischen Frühbarock – treten
Joel Frederiksen und sein Ensemble
Phoenix Munich am 9. Februar 2009
erstmals im Münchner Prinzregententheater auf. Jetzt schon vormerken!
Richard Eckstein
ZU GAST BEIM IBS
Geballte Energie – Nikolai Schukoff
Woher kommt der russische Name des
Grazers, der mittlerweile in Paris lebt
und am 21. Mai 2008 im Gespräch
mit Jakobine Kempkens beim IBS zu
Gast war? Genau genommen heißt er
Nikolai Andrej Schukoff; nach seinem
Urgroßvater mütterlicherseits, Andreas von Wagner. Russe war der Großvater väterlicherseits, der in Österreich
eine Slowenin heiratete. Das Ergebnis
dieses farbenreichen Stammbaums
überrascht mit geballtem „LatinoCharme“ – und nun wiederum überrascht der gemütliche Grazer „Slang“.
Wie wird eigentlich ein Student der
Verfahrenstechnik zum Sänger? Durch
den Wunsch, etwas auszudrücken,
Gefühle zu transportieren, Schönheit
zu erschaffen. Und woher kommt die
Wärme der Stimme, woher der tenorale Glanz? Aus dem Willen. Die Stimme folgte dann schließlich; teilweise
trotz und nicht wegen seiner Lehrer.
Es war die Faszination für das Tenorfach, die gefühlte Berufung, unbeirrbare Zielorientierung gegen viele Widerstände. Seine Vielseitigkeit – von
der Oper bis zur Operette – schließt
schauspielerisches Talent ein, weshalb
man ihm gerne Rollen gebrochener,
schwieriger Charaktere überträgt. Der
Reiz der Schauspielerei bestehe in den
zusätzlichen Dimensionen, die es in
der Oper nicht gibt. Warum dann heute noch Oper? Weil sie rudimentäre,
archaische, bombastische Gefühle
auf eigene Weise vermitteln lasse.
Foto: Lydia Wunderlich
D
er Parsifal ist seine Lieblingsrolle, wegen ihrer Komplexität
und der starken Entwicklung
(ähnlich Tristan, Tannhäuser und
Siegfried). Diese Rolle ehrlich und mit
„Herzblut“ zu gestalten, ist ein besonderes Anliegen von Nikolai Schukoff – er kämpft zu Beginn des dritten Akts regelmäßig mit den Tränen.
„Latino-Charme“ und Grazer „Slang“
Ein Manko eines großen Teils der modernen Musik sei es, eher zu beeindrucken statt zu berühren. Manche
Zuhörer lieben das und vergessen,
dass sie berührt werden wollen. „Wenn
man wenigstens eine Phrase mitnehmen und nachsingen kann, dann war
es ein gutes Stück.“ Schukoff weiß zu
berühren. Das mag mit seiner (überwundenen) Krebserkrankung in der
Mannheimer Zeit – sein zweites festes
Engagement nach Gelsenkirchen – zusammenhängen, deren nachfolgende
Ereignisse und Überlegungen ihm direkteren Zugang zu seiner Gefühlswelt
und sorgsamen Umgang mit sich selbst
beschert haben. Zwei Monate später
trat er wieder auf – in Nürnberg. Er
lernte, seine Energie zu bündeln, aber
auch, sich immer wieder zu besinnen,
was er wirklich will, was die Akzeptanz
der Rollenangebote beeinflusst. Und
dass Hans Werner Henze ihm nach
seiner Premiere als Dionysos in den
Bassariden gesagt habe, dies wäre einer
der schönsten Tage in seinem Leben
gewesen, und er würde nach Rom zurückreisen, wissend, dass er nicht umsonst gelebt hätte – das spricht Bände.
Nikolai Schukoff besticht durch Können, Authentizität, Intuition. Vielleicht ist es die Furchtlosigkeit dessen,
der „dem Tod ins Auge geblickt hat“: Er
nimmt es auf diplomatische Weise mit
„etwas sperrigen“ (Kempkens) Regisseuren auf. Man könne bei sehr guter
Vorbereitung durchaus Einfluss nehmen, von der eigenen Sicht der Rolle
überzeugen und dadurch zu Kompromissen finden. Nun – das lässt hoffen.
Wunschrollen? Der Cavaradossi (Tosca), Lenski (Eugen Onegin), Hermann
(Pique Dame), der Prinz (Rusalka), Tom
Rakewell (The Rake’s Progress), Peter
Grimes, Alvaro (Macht des Schicksals),
Dimitrij (Boris Godunow), Tannhäuser,
Samson, Paul (Die tote Stadt), Andrea
Chénier, Loge (Der Ring des Nibelungen), Apollo (Daphne), Bacchus (Ariadne auf Naxos), der Kaiser (Die Frau
ohne Schatten). Uns Münchnern bleibt
er in den nächsten drei Jahren erhalten als Eisenstein in der Fledermaus
am Faschingsdienstag, als Erik im Holländer, als Dionysos und als Parsifal.
Gerlinde Böbel
Museumstipp:
Manchmal scheint es so, als seien die letzten wirklichen Entdecker des Münchner Völkerkundemuseums die Mitglieder der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ gewesen. Das gar nicht weit vom Nationaltheater gelegene Haus
in der Maximilianstraße 42 hat nun einen neuen – und man darf sagen – grandiosen Anlauf unternommen, um
dem bisherigen Schattendasein zu entkommen. Die neue, vorzüglich präsentierte Dauerausstellung „Weiter als
der Horizont“ im rechten Seitentrakt stellt nicht geschichtlich-ethnologische Zusammenhänge in den Vordergrund, sondern allein die ästhetische Aussagekraft einzelner Kunstwerke aus Afrika, Lateinamerika, Ozeanien, Nordamerika, Südasien, Ostasien und dem Orient. Meisterwerk reiht sich an Meisterwerk: In europäischen Dimensionen ausgedrückt, steht dort Riemenschneider neben Michelangelo, Picasso neben Kirchner. Einfach sensationell!
7
ZU GAST BEIM IBS
A
uf Anraten seiner Flötenlehrerin in Lörrach kam Hanno
Müller-Brachmann früh in
die Knabenkantorei Basel. Die Proben
dort zweimal in der Woche wurden
zum Höhepunkt seiner Kindheit und
nach anfänglichen Gesangsübungen
und Singen im Anfängerchor kam
dann der Ritterschlag: Den roten Pulli
trugen alle Chormitglieder, die öffentlich auftraten. In der Knabenkantorei
Basel ist er dann vor allem mit alter
und geistlicher Musik groß geworden.
Im Alter von 12 Jahren sang er sein
erstes Solo, als er 14 war, verließ er
den Chor, ab 16 nahm er Gesangstunden und studierte bald mit einer
gleichaltrigen Italienerin ausgiebig
Lieder ein und sang sie im Klassenkonzert. Von daher kommt seine große
Liebe zum Lied, die er jedes Jahr mit
Liederabenden dokumentiert. Die
Programme dazu stellt er selbst zusammen: „Das ist wie ein Hobby“. Ein
Liederabend von ihm muss immer ein
Gesamtkonzept haben, es basiert z. B.
auf einem Komponisten, einem Dichter oder einem Thema. Dabei kommt
es auch häufig zu einer Mischung
aus Wohlbekanntem und Neuem.
Weiter zum Werdegang: Nach Abitur und Zivildienst beschloss er dann
doch, den Gesang zum Beruf zu machen. Er begann sein Studium bei
Prof. Ingeborg Most in Freiburg und
debütierte am dortigen Stadttheater
bereits während des ersten Semesters
als Truffaldino in Ariadne auf Naxos
Foto: Wulfhilt Müller
Hanno Müller-Brachmann – per rotem Pulli in den Ritterstand erhoben
Fährt gern mit dem Fahrrad zur Probe
unter der Stabführung von Donald
Runnicles, den er mit einem Schubertlied von seinem Können überzeugt
hatte (bis dato war er eigentlich an
der Oper nicht interessiert gewesen).
Nach sieben Semestern in Freiburg
und auf den Rat von Dietrich FischerDieskau, sich einen Mann als Lehrer
zu suchen, wechselte er an die Musikhochschule Mannheim zu Prof. Rudolf
Piernay, dessen – wie er sagt – grandiosen Unterricht er fünf Jahre lang genoss. In der Zeit gewann er Preise bei
renommierten Gesangwettbewerben,
wie ARD- und Meistersingerwettbewerb. Noch während der Studienzeit in
Mannheim erhielt er ein Engagement
an der Staatsoper Berlin für die Partie
des Pluto in Georg Philipp Telemanns
Orpheus mit René Jacobs als musika-
lischem Leiter. Darauf folgte die Aufnahme ins Ensemble der Lindenoper,
dem er nun seit zehn Jahren angehört.
Inzwischen gastiert er in vielen großen Opernhäusern und Konzertsälen
rund um die Welt, aber die Lindenoper ist für ihn die musikalische Heimat geworden, ist „mein Weinfass, in
dem ich reifen kann“, wie er sagt. Auch
sollen Familie und das Unterrichten
an der Hanns-Eisler-Hochschule für
Musik nicht zu kurz kommen. „Außerdem ist es so schön, wenn man mit
dem Fahrrad zur Probe fahren kann“.
Bisher singt er viel Mozart, viel Oratorium und Lieder, er will die Stimme
auf keinen Fall überfordern und nur
das Heldenfach bedienen, was dennoch nicht zu kurz kommt. So teilt er
seine Auftritte ca. 50/50 für Oper und
Konzert. Er ist froh, dass sein Beruf
so vielseitig ist, liebt auch das Unterrichten und empfindet es als Pflicht,
das, was er selbst auf hohem Niveau
gelernt hat, an junge Menschen weiterzugeben. Dabei gibt er den Schülern vor allem Technik an die Hand,
ihren Weg müssen sie selber finden.
Durch das Gespräch führte als Gastmoderatorin Dagmar Kolerus (Bayerische
Theaterakademie) und der Abend wurde durch Musikbeispiele von Bach,
Brahms, Mozart, Schubert und Telemann untermalt. Uns bleibt nur zu wünschen, dass Hanno Müller-Brachmann
auch in den kommenden Spielzeiten
wieder in München singen wird, vielleicht sogar einmal einen Liederabend.
Wulfhilt Müller
Ausstellungstipp:
Bayern und China – diese Verbindung gibt es nicht erst seit dem Technologie-Transfer unserer Zeit. Die hiesige Schlösserverwaltung hat sich die bevorstehende Olympiade in Peking zum Anlass genommen, unter dem Motto „China
im Schloss – Exotische Welten am bayerischen Hof“ an den ehemals regen Kultur-Austausch mit Fernost zu erinnern. An zwei reizvollen Orten wurden Sonderpräsentationen eingerichtet: Der südliche Pavillon von Schloss Nymphenburg beherbergt bis zum 15. September die Ausstellung „Ostwind – Westwind“, in der mehr als 60 chinesische
Importfächer und deren europäische Nachahmungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert gezeigt werden. Im Schwarzen Saal und in den Kurfürstenzimmern der Münchner Residenz (dem alten Stadtschloss der Wittelsbacher), sind
noch bis 19. Oktober acht kostbare, bis zu 26 Quadratmeter große barocke Wandteppiche u. a. mit Szenen aus dem
Leben des Kaisers von China zu sehen. Unter der Internet-Adresse www.residenz-muenchen.de/deutsch/aktuell/
teppich/tapis.htm kann man sogar von zuhause aus einen Blick auf die Tapisserien werfen (mit Zoom-Möglichkeit!).
8
IN MEMORIAM
Dem unvergessenen Tenor Peter Anders zum 100. Geburtstag
A
ls Peter Anders am 10. September 1954 seinen schweren
Verletzungen nach einem Autounfall erlag, verlor die deutsche Musikbühne in dem damals 46-jährigen Tenor einen ihrer profiliertesten Sänger.
Anders stand damals im Begriff, in das
schwere Heldenfach zu wechseln, nachdem er bereits Florestan, Don José und
Otello gesungen hatte. Er erfreute sich,
nicht zuletzt durch viele Rundfunkaufnahmen, einer ungewöhnlichen Popularität, die er durch zahlreiche Operettenaufnahmen ständig vergrößerte.
Seine Laufbahn war nicht einfach gewesen: Er wurde am 1. Juli 1908 als
Emil Anders in Essen als Kind einer
kleinbürgerlichen
Beamtenfamilie
geboren, kam dann nach Posen und
durch Flucht nach Berlin. Zunächst
verzichtete Anders auf Wunsch seiner
Familie darauf, Gesang zu studieren
und wurde Bücherrevisor. In seiner
Freizeit nahm er allerdings schon Gesangstunden, von denen er seinen Eltern nichts sagte. Nach zwei Jahren
Ausbildung bei Professor Ernst Grenzebach setzte Anders sein Studium an
der Berliner Musikhochschule fort, wo
er auch in die Opernklasse eintrat. Hier
war Ernst Legal Leiter, und zu dieser
Klasse gehörten damals u. a. Elisabeth
Höngen und Maria Cebotari. Später
vervollständigte er sein Musikstudium
bei der Konzertaltistin Professor Lula
Mysz-Gmeiner, die dann auch seine
Schwiegermutter wurde. Einer seiner
frühen Förderer wurde Max Reinhardt, als er ihn aus dem Chor seiner
Inszenierung der Schönen Helena in
Berlin heraushörte. Extra für ihn ließ
er die Rolle des Spiegelbildes in Hoffmanns Erzählungen auskomponieren.
1932 debütierte Anders in Heidelberg, wo er vorwiegend leichte Bufforollen sang wie Pedrillo und Jacquino, aber ebenfalls zahlreiche
Operetten. Diese sorgfältige Stimmpflege endete spätestens, als er an
größere Häuser wie Köln, Hannover
und München wechselte, bis zum Ziel
Berlin und hier, 1940, an der
Staatsoper Unter den Linden. Neben lyrischen Rollen,
insbesondere von Mozart,
übernahm Anders mehr
und mehr Rollen des Zwischenfachs: Max, Florestan,
Alvaro. Diese Entwicklung
setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg konsequent
mit dem Wechsel ins schwere Heldenfach fort und führte mit dem Otello zum Höhepunkt. Das Wagner-Fach
bot ihm neben Lohengrin
und Siegmund vor allem den Stolzing.
Als Anders in München den Rudolf in
La Bohème gesungen hatte, hieß es in
den Münchner Neuesten Nachrichten:
„Tenöre von dieser Güte und Makellosigkeit sind selten.“ Am 16. Juli 1939
huldigte München dem 75 Jahre alt
gewordenen Richard Strauss mit einer
Neueinstudierung seiner Arabella. Unter der musikalischen Leitung von Clemens Krauss und der Regie von Rudolf
Hartmann standen Georg Hann, Viorica Ursuleac, Trude Eipperle, Hans Hotter und Peter Anders auf der Bühne.
Seine letzte Premiere war 1954 Andrea Chénier im Hamburg, wohin er
nach dem Krieg gegangen war, was
aber seine internationalen Verpflichtungen wie Wien, Edinburgh, London und Salzburg nicht ausschloss.
Sicher war es der Liedgesang, der Anders vor dem raschen stimmlichen
Verfall bewahrte. Er war auf diesem
Gebiet ein hingebungsvoller, überzeugender Interpret, oftmals begleitet von Michael Raucheisen, in den
letzten Jahren von Günther Weißenborn. Das Lied hat Peter Anders
einmal seine erste, den Motorsport
seine zweite Leidenschaft genannt.
Die erste hat ihn in die vorderste Reihe der Großen seines Fachs gebracht,
die zweite ist sein Verhängnis geworden. Über seine Konzerttätigkeit sagte
er einmal: „Wenn ich Lieder singe,
geht es um mehr, als nur meine Ge-
Aus dem Leben gerissen
sangstechnik herauszustellen, mit
schönen Tönen zu glänzen und
– wie man so sagt – über die Rampe zu kommen. Wer Lieder singt,
schreitet einen ganzen Kosmos ab.“
Die Popularität beruhte nicht nur auf
seiner Tätigkeit als Opern- und Konzertsänger, sondern ganz überwiegend auf den von ihm gesungenen
Operettentiteln, die täglich über
alle deutschen Rundfunksender gingen. Wer heute beispielsweise eine
Programmzeitschrift von 1953 aufschlägt, wird darin den Namen Peter Anders mehrmals täglich in den
Programmankündigungen
finden.
„Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze – des Sängers Ruhm jedoch ist dauerhafter.“ Das schrieb die
Deutsche Grammophon Gesellschaft
Ende 1954 über ihren Starsänger Peter Anders, der wenige Wochen zuvor,
am 10. September, den schweren Verletzungen erlegen war, die er sich bei
einem Autounfall zugezogen hatte.
Und der damalige Intendant der
Hamburgischen Staatsoper, Dr. Günther Rennert, sprach in der Trauerfeier für den verstorbenen Künstler
vom „Geheimnis des Außergewöhnlichen“. Peter Anders war in der Tat
eine außergewöhnliche Persönlichkeit.
Ilse-Marie Schiestel
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OPERN-BESPRECHUNGEN
„Ich will den Kopf des Jochanaan zu meiner eigenen Lust“
(Salome, 25. Mai 2008, Tiroler Landestheater Innsbruck)
Der triumphale Erfolg der Uraufführung machte Strauss zum führenden
Musikdramatiker seiner Zeit, auch
wenn der Stoff Kaiser Wilhelm II. und
einigen prüden Zensurstellen nicht gefiel. Die mit eineinhalb Stunden kurze
Oper reizt bis heute Dirigenten und
Regisseure zu neuen Interpretationen
durch musikalisch schwelgerische
Opulenz, aber auch Schlichtheit und
fast atonale Präsenz, sowie im Umgang
mit dem makabren Spiel der machtund besitzgierigen jungen Salome.
Der irische Dichter Oscar Wilde schrieb
die Tragödie Salome in französischer
Sprache für Sarah Bernhardt. Anton
Foto: Rupert Larl
D
amit gibt sich diese
Salome nicht mehr
zufrieden, sie will
den Mann und zwar ganz!
Hundert Jahre nach der Uraufführung am 9. Dezember
1905 in Dresden präsentierte
Innsbruck eine spannende
Wiederaufnahme von Salome
(Premiere: 14. Januar 2006,
Wiederaufnahme am 2. März
2008) in der Regie der Intendantin des Tiroler Landestheaters, Ks. Brigitte Fassbaender.
Außer Salome tanzt noch Oscar Wilde
Lindner arbeitete zunächst an einem
Libretto, das Strauss jedoch nicht gefiel, und er vertonte lieber die Originalübersetzung des Wildeschen Textes
von Hedwig Lachmann. So wird Oscar
Wilde in Innsbruck für die Regie zur
zentralen - zusätzlich eingebauten Figur: brillant dargestellt und getanzt
von Martin Dvořák aus dem Ballettensemble. Das Bühnenbild spielt in
der Zeit Wildes im 19. Jahrhundert.
Im Hintergrund feiert die dekadente,
illustre Gesellschaft in Paris. Davor
zeigt die Zisterne – geöffnet und hochgefahren – ein laufendes Mühlrad, das
an die schwere körperliche Zwangsarbeit erinnern soll, zu der Oscar Wilde
am 25. Mai 1895 für zwei Jahre wegen
Unzucht verurteilt wurde. Sein langjähriger Freund Alfred Douglas (Bosie
genannt) erscheint in der Figur des
Narraboth (Marwan Shamiyeh), der
von Wilde erstochen wird. Der meist
peinliche Schleiertanz ist mit einem Pas
de deux von Salome und Wilde elegant
gelöst und endet mit einem fast nackten Wilde vor Herodes (Dale Albright).
Der Kopf-ab-Honorarwunsch für den
Tanz wird durch Oscar Wildes Ganzkörperfigur liegend auf dem Mühlrad
eingelöst. Am Ende erwürgt Oscar
Wilde Salome getreu nach seinem Zitat: „Doch jeder tötet, was er liebt“.
Die musikalische Realisierung unter
Aleksandar Markovic mit einem Tiroler Symphonieorchester in bester
Spiellaune gelang erstaunlich gut.
Ludmila Slepneva gestaltet die tödliche Leidenschaft zwischen Mann
und Frau mit nuancenreichem Gesang. Die Herodias von Shauna Elkin
ist zwar von der Regie her sehr gut
geführt, könnte aber noch bösartiger
sein. Ganz gleich, wer diese Partie in
Zukunft singen wird, der konkurrenzlosen Astrid Varnay wird vorerst
niemand das Wasser reichen können.
Sieglinde Weber
Opern- & Kulturreisen
Do. 07. 08
Do. 04. 08
Bregenz
Rosenheim/Burg Hohenaschau
So. 21. 08
Kloster-Basilika Benediktbeuern
15.-19.10.08
Oktober 08
Ende Nov. 08
So. 14.12.08
05.-08.12.08
Kultur- und Weinreise: Steiermark
Innsbruck
Brügge, Gent, Antwerpen
Nürnberg
Dresden
Mitte Jan.09
Zürich
TOSCA (Puccini) ohne Übernachtung / Bus Hin- und Rückfahrt
Bayerische Landesausstellung ADEL IN BAYERN – RITTER, GRAFEN, INDUSTRIEBARONE,
Fahrt mit Bayernticket
Konzert Puccini: Messa di Gloria, Verdi: Quattro Pezzi Sacri. Mit Kevin Conners und Andreas
Schindler, Phil. Fürstenfeld D: Heinz Große Boymann Beginn: 16.30 h Fahrt mit BT möglich
TANNHÄUSER in GRAZ
EUGEN ONEGIN I: B. Fassbaender
Kunst in Flandern, Konzert- und Opernbesuche in Gent: THE RAPE OF LUCRETIA (Britten)
BENVENUTO CELLINI (Berlioz) Nachmittagsvorstellung
Striezelmarkt, ältester deutscher Weihnachtsmarkt
Besuch von Semperoper LOHENGRIN und Konzert in der Frauenkirche
TRISTAN UND ISOLDE D: Metzmacher I: Guth mit Stemme und Storey
Opern- & Kulturreisen Monika Beyerle-Scheller
Riedersteinstr. 13, 83684 Tegernsee
Tel.: 08022-3649, Mobil 0170 406 98 72, Fax: 08022-663930
Email: [email protected]
www.opernkulturreisen.de
10
OPERN-BESPRECHUNGEN
Zarensilber und Goldschmiedeoper, eine gelungene Kombination
(Hindemiths Cardillac in Augsburg)
D
die Wohnung des Goldschmieds
gelingt durch die Drehbühne.
Foto: A.T. Schaefer
as Theater Augsburg hat
sich für diese Spielzeit
das Motto „Oper aus
den zwanziger Jahren“ gegeben.
Nach Schwanda, der Dudelsackpfeifer, die als heitere Spieloper
den Auftakt gab, nun also das
dramatische Geschehen um den
Goldschmied Cardillac, der so besessen von seinen Schöpfungen
ist, dass er es nicht erträgt, diese
in fremde Hände zu geben und
deshalb die Käufer der Schmuckstücke ermordet. Die Vorlage zu dieser
Oper fand Paul Hindemith in E. T. A.
Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi, wo allerdings der Mordtrieb durch
den Einfluss „eines bösen Sterns“ – typisch romantisch – erklärt wird. Noch
eine weitere Abweichung zur Novelle
finden wir in den Namen, nur Cardillac
hat einen, die anderen sind abstrakt als
„Tochter“ oder „Kavalier“ bezeichnet.
Der Dirigent Rudolf Piehlmayer und
Mark Morouse mit dem Chor des Theaters Augsburg
Regisseur Jörg Behr haben sich für die
Originalfassung von 1926 entschieden,
die musikalisch viel schärfer ist als die
Überarbeitung von 1948 und in ihrer
Durchsichtigkeit eine große Geschlossenheit besitzt. Sie zeigen auch, dass diese
Oper heute durchaus zeitgemäß ist. Zuerst im modernen Ambiente eines Ausstellungsraums: Ein schneller Wechsel in
Die hervorragenden Sänger und
Sängerinnen des Augsburger
Theaters, allen voran Mark Morouse als Cardillac und Sally du
Randt als seine Tochter, dazu das
engagiert spielende Orchester
unter seinem GMD Rudolf Piehlmayer bereiteten zur Spannung
einen musikalischen Genuss.
Davor machten wir einen Besuch im Maximiliansmuseum, wo die bedeutende
Ausstellung Zarensilber zu sehen war.
Es sind Silberschmiedearbeiten, die von
Augsburger Meistern im 16. und 17. Jahrhundert für europäische Fürsten- und Königshöfe angefertigt wurden und als Geschenke für die russischen Zaren gedacht
waren. Die Ausstellungsstücke waren
erstmals außerhalb Russlands zu sehen.
Wolfgang Scheller
Kopfstimme – eine Produktion des Studiengangs
Musical der Bayerischen Theaterakademie August Everding
E
s macht stets aufs Neue Spaß,
die Musicalproduktionen der
Theaterakademie zu besuchen.
Prof. Vicki Hall, die Leiterin des Studiengangs Musical, ist ein Glückstreffer. Die Abschlussarbeit des 4.
Jahrgangs, Songs for a New World von
Jason Robert Brown, am Haus unter
dem Titel Kopfstimme herausgebracht,
beweist dies wieder einmal mehr.
Jason Robert Brown (*1970) wuchs in
der Nähe von New York auf und besuchte die Eastman School of Music in
Rochester. Songs for a New World erlebte 2006 in Hamburg die deutsche Erstaufführung. Seine Partituren sind äußerst anspruchsvoll
und schwer zu singen, sein Musikstil ist vielschichtig: Swing, Gos-
pel, Folk-Rock, Blues und Funk.
Zu der Übersetzung der Liedtexte
schrieb Nina Schneider eine Geschichte. Unter Mitarbeit und Regie
von Werner Bauer wirbeln die Studierenden des 2. und 3. Jahrgangs tanzend, singend und schnell-sprechend
(die Art des Sprechgesangs erinnert
an sich überschlagende Gedanken)
den Komponisten Jerry (er befindet
sich in einer Schaffenskrise) und seine Familie ganz schön durcheinander, bis das totale Chaos droht und
er sich endlich entscheiden muss.
Die wunderbar lockere, heitere Regie,
das gute Bühnenbild: große Notenblätter, Traumbilder, das Ensemble tanzt
auf Klaviertasten (hervorragend choreografiert von Michael Schmieder),
und die musikalische Begleitung von
Philip Tillotson mit seiner Band lassen
90 Minuten wie im Rausch vergehen.
Verpassen Sie nicht die nächste Musical-Produktion der Theaterakademie, den Broadway-Renner RENT von
Jonathan Larson. Ein Muss für alle
Opernfreunde, basiert dieses Musical
doch auf Giacomo Puccinis Oper La
Bohème. Es wurde u. a. ausgezeichnet
mit dem Tony Award für „Best Musical“ und dem Pulitzer-Preis für „Best
Drama“. RENT läuft seit dem 29. April
1996 ununterbrochen am Broadway.
Sieglinde Weber
11
OPERN-BESPRECHUNGEN
Seemannsgarn in der Muffathalle:
Zum Auftakt der 11. Münchner Biennale
Nahezu zwei Jahre lang hat Enno
Poppe (lt. Prof. Ruzicka der meist
aufgeführte deutsche Komponist
neuer Musik) für dieses Auftragswerk nach einem Stoff für ein Synthesizer-Orchester gesucht. Arbeit
Nahrung Wohnung, Bühnenmusik
für vierzehn Herren – so lautet der
Titel des Werkes mit Libretto von
Marcel Beyer. Wer nun glaubt, es
handle sich hier um einen aktuellen, sozialkritischen Operninhalt, der irrt gewaltig. Etwas konfus
wird die Geschichte von Robinson
Crusoe und Freitag revers erzählt,
tere Interpreten als Seeleute
– Countertenor, Tenor, Bariton, Bass – und je vier Herren
mit Keyboard und Percussion.
Die vier Keyboards sind auf
Mikrointervalle, auf Viertel-,
Achtel-, und Sechzehnteltöne
eingestellt. Schottische Laienchöre mit gleitenden Tönen
inspirierten Enno Poppe zum
besonderen Klang des VierMann-Chores der Seeleute.
Dass die Aufführung dann
doch (jedenfalls bis zur Hälfte) noch spannend wurde, ist
Anna Viebrock für Regie, Bühnenbild und Kostüme zu verdanken,
auch wenn die Einzelaktionen in
den öden Räumen nicht wirklich das
wirre Libretto erklärten. So bitter
eine geplatzte Eröffnungspremiere für die Veranstalter sein mag,
manche im Publikum waren mit
mir froh über das vorzeitige Ende.
Foto: Regine Körner
E
ine glanzvolle Eröffnungspremiere der 11.
Münchner
Biennale
am 17. April sollte die an den
mit zahlreichen Preisen und
Stipendien
ausgezeichneten
Komponisten Enno Poppe
von der Stadt München vergebene Uraufführung werden.
Doch nach etwa der Hälfte des
Stücks kollabierte der Hauptdarsteller Graham F. Valentine und musste die Nacht
im Krankenhaus beenden.
Zusammenhalt durch Anna Viebrocks Raumfindungen
sofern man in den willkürlich hingeworfenen Wortfetzen überhaupt
eine Geschichte erkennen kann.
Robinson ist der Gesellschaft überdrüssig und sehnt sich zurück in die
Einsamkeit. Da hat er aber Pech, die
gönnt ihm hier niemand. Auf der
Bühne tummeln sich in drei analogen Räumen zum Titel Arbeitszimmer, Küche, Wohnraum insgesamt
vierzehn Herren, die ganz schön
Krach machen: Graham F. Valentine, als Sprecher und Sänger des
Robinson, Omar Ebrahim, Bariton
und Sänger des Freitag, vier wei-
Ein Kritiker meinte: „Ich kann meinen Lesern nicht klar machen, warum sie in dieses Stück gehen sollen.“
Sieglinde Weber
Mit Agostino Steffanis Oper Niobe, Regina di Tebe kommen die
Schwetzinger Festspiele München zuvor
Foto : Monika Rittershaus
Niobe (Maria Bengtsson)/Clearte (Pascal Bertin)
Die „Schwetzinger Dramaturgie“ ist ein
Erfolgsrezept: Zeitgenössische Opern
werden dort alten, die es wiederzuentdecken gilt, gegenübergestellt. In diesem Jahr richtete Adriana Hölszky mit
12
einer knapp 30-minütigen a-cappella-Komposition HYBRIS / Niobe ihren
Blick auf das 17. Jahrhundert. Dass
zudem am 30. April Agostino Steffanis letztes, 1688 für den Münchner
Hof komponiertes Werk auf dem Programm stand, ist Thomas Hengelbrock
zu verdanken. Er nahm sich der musikalischen Einstudierung des tragischen
Stoffs um die machtgierige Königin
von Theben an, die durch ihren Hochmut die Rache der Götter erregt und ob
des Todes ihrer Kinder und des Selbstmords ihres Gatten zu Stein erstarrt.
Unterstützt von einer durchweg überzeugenden Regie (Lukas Hemleb, mit
gelegentlichen modern gelösten Tanzeinlagen von Thomas Stache) und
ausnahmslos beachtlichen Solistenleistungen (neben Maria Bengtsson in
der Hauptrolle und Delphine Galou als
patenter Amme der männliche Sopran
von Jacek Laszczkowski/König Anfione, Altus Peter Kennel/Creonte und
Counter Pascal Bertin/Clearte) brachte er das vor 320 Jahren uraufgeführte barocke Musikjuwel durch die perfekte Verschmelzung von Gesang und
Orchesterklang zum Leuchten. Ohne
Frage ein absolutes Gastspielmuss für
das neueröffnete Cuvilliés-Theater!!!
Vesna Mlakar
VERSCHIEDENES
BUCHTIPP
DIE MET ZU GAST IN MÜNCHEN - 2008/2009
07.02.09
Lucia di Lammermoor von
Donizetti. Es singen Anna
Netrebko und Rolando Villazón. Marco Armiliato dirigiert.
07.03.09
Madame Butterfly von Puccini mit Cristina GallardoDomâs in der Hauptrolle.
Es dirigiert Patrick Summers.
21.03.09 La Sonnambula von Bellini.
Die Hauptrollen gestalten
Natalie Dessay und Juan
Diego Flórez; es dirigiert
Evelino Pidò.
Foto: © Metropolitan Oper
Foto: © Metropolitan Oper
Die New Yorker Metropolitan Opera
wird in der kommenden Saison ihre
überaus erfolgreichen Live-Übertragungen per Satellit in höchstmöglicher
Ton- und Bildqualität in die Kinos
rund um den Erdball fortsetzen. Über
32.000 Opernfans in Deutschland und
Österreich haben die gesamte Serie in
der zu Ende gegangenen Saison verfolgt und für ausverkaufte Kinosäle
Elina Garanča
gesorgt. Weltweit waren es fast eine
Million Besucher in 17 Ländern.
Den Auftakt für die Spielzeit 08/09
wird am 11. Oktober um 19.30 Uhr die
Salome von Richard Strauss mit Karita
Mattila und Juha Uusitalo geben.
Es folgen am
22.11.08 La Damnation de Faust
von Berlioz, eine Neuproduktion mit Susan Graham, Marcello Giordani
in den Hauptrollen. Es
dirigiert James Levine.
20.12.08
Thaïs von Massenet, eben
falls eine Neuproduktion
mit Renée Fleming und
Thomas Hampson.
Dirigat: Jesús López-Cobos
Nathalie Desay
09.05.09 La Cenerentola von Rossini
mit Elina Garanča in der
Hauptrolle.
Dirigat: Maurizio Benini.
Die Übertragungen werden in München im Cinema in der Nymphenburger Straße zu sehen sein. Einzeltickets
und ein ermäßigtes Abo wird es im
Vorverkauf geben. Der Termin ist noch
nicht bekannt, wird aber im IBS-Büro
sofort nach Bekanntgabe zu erfragen
sein.
ew
Gehören Sie zu den Happy Few? Zu
den wenigen Glücklichen, denen es
schon vergönnt war, in der Garmischer
Strauss-Villa eingelassen zu werden?
Als Schwiegertochter Alice noch dort
residierte, genügte ein netter Anruf.
Mit der konkreten Rückfrage „Wann
wollen Sie kommen?“ wurde so mancher Interessierte/Neugierige schlichtweg überfahren. Nach wie vor befindet
sich das vom Komponisten selbst als
„Landhaus Richard Strauss“ bezeichnete Anwesen in Familienbesitz und
wird von den Erben für festliche Anlässe genutzt. Die 1908 von Emanuel von Seidl erbaute Villa am Fuß des
Kramerspitz auf der Sonnenseite des
Tals dient zudem als Archiv und Gedenkstätte. Vor allem aber ist das gesamte Interieur original erhalten, und
auch die von Strauss auf seinen Reisen
erworbenen Kunstschätze befinden
sich noch vor Ort. Eine völlige museale
oder gar massentouristische Nutzung
verbietet sich daher von selbst.
Die Enkel des Komponisten taten
bislang ihr Möglichstes. Im vergangenen Jahr führte Dr. Christian
Strauss (sein älterer Bruder Richard
war kurz zuvor verstorben) sogar alle
jungen Musikerinnen und Musiker
des European Union Youth Orchestra während deren zweiwöchigem
Arbeitsaufenthalt im Zugspitzdorf
durch die Villa. Zusätzlich versucht
seit geraumer Zeit ein Videofilm,
der im Strauss-Institut gezeigt wird,
das Informationsbedürfnis des Publikums über das Künstlerrefugium
zu befriedigen. Nun schafft der kleine, 71 Seiten starke Bildband Bei
Richard Strauss in Garmisch-Partenkirchen von Christian Wolf und Jürgen
May mit neuen brillanten Farbfotos
von Anton Brandl nebst seltenem
historischem Archivmaterial Abhilfe (Prestel Verlag, München 2008,
9,95 €, ISBN 978-3-7913-3825-5).
Und doch möchte man die „heiligen
Hallen“ einmal selbst in Augenschein
nehmen…re/vm
13
AUSSTELLUNGEN
Was ist eigentlich typisch für München?
Dieser
Frage
geht die
n e u e
D a u erausstellung
zur Geschichte
der bayerischen
Landeshauptstadt
nach. Im frisch renovierten historischen
Zeughaus des Münchner Stadtmuseums
geben fünf nacheinander zu erlaufende
Räume die chronologische Gliederung
vor: Im Moriskensaal befinden sich unter der Überschrift „Das alte München“
(1158-1806) herausragende kunsthandwerkliche Zeugnisse – u. a. auch die legendären zehn holzgeschnitzten Moriskentänzer von Erasmus Grasser. All dies
korrespondiert mit dem „neuen München“ (1806-1858) im Königssaal. Der
Monachiasaal wiederum ist genau denjenigen 100 Jahren (1858-1958) gewidmet,
die sich als entscheidend für die kommunale Selbstfindung Münchens erwiesen
haben. Gesondert wird im Feuchtwangersaal auf die Entwicklung eingegangen,
die München in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts genommen hat. Und die
Formen der Selbstdarstellung, zu denen
München seit den Olympischen Spielen
fand und findet, werden abschließend
im Arenasaal (1972-2008) thematisiert.
Hingehen – ein Muss für alle Hiesigen! re
Noch bis 2. August
Staatliche Antikensammlungen
am Königsplatz:
Starke Frauen
Eine besondere Hommage an das „starke Geschlecht“: Warum in der Antike die
Mythen von Frauen, die aus einem from-
14
men, züchtigen und fleißigen Rollenbild
fielen, so weit verbreitet waren, ist nicht
leicht zu erklären. Tatsache ist, dass die
damalige Gesellschaft patriarchalisch bestimmt war. Passten Frauenfiguren nicht
in dieses genormte Verhaltensmuster,
hatten sie gute Chancen, gleich mythisch
überhöht zu werden. Bestes Beispiel: die
Amazonen – von Homer mit dem Beiwort „männergleich“ charakterisiert.
Denn sie kämpften gerne, was sonst nur
Männer taten. Und sie lebten ohne Männer. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen der Griechen gegen die Amazonen gibt es zahllose Bildzeugnisse. Sie
allein
füllen
d e n
größten
Saal der
Ausstellung.
Daran
schließen sich
Einzelabbildungen
v o n
Frauen
an, die
aus unterschiedDaphne von Markus Lüpertz, 2003.
lichen
Bronze, bemalt
Gründen
körperliche wie geistige Stärke zeigen:
Atalante, Klytämnestra, Medea, Iphigenie, Alkestis, Antigone, Daphne etc. Zu
sehen sind über 110 Vasen mit zum
Thema passenden Bildern. Hinzu kommen noch Terrakotten, Bronzefiguren,
Marmorwerke und Münzen, die die
Kollektion ebenso bereichern wie einige Abgüsse von den wenigen erhaltenen
Statuen und Reliefs „starker Frauen“.
Der Clou ist jedoch eine Bronzestatue
der Daphne von Markus Lüpertz, die den
Besucher auf den Treppen der Antikensammlungen empfängt: Lüpertz’ Daphne ist weder schlank, noch zart oder
schön. Sie ist eine wuchtig-starke Frau,
die sich in keinen Lorbeer verwandelt.
In eine utopische Ferne blickend lehnt
sie an einem Baum. Rachsüchtig steht
sie mit ihrem linken Fuß auf dem abgeschlagenen Haupt ihres gierigen Verfolgers Apoll. Auf solch’ eindrucksvolle Art
lässt sich heute ein Mythos in Richtung
„starke Frau“ uminterpretieren… vm
Noch bis 31. August
Hypo-Kunsthalle:
Adolph Menzel: radikal real
Gerade die Malerei des oft geschmähten
19. Jahrhunderts hat es in sich: Seien es
Caspar David Friedrichs seelisch durchblutete Bildfindungen oder eben der
blanke Realismus des Berliner Zeichners
und Malers Adolph Menzel. Letzterer
schreckte weder vor Nichtigkeiten des
Alltags, wie ungemachten Betten oder
verlassenen Hinterhöfen, noch vor Abseitigem, wie dem Blick in die geöffnete
Gruft, zurück. Sogar vor sich selbst macht
der schonungslose Beobachter Menzel
nicht Halt: Eindringliche Selbstbildnisse aus allen Lebensphasen belegen dies.
Hinzu kommt der höchst modern anmutende Blick des Künstlers auf den eigenen
Körper. Die Studien seiner Hände und
Füße haben den Begriff des „Selbstporträts“ im wahrsten Sinne des Wortes radikalisiert. Anhand zahlreicher, oftmals
auch der Forschung wenig bekannter Arbeiten ermöglicht die Ausstellung einen
Überblick über Leben und Werk dieses
Künstlers von europäischem Rang. vm
Foto: © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz,
Berlin, 2008, Volker-H. Schneider
Seit 6. Juni
Münchner Stadtmuseum:
Typisch München!
Konzertbesucher im Weißen Saal des
Berliner Schlosses, 1879.
BUCH-BESPRECHUNGEN
Carl Dahlhaus/Norbert Miller:
Europäische Romantik in der
Musik. Band 2
Oper und symphonischer Stil
1800-1850.
Von E. T. A. Hoffmann zu
Richard Wagner.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2007.
1246 S., 79,95 €.
ISBN 978-3-476-01583-9
„Vollendet das ewige Werk…“ Wäre einer
der beiden Autoren nicht der legendäre
(und überaus fleißige) Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus, dürfte man sich
schon etwas wundern, dass ein vor fast
20 Jahren Verstorbener für den lang
ersehnten zweiten Teil eines Standardwerks über die musikalische Romantik
mitverantwortlich zeichnet. Schon früh
vertrat der Visionär Dahlhaus den von
seinen deutschen Fachkollegen lange verschmähten Standpunkt, dass ohne eine
genaue Kenntnis der Opernentwicklung
eine Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts nicht zu schreiben sei. Die übrige
Zunft hatte sich vordem auf die reine
Betrachtung des symphonischen Stils
der Zeit von 1770 bis 1850 beschränkt.
Wie für den ersten Band hat Co-Autor
Norbert Miller – als Literaturwissenschaftler ein ausgewiesener Kenner
der Materie – seinem ehemaligen MitProfessor an der Berliner Technischen
Universität einen Freundschaftsdienst
sondergleichen erwiesen: Was an Vorgesprächen, gemeinsamen Konzepten und
Vorarbeiten bereits existierte, bereitete
er auch für den zweiten Band auf und
bündelte so die Kompetenzen zweier
Liebhaber der Romantik. Setzte Band
1 bei Glucks Musikdramen ein, macht
Band 2 anfangs mit den Opern Webers
und Spontinis vertraut, um in Kapiteln
über Rossinis Pariser Karriere, über
Meyerbeer und die Grand Opéra, über
Berlioz’ und Schumanns Versuche einer
„Opéra de concert“ sowie über Verdis und
Wagners musiktheatrale Neuerungen einer Gesamtästhetik der romantischen
Oper wie der Idee der symphonischen
Dichtung auf den Grund zu gehen. Er-
staunlicherweise gab es bislang nur zwei
vergleichbare Publikationen zu diesem
Thema: Alfred Einsteins klassischen
Überblick aus den 1940er Jahren und
Charles Rosens Musik der Romantik von
1995 bzw. 2000. Mit Dahlhaus/Miller
können sie jedoch nicht mithalten. re
Erika von Borries:
Wilhelm Müller. Der Dichter der Winterreise. Eine Biographie.
C. H. Beck Verlag, München 2007.
320 S. (mit 2 CDs), 26,90 €.
ISBN 978-3-406-56212-9
Ingo Harden:
Epochen der Musikgeschichte.
Entwicklung und Formen der
europäischen Musik.
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2007.
480 S. (mit 4 CDs), 79,90 €.
ISBN 978-3-8369-2575-4
Alle kennen seine Lied-Texte, und doch
weiß kaum einer über den ominösen
„Griechen-Müller“ wirklich Bescheid.
Nun schafft Erika von Borries’ fundierte
Biographie über Wilhelm Müller, den
Dichter von Schuberts Winterreise und
der Schönen Müllerin, Abhilfe. In seinem
kurzen Leben von 1794 bis 1827 hat es
dieser vom Sohn eines Schneidermeisters zum herzoglichen Hofbibliothekar
und Hofrat in Dessau gebracht, war ein
hochbegabter Einzelgänger und etwas
seltsam in der ihm eigenen Mischung aus
Verklemmung und Streitlust. Als Lehrer
für Latein und Griechisch an der Gelehrtenschule seiner Heimatstadt engagierte
sich Müller mit zahlreichen Gedichten
leidenschaftlich für den Freiheitskampf
der Hellenen gegen die Türken. Schon
zu Lebzeiten erhielt er daher den rühmenden Beinamen „Griechen-Müller“.
Mit der Geschichte der europäischen
Musik von der Gregorianik bis heute
beschäftigt sich ein neuartig gestaltetes
Werk des Gerstenberg Verlags: Der renommierte, 1928 geborene Musikwissenschaftler und Journalist Ingo Harden
hat unter dem Titel Epochen der Musikgeschichte einen gut verständlichen Text
verfasst, zu dem auch 4 CDs gehören, die
seine eingehenden Analysen der wichtigsten Werke musikalisch quasi bebildern.
In über 500
Beispielen,
die zur akustischen Unterstützung
seiner Ausführungen
dienen, werden Formen,
Gat t u n g e n ,
Motive und
Motiventwicklungen demonstriert und
dem Leser/Hörer somit ausgezeichnete
Möglichkeiten zum besseren Verständnis musikalischer Formen eröffnet.
CDs und Textband präsentieren sich in
einem aufwändigen, eleganten Schuber.
Den Status als derzeit beste musikgeschichtliche Einführung behauptet das
Konvolut jedoch durch die einzigartige
Verzahnung von Text und Hörerlebnis.
Ein ideales, für reichlich EndorphinAusschüttung sorgendes Geschenk. re
Goethe machte sich über den internationalen Ruhm des Kollegen bloß lustig:
„Schlagt ihn tot! Lorbeer her! Blut, Blut!
Das ist noch keine Poesie.“ Dem hält
Erika von Borries ein differenziertes Lebensbild entgegen, das bei aller schweren
Fasslichkeit eine geistige Nähe zwischen
der Fabulierkunst von Gustav Schwab,
den visuellen Visionen Caspar David
Friedrichs und – eben – Müllers lyrischem
Œuvre aufzeigt. Zwei CDs gibt es als „Zuckerl“ obendrauf: Zum einen liest Gert
Westphal (den Katja Mann einst treffend
„des Dichters oberster Mund“ genannt
hat) Die schöne Müllerin und Die Winterreise, zum anderen liegt eine Neueinspielung von Schuberts ergreifendstem
Liederzyklus mit Florian Prey (Bariton)
und Wolfgang Leibnitz am Klavier bei. re
15
BUCH-BESPRECHUNGEN
IBS Journal: Zeitschrift des Interessenvereins des Bayerischen
Staatsopernpublikums e. V., Postfach 10 08 29, 80082 München
Richard Osborne:
Herbert von Karajan. Leben und Musik.
Deutscher Taschenbuch Verlag,
München 2008.
1053 S., 29,90 €.
ISBN 978-3-423-34477-7
Ein
seltsamer
Mann? Nein, ein
Musiker, der das
Metier
seiner
Zeit geprägt hat
wie kein zweiter.
Um den Dirigenten Herbert
von Karajan in
seinen künstlerischen Absichten
zu
verstehen,
spielt der Begriff Kontrolle eine nicht
zu unterschätzende Rolle. Nach wie vor
können in den größten Konzertsälen der
Welt jeweils maximal 2.000 bis 3.000
Menschen live erreicht werden. Dem „Generalmusikdirektor Europas“ – wie der
1908 in Salzburg geborene Karajan nach
seiner Berufung zum Chefdirigenten
der Berliner Philharmoniker 1955 und
der wenig später erfolgten Übernahme
künstlerischer Leitungsfunktionen an
der Wiener Staatsoper, Mailänder Scala
und bei den Salzburger Festspielen in
treffender Weise genannt wurde – war
dies irgendwann nicht mehr genug.
Um möglichst viele am „Wunder Karajan“
teilhaben zu lassen, machte er es sich bei
seinen Musikfilmen – den ersten ihrer
Art – zur Aufgabe, eine visuelle Ästhetik
zu entwickeln, in der die Abbildung des
Orchesterklangs im Vordergrund steht.
Dabei verstand er das Dirigieren und somit sich selbst als eigentlichen Urheber
dieser Klangentstehung und verlangte
folglich, entsprechend oft im Bild zu erscheinen. Damals kannte er das gängige
Opern- und Konzertrepertoire – und das
ist nicht gerade wenig – schon in- und
auswendig. Richard Osbornes akribisch
recherchierte Biographie kann durch
bislang unbekannte Quellen manches
in Karajans Lebensgeschichte erhellen,
zeigt einen scheuen, sensiblen, zwiespältigen, von seiner Arbeit besessenen
16
Künstler, doch das Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, B 9907
Wie des früh erreichten Grads an musikalischer Vollendung muss weiter im
Dunklen, wunderhaft
Geheimnisvollen bleiben. Gewiss ist allerdings:
Niemals zuvor oder
danach spielten die
Berliner Philharmoniker besser als in den 34 Jahren unter Die Bassariden, Pendereckis Teufel von
Loudon, Reimanns Lear, Zimmermanns
Herbert von Karajan. re
Weiße Rose, Eötvös’ Trois Sœurs sowie
Rolf Fath:
Rihms Jakob Lenz. Dazwischen: geballte,
Reclams Opernführer.
dabei überschaubare Wissensfülle. vm
38., erweiterte Auflage.
Reclam Verlag, Stuttgart 2007.
Ferdinand Zehentreiter (Hrsg.):
1055 S., 18,90 €.
Komponisten im Exil. 16 KünstlerschickISBN 978-3-15-010638-9
sale des 20. Jahrhunderts.
Henschel Verlag, Berlin 2008.
Die „Institution Opernführer“ ist alt;
317 S., 29,90 €.
freilich nicht nur der –
ISBN 978-3-89487-532-9
gerade zum 38.(!) Mal
erweiterte – aus dem
Stuttgarter Verlags- Das 20. Jahrhundert hat tiefe Spuren in
haus Reclam, sondern der Menschheitsgeschichte hinterlassen
generell. Kurzinfor- – keineswegs die allerschönsten: Vermationen zu Inhalt, suche vollständiger Gedankenkontrolle,
Geschichte und Wir- den Zugriff auf privateste Regungen,
kung einer Oper „Vermassung“ der Bevölkerung, polisind gefragt, seitdem die Erfindung des tischen Machterhalt um jeden Preis.
elektrischen Lichts im 19. Jahrhundert Gerade Musiker waren totalitären Sysdie Verdunklung des Zuschauerraums temen vielfach ausgesetzt und haben in
möglich, das Mitlesen eines Texthefts ihrem Schaffen auf unterschiedliche Art
während der Vorstellung aber unmöglich und Weise darauf reagiert. In Ferdinand
gemacht hat. An diesem Bedürfnis zur Zehentreiters Aufsatzsammlung Komnötigen Vorinformation haben auch neu- ponisten im Exil werden 16 einschlägige
zeitliche Übertitelungen nichts ändern Künstlerschicksale von verschiedenen
können. Schon der Name Reclam bürgt Autoren – Experten auf dem jeweiligen
für Qualität: Das nach Lebensdaten der Gebiet – einer genauen Untersuchung
Komponisten und Uraufführungsdaten unterzogen (die Vorbemerkung und
ihrer jeweiligen Werke geordnete Panop- zwei Porträts stammen vom Herausgetikum, das sich über das Register alphabe- ber selbst). Nicht nur der spezielle Blicktisch erschließen lässt, beginnt mit dem winkel fördert Neues zutage, sondern
ersten Großmeister des Operngenres aufgrund exklusiver Quellenkenntnisse,
Claudio Monteverdi, dessen drei erhal- die hier zitiert und ausführlich komtene Musikdramen erst seit den 1970er mentiert werden, ergeben sich bisher
Jahren wieder dauerhaft zum Repertoire ungeahnte Einsichten. Toll, wie sich der
gehören (Harnoncourt sei Dank!), und zeitliche Bogen von Nazi- und Sowjetendet in der Beschreibung von Werken diktatur (u. a. Strawinsky, Prokofjew,
noch lebender Komponisten. Bespro- Hindemith, Schönberg, Korngold) bis
chen werden Henzes Boulevard Solitude, zum Ost-West-Konflikt der NachkriegsKönig Hirsch, Elegie für junge Liebende und epoche (u. a. Ligeti, Yun) spannt. re
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