3 2008 JOURNAL Die Münchner Opernfreunde 27. Jahrgang Jean-Pierre Ponnelle – ein großer Theatermann (1932–1988) V Geboren wurde Ponnelle am 19. Februar 1932 in Paris. Zur Schule ging er zunächst in Beaune (Burgund), wo die Familie in der Nähe ein Weingut besaß. Doch ab 1945 besuchte er das französische Gymnasium in BadenBaden, da sein Vater (im Auftrag der Besatzungsmacht) hier den Südwestfunk mitbegründen sollte. Nach dem Abitur 1948 in Straßburg studierte er an der Sorbonne Philosophie und Kunstgeschichte, Malerei gar bei Fernand Léger. Er war nicht nur stets der Erste in der Schule, sondern wurde auch einer der besten Bühnen- und Kostümbildner sowie ein herausragender Regisseur. Mit etwas Glück könnte er noch heute (er wäre 76) wirken. Nicht auszudenken (George Tabori hielt mit über 90 noch durch)! 1957 heiratete er die Schauspielerin Margit Saad und in München kam sein Sohn Pierre-Dominique (Dirigent, eben erfolgreich an der Deutschen Oper am Rhein) zur Welt. Mit Dagmar Friedrich hat er noch einen Sohn Jean-Philippe 1985 bekommen. Nach einer Bypassoperation am 10. Feb- Foto: Sabine Töpfer or 20 Jahren, am 11. August 1988, starb Jean-Pierre Ponnelle im Alter von nur 56 Jahren im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar. Begraben wurde er in seiner Geburtsstadt Paris auf dem Friedhof Père Lachaise. Mehr als sein Tod hat ihn aber das Leben mit unserer Stadt verbunden, und er gestand: „Ich fühle mich in Deutschland, in meiner Wahlheimat München, sehr wohl. Ich mag Bayern, ich bin nach so langer Zeit sogar ein wenig bayerisch angehaucht.“ Bonvivant und „Vollmensch“ ruar 1988 arbeitete er rastlos weiter – bis zu seinem Tod im selben Jahr. Sehr früh, 1952 mit 20 Jahren, schuf er sein erstes Bühnenbild in Hannover für die Uraufführung von Henzes Boulevard Solitude, ebenso 1956 für König Hirsch in Berlin. Henze und Ponnelle blieben Freunde fürs Leben. Bald rief Amerika (San Francisco) mit Orffs Carmina Burana und Die Kluge. Seine erste Opernregie war Tristan und Isolde in Düsseldorf. Fürs Münchner Gärtnerplatztheater brachte er zunächst Purcells Feenkönigin heraus. Die erste Regiearbeit für die Bayerische Staatsoper war 1966 Simon Boccanegra. Bei den Salzburger Festspielen debütierte er mit Rossinis Barbiere 1968, den er auch für Unitel verfilmte. Zur Legende wurde sein Monteverdi-Zyklus in Zürich mit Nikolaus Harnoncourt am Pult 1975-79 (Gastspiel auch in München 1980). Furore machten dann Wagners RingZyklus in Stuttgart 1977-79. Es folgte viel Mozart und dann schließlich 1981 Tristan in Bayreuth, den Simone Young als ihr Schlüsselerlebnis von 1986 nennt: „Es war dieses herrliche Bühnenbild mit dem riesigen Baum...“ Um seine Gesundheit stand es schon damals nicht mehr zum Besten. Bei ihm traf sicher zu, dass seine Schaffenskraft sich wie eine an beiden Enden brennende Kerze verzehrte. In München hat er eigentlich mit einer Ausstattung an den Kammerspielen 1952 begonnen, um dann 1958 für das Ballett der Staatsoper im Prinzregententheater Josephs Legende auszustatten, mit den später typischen berauschenden Rot-Tönen. 1960 folgte Intermezzo von Strauss und Händels Agrippina im CuvilliésTheater, aber auch Carmen. (Ich glaube, seine Carmen wird gerade irgendwo wieder belebt.) Die Kritik schrieb vom „Triumph einer barocken Bühnenrevue“ im Zusammenhang mit der Feenkönigin. Also so neu ist alles von heute gar nicht, nur halt Alltagsrevue, wie öde! Fürs Deutsche Theater machte Ponnelle komplett Hallo Dolly und eine Schöne Helena für das Gärtnerplatztheater. Legende bleibt sein Titus im Cuvilliés-Theater mit Julia Varady und Brigitte Fassbaender. 1975 gab es für die Bavaria/ZDF die Carmina Burana. Sein nächster Streich hier wurde die Uraufführung von Aribert Reimanns Lear an der Staatsoper mit Dietrich JEAN-PIERRE PONELLE ZUM 20. TODESTAG IMPRESSUM - IBS JOURNAL Zeitschrift des Interessenvereins des Bayerischen Staatsopernpublikums e.V. im Eigenverlag. Herausgeber: Der Vorstand Redaktion: Vesna Mlakar Layout: Ingrid Näßl Erscheinungsweise: 4 x jährlich Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Jahresabonnement für Nichtmitglieder € 15,-- einschließlich Zustellung. Zur Zeit gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 6, 1. März 2006 Die mit Namen gekennzeichneten Artikel stellen die Meinung des Verfassers und nicht die Ansicht der Redaktion dar. Nachdruck in anderen Druckwerken nur mit Genehmigung des Vorstandes. Druck: Druck & Medien Schreiber GmbH Vorstand Jost Voges Monika Beyerle-Scheller Richard Eckstein Hans Köhle Vesna Mlakar Wulfhilt Müller Eva Weimer Ehrenmitglieder Heinrich Bender, Inge Borkh, Sir Peter Jonas, Hellmuth Matiasek, Aribert Reimann, Wolfgang Sawallisch, Wolfgang Scheller, Peter Schneider, Peter Schreier, Peter Seiffert, Konstanze Vernon 2 n 1959 tzinge hwe , Sc ell rc Pu 1/2 Jean-Pierre Ponelle zum 20. Todestag 3 Veranstaltungen 4 Mitgliederversammlung 5 Nicole Cabell 6 Joel Frederiksen 7 Nikolai Schukoff 8 Hanno Müller-Brachmann 9 Peter Anders zum 100. Geb. 10 Salome in Innsbruck 11 Cardillac in Augsburg / Kopfstimme an der Bayerischen Theaterakademie 12 Arbeit Nahrung Wohnung: Eröffnung der 11. Münchner Biennale 13 Verschiedenes 14 Ausstellungen 15/16 Buchbesprechungen Fischer-Dieskau. Mustergültig! 1980 minierte und am Ende blutige Tränen bekamen wir seine Cenerentola (Hän- verströmte (Kostüme von Pet Halmen, de weg davon, die lebt noch 30 Jah- wie so oft). Damit könnte man noch re!) mit Frederica von Stade. Passen heute reüssieren. Nur ausgeliehen hamusste Ponnelle 1982 bei Moses und ben wir eine Italiana von Rossini beAron wegen Krankheit, als er von kommen und Massenets Manon. nigin“ vo ö k e Giancarlo del Monaco und nH e hn en Sc seinem überaus tüchtigen Ponnelle beherrschte ry ie D Mitarbeiter Pet Halfünf Sprachen. Eine men vertreten wurMitarbeiterin de, der schöne Sanannte ihn einen chen für München „Renaissance-Menerarbeitet hat. schen“, der dem Genuss, aber auch Erfreuen konnder Arbeit zuten wir uns in getan war. München an noch vielen andeZu allem erbte er ren Arbeiten des noch das Weingut Künstlers: WagCoullons in Burners Frühwerk Das gund von seinem Liebesverbot (in der Vater. Everding nannAZ von Marianne Reißte ihn „Vollmensch“, inger zwar zerzaust) oder der nicht Intendant werHindemiths Cardillac – „ein den wollte. Die Zahl seiner funkelnder Edelstein im Geschmeide Werke summiert sich auf die undes Staatsopern-Repertoires“, wie in glaubliche Zahl von 230. Er arbeiteder tz der damalige Kritiker schrieb te sogar noch am Tag seines Todes. (oh weh, wenn ich da an die jetzige Dank der modernen Technik bleiben Augsburger Inszenierung denke; öde, seine Kostüme, Bühnenbilder und oft peinliche Alltagstristesse unserer Regietaten der Nachwelt und den Videoüberwachungsgegenwart). Auch nachwachsenden Künstlern erhalten. Turandot wurde ein Opernereignis mit dem Ahnenhaupt, das die Bühne doFidel Rabong Foto : Flyer Büh nen bil dz u„ INHALT Wir gratulieren 13.08.2008 Kathleen Battle zum 60. Geburtstag 15.08.2008 Hanna Schwarz zum 65. Geburtstag 21.08.2008 Janet Baker zum 75. Geburtstag 26.08.2008 Wolfgang Sawallisch zum 85. Geburtstag 12.09.2008 Luis Lima zum 60. Geburtstag 22.09.2009 Andrea Bocelli zum 50. Geburtstag 23.09.2008 Spas Wenkoff zum 80. Geburtstag 06.10.2008 Udo Zimmermann zum 65. Geburtstag Peter Konwitschny zur Ernennung als Chefregisseur der Leipziger Oper für sechs Jahre Anne-Sophie Mutter zur Verleihung des Ernst-von-Siemsens-Musikpreises Sir Peter Jonas und Zubin Mehta zur Verleihung des Maximiliansordens Dem Münchener Kammerorchester für den Preis „Neues Hören“ der Kölner Stiftung „Neue Musik im Dialog“ Lucia Lacarra, Lisa-Marie Cullum, Alen Bottaini und Norbert Graf vom Bayerischen Staatsballett zur Verleihung der Kammertänzerwürde Wilfried Hiller, Prof. Siegfried Jerusalem und Prof. Klaus Schultz zur Verleihung des Bayerischen Verdienstordens Wir gedenken 04.08.1908 – 29.06.1994 Kurt Eichhorn zum 100. Geburtstag 22.08.1928 – 05.12.2007 Karl-Heinz Stockhausen zum 80. Geburtstag 25.08.1918 – 14.10.1990 Leonard Bernstein zum 90. Geburtstag 17.09.1908 – 12.09.1982 Franz Grothe zum 100. Geburtstag 23.09.1923 – 20.05.2002 Sándor Kónya zum 85. Geburtstag 18.03.1901 – 29.09.1993 Tatjana Gsovsky zum 15. Todesstag Anlässlich des 5. Todestags von Otto Edelmann (1917-2003) wurde am 14. Mai 2008 in Wien, vor der Einfahrt zum Kollegium Kalksburg, der Otto Edelmann Weg eröffnet. VERANSTALTUNGEN KÜNSTLERGESPRÄCHE KULTURELLER VORMITTAG WANDERUNGEN Piotr Beczala Der aus Polen stammende Sänger war Ensemblemitglied am Linzer Landestheater und der Oper Zürich. Heute zählt er zu den führenden Tenören des lyrischen Fachs. Neben der Oper singt er auch ein umfangreiches Konzertprogramm. 2006 gab er sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper. Im Juli können wir ihn wieder als Werther erleben. Bei den diesjährigen Salzburger Festspielen wird er als Prinz in Rusalka debütieren. Freitag, 25. Juli 2008, 19.00 Uhr Moderation: Helga Schmidt Zweiter Besuch der Werkstätten der Bayerischen Staatsoper in Poing 7. Oktober 2008, 15.30 Uhr Bereits auf der Warteliste stehende Mitglieder werden über den genauen Termin informiert. Einige Plätze sind noch frei. Anmeldung bitte ab 8. September über das IBS-Telefon. Leitung: Eva Weimer Samstag, 23. August 2008 Rund um den Eibsee und nach Grainau Gehzeit ca. 3 ½ Std. Einkehr nach ca. 2 Std. im Hotel Eibsee Führung: Hiltraud Kühnel Tel.: (089) 755 91 49 München Hbf ab 8.32 Uhr Garmisch an 9.59 Uhr Zahnradbahn ab 10.15 Uhr Eibsee an 10.45 Uhr Kosten: Bayernticket plus ca. € 8,-(für die Zahnradbahn) Achtung: Anmeldung über Frau Kühnel direkt. Dr. Ulrich Peters Der Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz blickt auf seine erste erfolgreiche Saison und mit Fra Diavolo auf sein Münchner Regiedebüt zurück. Im Gespräch stellt er den Opernfreunden außerdem seine Pläne für die neue Spielzeit vor. Donnerstag, 18. Sept. 2008, 19.00 Uhr Moderation: Richard Eckstein Beverly Blankenship Die Regisseurin, die am Staatstheater am Gärtnerplatz Das Märchen vom Zaren Saltan von Rimski-Korsakow (Premiere: 20. Dezember 2008) inszenieren wird, studierte am Max Reinhardt Seminar. Seither hat sie in Deutschland, Österreich und Australien für Oper, Schauspiel und Film gearbeitet. Freitag, 13. Dezember 2008, 19.00 Uhr Moderation: Helga Schmidt Alle Veranstaltungen finden im Künstlerhaus am Lenbachplatz statt. Kasse und Einlass jeweils ½ Std. vor Beginn Kostenbeitrag: Mitgl. € 4,-- / Gäste € 7,-Schüler und Studenten zahlen die Hälfte. Traditioneller Biergartentreff im Augustiner-Biergarten, Arnulfstraße, rückwärtiger Teil bei der Selbstbedienung Dienstag 12. August 2008, und/oder Dienstag 19. August 2008, jeweils ab 17.00 Uhr Telefonische Nachfrage bei Herrn Köhle unter Tel.: (089) 719 23 96 VERANSTALTUNGSHINWEIS Vortrag: „Die Juden in der Oper“ von Thomas Bogatz, (RWV und Staatsoper Stuttgart) Samstag, 11. Oktober 2008, 15.00 Uhr Künstlerhaus am Lenbachplatz Ermäßigter Eintritt bei Vorlage des IBSMitgliedsausweises Das IBS-Büro ist vom 4. August bis einschließlich 7. September geschlossen. Ab dem 8. September 2008 sind wir wieder für Sie da. Wir wünschen einen schönen Sommer! Vorschau 2009 Künstlergespräche Genia Kühmeier 8. Januar 2009 Dominique Visse 25. Februar 2009 Bertrand de Billy 9. März 2009 Joseph Calleja 25. Mai 2009 Samstag, 13. September 2008 St. Koloman – Berg – Wörth – Wifling – St. Koloman Gehzeit ca. 3 Std. Führung: Erika Weinbrecht Tel.: (089) 691 53 43 Marienplatz ab 9.15 Uhr (S2 Richtung Erding) St. Koloman an 9.53 Uhr Einkehr: nach ca. 2½ Std. (Da Giuseppe) Rückfahrt: im Takt 13.27 Uhr, 14.07 Uhr, 14.27 Uhr, 15.07 Uhr Samstag, 11. Oktober 2008 Schliersee und Markus-Wasmeier-Museum Gehzeit ca. 3 Std. Führung: Wolfgang Scheller Tel.: 08022-3649 BOB München Hbf ab 8.42 Uhr Schliersee an 9.33 Uhr Einkehr: nach ca. 2 Std. „Beim Wofen“, anschließend Führung durch das Museum: Eintritt mit Führung € 8,-Rückweg über Panoramaweg am See, ca. 1 Std. Rückfahrt ab Schliersee z. B. 16.35 Uhr Nicht-Wanderer (nur Museumsbesuch) mit BOB bis Fischhausen-Neuhaus (bitte bei W. Scheller melden) Achtung: Anmeldung über IBS-Telefon wegen BOB-Tagesticket Jeder Teilnehmer unternimmt die Wanderungen auf eigene Gefahr. Irgendeine Haftung für Schäden wird nicht übernommen. IBS e. V., Postfach 10 08 29, 80082 München Tel. und Fax: 089 / 300 37 98 [email protected] www.opernfreundemuenchen.de Bankverbindung: Postbank München 312030800 (BLZ 70010080) Bürozeiten Montag Mittwoch Freitag 10-13 Uhr 3 A m 26. April 2008 fand die ordnungsgemäße Mitgliederversammlung im Künstlerhaus am Lenbachplatz bei einer Teilnahme von 60 Mitgliedern statt. Der 1. Vorsitzende Wolfgang Scheller begrüßte die Teilnehmer und verkündete, dass dies die letzte MGV seiner nunmehr fast 25-jährigen Amtszeit sei. Höhepunkte des vergangenen Jahres waren der Festakt mit Konzert zum 30-jährigen Bestehen des Vereins im Gartensaal des Prinzregententheaters, in Anwesenheit von Herrn Staatsminister Dr. Thomas Goppel, sowie das Mickisch-Konzert im Gasteig. Die Mitgliederzahl per 26. April 2008 betrug 469 Mitglieder. Erfreulicherweise durften wir im vergangenen Jahr 27 neue Mitglieder begrüßen. Die Schatzmeisterin, Frau BeyerleScheller erläuterte die Finanzen. Die größten Ausgabeposten sind die Veranstaltungen und das IBS Journal. Es wird erwogen, den Abopreis für die Künstlergespräche im kommenden Jahr auf € 20,-- anzuheben. Das 30-jährige Jubiläum konnte trotz enorm hoher Kosten dank der vielen Spenden, die im Laufe des Jahres eingingen, einen kleinen Überschuss verbuchen. Die Jahresbilanz wurde mit einem leichten Minus abgeschlossen, das im kommenden Jahr durch den Wegfall der Mietkosten für das Büro in der Gartenstraße aufgefangen werden dürfte. Frau Beyerle-Scheller dankte allen Damen für ihren Einsatz bei Einlass und Kasse während der Veranstaltungen. Frau Weimer dankte den Damen, die sie dabei unterstützen, den 3x wöchentlichen Telefondienst für die Mitglieder aufrecht zu erhalten. Herr Köhle gab anschließend einen Überblick über die Veranstaltungen des letzten Jahres: 13 Künstlergespräche, ein Salongespräch, eine Veranstaltung der Reihe „Werk & 4 Interpret“, sieben kulturelle Vorbzw. Nachmittage, fünf Sonderveranstaltungen (2x Biergartentreff, das 30-jährige Jubiläum, Adventsbeisammensein und das MickischKonzert), sowie 13 Wanderungen. Er dankte allen Mitarbeitern für ihre Unterstützung, den Planern und Moderatoren der Künstlergespräche, den Planern und Leitern der Wanderungen, etc. Herr Eckstein ließ Grüße von Frau Mlakar ausrichten, die – beruflich bedingt – nicht an der MGV teilnehmen konnte. Er erläuterte noch einmal, wie schwierig es sei, in den Medien präsent zu sein. Sein ganz besonderer Dank galt Frau Mlakar und Frau Näßl, die mit enormem Einsatz das 4 mal jährlich erscheinende IBS Journal herausbringen. Frau Gutjahr berichtete, dass die stattgefundene Kassenprüfung ohne Beanstandungen durchgeführt wurde. Alle zwei Jahre findet die Wahl der Kassenprüfer statt; es kandidierten Frau Gutjahr und Frau Billmeier. Sie wurden einstimmig gewählt. Herr Krauth beantragte die Entlastung des Vorstandes, die einstimmig angenommen wurde. Vom Vorstand wurde vorgeschlagen, Ks. Edita Gruberova die Ehrenmitgliedschaft anzutragen, sie zu einem Künstlergespräch mit anschließender Verleihung einzuladen. Der Vorschlag wurde angenommen. Da Herr Scheller sein Amt als 1. Vorsitzender niederlegte, bestimmte der Vorstand (lt. Satzung) Herrn Jost Voges für ein Jahr bis zur satzungsmäßigen Neuwahl zum 1. Vorsitzenden. Herr Voges erklärte sich bereit, das Amt zu übernehmen und stellte sich den Mitgliedern vor. Er ist 66 Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter. Nach seinem Studium in Köln war er im Management tätig. Seit 1972 wohnt er im schö- Foto: Wulfhilt Müller IBS − MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2008 Neuer 1. Vorsitzender des IBS: Jost Voges nen München. Wer ihn erreichen möchte, kann dies gerne telefonisch unter der Nummer 089/ 635 14 22 oder per Fax 089- 635 14 38 bzw. Email: [email protected] tun. Herr Köhle dankte Herrn Scheller für seine jahrelange ehrenamtliche Tätigkeit als 1. Vorsitzender und überreichte ihm eine Karte für die Festspielaufführung der Meistersinger im Nationaltheater, seiner Lieblingsoper. Eva Weimer Insidertipp: Viele dieser Bilder sind gewiss nicht jedermanns Sache. Was so alles in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg – als Gegenbewegung zum akademischen Stil – gemalt wurde, zeigt die Villa Stuck bis zum 14. September in einer der Münchner Secession gewidmeten Ausstellung. Mehr als 100 Gemälde und einige Statuetten veranschaulichen den Stilpluralismus, der von 1892 bis 1914 geherrscht hat: Ausläufer der Gründerzeit spiegeln sich in der damaligen Kunstproduktion ebenso wider wie impressionistische oder symbolistische Tendenzen und Spielarten des Jugendstils. Plötzlich steht man aber vor einem Bild, dessen magisches Blau auch heute noch einfach unwiderstehlich wirkt: Hans Thomas 1906 entstandene fast surreale Szenerie mit dem Titel „Einsamkeit“. ZU GAST BEIM IBS ... and the winner is: Nicole Cabell – eine Stimme wie flüssiges Gold Als Nicole Cabell vor ca. 30 Jahren in Kalifornien geboren wurde, ahnte sicherlich niemand diesen Berufsweg voraus. Sie wollte eigentlich Schriftstellerin („vielleicht schreibe ich später unter einem Pseudonym“) oder Basketball-Spielerin werden. Gesang und klassische Musik interessierten sie zunächst nicht bzw. zusammen mit einer Freundin nur insofern, als man jeden Musik-Interpreten nachzuahmen versuchte, u. a. auch Dame Kiri Te Kanawas Puccini-CD. Die Mutter bestand jedoch auf Flötenunterricht und schickte sie in den Schulchor. Bei einer Schulmusical-Aufführung fiel ihr Talent auf. Sie nahm drei Jahre privaten Gesangsunterricht bei Linda K. Brice, bevor sie an der Eastman School of Music aufgenommen wurde. Nach nur kurzer Zeit an der Juilliard School holte man sie an das Lyric Opera Center for American Artists der Chicagoer Oper, ähnlich unserem Opernstudio. Nicole Cabell fällt nicht allein ihres gesanglichen Talents wegen auf, sondern auch ihr Äußeres ist beeindruckend, geprägt durch afro-amerikanisch-europäisch-koreanischen Einfluss. Ihr Großvater war der erste afro-amerikanische Sheriff von Los Angeles. Auf ihre bunt-gemischten Gene ist sie mit Recht sehr stolz. So präsentiert sie sich an diesem 18. April 2007 im Künstlerhaus ganz als Dame, die üppige Haarpracht gebändigt und streng ordentlich zurückgekämmt, schwarz gekleidet, mit hinreißendem Ohrgehänge und stellt sich bereitwillig, diszipliniert und charmant lächelnd den klugen Fragen von Michael Atzinger (BR 4 Klassik), den Wulfhilt Müller bei der englischen Übersetzung unterstützt. Nicole Cabell greift des öfteren in die Übersetzung ein, was vermuten lässt, dass sie bereits gut deutsch versteht, verrät sie uns doch auch, dass München mittlerweile ihre zweite Heimat ist, sie ihre Freizeit gerne im Umland verbringt. Und dann fallen namentlich die Highlights Linderhof, Neuschwanstein und Oberammergau. Foto: Homepage der Künstlerin S o hieß es für die junge amerikanische Sopranistin im Juni 2005 beim alle zwei Jahre stattfindenden BBC Cardiff Singer of the World Competition (in Wales behauptet man, den größten Gesangswettbewerb der Welt zu veranstalten). Dieser Sieg – in der Jury saßen so namhafte Künstler wie Elly Ameling, Helmut Deutsch, Marilyn Horne, Rene Kollo und Sergej Leiferkus – katapultierte die Karriere der sympathischen Sängerin weltweit explosionsartig nach oben. Presse in Berlin, als sie überraschend im Dezember 2006 an der Deutschen Oper für die erkrankte Angela Gheorghiu an der Seite von Neil Shicoff die Juliette singen durfte. Den guten Kontakt zu München verdankt sie der Zusammenarbeit mit verschiedenen Orchestern, so den hiesigen Symphonikern unter Georg Schmöhe, dem Münchner Rundfunkorchester unter Miguel Gomez-Martinez, hier war sie in der Rolle der Norina in Don Pasquale zu hören (Rollendebüt) und der BohèmeEinspielung (Musetta) mit Netrebko/Villazon unter Bertrand de Billy mit dem Symphonieorchester des BR. Bald wird es dazu auch einen Film auf DVD geben. Verschiedene Musikbeispiele aus ihrem ersten Album wie Musetta, Louise, Bess, Lauretta und Norina dokumentierten eindrucksvoll, dass es sich hier um ein Stimm-Potential mit guter Technik handelt, das sich nicht in wenigen Jahren zu erschöpfen droht. Folgender Aussage von Marilyn Horne wollen wir uns uneingeschränkt anschließen: „Nicole Cabell wird ein erfülltes Leben mit der Musik verbringen, und ich persönlich freue mich darauf, diesen besonderen Klang viele, viele Male zu hören.“ Sieglinde Weber München verbunden: US-Sopran Nicole Cabell Nicole Cabell achtet bei ihren Auftritten sehr darauf, dass es Rollen sind, die ihrem Stimmcharakter entsprechen. Singen soll ihr und ihrem Publikum Spaß machen. Ihr Lieblingskomponist ist zwar Puccini, sie hält ihre Stimme vorläufig dafür aber nicht für geeignet. Damit befolgt sie auch den Rat von Dame Joan Sutherland, als diese ihr die Kristall-Trophäe als Schirmherrin in Cardiff überreichte: „Machen Sie nicht zu früh zu viel!“ Vielleicht in zehn Jahren kann sie sich eine Mimi oder Manon vorstellen. „Sie kam, sah und siegte“, schrieb die Dietrich Henschel als Karl V. In seinem „Bühnenwerk mit Musik“ Karl V. zeichnet Ernst Krenek (Libretto/Musik) das Leben des mächtigen Kaisers nach. Dieser beichtet auf dem Totenbett einem jungen Mönch die Motive und Folgen seines politischen Handelns. Beim Versuch, in einer von Brutalität und Krieg geprägten Zeit den moralischen Ansprüchen gerecht zu werden, sieht er sich dabei immer wieder mit der Frage nach persönlicher Verantwortung des Einzelnen konfrontiert. 1938 in Prag uraufgeführt, geht von der selten inszenierten, ersten abendfüllenden Zwölftonoper der Musikgeschichte bis heute eine fesselnde Aktualität aus. Bregenz, Festspielhaus, 24., 27., 31. Juli, 3. August. 5 ZU GAST BEIM IBS Coloratura basso profondo & Lautenist: Joel Frederiksen J Was dieses musikalische Multitalent auszeichnet, war schnell klar: eine imponierende Statur (wozu der vom bewunderten Kollegen Samuel Ramey entlehnte Bart genuin gehört), großes Charisma, ein gewinnendes Lächeln und eine Bestimmtheit in den Antworten auf die Fragen des Verfassers dieser Zeilen, die jedem deutlich werden lässt, dass Frederiksen nicht nur weiß, worüber er spricht, sondern auch, dass er exakt weiß, was er will; zwei Eigenschaften, die ihn zu einem Experten in Theorie und Praxis des riesigen vokalen Alte-Musik-Repertoires machen. Solch eine Stimme prägt sich ein, ob sie nun britisch-amerikanische Balladen aus dem 19. Jahrhundert vorträgt oder den emotionalen Verlauf von französischen und italienischen Renaissance-Arien seismographisch genau nachzeichnet: Zu Frederiksens balsamisch-schwarzem Timbre gesellt sich eine perlende Koloraturgeläufigkeit. Zupackende ExtremHöhen und -Tiefen werden über eine völlige Ausgeglichenheit der Register erreicht. Nicht zu vergessen: Seine glänzende Virtuosität auf der Laute! Wenn sich Frederiksen auf der Laute oder Erzlaute selbst begleitet, fühlt man sich mitten hinein in vergangene Zeiten versetzt. 2007 wurde er deshalb für seine künstlerische Imaginationskraft mit dem AZ-Stern 6 Foto: Eric Larrayadieu for Harmonia Mundi a, gerade jenseits des Klassik-und Opern-Mainstreams gibt es noch Entdeckungen zu machen. Dazu bot die Neuausgabe der IBS-Reihe „Werk & Interpret“ am 26. April 2008 ein ideales Forum. In Wort und LiveTon konnte man dem amerikanischen Bassisten und Lautenisten Joel Frederiksen, einem Nachfahren dänischer Wikinger – wie er schmunzelnd selbst behauptete – und Renaissance- bzw. Barock-Barden auf höchstem künstlerischen Niveau, richtig nahe kommen. Bass und Lautenist in Personalunion des Jahres im Bereich Klassik ausgezeichnet. Seit einigen Jahren prägt seine musikalische Präsenz auch das von ihm gegründete Ensemble Phoenix Munich – ein Zusammenschluss von international renommierten Sängern und Instrumentalisten. An dieser Stelle verwies der Künstler auf die überaus positiven Erfahrungen, die sein Ensemble und er mit der Konzertreihe „Zwischen Mars & Venus“ im Bayerischen Nationalmuseum machen durften. Von Publikum wie Presse umjubelt, waren dort seit September 2007 fokussierte Einzelprogramme zu den ewig zeitlosen Themen Liebe, Gewalt und Leidenschaft zu erleben. Den Abschluss der Serie bildete am Mittag des 27. April The Elfin Knight – nur einen Tag nach dem „Werk & Interpret“-Nachmittag. Wir durften vorab Ausschnitte hören… Frederiksen studierte Gesang und Laute in New York und Michigan, wo er an der Oakland University sein Examen machte. Im Anschluss an sein Studium arbeitete er mit den führenden amerikanischen Ensembles für Alte Musik wie der Boston Camerata und dem Waverly Consort zusammen. Unter dem Namen L’antica musica leitete er außerdem eine eigene Gruppe in New York. Zeitgleich machte er als Opern- und Oratoriensänger auf sich aufmerksam. Engagements führten ihn vom Vancouver Summer Festival (Plutone in Monteverdis Orfeo) bis zu den Festivals von Hongkong und Brisbane (Australien). Nach seinem erfolgreichen Debüt 1998 bei den Salzburger Festspielen in Kurt Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny unter Dennis Russel-Davies ließ er sich in Europa nieder. Von seinem Wohnsitz in München aus bereist Frederiksen seither regelmäßig das In- und Ausland, um als Solist mit anerkannten Größen der Szene wie Jordi Savall, Paul van Nevel, Stephen Stubbs und Paul O’Dette zu singen bzw. mit den weltweit bedeutendsten Gruppen für Alte Musik – u. a. dem Huelgas Ensemble, dem Ensemble Gilles Binchois, dem Ensemble Unicorn, dem Freiburger Barockorchester, dem Hassler-Consort oder der Musica Fiata – aufzutreten. Unlängst ist seine Debüt-CD mit dem Ensemble Phoenix Munich beim renommierten Label Harmonia Mundi erschienen, die zahlreiche Münchner Opernfreunde im Anschluss erwarben und sich signieren ließen. Aufgrund des großen Erfolgs dieser CD hat Frederiksen bereits eine weitere Platte bei Hamonia Mundi eingespielt, die im kommenden August erscheinen soll. Ihm wurde die Ehre einer Solo-CD zuteil! Und auch seine Konzertreihe „Zwischen Mars & Venus“ läuft weiter: Die nächsten Termine im Bayerischen Nationalmuseum sind der 2. Oktober und 13. November 2008. Mit O felice morire – einem Programm virtuoser Musik aus dem italienischen Frühbarock – treten Joel Frederiksen und sein Ensemble Phoenix Munich am 9. Februar 2009 erstmals im Münchner Prinzregententheater auf. Jetzt schon vormerken! Richard Eckstein ZU GAST BEIM IBS Geballte Energie – Nikolai Schukoff Woher kommt der russische Name des Grazers, der mittlerweile in Paris lebt und am 21. Mai 2008 im Gespräch mit Jakobine Kempkens beim IBS zu Gast war? Genau genommen heißt er Nikolai Andrej Schukoff; nach seinem Urgroßvater mütterlicherseits, Andreas von Wagner. Russe war der Großvater väterlicherseits, der in Österreich eine Slowenin heiratete. Das Ergebnis dieses farbenreichen Stammbaums überrascht mit geballtem „LatinoCharme“ – und nun wiederum überrascht der gemütliche Grazer „Slang“. Wie wird eigentlich ein Student der Verfahrenstechnik zum Sänger? Durch den Wunsch, etwas auszudrücken, Gefühle zu transportieren, Schönheit zu erschaffen. Und woher kommt die Wärme der Stimme, woher der tenorale Glanz? Aus dem Willen. Die Stimme folgte dann schließlich; teilweise trotz und nicht wegen seiner Lehrer. Es war die Faszination für das Tenorfach, die gefühlte Berufung, unbeirrbare Zielorientierung gegen viele Widerstände. Seine Vielseitigkeit – von der Oper bis zur Operette – schließt schauspielerisches Talent ein, weshalb man ihm gerne Rollen gebrochener, schwieriger Charaktere überträgt. Der Reiz der Schauspielerei bestehe in den zusätzlichen Dimensionen, die es in der Oper nicht gibt. Warum dann heute noch Oper? Weil sie rudimentäre, archaische, bombastische Gefühle auf eigene Weise vermitteln lasse. Foto: Lydia Wunderlich D er Parsifal ist seine Lieblingsrolle, wegen ihrer Komplexität und der starken Entwicklung (ähnlich Tristan, Tannhäuser und Siegfried). Diese Rolle ehrlich und mit „Herzblut“ zu gestalten, ist ein besonderes Anliegen von Nikolai Schukoff – er kämpft zu Beginn des dritten Akts regelmäßig mit den Tränen. „Latino-Charme“ und Grazer „Slang“ Ein Manko eines großen Teils der modernen Musik sei es, eher zu beeindrucken statt zu berühren. Manche Zuhörer lieben das und vergessen, dass sie berührt werden wollen. „Wenn man wenigstens eine Phrase mitnehmen und nachsingen kann, dann war es ein gutes Stück.“ Schukoff weiß zu berühren. Das mag mit seiner (überwundenen) Krebserkrankung in der Mannheimer Zeit – sein zweites festes Engagement nach Gelsenkirchen – zusammenhängen, deren nachfolgende Ereignisse und Überlegungen ihm direkteren Zugang zu seiner Gefühlswelt und sorgsamen Umgang mit sich selbst beschert haben. Zwei Monate später trat er wieder auf – in Nürnberg. Er lernte, seine Energie zu bündeln, aber auch, sich immer wieder zu besinnen, was er wirklich will, was die Akzeptanz der Rollenangebote beeinflusst. Und dass Hans Werner Henze ihm nach seiner Premiere als Dionysos in den Bassariden gesagt habe, dies wäre einer der schönsten Tage in seinem Leben gewesen, und er würde nach Rom zurückreisen, wissend, dass er nicht umsonst gelebt hätte – das spricht Bände. Nikolai Schukoff besticht durch Können, Authentizität, Intuition. Vielleicht ist es die Furchtlosigkeit dessen, der „dem Tod ins Auge geblickt hat“: Er nimmt es auf diplomatische Weise mit „etwas sperrigen“ (Kempkens) Regisseuren auf. Man könne bei sehr guter Vorbereitung durchaus Einfluss nehmen, von der eigenen Sicht der Rolle überzeugen und dadurch zu Kompromissen finden. Nun – das lässt hoffen. Wunschrollen? Der Cavaradossi (Tosca), Lenski (Eugen Onegin), Hermann (Pique Dame), der Prinz (Rusalka), Tom Rakewell (The Rake’s Progress), Peter Grimes, Alvaro (Macht des Schicksals), Dimitrij (Boris Godunow), Tannhäuser, Samson, Paul (Die tote Stadt), Andrea Chénier, Loge (Der Ring des Nibelungen), Apollo (Daphne), Bacchus (Ariadne auf Naxos), der Kaiser (Die Frau ohne Schatten). Uns Münchnern bleibt er in den nächsten drei Jahren erhalten als Eisenstein in der Fledermaus am Faschingsdienstag, als Erik im Holländer, als Dionysos und als Parsifal. Gerlinde Böbel Museumstipp: Manchmal scheint es so, als seien die letzten wirklichen Entdecker des Münchner Völkerkundemuseums die Mitglieder der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ gewesen. Das gar nicht weit vom Nationaltheater gelegene Haus in der Maximilianstraße 42 hat nun einen neuen – und man darf sagen – grandiosen Anlauf unternommen, um dem bisherigen Schattendasein zu entkommen. Die neue, vorzüglich präsentierte Dauerausstellung „Weiter als der Horizont“ im rechten Seitentrakt stellt nicht geschichtlich-ethnologische Zusammenhänge in den Vordergrund, sondern allein die ästhetische Aussagekraft einzelner Kunstwerke aus Afrika, Lateinamerika, Ozeanien, Nordamerika, Südasien, Ostasien und dem Orient. Meisterwerk reiht sich an Meisterwerk: In europäischen Dimensionen ausgedrückt, steht dort Riemenschneider neben Michelangelo, Picasso neben Kirchner. Einfach sensationell! 7 ZU GAST BEIM IBS A uf Anraten seiner Flötenlehrerin in Lörrach kam Hanno Müller-Brachmann früh in die Knabenkantorei Basel. Die Proben dort zweimal in der Woche wurden zum Höhepunkt seiner Kindheit und nach anfänglichen Gesangsübungen und Singen im Anfängerchor kam dann der Ritterschlag: Den roten Pulli trugen alle Chormitglieder, die öffentlich auftraten. In der Knabenkantorei Basel ist er dann vor allem mit alter und geistlicher Musik groß geworden. Im Alter von 12 Jahren sang er sein erstes Solo, als er 14 war, verließ er den Chor, ab 16 nahm er Gesangstunden und studierte bald mit einer gleichaltrigen Italienerin ausgiebig Lieder ein und sang sie im Klassenkonzert. Von daher kommt seine große Liebe zum Lied, die er jedes Jahr mit Liederabenden dokumentiert. Die Programme dazu stellt er selbst zusammen: „Das ist wie ein Hobby“. Ein Liederabend von ihm muss immer ein Gesamtkonzept haben, es basiert z. B. auf einem Komponisten, einem Dichter oder einem Thema. Dabei kommt es auch häufig zu einer Mischung aus Wohlbekanntem und Neuem. Weiter zum Werdegang: Nach Abitur und Zivildienst beschloss er dann doch, den Gesang zum Beruf zu machen. Er begann sein Studium bei Prof. Ingeborg Most in Freiburg und debütierte am dortigen Stadttheater bereits während des ersten Semesters als Truffaldino in Ariadne auf Naxos Foto: Wulfhilt Müller Hanno Müller-Brachmann – per rotem Pulli in den Ritterstand erhoben Fährt gern mit dem Fahrrad zur Probe unter der Stabführung von Donald Runnicles, den er mit einem Schubertlied von seinem Können überzeugt hatte (bis dato war er eigentlich an der Oper nicht interessiert gewesen). Nach sieben Semestern in Freiburg und auf den Rat von Dietrich FischerDieskau, sich einen Mann als Lehrer zu suchen, wechselte er an die Musikhochschule Mannheim zu Prof. Rudolf Piernay, dessen – wie er sagt – grandiosen Unterricht er fünf Jahre lang genoss. In der Zeit gewann er Preise bei renommierten Gesangwettbewerben, wie ARD- und Meistersingerwettbewerb. Noch während der Studienzeit in Mannheim erhielt er ein Engagement an der Staatsoper Berlin für die Partie des Pluto in Georg Philipp Telemanns Orpheus mit René Jacobs als musika- lischem Leiter. Darauf folgte die Aufnahme ins Ensemble der Lindenoper, dem er nun seit zehn Jahren angehört. Inzwischen gastiert er in vielen großen Opernhäusern und Konzertsälen rund um die Welt, aber die Lindenoper ist für ihn die musikalische Heimat geworden, ist „mein Weinfass, in dem ich reifen kann“, wie er sagt. Auch sollen Familie und das Unterrichten an der Hanns-Eisler-Hochschule für Musik nicht zu kurz kommen. „Außerdem ist es so schön, wenn man mit dem Fahrrad zur Probe fahren kann“. Bisher singt er viel Mozart, viel Oratorium und Lieder, er will die Stimme auf keinen Fall überfordern und nur das Heldenfach bedienen, was dennoch nicht zu kurz kommt. So teilt er seine Auftritte ca. 50/50 für Oper und Konzert. Er ist froh, dass sein Beruf so vielseitig ist, liebt auch das Unterrichten und empfindet es als Pflicht, das, was er selbst auf hohem Niveau gelernt hat, an junge Menschen weiterzugeben. Dabei gibt er den Schülern vor allem Technik an die Hand, ihren Weg müssen sie selber finden. Durch das Gespräch führte als Gastmoderatorin Dagmar Kolerus (Bayerische Theaterakademie) und der Abend wurde durch Musikbeispiele von Bach, Brahms, Mozart, Schubert und Telemann untermalt. Uns bleibt nur zu wünschen, dass Hanno Müller-Brachmann auch in den kommenden Spielzeiten wieder in München singen wird, vielleicht sogar einmal einen Liederabend. Wulfhilt Müller Ausstellungstipp: Bayern und China – diese Verbindung gibt es nicht erst seit dem Technologie-Transfer unserer Zeit. Die hiesige Schlösserverwaltung hat sich die bevorstehende Olympiade in Peking zum Anlass genommen, unter dem Motto „China im Schloss – Exotische Welten am bayerischen Hof“ an den ehemals regen Kultur-Austausch mit Fernost zu erinnern. An zwei reizvollen Orten wurden Sonderpräsentationen eingerichtet: Der südliche Pavillon von Schloss Nymphenburg beherbergt bis zum 15. September die Ausstellung „Ostwind – Westwind“, in der mehr als 60 chinesische Importfächer und deren europäische Nachahmungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert gezeigt werden. Im Schwarzen Saal und in den Kurfürstenzimmern der Münchner Residenz (dem alten Stadtschloss der Wittelsbacher), sind noch bis 19. Oktober acht kostbare, bis zu 26 Quadratmeter große barocke Wandteppiche u. a. mit Szenen aus dem Leben des Kaisers von China zu sehen. Unter der Internet-Adresse www.residenz-muenchen.de/deutsch/aktuell/ teppich/tapis.htm kann man sogar von zuhause aus einen Blick auf die Tapisserien werfen (mit Zoom-Möglichkeit!). 8 IN MEMORIAM Dem unvergessenen Tenor Peter Anders zum 100. Geburtstag A ls Peter Anders am 10. September 1954 seinen schweren Verletzungen nach einem Autounfall erlag, verlor die deutsche Musikbühne in dem damals 46-jährigen Tenor einen ihrer profiliertesten Sänger. Anders stand damals im Begriff, in das schwere Heldenfach zu wechseln, nachdem er bereits Florestan, Don José und Otello gesungen hatte. Er erfreute sich, nicht zuletzt durch viele Rundfunkaufnahmen, einer ungewöhnlichen Popularität, die er durch zahlreiche Operettenaufnahmen ständig vergrößerte. Seine Laufbahn war nicht einfach gewesen: Er wurde am 1. Juli 1908 als Emil Anders in Essen als Kind einer kleinbürgerlichen Beamtenfamilie geboren, kam dann nach Posen und durch Flucht nach Berlin. Zunächst verzichtete Anders auf Wunsch seiner Familie darauf, Gesang zu studieren und wurde Bücherrevisor. In seiner Freizeit nahm er allerdings schon Gesangstunden, von denen er seinen Eltern nichts sagte. Nach zwei Jahren Ausbildung bei Professor Ernst Grenzebach setzte Anders sein Studium an der Berliner Musikhochschule fort, wo er auch in die Opernklasse eintrat. Hier war Ernst Legal Leiter, und zu dieser Klasse gehörten damals u. a. Elisabeth Höngen und Maria Cebotari. Später vervollständigte er sein Musikstudium bei der Konzertaltistin Professor Lula Mysz-Gmeiner, die dann auch seine Schwiegermutter wurde. Einer seiner frühen Förderer wurde Max Reinhardt, als er ihn aus dem Chor seiner Inszenierung der Schönen Helena in Berlin heraushörte. Extra für ihn ließ er die Rolle des Spiegelbildes in Hoffmanns Erzählungen auskomponieren. 1932 debütierte Anders in Heidelberg, wo er vorwiegend leichte Bufforollen sang wie Pedrillo und Jacquino, aber ebenfalls zahlreiche Operetten. Diese sorgfältige Stimmpflege endete spätestens, als er an größere Häuser wie Köln, Hannover und München wechselte, bis zum Ziel Berlin und hier, 1940, an der Staatsoper Unter den Linden. Neben lyrischen Rollen, insbesondere von Mozart, übernahm Anders mehr und mehr Rollen des Zwischenfachs: Max, Florestan, Alvaro. Diese Entwicklung setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg konsequent mit dem Wechsel ins schwere Heldenfach fort und führte mit dem Otello zum Höhepunkt. Das Wagner-Fach bot ihm neben Lohengrin und Siegmund vor allem den Stolzing. Als Anders in München den Rudolf in La Bohème gesungen hatte, hieß es in den Münchner Neuesten Nachrichten: „Tenöre von dieser Güte und Makellosigkeit sind selten.“ Am 16. Juli 1939 huldigte München dem 75 Jahre alt gewordenen Richard Strauss mit einer Neueinstudierung seiner Arabella. Unter der musikalischen Leitung von Clemens Krauss und der Regie von Rudolf Hartmann standen Georg Hann, Viorica Ursuleac, Trude Eipperle, Hans Hotter und Peter Anders auf der Bühne. Seine letzte Premiere war 1954 Andrea Chénier im Hamburg, wohin er nach dem Krieg gegangen war, was aber seine internationalen Verpflichtungen wie Wien, Edinburgh, London und Salzburg nicht ausschloss. Sicher war es der Liedgesang, der Anders vor dem raschen stimmlichen Verfall bewahrte. Er war auf diesem Gebiet ein hingebungsvoller, überzeugender Interpret, oftmals begleitet von Michael Raucheisen, in den letzten Jahren von Günther Weißenborn. Das Lied hat Peter Anders einmal seine erste, den Motorsport seine zweite Leidenschaft genannt. Die erste hat ihn in die vorderste Reihe der Großen seines Fachs gebracht, die zweite ist sein Verhängnis geworden. Über seine Konzerttätigkeit sagte er einmal: „Wenn ich Lieder singe, geht es um mehr, als nur meine Ge- Aus dem Leben gerissen sangstechnik herauszustellen, mit schönen Tönen zu glänzen und – wie man so sagt – über die Rampe zu kommen. Wer Lieder singt, schreitet einen ganzen Kosmos ab.“ Die Popularität beruhte nicht nur auf seiner Tätigkeit als Opern- und Konzertsänger, sondern ganz überwiegend auf den von ihm gesungenen Operettentiteln, die täglich über alle deutschen Rundfunksender gingen. Wer heute beispielsweise eine Programmzeitschrift von 1953 aufschlägt, wird darin den Namen Peter Anders mehrmals täglich in den Programmankündigungen finden. „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze – des Sängers Ruhm jedoch ist dauerhafter.“ Das schrieb die Deutsche Grammophon Gesellschaft Ende 1954 über ihren Starsänger Peter Anders, der wenige Wochen zuvor, am 10. September, den schweren Verletzungen erlegen war, die er sich bei einem Autounfall zugezogen hatte. Und der damalige Intendant der Hamburgischen Staatsoper, Dr. Günther Rennert, sprach in der Trauerfeier für den verstorbenen Künstler vom „Geheimnis des Außergewöhnlichen“. Peter Anders war in der Tat eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Ilse-Marie Schiestel 9 OPERN-BESPRECHUNGEN „Ich will den Kopf des Jochanaan zu meiner eigenen Lust“ (Salome, 25. Mai 2008, Tiroler Landestheater Innsbruck) Der triumphale Erfolg der Uraufführung machte Strauss zum führenden Musikdramatiker seiner Zeit, auch wenn der Stoff Kaiser Wilhelm II. und einigen prüden Zensurstellen nicht gefiel. Die mit eineinhalb Stunden kurze Oper reizt bis heute Dirigenten und Regisseure zu neuen Interpretationen durch musikalisch schwelgerische Opulenz, aber auch Schlichtheit und fast atonale Präsenz, sowie im Umgang mit dem makabren Spiel der machtund besitzgierigen jungen Salome. Der irische Dichter Oscar Wilde schrieb die Tragödie Salome in französischer Sprache für Sarah Bernhardt. Anton Foto: Rupert Larl D amit gibt sich diese Salome nicht mehr zufrieden, sie will den Mann und zwar ganz! Hundert Jahre nach der Uraufführung am 9. Dezember 1905 in Dresden präsentierte Innsbruck eine spannende Wiederaufnahme von Salome (Premiere: 14. Januar 2006, Wiederaufnahme am 2. März 2008) in der Regie der Intendantin des Tiroler Landestheaters, Ks. Brigitte Fassbaender. Außer Salome tanzt noch Oscar Wilde Lindner arbeitete zunächst an einem Libretto, das Strauss jedoch nicht gefiel, und er vertonte lieber die Originalübersetzung des Wildeschen Textes von Hedwig Lachmann. So wird Oscar Wilde in Innsbruck für die Regie zur zentralen - zusätzlich eingebauten Figur: brillant dargestellt und getanzt von Martin Dvořák aus dem Ballettensemble. Das Bühnenbild spielt in der Zeit Wildes im 19. Jahrhundert. Im Hintergrund feiert die dekadente, illustre Gesellschaft in Paris. Davor zeigt die Zisterne – geöffnet und hochgefahren – ein laufendes Mühlrad, das an die schwere körperliche Zwangsarbeit erinnern soll, zu der Oscar Wilde am 25. Mai 1895 für zwei Jahre wegen Unzucht verurteilt wurde. Sein langjähriger Freund Alfred Douglas (Bosie genannt) erscheint in der Figur des Narraboth (Marwan Shamiyeh), der von Wilde erstochen wird. Der meist peinliche Schleiertanz ist mit einem Pas de deux von Salome und Wilde elegant gelöst und endet mit einem fast nackten Wilde vor Herodes (Dale Albright). Der Kopf-ab-Honorarwunsch für den Tanz wird durch Oscar Wildes Ganzkörperfigur liegend auf dem Mühlrad eingelöst. Am Ende erwürgt Oscar Wilde Salome getreu nach seinem Zitat: „Doch jeder tötet, was er liebt“. Die musikalische Realisierung unter Aleksandar Markovic mit einem Tiroler Symphonieorchester in bester Spiellaune gelang erstaunlich gut. Ludmila Slepneva gestaltet die tödliche Leidenschaft zwischen Mann und Frau mit nuancenreichem Gesang. Die Herodias von Shauna Elkin ist zwar von der Regie her sehr gut geführt, könnte aber noch bösartiger sein. Ganz gleich, wer diese Partie in Zukunft singen wird, der konkurrenzlosen Astrid Varnay wird vorerst niemand das Wasser reichen können. Sieglinde Weber Opern- & Kulturreisen Do. 07. 08 Do. 04. 08 Bregenz Rosenheim/Burg Hohenaschau So. 21. 08 Kloster-Basilika Benediktbeuern 15.-19.10.08 Oktober 08 Ende Nov. 08 So. 14.12.08 05.-08.12.08 Kultur- und Weinreise: Steiermark Innsbruck Brügge, Gent, Antwerpen Nürnberg Dresden Mitte Jan.09 Zürich TOSCA (Puccini) ohne Übernachtung / Bus Hin- und Rückfahrt Bayerische Landesausstellung ADEL IN BAYERN – RITTER, GRAFEN, INDUSTRIEBARONE, Fahrt mit Bayernticket Konzert Puccini: Messa di Gloria, Verdi: Quattro Pezzi Sacri. Mit Kevin Conners und Andreas Schindler, Phil. Fürstenfeld D: Heinz Große Boymann Beginn: 16.30 h Fahrt mit BT möglich TANNHÄUSER in GRAZ EUGEN ONEGIN I: B. Fassbaender Kunst in Flandern, Konzert- und Opernbesuche in Gent: THE RAPE OF LUCRETIA (Britten) BENVENUTO CELLINI (Berlioz) Nachmittagsvorstellung Striezelmarkt, ältester deutscher Weihnachtsmarkt Besuch von Semperoper LOHENGRIN und Konzert in der Frauenkirche TRISTAN UND ISOLDE D: Metzmacher I: Guth mit Stemme und Storey Opern- & Kulturreisen Monika Beyerle-Scheller Riedersteinstr. 13, 83684 Tegernsee Tel.: 08022-3649, Mobil 0170 406 98 72, Fax: 08022-663930 Email: [email protected] www.opernkulturreisen.de 10 OPERN-BESPRECHUNGEN Zarensilber und Goldschmiedeoper, eine gelungene Kombination (Hindemiths Cardillac in Augsburg) D die Wohnung des Goldschmieds gelingt durch die Drehbühne. Foto: A.T. Schaefer as Theater Augsburg hat sich für diese Spielzeit das Motto „Oper aus den zwanziger Jahren“ gegeben. Nach Schwanda, der Dudelsackpfeifer, die als heitere Spieloper den Auftakt gab, nun also das dramatische Geschehen um den Goldschmied Cardillac, der so besessen von seinen Schöpfungen ist, dass er es nicht erträgt, diese in fremde Hände zu geben und deshalb die Käufer der Schmuckstücke ermordet. Die Vorlage zu dieser Oper fand Paul Hindemith in E. T. A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi, wo allerdings der Mordtrieb durch den Einfluss „eines bösen Sterns“ – typisch romantisch – erklärt wird. Noch eine weitere Abweichung zur Novelle finden wir in den Namen, nur Cardillac hat einen, die anderen sind abstrakt als „Tochter“ oder „Kavalier“ bezeichnet. Der Dirigent Rudolf Piehlmayer und Mark Morouse mit dem Chor des Theaters Augsburg Regisseur Jörg Behr haben sich für die Originalfassung von 1926 entschieden, die musikalisch viel schärfer ist als die Überarbeitung von 1948 und in ihrer Durchsichtigkeit eine große Geschlossenheit besitzt. Sie zeigen auch, dass diese Oper heute durchaus zeitgemäß ist. Zuerst im modernen Ambiente eines Ausstellungsraums: Ein schneller Wechsel in Die hervorragenden Sänger und Sängerinnen des Augsburger Theaters, allen voran Mark Morouse als Cardillac und Sally du Randt als seine Tochter, dazu das engagiert spielende Orchester unter seinem GMD Rudolf Piehlmayer bereiteten zur Spannung einen musikalischen Genuss. Davor machten wir einen Besuch im Maximiliansmuseum, wo die bedeutende Ausstellung Zarensilber zu sehen war. Es sind Silberschmiedearbeiten, die von Augsburger Meistern im 16. und 17. Jahrhundert für europäische Fürsten- und Königshöfe angefertigt wurden und als Geschenke für die russischen Zaren gedacht waren. Die Ausstellungsstücke waren erstmals außerhalb Russlands zu sehen. Wolfgang Scheller Kopfstimme – eine Produktion des Studiengangs Musical der Bayerischen Theaterakademie August Everding E s macht stets aufs Neue Spaß, die Musicalproduktionen der Theaterakademie zu besuchen. Prof. Vicki Hall, die Leiterin des Studiengangs Musical, ist ein Glückstreffer. Die Abschlussarbeit des 4. Jahrgangs, Songs for a New World von Jason Robert Brown, am Haus unter dem Titel Kopfstimme herausgebracht, beweist dies wieder einmal mehr. Jason Robert Brown (*1970) wuchs in der Nähe von New York auf und besuchte die Eastman School of Music in Rochester. Songs for a New World erlebte 2006 in Hamburg die deutsche Erstaufführung. Seine Partituren sind äußerst anspruchsvoll und schwer zu singen, sein Musikstil ist vielschichtig: Swing, Gos- pel, Folk-Rock, Blues und Funk. Zu der Übersetzung der Liedtexte schrieb Nina Schneider eine Geschichte. Unter Mitarbeit und Regie von Werner Bauer wirbeln die Studierenden des 2. und 3. Jahrgangs tanzend, singend und schnell-sprechend (die Art des Sprechgesangs erinnert an sich überschlagende Gedanken) den Komponisten Jerry (er befindet sich in einer Schaffenskrise) und seine Familie ganz schön durcheinander, bis das totale Chaos droht und er sich endlich entscheiden muss. Die wunderbar lockere, heitere Regie, das gute Bühnenbild: große Notenblätter, Traumbilder, das Ensemble tanzt auf Klaviertasten (hervorragend choreografiert von Michael Schmieder), und die musikalische Begleitung von Philip Tillotson mit seiner Band lassen 90 Minuten wie im Rausch vergehen. Verpassen Sie nicht die nächste Musical-Produktion der Theaterakademie, den Broadway-Renner RENT von Jonathan Larson. Ein Muss für alle Opernfreunde, basiert dieses Musical doch auf Giacomo Puccinis Oper La Bohème. Es wurde u. a. ausgezeichnet mit dem Tony Award für „Best Musical“ und dem Pulitzer-Preis für „Best Drama“. RENT läuft seit dem 29. April 1996 ununterbrochen am Broadway. Sieglinde Weber 11 OPERN-BESPRECHUNGEN Seemannsgarn in der Muffathalle: Zum Auftakt der 11. Münchner Biennale Nahezu zwei Jahre lang hat Enno Poppe (lt. Prof. Ruzicka der meist aufgeführte deutsche Komponist neuer Musik) für dieses Auftragswerk nach einem Stoff für ein Synthesizer-Orchester gesucht. Arbeit Nahrung Wohnung, Bühnenmusik für vierzehn Herren – so lautet der Titel des Werkes mit Libretto von Marcel Beyer. Wer nun glaubt, es handle sich hier um einen aktuellen, sozialkritischen Operninhalt, der irrt gewaltig. Etwas konfus wird die Geschichte von Robinson Crusoe und Freitag revers erzählt, tere Interpreten als Seeleute – Countertenor, Tenor, Bariton, Bass – und je vier Herren mit Keyboard und Percussion. Die vier Keyboards sind auf Mikrointervalle, auf Viertel-, Achtel-, und Sechzehnteltöne eingestellt. Schottische Laienchöre mit gleitenden Tönen inspirierten Enno Poppe zum besonderen Klang des VierMann-Chores der Seeleute. Dass die Aufführung dann doch (jedenfalls bis zur Hälfte) noch spannend wurde, ist Anna Viebrock für Regie, Bühnenbild und Kostüme zu verdanken, auch wenn die Einzelaktionen in den öden Räumen nicht wirklich das wirre Libretto erklärten. So bitter eine geplatzte Eröffnungspremiere für die Veranstalter sein mag, manche im Publikum waren mit mir froh über das vorzeitige Ende. Foto: Regine Körner E ine glanzvolle Eröffnungspremiere der 11. Münchner Biennale am 17. April sollte die an den mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichneten Komponisten Enno Poppe von der Stadt München vergebene Uraufführung werden. Doch nach etwa der Hälfte des Stücks kollabierte der Hauptdarsteller Graham F. Valentine und musste die Nacht im Krankenhaus beenden. Zusammenhalt durch Anna Viebrocks Raumfindungen sofern man in den willkürlich hingeworfenen Wortfetzen überhaupt eine Geschichte erkennen kann. Robinson ist der Gesellschaft überdrüssig und sehnt sich zurück in die Einsamkeit. Da hat er aber Pech, die gönnt ihm hier niemand. Auf der Bühne tummeln sich in drei analogen Räumen zum Titel Arbeitszimmer, Küche, Wohnraum insgesamt vierzehn Herren, die ganz schön Krach machen: Graham F. Valentine, als Sprecher und Sänger des Robinson, Omar Ebrahim, Bariton und Sänger des Freitag, vier wei- Ein Kritiker meinte: „Ich kann meinen Lesern nicht klar machen, warum sie in dieses Stück gehen sollen.“ Sieglinde Weber Mit Agostino Steffanis Oper Niobe, Regina di Tebe kommen die Schwetzinger Festspiele München zuvor Foto : Monika Rittershaus Niobe (Maria Bengtsson)/Clearte (Pascal Bertin) Die „Schwetzinger Dramaturgie“ ist ein Erfolgsrezept: Zeitgenössische Opern werden dort alten, die es wiederzuentdecken gilt, gegenübergestellt. In diesem Jahr richtete Adriana Hölszky mit 12 einer knapp 30-minütigen a-cappella-Komposition HYBRIS / Niobe ihren Blick auf das 17. Jahrhundert. Dass zudem am 30. April Agostino Steffanis letztes, 1688 für den Münchner Hof komponiertes Werk auf dem Programm stand, ist Thomas Hengelbrock zu verdanken. Er nahm sich der musikalischen Einstudierung des tragischen Stoffs um die machtgierige Königin von Theben an, die durch ihren Hochmut die Rache der Götter erregt und ob des Todes ihrer Kinder und des Selbstmords ihres Gatten zu Stein erstarrt. Unterstützt von einer durchweg überzeugenden Regie (Lukas Hemleb, mit gelegentlichen modern gelösten Tanzeinlagen von Thomas Stache) und ausnahmslos beachtlichen Solistenleistungen (neben Maria Bengtsson in der Hauptrolle und Delphine Galou als patenter Amme der männliche Sopran von Jacek Laszczkowski/König Anfione, Altus Peter Kennel/Creonte und Counter Pascal Bertin/Clearte) brachte er das vor 320 Jahren uraufgeführte barocke Musikjuwel durch die perfekte Verschmelzung von Gesang und Orchesterklang zum Leuchten. Ohne Frage ein absolutes Gastspielmuss für das neueröffnete Cuvilliés-Theater!!! Vesna Mlakar VERSCHIEDENES BUCHTIPP DIE MET ZU GAST IN MÜNCHEN - 2008/2009 07.02.09 Lucia di Lammermoor von Donizetti. Es singen Anna Netrebko und Rolando Villazón. Marco Armiliato dirigiert. 07.03.09 Madame Butterfly von Puccini mit Cristina GallardoDomâs in der Hauptrolle. Es dirigiert Patrick Summers. 21.03.09 La Sonnambula von Bellini. Die Hauptrollen gestalten Natalie Dessay und Juan Diego Flórez; es dirigiert Evelino Pidò. Foto: © Metropolitan Oper Foto: © Metropolitan Oper Die New Yorker Metropolitan Opera wird in der kommenden Saison ihre überaus erfolgreichen Live-Übertragungen per Satellit in höchstmöglicher Ton- und Bildqualität in die Kinos rund um den Erdball fortsetzen. Über 32.000 Opernfans in Deutschland und Österreich haben die gesamte Serie in der zu Ende gegangenen Saison verfolgt und für ausverkaufte Kinosäle Elina Garanča gesorgt. Weltweit waren es fast eine Million Besucher in 17 Ländern. Den Auftakt für die Spielzeit 08/09 wird am 11. Oktober um 19.30 Uhr die Salome von Richard Strauss mit Karita Mattila und Juha Uusitalo geben. Es folgen am 22.11.08 La Damnation de Faust von Berlioz, eine Neuproduktion mit Susan Graham, Marcello Giordani in den Hauptrollen. Es dirigiert James Levine. 20.12.08 Thaïs von Massenet, eben falls eine Neuproduktion mit Renée Fleming und Thomas Hampson. Dirigat: Jesús López-Cobos Nathalie Desay 09.05.09 La Cenerentola von Rossini mit Elina Garanča in der Hauptrolle. Dirigat: Maurizio Benini. Die Übertragungen werden in München im Cinema in der Nymphenburger Straße zu sehen sein. Einzeltickets und ein ermäßigtes Abo wird es im Vorverkauf geben. Der Termin ist noch nicht bekannt, wird aber im IBS-Büro sofort nach Bekanntgabe zu erfragen sein. ew Gehören Sie zu den Happy Few? Zu den wenigen Glücklichen, denen es schon vergönnt war, in der Garmischer Strauss-Villa eingelassen zu werden? Als Schwiegertochter Alice noch dort residierte, genügte ein netter Anruf. Mit der konkreten Rückfrage „Wann wollen Sie kommen?“ wurde so mancher Interessierte/Neugierige schlichtweg überfahren. Nach wie vor befindet sich das vom Komponisten selbst als „Landhaus Richard Strauss“ bezeichnete Anwesen in Familienbesitz und wird von den Erben für festliche Anlässe genutzt. Die 1908 von Emanuel von Seidl erbaute Villa am Fuß des Kramerspitz auf der Sonnenseite des Tals dient zudem als Archiv und Gedenkstätte. Vor allem aber ist das gesamte Interieur original erhalten, und auch die von Strauss auf seinen Reisen erworbenen Kunstschätze befinden sich noch vor Ort. Eine völlige museale oder gar massentouristische Nutzung verbietet sich daher von selbst. Die Enkel des Komponisten taten bislang ihr Möglichstes. Im vergangenen Jahr führte Dr. Christian Strauss (sein älterer Bruder Richard war kurz zuvor verstorben) sogar alle jungen Musikerinnen und Musiker des European Union Youth Orchestra während deren zweiwöchigem Arbeitsaufenthalt im Zugspitzdorf durch die Villa. Zusätzlich versucht seit geraumer Zeit ein Videofilm, der im Strauss-Institut gezeigt wird, das Informationsbedürfnis des Publikums über das Künstlerrefugium zu befriedigen. Nun schafft der kleine, 71 Seiten starke Bildband Bei Richard Strauss in Garmisch-Partenkirchen von Christian Wolf und Jürgen May mit neuen brillanten Farbfotos von Anton Brandl nebst seltenem historischem Archivmaterial Abhilfe (Prestel Verlag, München 2008, 9,95 €, ISBN 978-3-7913-3825-5). Und doch möchte man die „heiligen Hallen“ einmal selbst in Augenschein nehmen…re/vm 13 AUSSTELLUNGEN Was ist eigentlich typisch für München? Dieser Frage geht die n e u e D a u erausstellung zur Geschichte der bayerischen Landeshauptstadt nach. Im frisch renovierten historischen Zeughaus des Münchner Stadtmuseums geben fünf nacheinander zu erlaufende Räume die chronologische Gliederung vor: Im Moriskensaal befinden sich unter der Überschrift „Das alte München“ (1158-1806) herausragende kunsthandwerkliche Zeugnisse – u. a. auch die legendären zehn holzgeschnitzten Moriskentänzer von Erasmus Grasser. All dies korrespondiert mit dem „neuen München“ (1806-1858) im Königssaal. Der Monachiasaal wiederum ist genau denjenigen 100 Jahren (1858-1958) gewidmet, die sich als entscheidend für die kommunale Selbstfindung Münchens erwiesen haben. Gesondert wird im Feuchtwangersaal auf die Entwicklung eingegangen, die München in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts genommen hat. Und die Formen der Selbstdarstellung, zu denen München seit den Olympischen Spielen fand und findet, werden abschließend im Arenasaal (1972-2008) thematisiert. Hingehen – ein Muss für alle Hiesigen! re Noch bis 2. August Staatliche Antikensammlungen am Königsplatz: Starke Frauen Eine besondere Hommage an das „starke Geschlecht“: Warum in der Antike die Mythen von Frauen, die aus einem from- 14 men, züchtigen und fleißigen Rollenbild fielen, so weit verbreitet waren, ist nicht leicht zu erklären. Tatsache ist, dass die damalige Gesellschaft patriarchalisch bestimmt war. Passten Frauenfiguren nicht in dieses genormte Verhaltensmuster, hatten sie gute Chancen, gleich mythisch überhöht zu werden. Bestes Beispiel: die Amazonen – von Homer mit dem Beiwort „männergleich“ charakterisiert. Denn sie kämpften gerne, was sonst nur Männer taten. Und sie lebten ohne Männer. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen der Griechen gegen die Amazonen gibt es zahllose Bildzeugnisse. Sie allein füllen d e n größten Saal der Ausstellung. Daran schließen sich Einzelabbildungen v o n Frauen an, die aus unterschiedDaphne von Markus Lüpertz, 2003. lichen Bronze, bemalt Gründen körperliche wie geistige Stärke zeigen: Atalante, Klytämnestra, Medea, Iphigenie, Alkestis, Antigone, Daphne etc. Zu sehen sind über 110 Vasen mit zum Thema passenden Bildern. Hinzu kommen noch Terrakotten, Bronzefiguren, Marmorwerke und Münzen, die die Kollektion ebenso bereichern wie einige Abgüsse von den wenigen erhaltenen Statuen und Reliefs „starker Frauen“. Der Clou ist jedoch eine Bronzestatue der Daphne von Markus Lüpertz, die den Besucher auf den Treppen der Antikensammlungen empfängt: Lüpertz’ Daphne ist weder schlank, noch zart oder schön. Sie ist eine wuchtig-starke Frau, die sich in keinen Lorbeer verwandelt. In eine utopische Ferne blickend lehnt sie an einem Baum. Rachsüchtig steht sie mit ihrem linken Fuß auf dem abgeschlagenen Haupt ihres gierigen Verfolgers Apoll. Auf solch’ eindrucksvolle Art lässt sich heute ein Mythos in Richtung „starke Frau“ uminterpretieren… vm Noch bis 31. August Hypo-Kunsthalle: Adolph Menzel: radikal real Gerade die Malerei des oft geschmähten 19. Jahrhunderts hat es in sich: Seien es Caspar David Friedrichs seelisch durchblutete Bildfindungen oder eben der blanke Realismus des Berliner Zeichners und Malers Adolph Menzel. Letzterer schreckte weder vor Nichtigkeiten des Alltags, wie ungemachten Betten oder verlassenen Hinterhöfen, noch vor Abseitigem, wie dem Blick in die geöffnete Gruft, zurück. Sogar vor sich selbst macht der schonungslose Beobachter Menzel nicht Halt: Eindringliche Selbstbildnisse aus allen Lebensphasen belegen dies. Hinzu kommt der höchst modern anmutende Blick des Künstlers auf den eigenen Körper. Die Studien seiner Hände und Füße haben den Begriff des „Selbstporträts“ im wahrsten Sinne des Wortes radikalisiert. Anhand zahlreicher, oftmals auch der Forschung wenig bekannter Arbeiten ermöglicht die Ausstellung einen Überblick über Leben und Werk dieses Künstlers von europäischem Rang. vm Foto: © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, 2008, Volker-H. Schneider Seit 6. Juni Münchner Stadtmuseum: Typisch München! Konzertbesucher im Weißen Saal des Berliner Schlosses, 1879. BUCH-BESPRECHUNGEN Carl Dahlhaus/Norbert Miller: Europäische Romantik in der Musik. Band 2 Oper und symphonischer Stil 1800-1850. Von E. T. A. Hoffmann zu Richard Wagner. J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2007. 1246 S., 79,95 €. ISBN 978-3-476-01583-9 „Vollendet das ewige Werk…“ Wäre einer der beiden Autoren nicht der legendäre (und überaus fleißige) Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus, dürfte man sich schon etwas wundern, dass ein vor fast 20 Jahren Verstorbener für den lang ersehnten zweiten Teil eines Standardwerks über die musikalische Romantik mitverantwortlich zeichnet. Schon früh vertrat der Visionär Dahlhaus den von seinen deutschen Fachkollegen lange verschmähten Standpunkt, dass ohne eine genaue Kenntnis der Opernentwicklung eine Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts nicht zu schreiben sei. Die übrige Zunft hatte sich vordem auf die reine Betrachtung des symphonischen Stils der Zeit von 1770 bis 1850 beschränkt. Wie für den ersten Band hat Co-Autor Norbert Miller – als Literaturwissenschaftler ein ausgewiesener Kenner der Materie – seinem ehemaligen MitProfessor an der Berliner Technischen Universität einen Freundschaftsdienst sondergleichen erwiesen: Was an Vorgesprächen, gemeinsamen Konzepten und Vorarbeiten bereits existierte, bereitete er auch für den zweiten Band auf und bündelte so die Kompetenzen zweier Liebhaber der Romantik. Setzte Band 1 bei Glucks Musikdramen ein, macht Band 2 anfangs mit den Opern Webers und Spontinis vertraut, um in Kapiteln über Rossinis Pariser Karriere, über Meyerbeer und die Grand Opéra, über Berlioz’ und Schumanns Versuche einer „Opéra de concert“ sowie über Verdis und Wagners musiktheatrale Neuerungen einer Gesamtästhetik der romantischen Oper wie der Idee der symphonischen Dichtung auf den Grund zu gehen. Er- staunlicherweise gab es bislang nur zwei vergleichbare Publikationen zu diesem Thema: Alfred Einsteins klassischen Überblick aus den 1940er Jahren und Charles Rosens Musik der Romantik von 1995 bzw. 2000. Mit Dahlhaus/Miller können sie jedoch nicht mithalten. re Erika von Borries: Wilhelm Müller. Der Dichter der Winterreise. Eine Biographie. C. H. Beck Verlag, München 2007. 320 S. (mit 2 CDs), 26,90 €. ISBN 978-3-406-56212-9 Ingo Harden: Epochen der Musikgeschichte. Entwicklung und Formen der europäischen Musik. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2007. 480 S. (mit 4 CDs), 79,90 €. ISBN 978-3-8369-2575-4 Alle kennen seine Lied-Texte, und doch weiß kaum einer über den ominösen „Griechen-Müller“ wirklich Bescheid. Nun schafft Erika von Borries’ fundierte Biographie über Wilhelm Müller, den Dichter von Schuberts Winterreise und der Schönen Müllerin, Abhilfe. In seinem kurzen Leben von 1794 bis 1827 hat es dieser vom Sohn eines Schneidermeisters zum herzoglichen Hofbibliothekar und Hofrat in Dessau gebracht, war ein hochbegabter Einzelgänger und etwas seltsam in der ihm eigenen Mischung aus Verklemmung und Streitlust. Als Lehrer für Latein und Griechisch an der Gelehrtenschule seiner Heimatstadt engagierte sich Müller mit zahlreichen Gedichten leidenschaftlich für den Freiheitskampf der Hellenen gegen die Türken. Schon zu Lebzeiten erhielt er daher den rühmenden Beinamen „Griechen-Müller“. Mit der Geschichte der europäischen Musik von der Gregorianik bis heute beschäftigt sich ein neuartig gestaltetes Werk des Gerstenberg Verlags: Der renommierte, 1928 geborene Musikwissenschaftler und Journalist Ingo Harden hat unter dem Titel Epochen der Musikgeschichte einen gut verständlichen Text verfasst, zu dem auch 4 CDs gehören, die seine eingehenden Analysen der wichtigsten Werke musikalisch quasi bebildern. In über 500 Beispielen, die zur akustischen Unterstützung seiner Ausführungen dienen, werden Formen, Gat t u n g e n , Motive und Motiventwicklungen demonstriert und dem Leser/Hörer somit ausgezeichnete Möglichkeiten zum besseren Verständnis musikalischer Formen eröffnet. CDs und Textband präsentieren sich in einem aufwändigen, eleganten Schuber. Den Status als derzeit beste musikgeschichtliche Einführung behauptet das Konvolut jedoch durch die einzigartige Verzahnung von Text und Hörerlebnis. Ein ideales, für reichlich EndorphinAusschüttung sorgendes Geschenk. re Goethe machte sich über den internationalen Ruhm des Kollegen bloß lustig: „Schlagt ihn tot! Lorbeer her! Blut, Blut! Das ist noch keine Poesie.“ Dem hält Erika von Borries ein differenziertes Lebensbild entgegen, das bei aller schweren Fasslichkeit eine geistige Nähe zwischen der Fabulierkunst von Gustav Schwab, den visuellen Visionen Caspar David Friedrichs und – eben – Müllers lyrischem Œuvre aufzeigt. Zwei CDs gibt es als „Zuckerl“ obendrauf: Zum einen liest Gert Westphal (den Katja Mann einst treffend „des Dichters oberster Mund“ genannt hat) Die schöne Müllerin und Die Winterreise, zum anderen liegt eine Neueinspielung von Schuberts ergreifendstem Liederzyklus mit Florian Prey (Bariton) und Wolfgang Leibnitz am Klavier bei. re 15 BUCH-BESPRECHUNGEN IBS Journal: Zeitschrift des Interessenvereins des Bayerischen Staatsopernpublikums e. V., Postfach 10 08 29, 80082 München Richard Osborne: Herbert von Karajan. Leben und Musik. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2008. 1053 S., 29,90 €. ISBN 978-3-423-34477-7 Ein seltsamer Mann? Nein, ein Musiker, der das Metier seiner Zeit geprägt hat wie kein zweiter. Um den Dirigenten Herbert von Karajan in seinen künstlerischen Absichten zu verstehen, spielt der Begriff Kontrolle eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nach wie vor können in den größten Konzertsälen der Welt jeweils maximal 2.000 bis 3.000 Menschen live erreicht werden. Dem „Generalmusikdirektor Europas“ – wie der 1908 in Salzburg geborene Karajan nach seiner Berufung zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker 1955 und der wenig später erfolgten Übernahme künstlerischer Leitungsfunktionen an der Wiener Staatsoper, Mailänder Scala und bei den Salzburger Festspielen in treffender Weise genannt wurde – war dies irgendwann nicht mehr genug. Um möglichst viele am „Wunder Karajan“ teilhaben zu lassen, machte er es sich bei seinen Musikfilmen – den ersten ihrer Art – zur Aufgabe, eine visuelle Ästhetik zu entwickeln, in der die Abbildung des Orchesterklangs im Vordergrund steht. Dabei verstand er das Dirigieren und somit sich selbst als eigentlichen Urheber dieser Klangentstehung und verlangte folglich, entsprechend oft im Bild zu erscheinen. Damals kannte er das gängige Opern- und Konzertrepertoire – und das ist nicht gerade wenig – schon in- und auswendig. Richard Osbornes akribisch recherchierte Biographie kann durch bislang unbekannte Quellen manches in Karajans Lebensgeschichte erhellen, zeigt einen scheuen, sensiblen, zwiespältigen, von seiner Arbeit besessenen 16 Künstler, doch das Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, B 9907 Wie des früh erreichten Grads an musikalischer Vollendung muss weiter im Dunklen, wunderhaft Geheimnisvollen bleiben. Gewiss ist allerdings: Niemals zuvor oder danach spielten die Berliner Philharmoniker besser als in den 34 Jahren unter Die Bassariden, Pendereckis Teufel von Loudon, Reimanns Lear, Zimmermanns Herbert von Karajan. re Weiße Rose, Eötvös’ Trois Sœurs sowie Rolf Fath: Rihms Jakob Lenz. Dazwischen: geballte, Reclams Opernführer. dabei überschaubare Wissensfülle. vm 38., erweiterte Auflage. Reclam Verlag, Stuttgart 2007. Ferdinand Zehentreiter (Hrsg.): 1055 S., 18,90 €. Komponisten im Exil. 16 KünstlerschickISBN 978-3-15-010638-9 sale des 20. Jahrhunderts. Henschel Verlag, Berlin 2008. Die „Institution Opernführer“ ist alt; 317 S., 29,90 €. freilich nicht nur der – ISBN 978-3-89487-532-9 gerade zum 38.(!) Mal erweiterte – aus dem Stuttgarter Verlags- Das 20. Jahrhundert hat tiefe Spuren in haus Reclam, sondern der Menschheitsgeschichte hinterlassen generell. Kurzinfor- – keineswegs die allerschönsten: Vermationen zu Inhalt, suche vollständiger Gedankenkontrolle, Geschichte und Wir- den Zugriff auf privateste Regungen, kung einer Oper „Vermassung“ der Bevölkerung, polisind gefragt, seitdem die Erfindung des tischen Machterhalt um jeden Preis. elektrischen Lichts im 19. Jahrhundert Gerade Musiker waren totalitären Sysdie Verdunklung des Zuschauerraums temen vielfach ausgesetzt und haben in möglich, das Mitlesen eines Texthefts ihrem Schaffen auf unterschiedliche Art während der Vorstellung aber unmöglich und Weise darauf reagiert. In Ferdinand gemacht hat. An diesem Bedürfnis zur Zehentreiters Aufsatzsammlung Komnötigen Vorinformation haben auch neu- ponisten im Exil werden 16 einschlägige zeitliche Übertitelungen nichts ändern Künstlerschicksale von verschiedenen können. Schon der Name Reclam bürgt Autoren – Experten auf dem jeweiligen für Qualität: Das nach Lebensdaten der Gebiet – einer genauen Untersuchung Komponisten und Uraufführungsdaten unterzogen (die Vorbemerkung und ihrer jeweiligen Werke geordnete Panop- zwei Porträts stammen vom Herausgetikum, das sich über das Register alphabe- ber selbst). Nicht nur der spezielle Blicktisch erschließen lässt, beginnt mit dem winkel fördert Neues zutage, sondern ersten Großmeister des Operngenres aufgrund exklusiver Quellenkenntnisse, Claudio Monteverdi, dessen drei erhal- die hier zitiert und ausführlich komtene Musikdramen erst seit den 1970er mentiert werden, ergeben sich bisher Jahren wieder dauerhaft zum Repertoire ungeahnte Einsichten. Toll, wie sich der gehören (Harnoncourt sei Dank!), und zeitliche Bogen von Nazi- und Sowjetendet in der Beschreibung von Werken diktatur (u. a. Strawinsky, Prokofjew, noch lebender Komponisten. Bespro- Hindemith, Schönberg, Korngold) bis chen werden Henzes Boulevard Solitude, zum Ost-West-Konflikt der NachkriegsKönig Hirsch, Elegie für junge Liebende und epoche (u. a. Ligeti, Yun) spannt. re