Fall 3 - Universität Augsburg

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Institut für Öffentliches Recht
Universität Augsburg
Wintersemester 2013/2014
Fallbesprechungen zum Grundkurs Öffentliches Recht I
(Staatsorganisationsrecht)
Fall 3: Parteienrecht
Teil 1:
In Betracht kommt eine abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 I Nr. 2 GG i.V.m.
§§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG.
Der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76
ff. BVerfGG hat Aussicht Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.
A.
Zulässigkeit
Fraglich ist daher zunächst, ob der Antrag zulässig ist.
I.
Zuständigkeit
Das BVerfG ist nach Art. 93 I Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG zuständig.
II.
Antragsberechtigung
Die Bundesregierung ist antragsberechtigt gem. Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG.
III. Antragsgegenstand
Das Parteiengesetz ist Bundesrecht und als solches tauglicher Antragsgegenstand
gem. Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG.
IV.
Antragsgrund
Des Weiteren müsste ein Antragsgrund vorliegen.
Nach Art. 93 I Nr. 2 GG genügt es, wenn beim Antragssteller Zweifel über die
förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz
bestehen, oder wenn diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten vorliegen.
Vorliegend hat die Bundesregierung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des
Gesetzes.
§ 76 I Nr. 1 BVerfGG, wonach der Antragssteller das gerügte Bundesrecht für
nichtig halten muss, wird durch das Grundgesetz, als das ranghöhere Gesetz,
verdrängt („Lex superior derogat legi inferiori“). Entscheidend ist folglich die weite
Fassung des Grundgesetzes, sodass die Zweifel der Bundesregierung ausreichen.
Ein Antragsgrund liegt mithin vor.
V.
Form
Gem. § 23 I BVerfGG ist der Antrag schriftlich und mit Begründung beim BVerfG
einzureichen.
VI.
Zwischenergebnis
Der Antrag ist somit zulässig.
B.
Begründetheit
Der Antrag ist darüber hinaus begründet, wenn das gerügte Bundesrecht mit dem
Grundgesetz unvereinbar ist.
I.
Formelle Verfassungsmäßigkeit
Fraglich ist daher zunächst die formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.
Das Gesetz ist formell verfassungsgemäß, wenn die Gesetzgebungskompetenz
gegeben und das Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist.
1.
Gesetzgebungskompetenz
Das Änderungsgesetz könnte schon formell verfassungswidrig sein, wenn es
dem Bund an der Gesetzgebungszuständigkeit fehlt.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 21 III GG.
Die Formulierung „Das Nähere regeln Bundesgesetze“ bedeutet eine
ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Hierin ist die
Kompetenzgrundlage sowohl für den Erlass des PartG, als auch für dessen
Änderung zu sehen.
2.
Gesetzgebungsverfahren und Form
Fraglich ist, ob das Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist.
Das Gesetzgebungsverfahren ist in Art. 76-78 GG geregelt.
Danach sind insbesondere drei Stadien zu unterscheiden, nämlich das
Einleitungsverfahren bzw. die Gesetzesinitiative, die Beschlussfassung durch
den Bundestag und den Bundesrat, sowie das Abschlussverfahren.
a)
Gesetzesinitiative
Fraglich ist zunächst, ob der Fraktion der S-Partei ein Initiativrecht
zukommt.
Gem. Art. 76 I GG werden Gesetzesvorlagen beim Bundestag durch die
Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den
Bundesrat eingebracht. Das Tatbestandsmerkmal „aus der Mitte des
Bundestages“ wird durch § 76 I GOBT konkretisiert. Danach müssen
Vorlagen von Mitgliedern des Bundestages von einer Fraktion oder von
fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages unterzeichnet sein.
Folglich sind vorliegend die Abgeordneten der S-Fraktion berechtigt,
Gesetzesinitiativen einzubringen.
b)
Beschlussfassung
Fraglich
ist
daher,
ob
die
Beschlussfassung,
als
weiteres
Verfahrenserfordernis
für
das
Zustandekommen
eines
verfassungsgemäßen Gesetzes, ordnungsgemäß abgelaufen ist.
aa) Im Bundestag
(1) Beschluss nach zwei Lesungen
Die Beschlussfassung könnte deshalb fehlerhaft sein, weil die
Änderung nach zwei Lesungen beschlossen wurde. § 78 I 1 GOBT
schreibt drei Lesungen vor.
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Vorliegend wurde die Änderung jedoch nach zwei Lesungen
beschlossen und es wurde auch keine Abweichung von der
Geschäftsordnung nach § 126 GOBT beschlossen, sodass ein
Verstoß gegen Art. 78 I GOBT vorliegt.
Fraglich ist jedoch, wie sich ein solcher Verstoß auswirkt.
Insoweit ist festzuhalten, dass ein Verstoß gegen die GOBT nicht
mit einem Verstoß gegen das GG gleichzusetzen ist. Art. 82 I 1 GG
verlangt lediglich, dass ein Gesetz nach den Vorschriften dieses
Grundgesetzes zustande gekommen ist. Damit ist eine
Verfassungswidrigkeit nur dann gegeben, wenn der Inhalt der
GOBT-Regel auch in der Verfassung Ausdruck gefunden hat (sog.
„verfassungsrelevanter“ Inhalt).
Die Art. 76 ff. GG äußern sich zu Notwendigkeit von drei Lesungen
nicht, in Art. 77 I 1 GG wird nur vorgegeben, dass der Bundestag
Beschluss zu fassen hat. Wie der Prozess der parlamentarischen
Meinungsbildung bis dahin gestaltet wird, ist Sache der
Satzungsautonomie des Bundestages (Art. 40 I 2 GG). Das
Erfordernis von drei Lesungen gehört nicht zu den unabdingbaren
Grundsätzen demokratischer rechtsstaatlicher Ordnung.
Damit kommt es nicht auf die Anzahl der Lesungen eines Gesetzes
an, sondern darauf, dass ein Meinungsbildungsprozess stattfindet
und in einer Beschlussfassung endet.
Folglich führt ein Verstoß gegen § 78 I 1 GOBT nicht zur
Verfassungswidrigkeit.
(2) Beschlussfähigkeit des Bundestages
Des Weiteren müsste der Bundestag beschlussfähig gewesen sein.
Die Beschlussfähigkeit des Bundestages ist in § 45 I GOBT
geregelt. Danach ist der Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als
die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
Vorliegend waren 40 anwesend und damit gerade nicht mehr als
die Hälfte seiner Mitglieder.
Jedoch ist § 45 II GOBT zu beachten. Danach muss die
Beschlussunfähigkeit vor Beginn der Sitzung durch den Bundestag
festgestellt werden. Ohne diese Feststellung ist der Bundestag
beschlussfähig.
§ 45 II GOBT ist dadurch gerechtfertigt, dass die wesentliche
Arbeit an der Gesetzesvorlage in den Ausschüssen und zwischen
den Fraktionen geleistet wird und daher die geringe Präsenz
während der Schlussabstimmung i.d.R. ein Zeichen für einen
breiten Konsens ist.
Vorliegend wurde die Beschlussunfähigkeit des Bundestages nicht
festgestellt.
Möglicherweise muss trotz fehlender Feststellung aber von der
Beschlussunfähigkeit ausgegangen werden, wenn nicht genug
Mitglieder anwesend waren, um die Beschlussunfähigkeit
überhaupt feststellen zu können. Im Falle einer solch geringen
Beteiligung könnte das Demokratieprinzip aus Art. 20 II GG
verletzt sein.
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Derzeit hat der Bundestag 631 Abgeordnete, damit müssten
mindestens 32 Abgeordnete (631*5%=31,55; beachte auch: nur
„ganze“
Abgeordnete
zählen)
anwesend
sein,
um
die
Beschlussfähigkeit gem. § 45 I GOBT zu bezweifeln.
Vorliegend waren 40 Abgeordnete anwesend, die Beschlussfähigkeit hätte also von mindestens 5% der Abgeordneten gem.
§ 45 I GOBT angezweifelt werden können.
Folglich war der Bundestag beschlussfähig.
Mithin ist die Beschlussfassung ordnungsgemäß abgelaufen.
bb) im Bundesrat (+)
Ein Einspruch gem. Art. 77 III GG wurde nicht eingelegt. Der
Bundesrat wurde ordnungsgemäß beteiligt.
c)
Ausfertigung und Verkündung (+)
Das Gesetz wurde ordnungsgemäß ausgefertigt und verkündet.
3.
Zwischenergebnis
Das Gesetz ist damit formell verfassungsgemäß.
II.
Materielle Verfassungsmäßigkeit
Fraglich ist, ob das Gesetz auch materiell verfassungsgemäß ist.
In Betracht kommt hier insbesondere ein Verstoß gegen den Grundsatz der
Chancengleichheit der Parteien.
1.
Herleitung
Der Grundsatz der Chancengleichheit ist nicht ausdrücklich normiert.
Die Entscheidung des Grundgesetzes für eine parlamentarische Demokratie
hat aber ein Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit der miteinander
konkurrierenden Parteien zur unabdingbaren Folge.
In Bezug auf die Ausgestaltung des Wahlrechts folgt dieser Grundsatz aus Art.
21 I i.V.m. Art. 38 I 1 GG, außerhalb von Wahlen aus Art. 21 I i.V.m. Art. 3 I
GG. Auf einfachgesetzlicher Ebene konkretisiert § 5 PartG den
Gleichbehandlungsanspruch der Parteien.
2.
Beeinträchtigung der Chancengleichheit
Indem Vereinigungen, die unterhalb der Mitgliedsschwelle bleiben, Vorteile die
der Parteienstatus mit sich bringt, wie etwa das Parteienprivileg des Art. 21 II
GG, die Berücksichtigung bei der Wahlwerbung gem. § 5 PartG, die staatliche
Finanzförderung gem. §§ 18 ff. PartG und die Beteiligung bei der Bildung von
Wahlorganen gem. § 9 II 4 BWahlG, sowie das Listenprivileg gem. § 27
BWahlG,
genommen
werden,
liegt
eine
Beeinträchtigung
der
Chancengleichheit vor.
3.
Rechtfertigung
Eine allgemeine Differenzierung dahingehend, welche Vereinigungen Parteien
sind, ist jedoch nicht absolut verboten. Parteien sind ein Element des
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demokratischen Gefüges des GG, Beschränkungen können daher um das
Funktionieren des Systems willen gerechtfertigt sein. Jedoch verlangt der
Grundsatz der Chancengleichheit eine strenge, schematische und formale
Gleichbehandlung. Eine Differenzierung ist nur aus zwingenden Gründen
gerechtfertigt.
Das Änderungsgesetz
Parteienlandschaft.
verhindert
vorliegend
die
Zersplitterung
der
Außerdem handelt es sich bei kleineren Parteien meist auch um radikalere
Parteien.
Schließlich dient es dem Ausschluss weniger ernsthaften Vereinigungen.
Darüber hinaus ist eine ernsthafte politische Betätigung überhaupt erst
möglich, wenn sich eine Partei über das Gründungsstadium hinaus
hinreichend gefestigt hat. Laut Bundesverfassungsgericht kann eine Partei auf
Dauer nicht nur aus den Gründern und einigen Funktionären bestehen,
sondern bedarf eines hinreichend Mitgliederbestandes.
Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 21 I 2 GG gerade die Freiheit
der Parteiengründung und ein Mehrparteiensystem vorsieht und die
Funktionsfähigkeit des Parlaments überdies mittels der 5 %-Hürde gesichert
wird.
Außerdem sind zwar mitunter einzelne kleinere Parteien radikaler als andere,
dies gilt gleichwohl nicht für alle. Überdies gilt das Parteienprivileg aus Art. 21
II GG.
Des Weiteren muss zur Wahrung einer Chancengleichheit auch für jüngere
Vereinigungen die tatsächliche Bedeutsamkeit und Aktivität der Partei
ausschlagegebend sein, eine starre Mitgliederschwelle kann dafür keinen
sachgerechten Maßstab geben.
Vorliegend ist die hier gewählte Grenze jedenfalls auch zu hoch. Überdies ist
eine starre Grenze nicht geeignet, die Verfestigung der Partei in der
politischen Landschaft sicherzustellen.
4.
Zwischenergebnis
Die Differenzierung ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Es liegt damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der
Parteien vor.
Das Gesetz ist mithin materiell verfassungswidrig.
III. Ergebnis
Der Antrag ist begründet.
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Teil 2:
I.
Verletzung des Art. 21 II GG, sog. Parteienprivileg
Durch die Äußerung des M könnte die R-Partei in ihren Rechten aus Art. 21 II GG
verletzt worden sein.
1.
Regelungsinhalt des Art. 21 II GG
Gem. Art. 21 II GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Frage
der Verfassungswidrigkeit einer Partei.
Nur das Bundesverfassungsgericht ist damit befugt, die Verfassungswidrigkeit
einer Partei festzustellen, keine andere staatliche Stelle darf, solange das
Bundesverfassungsgericht nicht tätig geworden ist, die Verfassungswidrigkeit
einer Partei geltend machen.
2.
Eingriff in Art. 21 II GG
Fraglich ist, ob durch die Äußerung des M dieses Parteienprivileg verletzt
wurde.
Vorliegend schätzt der Bundesminister die R-Partei zwar als verfassungswidrig
ein, M macht die Verfassungswidrigkeit der Partei damit aber nicht rechtlich
geltend. Für die R-Partei entstehen keine Rechtsfolgen, wie bspw. bei der
Weigerung
einer
Stadt,
einer
Partei
die
Stadthalle
für
eine
Wahlkampfveranstaltung zu vermieten. Die Kundgabe der eigenen
Einschätzung ist nicht durch Art. 21 II GG verboten.
3.
Zwischenergebnis
Eine Rechtsverletzung ist demnach zu verneinen.
II.
Verletzung des Art. 21 I GG
Möglicherweise ist jedoch Art. 21 I GG verletzt worden.
1.
Regelungsinhalt des Art. 21 I GG
Art. 21 I 2 GG schützt ausdrücklich die Gründungsfreiheit von Parteien.
Die Freiheit, eine Partei zu gründen, wäre aber bedeutungslos, wenn daraus
nicht weitere Freiheiten erwachsen würden. So umfasst Art. 21 I GG auch die
Betätigungsfreiheit und das Recht auf Gleichbehandlung (vgl. dazu oben).
Diese Freiheiten sind Abwehrrechte gegenüber staatlichen Behinderungen und
Eingriffen.
2.
Eingriff in Art. 21 I GG
Fraglich ist, ob vorliegend in Art. 21 I GG eingegriffen worden ist.
Die Äußerung ist geeignet die Partei beim Wähler herabzusetzen und die
Ergebnisse der Partei bei Wahlen zu verschlechtern. Dies gilt umso mehr, als
dass es sich um eine Grundsatzdebatte im Bundestag handelt, welche an die
Öffentlichkeit gewandt ist. Es handelt sich damit gerade nicht um eine rein
parlamentsinterne Äußerung.
Ein Eingriff in Art. 21 I GG liegt folglich vor.
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3.
Rechtfertigung
Der Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein, wenn M mit der Äußerung
seinerseits verfassungsrechtlich garantierte Rechte wahrgenommen hat.
Welche Rechte dem M zustehen, hängt davon ab, in welcher Funktion er die
umstrittene Äußerung getätigt hat.
Entscheidend
ist,
ob
die
Äußerung
im
Rahmen
amtlicher
Funktionswahrnehmung als Bundesminister oder als Abgeordneter des
Bundestages erfolgt.
M ist Mitglied der Bundesregierung und als solches dem ganzen Volk
verpflichtet, nicht nur seiner politischen Partei, ihn könnte also eine Pflicht zur
Neutralität treffen.
Demnach kann der Eingriff in Art. 21 I GG nicht gerechtfertigt werden.
Jedoch gilt es auch zu bedenken, dass die Bundesregierung, legitimiert durch
die Wahl, gerade die Aufgabe hat, in ihrem Amt das politische Programm der
sie tragenden Partei(en) zu verwirklichen, dazu gehören auch Äußerungen zu
parteipolitischen Programmen der politischen Gegner. Es würde die
Bundesregierung daher unter Umständen zu sehr einengen, ihr solche
Äußerungen vollständig zu untersagen.
Wie weit die Neutralitätspflicht unter diesem Aspekt reicht, kann aber
möglicherweise dahinstehen, denn M tätigt die Äußerung als Abgeordneter
des Bundestages, insofern steht ihm im Rahmen der politischen
Auseinandersetzung das Recht zu, seine Meinung zu politischen Gegner frei zu
äußern (Art. 38 I 2 GG, Rederecht des Abgeordneten).
Zwar sind die Abgeordneten des Bundestages in ihrer Gesamtheit ebenfalls
Vertreter des ganzen Volkes, mit diesem Grundsatz (Kollektivrepräsentation)
ist es aber vereinbar, wenn M als einzelner Abgeordneter Interessen nur von
Teilen des Volkes vertritt, z.B. von seiner Partei.
Den Parteien kommt im freien und offenen Prozess der Willensbildung des
Volkes eine wichtige Rolle zu (vgl. Art. 21 I 1 GG), die R-Partei kann und
muss sich daher am öffentlichen Disput um politische Meinungen beteiligen,
kann insoweit aber auch Gegenstand einer solchen Diskussion werden.
Die Äußerungen des M dürfen allerdings nicht willkürhafte oder sachfremde
Züge tragen.
Vorliegend hält die Äußerung sogar
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stand.
einer
Überprüfung
anhand
des
Die Abgeordneten des Bundestages trifft die Pflicht die freiheitliche,
demokratische Grundordnung zu wahren und zu verteidigen, insofern besteht
auch eine Pflicht, Diskussionen über evtl. besorgniserregende Entwicklungen
anzustoßen bzw. sich an solchen zu beteiligen
Die Äußerungen des M sind geeignet über die Vereinbarkeit der politischen
Ziele der R mit dem GG zu diskutierten, insbesondere halten sie sich im
zulässigen Rahmen für eine parlamentarische Debatte, sie wurden nicht
unsachlich oder besonders aggressiv vorgetragen.
Die öffentliche Diskussion über die politischen Ziele von Parteien ist
gegenüber der (sofortige) Anstrengung eines Verbotsverfahrens das mildere
Mittel.
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M belegt sein Werturteil („R-Partei sei tendenziell verfassungswidrig“) mit
Tatsachen (Veröffentlichung in Zeitschrift), die von R auch nicht bestritten
wurden.
4.
Zwischenergebnis
Die Äußerungen des Abgeordneten M sind damit jedenfalls nicht willkürhaft
oder sachfremd.
Die R-Partei ist mithin nicht in ihren Rechten aus Art. 21 I 1 GG verletzt.
III. Ergebnis
Ein Verstoß gegen Bestimmungen des GG, insbesondere gegen Art. 21 I GG, ist
nicht ersichtlich.
Literaturhinweise:
Vgl. zum Fall insgesamt: Schmidt-Jortzig/Schliesky, 40 Klausuren aus dem Staats- und
Völkerrecht mit Lösungsskizzen, 2002, 6. Auflage, Fälle 19 und 20
Zum Gesetzgebungsverfahren: Nolte/Tams, Das Gesetzgebungsverfahren nach dem
Grundgesetz, Jura 2000, S. 158 ff.
Zum Parteienrecht allgemein: Maurer, Die Rechtsstellung der politischen Parteien, JuS
1991, S. 882 ff.
weitere Anwendungsfälle zum Grundsatz der Chancengleichheit von Parteien:
- zur Ausgestaltung des Wahlrechts, vgl. insoweit Fall 1
- bzgl. Wahlwerbung etwa Degenhart, Klausurenkurs im Staatsrecht, Fall 1
- Parteienfinanzierung
Zur unzulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vor Bundestagswahlen:
BVerfGE 44, 125 ff. = NJW 1977, S. 751 ff.; Stundenroth, Wahlbeeinflussung durch
staatliche Funktionsträger, AöR 125 (2000), S. 255 ff.
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