Seminar im Rahmen des F-Praktikums Nachweis neutraler Teilchen Handout zum Vortrag vom 28.11.06 In vielen Reaktionen der Kern- und Teilchenphysik kommen als Produkt Photonen und Neutronen vor. Ihr direkter Nachweis ist nicht möglich, da alle bekannten Detektoren auf der elektromagnetischen Wechselwirkung beruhen und somit keine neutrale Teilchen detektieren können.. Jedoch existieren Reaktionen durch die Ihre Information wie Energie und Impuls auf geladene Teilchen übertragen werden könne. Bei Photonen sind dies Photoeffekt, Comptonstreuung und Paarbildung; bei Neutronen Kernreaktionen mit geladenen Sekundärteilchen und Streuprozesse. Da eine hohe Dichte und große Volumen für diese Reaktionen nötig sind, werden oftmals Szintillatoren für den Nachweis verwendet. Dabei unterscheidet man organische Szintillatoren, welche besonders schnell sind und sich Aufgrund der hohen Protonenanzahl insbesondere für den Neutronennachweis eignen. Anorganische Szintillatoren hingegen haben eine hohe Lichtausbeute und eignen sich Aufgrund der höheren Kernladungszahl für den Nachweis von Photonen. Photomultiplier wandeln das erzeugte Szintillationslicht in ein elektrisches Signal um. 1. Einführung und Motivation Neutronen und Photonen tragen keine Ladung treten jedoch in vielen Bereichen der Kern- und Teilchenphysik auf. Im niederenergetischen Bereich sind hier insbesondere Kernreaktionen (Beta-Zerfall, (n,a)-Reaktionen) als Quellen zu nennen. Geht man zu höheren Energien über, so gibt es eine Vielzahl von Reaktionen die als Produkte Neutronen und/oder Photonen erzeugen. Es ist also essentiell auch diese neutralen Teilchen zu detektieren, will man nicht viele Informationsträger vernachlässigen. Der Nachweis gestaltet sich jedoch schwierig, da alle bekannten Detektorsysteme ausschließlich auf elektromagnetische Wechselwirkung sensitiv reagieren. Es ist also nötig die Informationen, die neutrale Teilchen tragen, auf geladene zu übertragen. In der Natur treten eine Vielzahl von Reaktionen auf, die man sich diesbezüglich zu Nutze machen kann 2. Wechselwirkung mit Materie Es zeigt sich das neutrale Teilchen derart mit Materie Wechselwirken, das aus Photonen hauptsächlich schnelle Elektronen, aus Neutronen schwere geladene Teilchen wie Helium- oder Wasserstoffkerne werden. 2.1 Wechselwirkung von Photonen Trifft eine Strahl von Photonen auf Materie so besitzt er keine definierte Reichweite. Stattdessen wird seine Intensität abnehmen, wobei gilt: I(x) = I 0 e − μx Hierbei ist m=ns der Massenabsorptionskoeffizient welcher sowohl von der Teilchendichte n als auch von den Summe der Wirkungsquerschnitte (WQ) s für die Reaktionen • Photoeffekt • Comptonstreuung • Paarbildung abhängt. Beim Photoeffekt wird die gesamte Energie eines Photons auf ein Hüllenelektron übertragen und das Photon dabei vernichtet. Dieser Effekt ist insbesondere für niedrige Energien (im Bereich der Bindungsenergie des Elektrons) dominant. Der WQ zeigt eine starke Abhängigkeit von der Kernladungszahl des Absorbermaterials (Z4-5). Bei der Comptonstreuung handelt es sich um eine elastische Streuung des Photons an Hüllenelektronen. Die Energie wird hierbei kontinuierlich an das Elektron abgegeben. Insbesondere für mittlere Energien (100 KeV – 10 MeV) ist dieser Effekt dominierend. Da die Wahrscheinlichkeit ein Elektron zu treffen mit der Anzahl der vorhandenen Elektronen steigt, zeigt sich eine lineare Abhängigkeit des WQ mit Z. Ab einer Energie von 1,02 MeV, also der doppelten Ruhemasse des Elektrons, kann es zur Erzeugung eines Elektron- Positronpaares kommen, der Paarerzeugung. Hierbei ist aus Gründen der Energie und Impulserhaltung ein Rückstoßpartner erforderlich. Insbesondere für hohe Energien ab 10 MeV ist dies der dominierende Effekt. Die überschüssige Energie wird den Teilchen als Impuls mitgegeben. Das Positron anhilliert mit einem Elektron unter Aussendung von zwei 511 KeV Gammas. Der WQ ist hier proportional zu Z². Eine Übersicht findet der einzelnen WQ findet sich in Abb. 1. Bei sehr großen Energien kann es zur Ausbildung eines elektromagnetischen Schauers kommen. Dabei haben die durch Paarbildung erzeugten Elektronen so viel Energie das sie Bremsstrahlung erzeugen, die weiter e+ e- Paare erzeugt usw. Abb.1: Abhängigkeit des Massenabsorptionskoeffizienten von der Energie des Photons 2.2 Wechselwirkung von Neutronen Alle Reaktionen die dem Nachweis von Neutronen dienen, sind Prozesse der starken Wechselwirkung. Da deren Reichweite äußerst gering ist (O 10-11m), sind die Wirkungsquerschnitte im allgemeinen sehr klein. Die Prozesse die hier Betrachtet werden sind: • Kernreaktionen (Neutroneneinfang) • Elastische Streuung (insb. am Proton) • Inelastische Streuung. Für thermische Neutronen (En< 20 MeV) sind Neutroneneinfangprozesse dominant. Dabei dienen Reaktionen mit geladenen Produkten dem Nachweis, z.B.: n + 6 Li → α + 3 H n +10 B → α + 7 Li n + 3 He → p+ 3 H Die WQ für diese Reaktionen nehmen jedoch schnell mit steigender Neutronenenergie ab, wie Abb. 2 zeigt. Es dominiert dann die elastische Streunung [{H’(n,n)H’ in Abb. 2] von Neutronen. Dabei überträgt ein Neutron über die starke WW. Energie und Impuls auf ein geladenes Teilchen, das dann Nachgewiesen werden kann. Dabei ist der Impulsübertrag maximal wenn der Stoßpartner die gleiche Masse trägt. Wasserstoffkerne (Protonen), wie sie insbesondere in organischen Szintillatoren vorkommen, oder andere leichte Kerne sind daher ideal. Bei noch höheren Energien kommt es zur inelastischen Streuung. Dabei „zerplatzt“ der Kern auf den das Neutron trifft, und es bilden sich eine Vielzahl von geladenen und ungeladenen Hadronen, die ihrerseits erneut inelastisch streuen können. Es kommt zur Ausbildung eines hadronischen Schauers. Um diesen nachzuweisen sind Hadronenkalorimeter nötig. Dabei handelt es sich um eine Abfolge von Szintillator- und Abschirmplatten (z.B. Blei). 3. Detektoren Es gilt nun die erzeugten, geladenen Teilchen nachzuweisen. Dazu eignen sich aufgrund der großen Dichte insbesondere Festkörperdetektoren wie Halbleiterdetektoren oder insb. Szintillatoren. Detektoren bei denen der Nachweis durch Ionisation eines gasförmigen Mediums erfolgt, wie beispielweise Proportionalkammern sind ungeeignet, da bedingt durch die geringen Dichte, die WW mit Neutronen und Photonen zu klein sind. 3.1 Halbleiterdetektoren Bei einem Halbleiterdetektor handelt es sich um einen pn-Übergang (Diode) der in Sperrrichtung geschaltet wird. Durch eine angelegte Spannung lässt sich so die Sperrschicht (also der Bereich, in dem keine freien Ladungsträger mehr vorhanden sind) auf den ganzen Halbleiter ausdehnen. In Abb. 3 ist dies aus Gründen der Übersicht über die einzelnen Elemente nicht deutlich dargestellt. Abb.3: Zur Funktion eines Halbleiterdetektors Abb.2: WQ für Neutroneneinfangprozesse und elastische Streuung am Proton Ein ionisierendes Teilchen erzeugt nun entlang seines Weges Elektronen-Loch-Paare, die als Strom nachgewiesen werden können. Aufgrund der kleinen Bandlücke wird eine große Anzahl dieser Paare erzeugt, was zu einer guten Energieauflösung führt. Jedoch ist es extrem teuer großvolumige Detektoren dieser Art zu bauen. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wechselwirkung eines neutralen Teilchens mit dem Detektor gering ist. Diese Detektoren werden daher nur für niederenergetische Experimente verwendet. 3.2 Szintillatoren Szintillatoren sind die am meisten verwendeten Detektoren für den Nachweis neutraler Teilchen. Der Nachweiß läuft dabei folgendermaßen ab: Zunächst wir nach den in Kap. 2 beschriebenen Prozessen eine geladenes Teilchen erzeugt, das dann (gemäß Bethe Bloch) Energie im Szintillator deponiert. Diese führt zu Anregung, welche dann in Form von Licht wieder abgegeben wird. Das Licht kann dann in einem Photomultiplier in ein elektrisches Signal umgewandelt wird. Der Anregungsprozess unterschiedet sich ja nach Szintillator. Man unterscheidet im wesentlichen zwei Klassen von Szintillatoren: 3.2.1 Anorganische Szintillatoren Bei anorganischen Szintillatoren handelt es sich um Kristalle welche mit einem Aktivator dotiert sind. Häufig werden mit Talium dotierte Natriumiodid Kristalle verwendet. Der Szintillationsprozess beruht hierbei auf der Erzeugung von Exitonen. Diese wandern durchs Gitter bis sie auf einen Aktivator treffen über den sie sich abregen [Abb. 4]. Bei dieser Abregung wird das Licht emittiert. Aufgrund der geringeren Energiedifferenz der Aktivatoratome ist der Szintillator somit auch transparent für sein eigenes Licht. Abb.5: Aromatische organische Verbindung (Anthrazen) Durch Anregung verschiedener Molekülzustände [Sigulett – schnell (ns) – Fluoreszenz; Triplett – langsam (ms – ms) ] kommt es zur Emission des Szintillationslicht, das in der Regel im UV-Bereich liegt. Mit einem „Wellenlängenschieber“, also einem sekundären Fluoreszenzstoff der das UVLicht absorbiert und Licht größerer Wellenlänge emittiert, kann dieses in den sichtbaren Bereich geschoben werden. Da die Anregung der Moleküle unabhängig von deren Aggregatzustand möglich ist, lassen sich Organische Szintillatoren sowohl in Flüssigkeit lösen, als auch in Plastik gießen. Somit ist der Bau von großen, leicht handhabbaren Detektoren möglich. Organische Szintillatoren besitzen eine geringere Photonenausbeute, als anorganische, sind jedoch schneller. Daher finden sie insb. bei zeitkritischen Aufgaben Verwendung (Trigger). 3.3 Lichtleiter Um das Szintillationslicht dem Photomultiplier (PM) zuzuführen, sind oft Lichtleiter nötig. Zum einen kann mit ihnen die Geometrie zwischen Szintillator und PM angepasst werden (z.B. flache Platte an runden PM) zum anderen ist es oft nötig die Photomultiplier auszulagern (Magnetfelder!). Durch die Verwendung von Lichtleitern wird i.d.R. die Quantenausbeute verringert, da sich der Phasenraum des Lichts nicht verringern lässt (Satz von Liouville). 3.4 Photomultiplier Abb.4: Anorganischer Szintillator Diese Art von Szintillatoren sind langsam, da, je nach Beweglichkeit des Exitons, merklich Zeit vergeht bis der Aktivator angeregt wird, zum anderen besitzt dessen Zustand auch noch eine endliche Lebensdauer. Allerdings haben sie eine hohe Photonenausbeute. Aus diesem Grund werden sie insbesondere dann verwendet wenn es auf gute Energieauflösung ankommt. Der Photomultiplier hat die Aufgabe ein zum erzeugten Licht proportionales, elektrisches Signal zu generieren, das dann ausgewertet werden kann. Abb. 6 verdeutlicht die Funktionsweise. 3.2.1 Organische Szintillatoren Bei Organischen Szintillatoren handelt es sich um aromatische CH-Verbindungen mit p-Elektronenstruktur. Abb. 5 zeigt Anthrazen als typischen Vertreter. Der Szintillationsprozess ist hier ein Prozess einzelner Moleküle. Abb.6: Zur Funktion des Photomultipliers Ein einlaufendes Photon schlägt aus der Photokathode ein Elektron aus, das zur ersten Dynode hin beschleunigt wird. Die dabei gewonnene Energie reicht aus um hier weitere Elektronen auszuschlagen, die zur nächsten Dynode beschleunigt werden, welche wieder auf einem geringeren Potential liegt, usw. Auf diese Weise bildet sich eine Lawine aus Elektronen, die an der Anode als messbarer Strom nachgewiesen werden kann. Die Verstärkung des PM hängt dabei von der Zahl der jeweils an den Dynoden ausgeschlagenen Elektronen sowie von deren Anzahl ab. Typische Werte für den Verstärkungsfaktor liegen im Bereich 107- 109. Zur weiteren Auswertung, wird das Signal entweder integriert oder nach Pulshöhe diskriminiert, und einem Multichannelanalyser zugeführt, der verschiedene Pulsflächen- bzw. Pulshöhenintervalle in einzelne Kanäle einsortiert. So lässt sich beispielsweise das Gammaspektrum eines Kernzerfalls aufnehmen. Aufbau zeigt Abb. 9. Betrachtet man den WQ für diese Reaktion in der entsprechenden Niederenergienäherung: Es ergibt sich eine Abhängigkeit von der Summe bzw. der Differenz von a und b. Die nötige Gammastrahlung wird dabei aus dem 855 MeV Elektronenstrahl (E0) des MAMI durch Bremsstrahlungsprozesse in einem Nikelradiator gewonnen. Die Elektronen werden nach dem Radiator mittels Magneten aus der Bahn abgelenkt, die Photonen fliegen durch einen Kolimator auf das flüssige Deuteriumtarget und streuen dort mit dem Neutron oder Proton. Durch eine Koinzidenzmessung von g und n bzw. p, lässt sich dann die Polarisierbarkeit bestimmen. 4. Realisierung im Experiment Vorgestellt werden soll hier eine mögliche Anwendung der eben vorgestellten Detektoren am Beispiel eines Experiments zur Polarisierbarkeit des Nukleons. Da Protonen und Neutronen aus geladenen Quarks aufgebaut sind, ist eine Ladungsverteilung über ihre Ausdehnung zu erwarten. Stellen wir uns ein vereinfachtes Modell vor, in dem wir dies als zwei Ladungsschwerpunkte interpretieren, die mittels einer Feder gekoppelt sind. Wird dieses System nun in ein elektrisches (magnetisches) Feld gebracht, so wird sich ein elektrischer (magnetischer) Dipol ausbilden. Der Fall des elektrischen Feldes ist in Abb. 7 dargestellt. Abb.7: Elektrische Dipolpolarisierbarkeit des Nukleons in einem Kondensator. Die Polarisierbarkeit a (b) ist dann gegeben durch: p = α E ( m = β B ). In unserem Modell entspricht dies gerade der Federkonstante. Im Experiment wird dies durch quasifreie Comptonstreuung an Deuterium untersucht. Den Abb.9: Aufbau des Experiments zur Polarisierbarkeit des Nukleons. Das rückgestreute Photon wird dazu in einem NaI(Tl) Szintillator nachgewiesen. Ein organischer Szintillator (SENEAC) dient der Detektion des Nukleons. Um zwischen Proton und Neutron zu unterscheiden besteht dieser aus zwei Elementen: Ein dünner Plastikszintillator, in Abb 9. türkis dargestellt, reagiert nur auf die geladenen Protonen, ein dahinter angeordneter Flüssigszintillator ist sensitiv auf beide Teilchenarten. Als Ergebnis des Experiments ergeben sich: a = 11,3 ± 0,7(stat.) 10-4 fm b = 3,2 ± 0,7(stat.) 10-4 fm Dabei unterschieden sich die Werte für beide Nukleonen im Rahmen des Fehlers nicht. Die kleinen Werte spiegeln die starke Bindung der Kernkraft wieder (zum Vergleich: ein elektromagnetisches System zeigt einen Wert in der Größenordnung seiner Ausdehnung). Literatur- und Quellenangaben: • • • • • • Leo, W.R. Techniques for Nuclear and Particel Physiks Experiments Knoll, Glenn F. Radiation Detection and Measurement Kleinknecht, K. Detektoren für Teilchenstrahlung Kossert,K. Neutron polarizabilities investigated by quasi-free Compton scattering from the Deuteron Hildebrand, R.P. Comptonstreuung am Nukleon und Deuteron (Promotionsvortrag) Jahn,O. Inbetriebnahme und Anwendung eines großen Natriumjodid Photonendetektors (Diplomarbeit)