4 Südostasien

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Südostasien im Zweiten Weltkrieg
SLIDE: BEVÖLKERUNGEN
Wenn wir über Südostasien sprechen, erscheint es mir sinnvoll, zunächst zu
bestimmen, was darunter gemeint ist. Der Begriff ist schließlich noch nicht so
alt, er wurde erstmals im akademischen Diskurs von Karl Haushofer 1927
verwendet.
Vietnam: ca. 25 Mill., davon ca. 25-30.000 Franzosen
Malaya: 4,7 Mill., davon 2,1 Malayen, 1,7 Chinesen, 800.000 Indern
Burma: 17 Mill. Einwohner
Indonesien: 70 Mill., davon ca. 300.000 Niederländer
SLIDE: VORKRIEGSZEIT HERRSCHAFTSSYSTEM
Südostasien in der Vorkriegszeit
Mit Ausnahme von Thailand regierten in der Vorkriegszeit koloniale Regime die
Region. Deren Herrschaft war je unterschiedlich, beruhte im Wesentlichen aber
auf mehreren ähnlichen Faktoren:
•
Hierarchie, die, von den Philippinen ausgenommen, Privilegien von
Europäern sicherstellte und Autochthone in subalterne Positionen zwang.
•
Autoritäres und despotisches System
•
Kooption der Eliten, in der Regel aristokratischer Schichten
Neben diesen ähnlichen Herrschaftsstrukturen gab es aber doch auch erhebliche
Nuancen im Detail.
•
Philippinen: seit 1916 relative Autonomie und autochthone Verwaltung.
1934: Versprechen der Unabhängigkeit nach 10 Jahren
•
Burma: seit 1937 innere Autonomie mit eigener Regierung. Dort können
etwa ein Drittel der Männer und ein Zehntel der Frauen an Wahlen teilnehmen.
Zentrale Politikfelder verbleiben unter britischer Kontrolle
•
Indonesien, Indochina, Malaya: kaum wirkliche politische Partizipation
autochthoner Bevölkerungen
SLIDE: SOZIOÖKONOMISCHE ENTWICKLUNGEN
Exportorientiert
Mehr materieller Wohlstand und Verbesserung der kolonialen Institutionen im
Sinne einer westlichen definierten Modernisierung. Globale terms of trade
waren für SOA günstig. Bevölkerungswachstum. Mehr Bildung. Mehr und
bessere Infrastruktur. Sogar die SOA Beteiligung in Regierung und Verwaltung
nahm zu, allerdings in einem Maße, das für lokale Erwartungen zu gering war.
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Bewusstsein von Fortschritt, an dem allerdings die locals nicht in ausreichendem
Maße zu partizipieren glaubten.
SLIDE: WIRTSCHAFTSKRISE
Dann kam die große Depression. Preise und Löhne fielen, weil nicht mehr soviel
für die Produkte bezahlt wurde. Das galt insbesondere für Gummi aus Malaya,
Sumatra
und
Cochinchina,
wo
der
Preis
infolge
sinkender
Automobilzulassungen weltweit einbrach. Ähnliches galt für Tabak oder Zinn.
Auf Java brach der Preis für Zucker zwischen 1929 und 1934 um 60% ein. Das
hatte weitreichende Auswirkungen, die sich etwa in sinkenden Wetten auf
Hahnenkämpfe, Löhne, Landpreise, Kopfsteuern und andere Steuern in
ländlichen Regionen niederschlugen. Auch Kredite verteuerten sich und waren
nicht mehr so einfach zu haben.
SLIDE: NATIONALISMEN
Nationalistische Bewegungen bildeten sich etwa seit der Jahrhundertwende in
allen südostasiatischen Gesellschaften. Ihre Stärke war sehr unterschiedlich –
schwach und ethnisch segmentiert in Malaya, stärker in Indonesien, Burma oder
Vietnam. Dort kam es auch wiederholt zu Aufständen, so etwa im Jahre 1930,
als eine von der kommunistischen Partei organisierte bäuerliche Erhebung blutig
und brutal von der Kolonialverwaltung niedergeschlagen wurde. Die
niederländische Kolonialverwaltung verhaftete zur gleichen Zeit nationalistische
Führer wie Sukarno oder Mohammed Hatta und schickte sie ins Exil von Java
auf andere Inseln.
SLIDE: JAPAN UND SÜDOSTASIEN BIS 1941
Nach dem Ersten Weltkrieg rückten die Wirtschaften Südostasiens und Japans
enger zusammen. In den dreißiger Jahren entwickelte sich Japan für manche
SOA-Wirtschaften zum wichtigsten Handelspartner. Das galt insbesondere für
Indonesien, in geringerem Umfang aber auch für die Philippinen oder Thailand.
In Indonesien siedelten sich hunderte japanischer Firmen an. Besonders begehrt
für Japan war Öl.
SLIDE: ENTSCHEIDUNGEN IN JAPAN
Bis 1940 war Japan ausschließlich mit dem Krieg in China beschäftigt. Japaner
haben Küste und wichtige Städte im Binnenland unter Kontrolle. Die deutsche
Offensive im Mai 1940 änderte die Situation für Japan auf dreifache Weise:
erstens wurde dadurch die Frage nach der Zukunft Indonesiens gestellt,
nachdem die Niederlande besetzt worden war. Zweitens konnte Japan nun
Druck auf die französische Kolonialverwaltung in Indochina ausüben, und
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drittens schien sich durch die Kriegsentwicklung die Tür zu den britischen
Besitzungen in Süd- und Südostasien zu öffnen.
Außerdem konnte nach japanischer Auffassung ein Vorstoß in SOA dazu
beitragen, den Krieg in China zu beenden. Denn: Unterbindung des Nachschubs
für Chiang Kai-schek, der über die Eisenbahn durch das nördliche Vietnam und
über Burma herangeschafft wurde. Im Juni 1940 schätzten die Japaner, dass
41% der von außen kommenden Lieferungen für Chiang über Haiphong
angeliefert wurden, 31% über Burma, 19% durch Küstenschifffahrt und 2% über
die Landstrecke aus der SU.
Überlegungen für eine Offensive nach Südostasien wurden im Winter 1939/40
angestellt, konkrete Planungen wurden dann 1940 erarbeitet. Zunächst schien es
aber so, als ob Japan wesentliche Ziele in Südostasien auch ohne einen Krieg
erreichen könnte.
SLIDE: SOMMER 1940
Sommer 1940: die japanische Regierung erzielt mit den Briten eine Einigung
über die Sperrung der Burma-Straße, über die der Nachschub zu Chiang gelangt.
Die Vichy-treue Kolonialverwaltung in Vietnam öffnet Tonkin für die
Stationierung von japanischen Truppen. Dadurch werden der Hafen von
Haiphong und die Bahnlinie nach China geschlossen.
Verhandlungen über die Lieferung von Öl mit der niederländischen
Kolonialverwaltung ziehen sich aber endlos in die Länge, ohne das ein Ergebnis
erzielt werden kann.
Unterdessen verstärkten die Japaner den Druck auf Indochina, das schwächste
Glied in der Kette schwacher Kolonialregime. Ermuntert von Japan, griff im
Winter 1940/41 Thailand Indochina an und besetzte einige westliche Provinzen
von Laos und Kambodscha, die Siam 1893 an Frankreich hatte abtreten müssen.
Im Juli 1941 räumte dann die französische Kolonialverwaltung Japan ein, auch
Truppen im Süden Vietnams zu stationieren. Mit den dortigen Flugplätzen
verfügten die Japaner nun über ein ausgezeichnetes Sprungbrett, um eine
weitere Expansion in der Region durchzuführen.
SLIDE: JAPANISCHE OFFENSIVEN
Ziel Japans: Kontrolle der Rohstoffe in Südostasien so schnell wie möglich.
Angriff auf Pearl Harbor diente dazu, diese Operation an der Flanke vor
amerikanischer Einmischung zu schützen.
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Das Hauptziel war die schnelle Besetzung der Philippinen und Malayas als ein
vorbereitender Schritt zur Eroberung Indonesiens. Zusammen mit der Besetzung
Burmas, zusätzlicher Teile Neuguineas, des Bismarck-Archipels und der
Marshall- und Gilbert-Inseln sicherte dieser neue Machtbereich Japan nicht nur
die Kontrolle über das Öl, den Kautschuk und das begehrte Zinnvorkommen in
diesen Ländern, sondern auch einen Verteidigungsgürtel, von dem aus das
Kaiserreich gegen jeden, der den Japanern wieder etwas zu entreißen versuchen
sollte, vorgehen konnte.
Philippinen: gingen am 22.12. südlich von Manila und an anderem Ort an Land.
50.000 Soldaten trafen dort auf eine Streitmacht von Amerikanern und
Philippinern, die ihnen an nomineller Stärke zwar um das doppelte überlegen
war, jedoch in der großen Mehrheit aus kürzlich eingezogenen Rekruten
bestand. Kampfpause im Februar und März. Hier machen sich Anzeichen der
später mit den Japanern weitverbreiteten Kollaboration breit. Zugleich Bildung
einer Guerilla-Bewegung.
April und Mai: amerikanisch-philippinische Truppen ergeben sich. Restliche
Truppen kapitulieren am 9. Juni.
Singapore und Malaya: Schlachtschiffe waren fast alle in europäische Gewässer
beordert. Wie eine fast 500 km lange Halbinsel gegen Japaner verteidigen?
Annahme, diese seien unfähig und unterlegen. Britische Kräfte sind vorrangig
Inder. Müssen Niederlage nach Niederlage einstecken und werden demoralisiert.
Mit einer Serie blutiger Schlachten in der zweiten und dritten Januarwoche
brachen die Japaner die britische Hauptverteidigungslinie in der nördlichen
Provinz Johore, der letzten wichtigen Front zum Schutz der Festung. Die
verbleibenden britischen Streitkräfte zogen sich daraufhin auf die Insel zurück,
sprengten den Verbindungsdamm zum Festland und erwarteten den japanischen
Schlag. Auf der Insel Singapore waren in den zwei Monaten seit Beginn der
Kämpfe ebenso wenig ernsthafte Vorbereitungen für eine Belagerung getroffen
worden wie in den vorangegangenen Jahrzehnten des Friedens. Als die
japanische Infanterie über die Meerenge hinweg angriff, in der Nacht des 8 auf
den 9. Februar, gewann sie rasch Halt und baute Positionen aus. Am 15. Februar
führte der britische General Percival ungefähr 70.000 Soldaten in die
Gefangenschaft. Analyse des War Office von 1942 zum größten Debakel in der
britischen Militärgeschichte: Unterschätzung der Japaner, Fehlen einer
aggressiven Führung der Truppen, unzulängliche Bewaffnung, etc.
Indonesien: Bis Mitte Februar Besetzung von Borneo und der Ölförderanlagen.
Diese waren zerstört, aber reparabel.
In der Schlacht in der Javasee (27./28.2.) zerstören die Japaner die alliierte
Flotte (größte offene Seeschlacht seit Skagerrak 1916). Am 1. März landen die
Japaner auf Java, am 8. kapitulieren die alliierten Streitkräfte. Am gleichen Tag
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rücken die Japaner in Rangoon ein. In weniger als sechs Monaten hatten die
Japaner sich nun ein neues Großreich erobert.
SLIDE: IDEOLOGISCHE ANGEBOTE
Die Japaner hatten innerhalb weniger Wochen den Mythos europäischer
Überlegenheit gründlich zerstört. Alliierte Verlautbarungen zur Zukunft
Südostasiens erschienen den Menschen der Region auch nicht sehr
vertrauenswürdig. In der Atlantic Charter vom August 1941 versprachen die
Vereinigten Staaten und Großbritannien allen Völkern eine Zukunft in Freiheit.
Churchill ergänzte jedoch, das treffe auf die Kolonialreiche nicht zu. Insofern
stieß die alliierte Propaganda, die den Krieg als eine Auseinandersetzung
zwischen Demokratien und Autokratien und als einen Konflikt zwischen
Freiheit und Faschismus/Militarismus deutete, an enge Grenzen.
Japan versuchte mit der Botschaft „Asien den Asiaten“, Sympathien für seine
Sache zu wecken. Asien den Asiaten bedeutete, europäische Einflüsse
auszuschalten und Frieden und Wohlstand für alle Asiaten zu fördern, die in der
Großostasiatischen Wohlstandssphäre lebten. Der politische Höhepunkt dieser
propagandistischen Zielsetzung wurde im November 1943 inszeniert, als in
Tokio eine großasiatische Konferenz unter Beteiligung von Vertretern der
formal nun unabhängigen Länder Burma und Philippinen sowie Thailands
stattfand. Die Abschlusserklärung betonte die Gleichheit der Länder, die
Zusammenarbeit und das gemeinsame Ziel von Wohlstand. Konkrete Folgen
hatten die Konferenz und die Schlusserklärung aber nicht.
Außerdem klaffte zwischen der japanischen Propaganda und dem Auftreten der
Besatzungsmacht eine zunehmend große Lücke. Denn die meisten Japaner
hegten Vorurteile und stereotype Vorstellungen über Südostasiaten, die von den
gleichen Hierarchien gekennzeichnet waren wie die der Europäer. Wo man
hinschaut: ob in die Politik, in die quantitativ beachtliche
sozialwissenschaftliche Forschung über Südostasien, die während der dreißiger
Jahre produziert wurde, oder in die Äußerungen von Armeeangehörigen
während des Krieges: gegenüber Südostasiaten empfanden sich Japaner als
kulturell und häufig auch biologisch Überlegene.
SLIDE: Verwaltung
Die ursprünglichen Pläne hatten vorgesehen, soweit als möglich die bestehenden
Kolonialverwaltungen zu nutzen, d.h. also auch die europäischen
Verwaltungsbeamten. Das gelang in Indochina. Anderswo aber weigerten sich
die Europäer, mit den Japanern zusammenzuarbeiten. Sie wurden daher
interniert. Bekannt geworden sind vor allem die schweren Bedingungen, unter
denen die Niederländer in Lagern litten. Von den rund 80.000 internierten
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Niederländern überlebten 17.000 die Haft nicht. Für die Bevölkerungen
Südostasiens war wesentlicher, dass die Japaner weitgehend mit den früheren
autochthonen Eliten kooperierten. Im Grunde genommen änderte sich also am
häufig feudalen Charakter lokaler und regionaler Verwaltungen kaum etwas.
Nationalisten wurden zwar auch zu Verwaltungsaufgaben hinzugezogen, aber
nicht in dem von ihnen erhofften Maße.
SLIDE: Wirtschaft
Vorgabe der japanischen Regierung: Besetzte Länder müssen die
Besatzungstruppen aushalten. Das hatte unmittelbare Konsequenzen für die
Bevölkerungen im Hinblick auf Ernährung, Zuweisung von Waren etc.,
zunehmend auch, was Bauern anbauen sollten oder nicht. Ein eklatantes Beispiel
ist Tonkin im nördlichen Vietnam: dort wurden die Bauern seit 1943
gezwungen, statt Getreide Ölsaaten anzupflanzen. Die Folge war eine
Hungersnot im letzten Kriegsjahr, die bis zu einer Million Menschen das Leben
kostete. In Indonesien starben etwa 4 Millionen Menschen an den Folgen von
Unterernährung, Hunger oder Zwangsarbeit.
Viele Südostasiaten wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Das im Westen
bekannteste Beispiel für den Einsatz von Zwangsarbeitern ist der in dem
bekannten Spielfilm „Die Brücke am Kwai“ nacherzählte Bau einer Eisenbahn
von Bangkok nach Rangoon. Die Strecke führte über 415 km Gebirge und
unzugänglichen Dschungel. Ca. 100.000 Zwangsarbeiter kamen dabei ums
Leben.
Schon die Briten hatten Pläne für den Bau der Eisenbahn entworfen und waren
dabei von 5 Jahren Bauzeit ausgegangen. Die Japaner, die im Juni 1942, wollten
es in 16 Monaten machen. Dies war wichtig, um die Eroberung Indiens
voranzutreiben. Der Plan gelang, und ab Oktober 1943 rollten täglich ca. 3000
Tonnen Waffen und Nachschub per Eisenbahn von Thailand nach Burma. In
Burma zogen die Japaner 175.000 Menschen zur Zwangsarbeit ein, von denen
80.000 auf dem Marsch zur Bahnstrecke fliehen konnte. Von den restlichen
95.000 starben mindestens 40.000 beim Bau der Strecke. Auch etwa 62.000
alliierte europäische Kriegsgefangene wurden eingesetzt, von denen über 12.000
nicht überlebten.
Die Eisenbahn ist aber nur ein Beispiel für die massenhafte Nutzung von
Zwangsarbeit während der Besatzungszeit. Einführung eines Arbeitsdienstes in
Malaya: von je 250 Einwohnern mussten 20 im Alter von 15 bis 45 einem
Arbeiterkorps beitreten. 1944: 140.000 Zwangsarbeiter. In Indonesien:
Rekrutierung von Romusha: Hunderttausende arbeiten an Festungsanlagen,
Militärstützpunkten, Flugpisten etc. oder werden zum Arbeitsdienst in
malaiische oder thailändische Minen verschleppt.
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SLIDE: Politische Mobilisierung und Nationalismus
In Indochina versuchte die Kolonialverwaltung, Petain und Konfuzianismus
unter dem Schlagwort „Arbeit, Familie und Vaterland“ in Einklang zu bringen,
um gesellschaftliche Stabilität, öffentliche Ordnung und Sicherheit zu
gewährleisten. In Thailand behielt Bangkok die Kontrolle über die Armee und
die Bevölkerung; die Japaner waren offiziell Gäste, die thailändische Basen
nutzen durften.
Dennoch galt auch hier, was für die anderen Länder der Region zutraf: der Krieg
mobilisierte die Bevölkerungen und verschaffte dem Nationalismus großen
Auftrieb.
Malaya sollte japanische Kolonie bleiben, weil die „Eingeborenen politisch
unreif“ seien. Ziel der japanischen Militärverwaltung war es, der Bevölkerung
Malayas „japanischen Geist“ anzutrainieren. Dazu gehörten eiserne Disziplin,
hartes körperliches Training, Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Kaiser und
die Einführung von Japanisch in Schulen, Behörden und im Geschäftsleben. Die
Besatzer veranstalteten Wettbewerbe in japanischer Sprache, Schrift und freier
Rede, verboten Englisch und Mandarin und gaben Singapur den japanischen
Namen Shonan (Strahlender Süden). Alle Jugendlichen zwischen 17 und 25
mussten sechs Monate lang eine Grundausbildung absolvieren, mit
militärischem Drill, Unterweisung in japanischer Geschichte und
Kampfsportarten.
Ähnlich bot sich die Lage in Indonesien dar: auch dort wurden
Massenorganisationen gebildet, die der Mobilisierung dienten. Indonesisch –
gewissermaßen eine Kunstsprache – ersetzte das vorher übliche Javanisch, viele
meldeten sich freiwillig zum Militärdienst. Fast alle Führer nationalistischer
Bewegungen empfanden die Japaner zunächst als Befreier. Sukarno wurde
Vorsitzender des Zentralen Beratungsgremiums – es ersetzte den
niederländischen Volksraad. Er war der höchste indonesische Funktionsträger.
Tatsächlich kooperierten viele mit den Japanern. Aber: Sukarno und andere
propagierten ein indonesisches Nationalbewusstsein, das es vorher nicht
gegeben hatte. Japaner bestimmten allerdings den politischen Rahmen. Und an
Unabhängigkeit dachten sie zunächst auch nicht.
SLIDE: WEGE ZUR UNABHÄNGIGKEIT
Unabhängigkeit war zunächst dort ein Thema, wo die Kolonialmächte bereits
den Weg dorthin geebnet hatten, also in Burma und auf den Philippinen. Burma
wurde formal am 1. August 1943 unabhängig, zentrale Politikfelder blieben
faktisch allerdings Japan vorbehalten. Auch die Philippinen, denen die USA
schon 1934 die Unabhängigkeit versprochen hatten, erhielten im September
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1943 formal ihre Unabhängigkeit. Faktisch war die Regierung von den
japanischen Besatzern abhängig. Tatsächlich hatte die Kollaborationsregierung
Laurels bloß in größeren Städten einigen Einfluss, und nur in 12 von 48
Provinzen. Den Rest kontrollierte der Widerstand. Malaya sollte, wie bereits
erwähnt, keine Unabhängigkeit gewährt werden. In Indonesien war die Lage
komplizierter, weil nationalistische Führer darauf drängten und der
nationalistische Druck im weiteren Verlauf des Krieges zunahm. Im September
1944 versprach Tokio Unabhängigkeit in absehbarer Zukunft. Damit sollte eine
Rückkehr der Niederländer verhindert werden. Unabhängigkeit wurde dann
zwei Tage nach der japanischen Kapitulation ausgerufen (17.8.45).
Zusammenfassung: pragmatisches Vorgehen, das sich an den Vorgaben der
Kolonialmächte und dem sich wandelnden Kriegsverlauf orientiert. Eine
genuine Unterstützung für südostasiatische Nationalismen gab es aber nicht.
SLIDE: Kooperation und Widerstand
Viele Nationalisten arbeiteten zumindest zeitweise mit den Japanern zusammen,
weil sie in ihnen die Sieger über den verhassten Kolonialismus der Vorkriegszeit
sahen. Das galt insbesondere für Indonesien, wo die Zusammenarbeit zwischen
Nationalisten und Besatzern wohl am engsten war. Ähnliches galt für Burma.
Auf den Philippinen kooperierten Teile der Eliten, weil sie glaubten, mit der
japanischen Besatzung sei eine neue Zeit angebrochen, und weil sie zurecht
annahmen, dadurch ihre privilegierte Stellung in der Gesellschaft fortschreiben
zu können. Überall regte sich aber auch bewaffneter Widerstand.
Vietnam: Kommunisten und ethnisch chinesische Vietnamesen unterstützen die
Alliierten und rufen zum Widerstand gegen Frankreich und Japan auf. Gründung
einer Volksfrontbewegung Viet Minh (Viet Nam Doc Lap Dong Minh). Erste
Priorität: Vertreiben von Franzosen und Japanern. Bis 1944 (erst dann kommt
Ho Chi Minh aus einem Gefängnis in China frei) können sie, mit Unterstützung
des OSS, die Kontrolle über ländliche Regionen im Norden gewinnen.
Wichtigste Widerstandsorganisation während des Krieges in Malaya: 7-8000
bewaffnete Kommunisten, vor allem Chinesen. Chin Peng wurde mit dem Orden
des Britischen Empire ausgezeichnet, bevor er ihm wieder aberkannt wurde,
weil er nach Kriegsende gegen die britische Kolonialherrschaft kämpfte.
Burma: Streitkräfte Burmas waren aus der von Aung San gegründeten
Unabhängigkeitsarmee hervorgegangen. Die Japaner hatten ihnen nach der
Besetzung des Landes die Verwaltung auf lokaler Ebene übertragen, doch die
Truppe erwies sich als marodierender Haufen. Japaner reißen Verwaltung
wieder an sich und formieren Armee neu. Mitte 1944: Alliierte marschieren mit
Truppen der indischen Armee und mit afrikanischen Einheiten in Burma ein.
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Führende Politiker wechseln die Seiten. August 1944: Aung San lässt sich von
einer Einheitsfront unter Beteiligung der Kommunisten zum Präsidenten einer
Antifaschistischen Volksbefreiungsliga küren. Während die politische
Führungsschicht Burmas noch mit den Japanern kollaborierte, hatte sich an der
Basis ein breiter Widerstand gebildet. Insgesamt sollen in Burma etwa 80.000
bewaffnete Partisanen operiert haben.
Philippinen: Schätzungen filipinischer Historiker zufolge unterstützten etwa
80% der Bevölkerung den Widerstand. Eine Million kämpfe in verschiedenen
Guerilla-Bewegungen, die größte davon die Hukbalahak, eine sozialistischkommunistische Einheit im Süden des Landes. Die Landbevölkerung
unterstützte sie, weil die H. die Kriegssituation für sozioökonomische Reformen
nutzte. Die Partisanen verteilten die Güter von Großgrundbesitzern, die vor den
Japanern in die Städte geflohen waren, senkten die exorbitanten Abgaben, die
reiche Gutsbesitzer von ihren Pächtern verlangt hatten.
SLIDE: ALLIIERTE OFFENSIVEN
SLIDE: Kriegsende
Gewaltsame Wiedereroberung der Philippinen seit Oktober 1944. Dort leisteten
die Japaner großen Widerstand. Mehr Opfer als in den anderen Ländern SOAs.
Nirgends war die Zerstörung so groß wie hier. Offizielle Angaben der
Regierung: 1.1 Mill. Tote. Einer von 16 Filipinos starb.
In Manila – Schlacht vom 3.2. bis 3.3. 1945 Mordexzesse: Historiker Ricardo
Trota José: Die japanischen Soldaten liefen in der Stadt Amok. Sie taten alles,
um möglichst viele Menschen zu ermorden. Sie überschütteten Hütten mit
Benzin und brannten sie mitsamt ihren Bewohnern nieder. Sie warfen
Handgranaten zwischen die Leute. Sie befahlen Männern, in Reih und Glied
anzutreten und schlugen ihnen die Köpfe ab. Uns sie vergewaltigten massenhaft
Frauen. Sie wüteten hier wie in der chinesischen Stadt Nanking. Um den
Einmarsch der Amerikaner aufzuhalten, steckten sie den gesamten Norden
Manilas in Brand und zogen sich selbst über den Fluss Pasig in die südlichen
Stadtteile zurück. Dort machten sie die Vierte Ermita und Malate dem Erdboden
gleich und ließen die Gebäude der Universität in Flammen aufgehen. Um die
Schlacht abzukürzen, bombten die amerikanischen Truppen mit ihrer schweren
Artillerie den Rest von Manila in Grund und Boden. Sie zerstörten die Altstadt
Intramuros, das Regierungsviertel, das Rathaus und die Post. Es war fast so, als
hätten sich die Amerikaner von der Vernichtungswut der Japaner anstecken
lassen.
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1000 tote Amerikaner, 17.000 tote Japaner, rund 100.000 tote philippinische
Zivilisten. Eisenhower: „Von allen im Krieg zerstörten Hauptstädten erlitt nur
Warschau größere Schäden als Manila.“
Burma wurde im Mai 1945 von britischen Truppen besetzt. Kriegsende überall
sonst: keine alliierten Truppen.
FOLIE: Alliierte Überlegungen zur Zukunft Südostasiens
Während des Krieges drangen nur sehr wenige Nachrichten von außerhalb der
Region nach Südostasien hinein und umgekehrt.
Alliierte besaßen wenige Informationen darüber, was sich eigentlich vor Ort
abspielte. Insofern planten die europäischen Kolonialmächte – die Alliierten –
die Zukunft Südostasiens ohne genaue Kenntnisse der Entwicklungen in der
Region während des Krieges.
USA: wollen den Philippinen wie vereinbart die Unabhängigkeit gewähren
GB: sind bereit, Burma die Unabhängigkeit zu gewähren. Malaya:
Unabhängigkeit nach einer längeren Phase unter britischer Herrschaft
F: de Gaulle: Rekolonisierung
NL: Rekolonisierung
Kriegsende – Besetzung zur Besetzung
Mit Ausnahme den von den philippinischen Widerständlern und der US Armee
befreiten Philippinen und Burma, das im Mai 1945 von britischen Truppen
besetzt wurde, standen bei Kriegsende keine alliierten Truppen in Südostasien
selbst.
•
Befreiung der internierten Europäer
•
Japanische Besatzungstruppen werden zur Herstellung von Ordnung und
Sicherheit herangezogen
•
Alliierte Rückkehr (ab September 1945)
•
Von der Besetzung zur Besetzung
FOLIE VERFASSUNGSPOLITISCHE ENTWICKLUNGEN
Verfassungspolitische Entwicklung
Die politisch-verfassungspolitische Entwicklung ging dann relativ zügig: am 4.
Juli 1901 wurde eine Regierung nach amerikanischem Vorbild geschaffen (in
der ersten Regierung saßen drei Filipinos, vier Amerikaner), Wahlen wurden
abgehalten und ein Gesetz verabschiedet, wonach Amerikaner nur eine
Anstellung in der philippinischen Verwaltung finden konnten, wenn es keine
qualifizierten Filipinos gab. Zwischen 1912 und 1916 stieg die Anzahl der
Filipinos in Regierungsämtern und Behörden auf 96%.
1916 verabschiedete der Kongress den sog. Jones Act, der die Unabhängigkeit
vorsah, sobald eine „stabile Regierung“ vorhanden war. Ein Zusatzgesetz, dass
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die Unabhängigkeit binnen vier Jahren versprach, passierte den Senat, scheiterte
aber im Repräsentantenhaus mit einer Stimme. Um 1920 stand also die
philippinische Unabhängigkeit unmittelbar bevor.
Symbiotische Beziehung zwischen philippinischer Machtelite und benevolentem
amerikanischen Kolonialismus wird daher auch als „compadre colonialism“
bezeichnet.
Am Ende der spanischen Kolonialzeit erreichte der Alphabetisierungsgrad etwa
20% der Bevölkerung. Am Ende der amerikanischen Kolonialherrschaft konnten
etwa 50% der Filipinos lesen und schreiben – ein Alphabetisierungsgrad, der
ungleich höher war als in allen anderen kolonialen Gebieten Südostasiens und
darüber hinaus. Diese auch von philippinischen Wissenschaftlern positiv
eingeschätzte Entwicklung wird dadurch getrübt, dass die Amerikaner gerade im
Bereich der Bildung ihre zivilisierende Mission durchsetzen wollten: das
bedeutete vor allem Amerika orientierte Lerninhalte, die bis weit in die dreißiger
Jahre zudem noch durchdrungen waren von der Vorstellung, dass man die
„kleinen braunen Brüder“ (so der erste Generalgouverneur und spätere Präsident
William Howard Taft) an die Zivilisation heranführen müsse.
Anders als in den allen anderen Dekolonisierungsprozessen verlief die
Dekolonisierung der Philippinen also geplant und in Phasen. Bereits sehr früh
war die Unabhängigkeit für die Kolonialmacht eine beschlossene Sache, die bis
1946 andauernde Herrschaft der Amerikaner eher eine Folge des Unwillens der
philippinischen Eliten, nationalistische Forderungen mit Nachdruck zu vertreten.
Relativ gesehen waren die Philippinen aufgrund eines allgemeinen Schulsystems
und der autochthonen Regierungserfahrung gut auf eine Unabhängigkeit
vorbereitet. Die Übertragung der Souveränität bedeutete keine einschneidende
soziale oder wirtschaftliche Zäsur, und selbst im politischen Bereich veränderte
sich wenig: traditionelle Eliten, die das Land bereits unter den Spaniern
beherrscht hatten, sind bis heute an der Macht.
FOLIE 39: ZIELE DER KONTRAHENTEN
Dekolonisierung: Indonesische Perspektiven
Die indonesischen Nationalisten wollten ein unabhängiges Indonesien, das alle
Teile des ethnisch und kulturell heterogenen ehemaligen NiederländischOstindien umfasste. Dafür verhandelten sie mit den Niederlanden, dafür
kämpften sie in zwei großen militärischen Operationen, und dafür setzten sie
sich zunächst in Großbritannien und Australien (als den vorübergehenden
Besatzungsmächten), den Vereinigten Staaten und im Kontext der noch jungen
Vereinten Nationen ein.
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Die politische Revolution war hier, anders als in Indien, auch eine soziale
Revolution. Am Ende des Dekolonisierungskonflikts im Jahre 1949 hatten die
alten, traditionellen feudalen Eliten, ihre Macht weitgehend eingebüßt. An ihre
Stelle trat eine westlich gebildete nationalistische Elite, die wesentlich vom
Islam beeinflusst war. Diese Elite grenzte sich aber auch gegen radikalere
Gruppen und Forderungen ab: im September 1948 zerschlug eine
nationalistische Armee in Zentraljava kommunistische Gruppen, die eine
sozialistische Revolution ausgerufen hatten. Sukarno, der eher konservative
Mohammed Hatta oder auch der Sozialdemokrat Sutan Sjahrir waren Moslems,
denen der säkulare Anspruch der Kommunisten suspekt war. Auch sie wollten
eine soziale Revolution, aber sie waren gegen die Vergemeinschaftung von
Privateigentum, und sie wollten sich, soweit als möglich, aus dem einsetzenden
Kalten Krieg heraushalten.
Dekolonisierung: Perspektiven der Niederlande
In den Niederlanden war der zweite Weltkrieg eine traumatische Geschichte von
deutscher Unterdrückung und Ausbeutung. Die Wirtschaft war schwer in
Mitleidenschaft gezogen. Bei Kriegsende ging es primär um Wiederaufbau (Sie
erinnern sich: 1938 hatten die NL 14% ihres Bruttosozialprodukts aus dem
indonesischen Besitz bezogen), aber auch darum, niederländische Identität und
niederländisches Nationalbewusstsein wieder zu gewinnen. Das Kolonialreich
wurde zur Projektionsfläche des niederländischen Nationalismus.
Unabhängigkeit für Indonesien kam nicht in Frage. Bis Mitte 1947 verhandelten
die Niederlande mit den Nationalisten aus einer Position der Schwäche.
Während dieser Zeit unterzeichneten die Niederlande mit den Nationalisten ein
Abkommen, das den Nationalisten die Autonomie auf Java, Madura und
Sumatra gewährte. Parallel dazu schafften sie eine Armee von
Kriegsdienstleistenden aus den Niederlanden nach Indonesien (100.000 Mann)
und versorgten sich in Amerika und Großbritannien mit Waffen. Drittens
versuchten sie, die alten traditionellen Eliten außerhalb von Java und Sumatra zu
aktivieren, indem sie denen ein föderales System versprachen, das frei sein
würde von der Dominanz Javas und der Javaner.
FOLIE: UNABHÄNGIGKEIT
Entwicklung zur Unabhängigkeit
Mitte 1947 fühlte sich die niederländische Kolonialregierung in Batavia und die Zentrale in Den Haag stark
genug, um die Nationalisten zu bekämpfen. Das niederländische Militär eroberte weite Teile Javas und
Sumatras, und drängte die nationalistische, republikanische Regierung unter Sukarno, Hatta und Sjahrir zurück.
Die militärische Offensive der Niederländer, euphemistisch (beschönigend) „Polizeiaktion“ genannt, war jedoch
ein klarer Bruch des Abkommens mit den Nationalisten. Die Folge war ein amerikanisches Waffenembargo
gegen die niederländischen Kolonialtruppen und die Einschaltung des UN-Sicherheitsrates durch Australien und
die USA (Australien stellte sich früh auf die Seite der Nationalisten, weil die Regierung überzeugt davon war,
dass die Niederlande diese Auseinandersetzung nicht gewinnen konnten. Die USA waren zunehmend besorgt,
nationalistische Bewegungen könnten durch eine repressive Haltung kolonialer Regimes vom Kommunismus
unterwandert werden.). Nach dieser ersten Offensive kam auf Druck der Vereinten Nationen ein neuerlicher
diplomatischer Kompromiss zustande. Er bestätigte die Rechte der Nationalisten auf Java und Sumatra, schlug
aber die Bildung eines föderalen Indonesien und die Gründung einer Union zwischen Indonesien und den
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Niederlanden vor. Das genügte der niederländischen Regierung aber nicht. Ende 1948 startete sie eine zweite
militärische Offensive (wiederum beschönigend „zweite Polizeiaktion“ genannt) und inhaftierte die
nationalistisch-republikanische Führung. Doch dieser vermeintliche Sieg entpuppte sich als schwere Niederlage:
die föderal orientierten Kräfte außerhalb Javas und Sumatras schlugen sich auf die Seite der Nationalisten (sie
glaubten nun auch, die Niederlande könnten auf Dauer Indonesien nicht kontrollieren und wechselten infolge
dessen die Seite), auf Java und Sumatra nahmen Operationen der Guerilla zu, die Besatzungskosten drohten den
niederländischen Haushalt zu sprengen. Ausschlaggebend für das Einlenken der Niederländer aber war die
Haltung der amerikanischen Regierung: sie drohte den Niederlanden einfach den Geldhahn abzudrehen.
Konkret: sie machte die Gewährung der Marshall Plan-Hilfe von einer Lösung des Indonesien-Problems
abhängig. Denn auch in Washington war man sich nun darüber im Klaren, dass ein kleines europäisches Land
von 9 Millionen Einwohnern nicht dauerhaft ein riesiges, weit entferntes Inselreich von rund 80 Millionen
Menschen militärisch besetzt halten konnte. Außerdem hatte man sich in Washington nach der Niederschlagung
des kommunistischen Aufstandes durch die Nationalisten klar auf deren Seite geschlagen: nur sie waren in der
Lage, so die Einschätzung, ein freies Indonesien ohne Kommunisten aufzubauen.
Unter diesen Umständen blieb den Niederlanden nichts anderes übrig, als an den Verhandlungstisch
zurückzukehren. Faktisch konnte die Kolonialmacht kaum eine ihrer Forderungen durchsetzen: zwar wurde die
Indonesische Republik als föderales Staatsgebilde gegründet, doch bereits im ersten Jahr der Unabhängigkeit
hatten sich alle Teilrepubliken der Zentrale in Jakarta untergeordnet (die meisten freiwillig, einige allerdings
auch durch militärischen Druck). Zwar wurde eine Union beider Staaten gegründet, doch diese hatte keine
Befugnisse, und sie wurde auf beiderseitigen Wunsch 1954 abgeschafft. Einzig in der Frage West-Papuas
konnten sich die Niederländer durchsetzen: die Inselhälfte (die andere Hälfte wurde von Australien verwaltet)
nördlich Australiens blieb zunächst in niederländischem Besitz. Wirtschaftlich uninteressant, war West-Papua
ein Symbol für niederländischen Beharrungswillen und koloniale Träume in Asien. (Es ging nach einer
jahrelangen heftigen Auseinandersetzung zwischen den Niederlanden und Indonesien und nach Einschaltung des
Sicherheitsrates und vor allem auf amerikanischen Druck hin 1962 in indonesische Hände über. Die
Bevölkerung wurde bei diesem Machttransfer allerdings nicht gefragt, das indonesische Regime wurde von den
dort lebenden Menschen als ebenso oder noch stärker autoritär und kolonialistisch empfunden.)
Nach dieser vier Jahre währenden Auseinandersetzung, die den Tod von rund 100.000 Indonesiern und ca. 1500
Niederländern zur Folge hatte und auf Seiten der Nationalisten mit einer Mischung aus diplomasi und
perjuangan (bewaffneter Kampf) siegreich bestritten wurde, stand die Übertragung der Souveränität, die im
Amsterdamer Palast der Königin im Dezember 1949 feierlich vollzogen wurde.
FOLIE 42: FAZIT UNABHÄNGIGKEIT
Soziale und wirtschaftliche Dekolonisierung
FOLIE 43: INDONESIANASI
Damit war die Dekolonisierung Indonesiens, zumindest aus Sicht Sukarnos und
der Nationalisten, aber nicht abgeschlossen. Denn zum Zeitpunkt der
Unabhängigkeit kontrollierten niederländische Unternehmen und Banken die
indonesische Wirtschaft, bewältigte eine mit einem Monopol ausgestattete
niederländische Reederei den Verkehr zwischen den 13.000 Inseln, bildete
West-Papua einen Streitpunkt, bildete die niederländische Marine die
indonesische aus und war die Zukunft der 13.000 noch in der Regierung
arbeitenden Niederländer nicht geklärt. Unklar war auch das Schicksal von rund
100.000 Niederländern und Indonesiern mit niederländischem Pass und der
Verbleib von indonesischen Soldaten, die in der vormaligen Kolonialarmee
gekämpft hatten (insbesondere christliche Molukker). Aus indonesischer Sicht
gab es schließlich ein weiteres Problem: die erheblichen Finanztransfers der
indonesischen Regierung in die Niederlande (Bedienung von Schulden der
13
Kolonialregierung aus der Zeit vor 1941, die die Niederländer den Indonesiern
aufgebürdet hatten, und Zahlungen pensionierter Beamter; insgesamt 3,5
Milliarden Dollar – damals viel Geld).
Letztlich bedeutender waren die soziale und die wirtschaftliche Dimension der
Dekolonisierung. Zunächst die sozialen Aspekte: die meisten Indonesier mit
niederländischem Pass – in der Regel Abkömmlinge aus Mischehen – wurden
unmittelbar nach dem Machttransfer drangsaliert und diskriminiert. Angesichts
der Tatsache, dass diese Minderheit in der Vergangenheit zwar von den weißen
Niederländern diskriminiert, gegenüber ‚reinen’ Indonesiern aber bevorzugt und
privilegiert worden waren, ist der ‚Volkszorn’ durchaus verständlich, der sich
zwischen 1945 und 1950 Bahn brach. Die indonesische Regierung hat den
Druck auf diese Minderheit aber zusätzlich geschürt. Die Folge war ein Exodus
von Indonesiern mit niederländischem Pass und von in Indonesien geborenen
Niederländern in ein ihnen unbekanntes Land, das von der Mehrheit der
Indonesier als ihre Heimat betrachtet wurde. Für viele war dies emotional sehr
schwierig. Ein Beispiel: der letzte niederländische Generalgouverneur, Hubertus
van Mook (den die niederländische Regierung 1948 entlassen hatte, weil er als
zu liberal und pro-indonesisch galt), war in Indonesien geboren und empfand die
Niederlande nicht als seine Heimat. Seines Andersseins in einer Gemeinschaft
von kulturell und sprachlich Ähnlichen dauernd bewusst, siedelte er nach
Frankreich über, arbeitete in den Vereinten Nationen und kehrte nie wieder in
die Niederlande zurück. Vielen ist die Integration aber erstaunlich gut geglückt,
und im Vergleich mit anderen Migrantengruppen kann die indonesische
Minderheit in den Niederlanden als relativ akkulturiert und integriert bezeichnet
werden. Eine Ausnahme bilden die Molukker (etwa fünftausend Soldaten mit
ihren Familien), die Anfang der fünfziger Jahre in den Niederlanden regelrecht
strandeten und die erst nach spektakulären Zugentführungen durch junge
radikale Molukker Anfang der siebziger Jahre in die niederländische
Gesellschaft aufgenommen wurden.
Die 13.000 niederländischen Beamten, die zum Zeitpunkt der Übertragung der
Macht noch in Indonesien lebten, wurden systematisch aus ihren Funktionen
gedrängt. 1956 quittierten die letzten den Dienst. Dies war ein brain drain, den
die indonesische Verwaltung nicht ersetzen konnte. Der Wunsch einer neuen
unabhängigen Regierung, nicht nur die Spitze, sondern den ganzen
Regierungsapparat zu besetzen, ist völlig verständlich, zumal wenn dieser
Regierungsapparat von Angehörigen der ehemaligen Kolonialmacht durchsetzt
ist. Die unter dem Stichwort der „Indonesianasi“ gesteuerte Kampagne gegen
die weitgehend niederländische Verwaltung hatte aber in zweierlei Hinsicht
(nicht intendierte) negative Folgen: sie verzögerte wirtschaftliche Entwicklung,
förderte Korruption und Vetternwirtschaft, und sie führte zu einem bedenklichen
Machtzuwachs der Armee. Denn diese war zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit
die einzige wirklich funktionierende große Organisation gewesen. Es war daher
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nur plausibel, dass Militärs in vielen Fällen nun zivile Funktionen ausübten (und
ausüben mussten). Im Ergebnis aber führte es zu einer militärischen
Durchdringung des Staatsapparates, die mit dem Putsch General Suhartos gegen
Präsident Sukarno 1965/67 ihren Abschluss fand. Bis 1998 blieb das Militär in
Indonesien an der Macht; auch heute noch kann wenig gegen seinen Willen
entschieden werden.
FOLIE: VISIONEN FRANZÖSISCHER KOLONIALHERRSCHAFT
Visionen französischer Kolonialherrschaft
Während des Krieges hatte das ‚freie Frankreich’ unter de Gaulle den
französischen Kolonien Reformen in Aussicht gestellt (Konferenz von
Brazzaville, Februar 1944). Anstelle von Autonomie dachten französische
Politiker aber an eine Integration von Kolonien und Kolonialmacht. Wir werden
dieses Thema im Zusammenhang mit den Entwicklungen im frankophonen
Afrika näher beleuchten. Hier genügt: Paris schwebte vor, eine indochinesische
Union zu gründen, in der die Kolonialmacht eine dominante Stellung besitzen
würde. Diese Union wiederum sollte mit der Französischen Union verwoben
werden – die Länder Indochinas sollten einige Abgeordnete in die französische
Nationalversammlung entsenden dürfen, entscheidende Politikfelder wie Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Finanzen faktisch bei der Kolonialmacht
verbleiben. Dies war für die Viet Minh unannehmbar. Die unflexible Haltung
Frankreichs hing auch mit der innenpolitischen Konstellation zusammen: die
vierte Republik war durch einen ständigen Wechsel schwacher Regierungen
gekennzeichnet. Die starke kommunistische Partei gab anti-kolonialistische
Lippenbekenntnisse ab, war aber aus wirtschaftlichen Gründen letztlich für den
Erhalt des Empire. Ähnlich argumentierten die Sozialisten. Bürgerliche Kräfte
sahen im Kolonialreich die Gewähr für die Größe der grande nation und als
unverzichtbares Element außenpolitischer Handlungsspielräume.
FOLIE: INDOCHINAKRIEG: BEGINN
Beginn des Indochinakrieges
Das Jahr 1946 war durch immer neue Verhandlungen zwischen Ho Chi Minh
und den französischen Regierungen in Hanoi, Saigon und Paris gekennzeichnet.
Parallel dazu kam es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Im
November 1946 wollte die Regierung in Saigon ein Zeichen der Stärke setzen.
Nach Streitigkeiten über die Zuständigkeit für die Hafenverwaltung in Haiphong
bombardierte die französische Armee die Stadt, mehr als Tausend Bewohner
kamen ums Leben. Dies war für die Viet Minh der Anlass, der Kolonialmacht
den Krieg zu erklären.
Der so genannte Indochinakrieg zwischen den nationalistisch-kommunistischen
Viet Minh und der französischen Kolonialmacht ging von Dezember 1946 bis
15
zum Mai 1954. Er kostete etwa 300.000 Vietnamesen und 15.000 Franzosen,
20.000 Afrikanern und Angehörigen der Fremdenlegion, vor allem Deutschen,
das Leben. Im Folgenden möchte ich die Chronologie der Ereignisse etwas
außer Acht lassen und die strukturellen Faktoren des Krieges in den
Vordergrund rücken.
FOLIE: INDOCHINAKRIEG: AKTEURE
Topographie des Terrors und Charakter des Krieges
In diesem Krieg gab es, bis auf die letzte Phase, keine Fronten und kaum große
Offensiven. Während die größeren Städte in Händen der Franzosen und ihres
Klientelregimes unter Kaiser Bao Dai waren, kontrollierten die Viet Minh die
ländlichen Regionen. Es war ein Krieg der kleinen Einheiten, der Überfalle und
der nächtlichen Attacken. Die Franzosen verfügten über eine haushohe
materielle Überlegenheit. Ab 1950 lieferten vor allem die USA Kriegsgerät im
Wert von insgesamt 2,6 Milliarden Dollar – das entsprach dann insgesamt einer
Finanzierung der Kriegskosten von ca. 30% (die Franzosen kostete der Krieg 5,5
Milliarden Dollar). Aber auch die Viet Minh erhielten Hilfe von außen: bis 1950
schmuggelten sie Waffen von den Philippinen und von Thailand nach Vietnam
herein. Im Herbst 1950 stürmten sie alle französischen Basen an der Grenze zu
China; von nun an bezogen die Viet Minh vom Mao-Regime in China Waffen.
Die technische und materielle Überlegenheit konnten die Franzosen zeitweilig
ausspielen. Sie wirkte kriegsverlängernd, aber nicht kriegsentscheidend.
Im Herbst 1953 trat der Krieg in seine entscheidende Phase: die Viet Minh
starteten eine Offensive in Laos, um dort die Kolonialherrschaft zu zersetzen.
Die Franzosen entschlossen sich daraufhin, die Viet Minh zu einer großen
Schlacht zu zwingen.
FOLIE: DIEN BIEN PHU
Die französische Armee baute eine vermeintlich unbezwingbare Basis in einem
kleinen Dorf im Grenzgebiet zu Laos, also im Nordwesten von Vietnam, aus –
Dien Bien Phu. Der Oberbefehlshaber der französischen Truppen, General Henri
Navarre, machte jedoch einen gewaltigen strategischen Fehler: er baute die
Basis im Tal auf, auch um den Flugplatz nutzen zu können. Die Viet Minh unter
General Vo Nguyen Giap schafften jedoch unter Einsatz von 50.000
Freiwilligen schwere Artillerie auf die Berge und begannen ab Februar mit der
Bombardierung von Dien Bien Phu. 15.000 französische Elitesoldaten mussten
Anfang Mai 1954 kapitulieren. Der Sieg der Viet Minh hatte weltgeschichtliche
Bedeutung: erstmals in der Geschichte wurde eine Kolonialarmee entscheidend
von nationalistischen Kräften geschlagen; erstmals auch hatte eine im kolonialen
Kontext geschlagene Schlacht Entscheidungscharakter. Nach Dien Bien Phu
zogen sich die Franzosen aus Indochina zurück. Drittens war Dien Bien Phu für
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Nationalisten in aller Welt ein Symbol der Befreiung und der Möglichkeit, einen
Sieg über den Kolonialismus zu erringen. Pikanterweise kämpften fast alle
algerischen Soldaten, die im Indochinakrieg für Frankreich gedient hatten, nach
1954 auf Seiten der algerischen Nationalisten für die Unabhängigkeit.
FOLIE: VO NGUYEN GIAP
FOLIE: EBENEN DES KRIEGES
Dieser Krieg verlief auf mehreren Ebenen: es war ein Krieg zwischen
Nationalisten und Kolonialmacht. Es war auch ein Bürgerkrieg, insofern als
Truppen Bao Dais auf Seiten der Franzosen und gegen den Kommunismus
kämpften. Und es war ein Stellvertreterkrieg im Kontext des Kalten Krieges:
China und die Vereinigten Staaten mischten sich ein, unterstützten ihre
jeweiligen Verbündeten.
Ein weiteres wichtiges Charakteristikum dieses Krieges war die Tatsache, dass
er nicht offiziell erklärt wurde und dass Frankreich die Viet Minh nicht als
reguläre Gegner, sondern als Aufständische, als Terroristen klassifizierte. Dies
war im kolonialen Kontext üblich. In jedem Kolonialkrieg haben Europäer ihre
Gegner nicht als gleichwertig anerkannt. Das hatte Konsequenzen. Erstens
wurde die Zivilbevölkerung in hohem Maße von Kriegshandlungen betroffen.
Nur ein Beispiel: nach 1952 setzten die Franzosen Napalm ein, verbrannten
ganze Dörfer, in denen sie Aufständische vermuteten. Zweitens wirkten nicht
die internationalen Landkriegsregeln. Gefangene brauchte man nicht nach
internationalen Normen zu behandeln, sondern konnte sie als Rebellen oder
Hochverräter töten oder in Lagern verhungern lassen. Das Rote Kreuz erhielt
keinen Zugang, weil es ja kein erklärter Krieg war. Folterungen und
barbarisches Verhalten waren auf beiden Seiten an der Tagesordnung. Die
gesamte vietnamesische Gesellschaft wurde militarisiert und auch traumatisiert.
Kriege dieser Art bezeichnet man als asymmetrische Kriege.
FOLIE: GENFER INDOCHINAKONFERENZ
Das Ende des französischen Kolonialreiches und die Teilung Vietnams
Der Krieg war, das haben wir oben gesehen, ein Krieg auf mehreren Ebenen: ein
Kolonialkrieg, ein Bürgerkrieg und ein Stellvertreterkrieg. Um Spannungen im
internationalen System des Kalten Krieges abzubauen, setzte sich die britische
Regierung unter Winston Churchill (Premierminister) und Anthony Eden
(Außenminister) seit 1953 für einen Kompromiss in Indochina ein. Sie waren
davon überzeugt, dass der Krieg für Frankreich verloren war. Schlimmer noch:
der Krieg überlastete Frankreichs ohnehin knappe Ressourcen, und er
verhinderte eine ausreichende Verteidigungsfähigkeit gegen die Sowjetunion in
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Europa. Churchill und Eden beriefen daher eine internationale Konferenz ein,
die einen Tag nach der demütigenden Kapitulation in Dien Bien Phu (8. Mai
1954) in Genf begann. Das diplomatische Tauziehen können wir uns hier
sparen. Wichtig sind drei Aspekte: die Sowjetunion wollte nach dem Tod Stalins
(März 1953) ebenfalls Spannungen abbauen und war daher an einem
Kompromiss mit dem Westen interessiert; erstmals betrat das kommunistische
China als Verhandlungspartner die Bühne der Welt; die USA wollten eigentlich
nicht teilnehmen, weil sie nicht mit Chinesen und kommunistischen
Vietnamesen an einem Tisch sitzen wollten, nahmen dann aber als „Beobachter“
teil.
Das Ergebnis der Konferenz (Ende am 21. Juli 1954) reflektierte nicht die
Machtverhältnisse in Vietnam selbst, sondern war das Ergebnis der Interessen
der großen Mächte. Mehrere Wechsel der französischen Regierungen und
heftige Debatten in Frankreich und Vietnam begleiteten die Konferenz.
Schließlich mussten die Franzosen einwilligen, weil sie im Grunde keine Wahl
hatten und weil die USA den Geldhahn abzudrehen drohten. Die Viet Minh
willigten schließlich auf chinesischen Druck hin ein. Mao fürchtete, dass sich
die USA im Fall eines Scheiterns der Konferenz unmittelbar in Vietnam
einmischen würden und auf diese Weise direkt bis an die chinesische Grenze
vorrücken würden.
FOLIE: GETEILTES VIETNAM
Vietnam wurde in einen kommunistischen Norden (Hauptstadt: Hanoi) und in
einen nicht-kommunistischen Süden (Hauptstadt: Saigon) geteilt. Es sollte 1956
allgemeine Wahlen geben, die zur Wiedervereinigung führen sollten. Das Land
durfte keinem Militärpakt beitreten, die Kontrahenten sollten ihre Truppen auf
ihr jeweiliges Territorium konzentrieren, und für die Zeit bis zu den Wahlen
sollten die Franzosen noch im Süden bleiben.
Parallel zur französischen und internationalen Bestätigung der Unabhängigkeit
Vietnams (bzw. Nord- und Südvietnams) wurden Laos und Kambodscha
unabhängig. (In vielen Texten lesen Sie als Datum der Unabhängigkeit von Laos
Oktober 1953: dabei handelte es sich um ein Abkommen, das Laos die
„Unabhängigkeit“ innerhalb der Französischen Union sicherte – das Land blieb
in der Tat auch nach 1954 Mitglied).
FOLIE: MALAYA
Malaya war relativ gesehen die reichste Kolonie des British Empire. Im Süden
erstreckten (und erstrecken) sich ausgedehnte Plantagen (Kautschuk, Palmöl),
und im Norden waren bedeutende Zinnminen. Nach 1945 war Malaya die
wichtigste Quelle von Dollarguthaben für den Sterling-Raum und damit ein
entscheidender Faktor für die Londoner City.
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Beginnen wir mit dem Ende der Dekolonisierung Malayas. Sie fällt zeitlich
zusammen mit der Internationalisierung des Bürgerkriegs in Südvietnam, und
sie steht am Ende einer geradezu beispiellosen Erfolgsstory des britischen
Spätkolonialismus. 1957 wurden vier Federated Malay States, fünf Unfederated
Malay States, zwei Straits Settlements (Penang und Melaka) auf der malaiischen
Halbinsel (Westmalaysia) und zwei englische Kolonien auf Borneo
(Ostmalaysia), Sabah und Sarawak, als Federation of Malaya (später Federation
of Malaysia oder einfach nur Malaysia) in die Unabhängigkeit entlassen. Hier
passt das Wort. Singapore an der Südspitze der malaiischen Halbinsel blieb
zunächst britische Kolonie, 1963 trat es der Federation of Malaya bei. Damit
war Singapore politisch dekolonisiert. Zwei Jahre später, 1965, trennte sich
Singapore wieder von Malaysia (manche sagen nicht zu Unrecht, es sei
rausgeworfen worden) und wurde unter der autoritären Führung Lew Kuan
Yews zu einem prosperierenden Stadtstaat in den Tropen, dessen
Bruttosozialprodukt pro Kopf dasjenige Deutschlands weit übersteigt. Heute ist
die airconditioned city, wie vorsichtig agierende Kritiker des Regimes ihre Stadt
nennen, eine der globalisiertesten Metropolen der Welt und ein leichter –
manchen angenehmer und manchen langweiliger – Einstieg nach Asien.
1957: Unabhängigkeit. Das Land blieb aber nicht nur im Commonwealth. Es bot
der britischen Wirtschaft weiterhin ein günstiges Umfeld für Investitionen,
zunächst wurde nichts nationalisiert (später kam es zu Enteignungen bei
Versorgungsunternehmen etc., die allerdings großzügig entschädigt wurden).
Kuala Lumpur ging ein Verteidigungsbündnis mit Großbritannien und
Australien ein, und bis 1960 war sogar ein britischer General director of
operations des malaiischen Militärs. Wie war so etwas möglich?
FOLIE: DIE EMERGENCY
Die Mitglieder von MCP und MNLA waren fast ausschließlich ethnische
Chinesen, die von den kommunistischen Siegen in China berauscht waren und
von der Errichtung einer kommunistischen Herrschaft träumten. Bei armen
ethnischen Chinesen hatten sie einigen Rückhalt, insbesondere in schwer
zugänglichen ländlichen Regionen. Aber schon Anfang der fünfziger Jahre
konnten sie sich auf dem Land nur noch durch Terror, Erpressung von Geldern
und durch Zwangsrekrutierungen Einfluss und Macht verschaffen. Auf ziemlich
taube Ohren stießen sie bei der chinesischen Wirtschaftselite. Malaien und
Briten schweißte ihre Bedrohung zusammen.
FOLIE 38 BIS 40: GALERIE EMERGENCY
Die so genannte Emergency (Notstand) ging von 1948 bis 1960. In den ersten
beiden Jahren geriet die Kolonialmacht – malaiische, britische und australische
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Truppen in die Defensive. Dann aber entwickelte sie einen Plan, der von
General Briggs und dann von dem dynamischen General Gerald Templer
implementiert wurde. Der Plan beinhaltete folgende Überlegungen und
Elemente: Erstens wollte man die Befriedung ländlicher Regionen nicht der
Armee, sondern der etwas bürgernäheren Polizei überlassen. Zweitens
kontrollierte und schützte man die chinesische Wirtschaftselite, die erhebliche
Summen als ‚Schutzgelder’ an die MNLA überwies. Drittens siedelte man
Hunderttausende aus gewachsenen Dörfern in so genannte „new villages“ (neue
Dörfer) um. Diese waren besser ausgestattet, verfügten über Brunnen, stabile
Häuser, Schulen etc., waren allerdings von Stacheldraht umgeben und von
Wachposten kontrolliert, um die Guerilla am Eindringen zu hindern. Schließlich
beinhaltete der Plan die strikte Zuteilung von Lebensmitteln. Reis beispielsweise
durfte nicht auf dem freien Markt gekauft werden, sondern wurde streng
portioniert. Dadurch sollte verhindert werden, dass sich die Guerilla versorgte.
Diese drastischen Maßnahmen gingen einher mit Amnestieangeboten (1955)
und einer allgemeinen Verbesserung der Lebensbedingungen. Insgesamt war der
Plan erfolgreich. Nach 1955 war die MNLA praktisch besiegt, versprengte
Einheiten hielten sich im thailändischen Grenzgebiet bis 1960, als die
Emergency offiziell für beendet erklärt wurde. Erfolgreich war der Plan auch
aus einem anderen Grund: die Guerilla war sichtbar. Innerhalb der Masse der
malaiischen Landbevölkerung waren Chinesen sofort erkennbar und
identifizierbar. Das war ein entscheidender Unterschied etwa zu Vietnam, wo
sich die Guerilla gegen Diem, die Nachfolgeregime und die Amerikaner „wie
Fische im Wasser“ (Mao Zedong) bewegen konnte.
FOLIE: Verfassungspolitische Entwicklung
Parallel zur Bekämpfung der kommunistischen Aufstandsbewegung leitete die
Kolonialmacht in enger Verbindung mit UMNO und MCA die
Demokratisierung des Landes ein. 1955 wurden Wahlen zum föderalen
Parlament in Kuala Lumpur abgehalten; aus ihnen ging das Wahlbündnis der
beiden großen Gruppierungen als Sieger hervor. Ministerpräsident wurde Tunku
Abdul Rahman, ein in Oxford ausgebildeter sozialkonservativer Rechtsanwalt
und Spross einer Sultansfamilie. Die Übertragung der Macht im August 1957
war dann eher eine Formsache.
FOLIE 42: TUNKU ABDUL RAHMAN
Verantwortlich für diesen friedlichen und auch langfristig erfolgreichen
Dekolonisierungsprozess waren also mehrere, ineinander greifende Faktoren:
•
Ethnische Vielfalt und Konkurrenz und das Bestreben, konsensorientierte
Lösungen zu finden
•
Die traumatische japanische Besatzung, die die britische
Kolonialherrschaft in neuem, besseren Licht erscheinen ließ
20
•
die von der chinesischen und malaiischen Elite wahrgenommene
gemeinsame Bedrohung durch den Kommunismus
•
die relativ flexible und pragmatische Vorgehensweise der Briten, die
ebenfalls konsensorientiert vorgingen
FOLIE Zusammenfassung
Vietnam und Malaya bieten zwei vollkommen unterschiedliche Prozesse der
Dekolonisierung. Frankreich war nach dem Zweiten Weltkrieg aus
wirtschaftlichen und politischen Gründen (Prestige, Standing im internationalen
System) nicht bereit, die Unabhängigkeit Vietnams zu akzeptieren. Dort war der
Kommunismus die einzige politische Kraft, die über eine Massenbasis verfügte
und mit dem Prestige antrat, sowohl gegen die Japaner als auch gegen die
Franzosen gekämpft zu haben. Die nationale Revolution war auch eine soziale:
für Hunderttausende armer Tagelöhner bedeutete das Versprechen einer
kollektivierten Landwirtschaft eine Verbesserung ihrer Lage. Der Protest
entwickelte sich dann erst nach Mitte der fünfziger Jahre, als die Maßnahmen
der Kommunisten vielen Bauern in Nordvietnam zu weit gingen. Letztlich
vermochte es die Kolonialmacht nicht, die kooperierenden Elemente und
Schichten auf ihre Seite zu ziehen: sie versprach zu wenig zu spät, und sie war
letztlich nicht bereit, ihre Versprechungen dann auch zu honorieren.
In Malaya lagen die Dinge anders. Hier noch mal die Stichpunkte von oben:
•
Ethnische Vielfalt und Konkurrenz und das Bestreben, konsensorientierte
Lösungen zu finden
•
Die traumatische japanische Besatzung, die die britische
Kolonialherrschaft in neuem, besseren Licht erscheinen ließ
•
die von der chinesischen und malaiischen Elite wahrgenommene
gemeinsame Bedrohung durch den Kommunismus
•
die relativ flexible und pragmatische Vorgehensweise der Briten, die
ebenfalls konsensorientiert vorgingen
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