4 Magnetische Materialien Wir sind bisher von einer konstanten Permeabilität µ ausgegangen. Diese besteht aus der Permeabilität des Vakuums µ0, die auch magnetische Feldkonstante genannt wird, und einer relativen Permeabilität µr, die materialabhängig ist. Besondere Probleme entstehen, wenn die Permeabilität vom magnetischen Feld abhängt. Nach einigen Bemerkungen zur Permeabilität wird diese Feldabhängigkeit diskutiert und anschließend das Verhalten an Grenzschichten zwischen verschiedenen Materialien behandelt. 4.1 Magnetische Werkstoffe Nach den gängigen Modellvorstellungen existieren keine Magnete als originäre Materie, sondern nur Kreisströme, die um sich herum ein Magnetfeld aufbauen (Bild 4.1a). Einen eigenständigen Nordpol analog zu einem eigenständigen Ladungsträger, z. B. dem Elektron, gibt es nicht. Das Magnetfeld, das von dem Kreisstrom ausgeht, ist mit einem Ladungspaar (+Q; –Q) zu vergleichen. Ein solches nahe beieinander liegendes Ladungspaar nennt man elektrischen Dipol. In Analogie hierzu führt ein Strom, der in einer engen Kreisbahn fließt, zu einem magnetischen Dipol. Die Wirkung von Strom und Geometrie der Strombahn bildet ein magnetisches Moment, das in Abschnitt 3.6 bereits erläutert wurde. Dort wurde auch eine andere Anordnung als magnetischer Dipol bezeichnet. Magnetische Dipole sind die um den Atomkern kreisenden Elektronen. Sie erzeugen ein magnetisches Bahnmoment. Die Elektronen rotieren auch um sich selbst und haben deshalb einen Spin. Von dieser Bewegung geht ein magnetisches Spinmoment aus. Bei vielen Atomen, insbesondere denen mit abgeschlossenen Schalen, also den Edelgasen, heben sich die magnetischen Momente der einzelnen Elektronen auf. Wird nun ein solches Atom in ein Magnetfeld gebracht, so entstehen bei Feldänderungen zusätzliche Kreisströme, die dem Magnetfeld entgegenwirken (Bild 4.1b). Diese Induktionswirkung muss ich noch in Kapitel 6 erklären. Jedenfalls wird das Magnetfeld durch sie abgeschwächt, man spricht von diamagnetischen Stoffen. 111 a) B b) dB/dt I d∆B dt c) d) B ∆B ∆B ∆B B Bild 4.1 Elementarmagnete a) Kreisstrom, der einen magnetischen Dipol bildet b) Diamagnetismus c) Paramagnetismus d) Orientierung der Elementarmagnete im Magnetfeld beim Paramagnetismus Heben sich die Bahn- und Spinmomente gegenseitig nicht auf, so kann man die Atome als kleine drehbare Magnete auffassen, die sich im Magnetfeld ausrichten und so die Wirkung des äußeren Felds verstärken (Bild 4.1c und Bild 4.1d). Man spricht von paramagnetischen Stoffen. Die Wirkung von Dia- und Paramagnetismus ist begrenzt. Die relative Permeabilität liegt bei µr = 0,99990 bzw. µr = 1,0001. 112 Die Abweichung der relativen Permeabilität von 1 wird magnetische Suszeptibilität χm genannt. µr = 1 + χ m ( 4.1) Als weitere Größen zur Beschreibung der magnetischen Wirkung unter dem Einfluss eines Magnetfelds sind zwei Begriffe definiert. Die magnetische Polarisation J gibt den Zusatzfluss und die Magnetisierung M die fiktive Zusatzfeldstärke an. B = µ H = µ r µ 0 H = µ0 H + χ m µ0 H = µ0 ( H + M ) = µ0 H + J ( 4.2) Trotz der geringen Suszeptibilität kann man die beschriebenen Effekte ausnutzen, um z. B. in einem Gasstrom den Anteil bestimmter Stoffe zu messen. 4.2 Ferromagnetische Stoffe Bei ferromagnetischen Stoffen ist nicht das Verhalten der einzelnen Atome maßgebend, sondern das Verhalten von Atomverbänden, in denen die Atome gegeneinander fixiert sind. Solche Verbände bestehen aus bis zu 109 Elementarmagneten, die sich bei der Kristallisierung gegenseitig beeinflusst haben und deshalb in fixierter Form als kleine Magnete wirken. Die Grenzen zwischen diesen Verbänden, die als Weiß’sche Bezirke bezeichnet werden, verlaufen sehr unregelmäßig. Im Mittel hebt sich deren Wirkung auf (Bild 4.2a). Ein ferromagnetischer Stoff ist im unmagnetisierten Zustand ohne Einwirkung eines Felds magnetisch neutral. Durch die Einwirkung eines äußeren Magnetfelds können sich die Grenzen zwischen den Weiß’schen Bezirken verschieben. Dadurch überwiegt im Mittel die Größe der in Richtung des Magnetfelds orientierten Bereiche (Bild 4.2b). Der ferromagnetische Stoff leitet deshalb besonders gut den magnetischen Fluss. Hier ist das beim Paramagnetismus erklärte Verhalten extrem ausgeprägt. Bei Abschaltung des äußeren Magnetfelds verschieben sich die Grenzen wieder zurück. Dieses reversible Verhalten führt zu einem magnetisch neutralen Körper. 113