Dokument 1 von 2 http://www.smd.ch/cgi-bin/cqcgi_703_5/@rw_archiv_g_s3.env?CQ_... Mein verbleibender Kredit: 14 Punkte. Artikel lizenzieren [Go To Best Hit] © Tages-Anzeiger; 11.11.2008; Seite 47ges Kultur GES Eine Plattform auch für junge und weniger bekannte Komponisten Die ersten vier Abende der Tage für Neue Musik Zürich haben erfreuliche Überraschungen gebracht. Von Thomas Meyer Ein mitreissendes Konzertstück beendete das Programm des Ensemble Contrechamps am Samstag in der Tonhalle, und es bildete auch den Höhepunkt des ersten Wochenendes bei den Tagen für Neue Musik Zürich: ein Klavierkonzert von Beat Furrer. Ein Schaffhauser in Wien Das allein schon ist eine Überraschung. Wer die Musik des nach Wien ausgewanderten und dort als Dirigent und Komponist berühmt gewordenen Schaffhausers kennt, wird sich bei diesem neuen Stück gewundert haben. Nichts schien mehr vorhanden von den somnambul-raunenden Stimmungen, von den philosophisch und literarisch durchdrungenen Gedankengebäuden, von den langsamen, beharrlich insistierenden Repetitionen, von der Hinlenkung auf feinste, zwischen Gerade-noch-Klang und Geräusch schwebende Details, so, wie man es zuvor im selben Konzert mit der Flötistin Eva Furrer und der jungen französischen Sopranistin Melody Louledjian in «invocation VI» gehört hatte. Nein, das Klavier wird hier virtuos behandelt, die Finger des Solisten rasen über die Tastatur, dass es nur so aufblitzt, und ein zweites, ein «Schattenklavier», verlängert diese Passagen in den Klangraum. Im Orchester schwellen die Klänge. Farben drängen hervor, anfangs gleichsam aus dem Dunkel, und öffnen sich hin ins Taghelle, zum Ausbruch, ja zum strahlenden Fortissimo. Diese lauten Momente wirkten ungewöhnlich - und irgendwie auch befreiend. So, als schüttle hier einer Ballast ab. Das Klavierkonzert wurde herrlich dargeboten vom Pianisten Nicolas Hodges und dem Genfer Ensemble unter der Leitung des Dirigenten. Schade, dass David Zinman und das Tonhalle-Orchester beim Eröffnungskonzert nicht die Version mit grossem Orchester aufgeführt hatten. Das Werk hätte dort - und gewiss auch bei dem mit zeitgenössischer Musik unerfahrenen Tonhalle-Late-Publikum - ordentlich Effekt gemacht. Sicherer Wert Furrers Musik ist längst ein sicherer Wert: Er gehört zu den wichtigen Komponisten unserer Zeit. Die Tage für Neue Musik, genauer: ihre Leiter Mats Scheidegger und Nadir Vassena, stellen daneben aber auch konsequent weniger bekannte und jüngere Komponisten vor - heuer gleich vier. Dem Italiener Mauro Lanza wird man erst am zweiten Wochenende begegnen. Und mit dem Ensemblestück «Wir nur ziehen allem vorbei, wie ein luftiger Austausch», gespielt vom Ensemble Contrechamps, erhielt man erst eine Kostprobe der ruhig schweifenden, etwas melancholischen Musik des Norwegers Sven Lyder Kahrs. Zwei seiner grösseren Werke stehen nächsten Samstag auf dem Programm. Die Begegnung mit dem bei Festivals schon hoch gehandelten Deutschen Hans Thomalla fiel enttäuschend aus - was auch ein wenig an der Interpretation lag. Sein «wild.thing» von 2003 litt unter der allzu lauen und unkonzentrierten Wiedergabe durch die beiden Luxemburger Schlagzeuger Guy Frisch und Serge Kettenmeyer und den Schweizer Pianisten Philipp Meier. «Stücke Charakter» erhielt beim Ensemble Laboratorium deutlichere Konturen, wirkte aber doch zu langfädig und ambitiös. 25.11.2008 21:01 Dokument 2 von 2 http://www.smd.ch/cgi-bin/cqcgi_703_5/@rw_archiv_g_s3.env?CQ_... Die Entdeckung des Festivals Das Ensemble Laboratorium, das 2004 aus der Lucerne Festival Academy hervorgegangen ist und vom jungen Schweizer Dirigenten Baldur Brönnimann geleitet wurde, spielte mit erfreulicher Verve auf. Und davon profitierte auch das beste Stück am Sonntagabend: die «Chamber Symphony - Quasikristall» des 32-jährigen Katalanen Hèctor Parra, der heute in Paris lebt. Seine hochgeladene Musik, die in ihrer Expressivität ebenso reichhaltig wie konzis klingt und dabei von einer natürlichen Musikalität ist, war die Entdeckung des Festivals. Eben ist beim Label Kairos eine Porträt-CD erschienen, welche die verschiedenen Facetten Parras darstellt. Von ihm folgt am Freitag das neue Stück «Stimmen» nach Texten von Paul Celan. Aus Schweizer Sicht ist besonders die Uraufführung eines neuen Werks des Zürchers Patrick N. Franck zu erwähnen. Franck ist ein Komponist, der es nicht mit schönen Klängen bewenden lässt, sondern seine Musik hinterfragt und hintertreibt. So gut das eben geht, muss man anfügen, denn eigentlich ist Musik nicht zur Metamusik geschaffen. So basiert sein Stück «Responsorium I-X» auf verschiedenen philosophischen Texten, die im Programmheft vorliegen. Nachdem sich die Musik schon mit einiger mal chaotischer, mal geordneter Energie entwickelt hat, werden diese teilweise auch rezitiert. Der Dirigent dreht sich um und wirft sie ins Publikum, er stellt das Klingen damit in Frage. Das wirkt freilich so, als würde jemand seine starke, äusserlich aparte und von allen bewunderte Brille plötzlich abziehen, mit Blick auf das schöne Gestell sagen: «Sein wird Design», und die Brille wieder anziehen, worauf er wieder gut sieht und wir sie weiter bewundern können. Ähnlich wirkte das in Francks Musik. Die abwechslungsreiche Musik liess sich nicht wirklich stören, die Metaebene funktionierte nicht. Und doch machte gerade die Unmöglichkeit dieses Unterfangens einen gewissen Reiz des Werks aus. Es interessiert, weil es sich nicht zufrieden gibt. Das weitere Festivalprogramm sieht vor: Am Donnerstag spielt das Ensemble Arc-en-Ciel der Zürcher Hochschule der Künste unter William Blank u. a. eine neue Version der «Liaison» von Isabel Mundry. Am Freitag tritt die Sopranistin Sarah Leonard (sie lieh einst dem Küchenjungen in Peter Greenaways «The Cook, the Thief, His Wife and Her Lover» ihre Stimme) zusammen mit dem Geiger David Alberman und dem Pianisten Rolf Hind auf. Nach einem Kahrs gewidmeten Konzert schliesst das Festival am Samstag mit einem Auftritt des Ensembles Alternance. Die Komposition des Zürcher Patrick N. Franck hinterfragt und hintertreibt. www.tfnm.ch Mit dieser Suchmaschine haben Sie Zugriff auf alle in der Schweizerischen Mediendatenbank SMD archivierten Artikel der gedruckten Ausgabe des «Tages-Anzeigers», des «ZüriTipps» und des «Magazins». Nutzungsbedingungen Die Tamedia AG ist Inhaberin der Nutzungsrechte an den archivierten Artikeln und Fotografien. 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