ÖRF 23 2015 - u:scholar

Werbung
Ednan Aslan / Thomas Weiß
unter Mitarbeit von Ranja Ebrahim, Nadire Mustafi, Minela Salkic Joldo, Ahmed al Shafey
Miteinander lernen – Voneinander wissen
Dokumentation zum Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa
der autor
der autor
Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan, Universitätsprofessor
und Institutsvorstand am Zentrum für LehrerInnenbildung für den Fachbereich Islamische Religionspädagogik und Islamische Studien.
PD Dr. Thomas Weiß, Universitätsdozent am Institut
für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Lehrer für
Evangelischen Religionsunterricht.
Abstract
Eine islamisch-theologische Ausbildung wird von ExpertInnen als eine wichtige Voraussetzung für die Integration von MuslimInnen in Österreich eingeschätzt. Vor diesem Hintergrund etablierte sich das Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa. Es ist am Institut für Islamische Studien der Universität Wien angesiedelt und kooperiert eng mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Institut für Religionspädagogik der Universität Wien. Ziel des Kollegs ist die Förderung und Entwicklung islamischer Theologie im Kontext Europas. Durch die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich Islamische
Theologie werden perspektivisch die Voraussetzungen geschaffen, in Österreich für eine qualifizierte Ausbildung von Imamen
aber auch angehender ReligionslehrerInnen Sorge tragen zu können. Der nachfolgende Beitrag beschreibt die Arbeit des Doktorandenkollegs und stellt – in kurzer Form – die jeweiligen Dissertationsvorhaben vor.
Schlagworte: Doktorand, Lehrveranstaltung, Islamische Theologie, Islam, Dissertation
Learning with each other- knowing about one another. Documentation on the Doctoral College Islamic Theology as a
Science in Europe
An Islamic-Theological education is rated by experts as a key prerequisite for the integration of Muslims in Austria. Out of this
concern the Graduate Program Islamic Theology as a science in Europe was established. The program is located at the Institute
of Islamic Studies of the University of Vienna and cooperates with the Protestant Theological Faculty, Department of Religious
Education of the University of Vienna. The aim of this program is the promotion and the development of Islamic Theology in the
context of Europe. By supporting young scientists in the field of Islamic Theology conditions for a qualified training of Imams
and teachers of Islamic Religious Education in Austria are created. The following article describes the work of the Graduate Program and presents – in short form – the doctoral theses.
Keywords: Islamic theology, Islam, Dissertations, Academic, Junior scientists training
M
uslimInnen in Österreich sind ein fester
Bestandteil des öffentlichen, kulturellen und
damit religiösen Lebens. Gerade Wien kann als
Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen, Religionen und
Traditionen angesehen werden. Integration fällt allerdings
nicht vom Himmel. Viel eher stehen sich – bei allen politischen Beschwörungsformeln zur pluralistischen Gesellschaft
– verschiedene Traditionen gegenüber. Dieses Gegenüberstehen impliziert zwar nicht automatisch eine FreundFeind-Haltung, allerdings ist zu beobachten, dass sich zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein Graben befindet, der
nicht immer leicht bzw. manchmal auch gar nicht zu überbrücken ist. Einerseits wird ‚der’ Islam medial zu häufig mit
Gewalt, Terror und Schreckensherrschaft in Verbindung
gesetzt. Zum anderen ist sich die europäische, christlich
geprägte Tradition sehr bewusst, dass Religion und Aufklärung in einen wechselseitigen Zusammenhang zu stellen
sind, wenn die Zivilgesellschaft nicht in religiöser Barbarei
untergehen soll. Die heimliche Unterstellung, dass ‚der’
Islam eben nicht durch die Aufklärung gegangen sei und
deshalb Schwierigkeiten habe, sich in Europa zu etablieren,
ist die eine Seite der Medaille. Die europäische Seite dieser
einen Medaille könnte heißen: Sich nicht wirklich einlassen
auf Fremdes. Diese, vielleicht etwas holzschnittartig, aufgemachte Opposition lässt sich, so die Überzeugung der VerfasserInnen dieses Beitrages, zumindest minimieren, wenn
Ednan Aslan / Thomas Weiß: Miteinander lernen – Voneinander wissen. Dokumentation zum
Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa • ÖRF 23 (2015), 73–86
73
gemeinsam miteinander gelernt wird, um voneinander zu
wissen. Der vorliegende Beitrag greift diese Problematik auf
und beschreibt den Prozess des gemeinsamen Lernens am
Beispiel des Doktorandenkollegs Islamische Theologie als
Wissenschaft in Europa. In einem ersten Punkt wird, ausgehend von prinzipiellen Überlegungen zu einer fundierten
muslimisch-theologischen Ausbildung, die Konzeption des
Doktorandenkollegs vorgestellt (1). Anschließend (2) werden – in Kurzfassungen – vier Dissertationsprojekte präsentiert, die im Sommersemester 2015 die entsprechende
öffentliche Präsentation an der Universität Wien erfuhren.1
In einem dritten Teil (3) wird die dem Projekt inhärente
Begleitung (mentoring) beschrieben. Ein Fazit (4) schließt
diesen Beitrag ab.
1. Das Doktorandenkolleg Islamische Theologie
als Wissenschaft in Europa
Der von Aslan herausgegebene Band Zwischen Moschee
und Gesellschaft2 problematisiert die Herausforderungen,
denen sich eine islamische Theologie im europäischen Kontext gegenübergestellt sieht. MuslimInnen sind größtenteils
durch Migration geprägt, versuchen durch das Anlehnen an
bekannte Traditionen ihre kulturelle und religiöse Identität
zu bewahren und stoßen damit, mehr oder weniger offensiv,
an Verständnisgrenzen westeuropäischer Sozialisation.
Zugleich ist eine eher „islamunfreundliche Lage in Westeuropa“3 zu beobachten. Der Begriff Islamische Theologie selbst
scheint fragwürdig zu sein, denn welche Theologie ist
gemeint? Wie die christliche oder die jüdische Theologie ist
auch die islamische nur als Plural zu begreifen, als Theologien. Und je nachdem, aus welcher Rechtsschule LehrerInnen oder Imame kommen, welche soziokulturellen Hintergründe mitgebracht werden, fällt der Umgang zwischen Tradition und europäischer Umwelt (hier konkret: Österreich)
aus. Dabei bilden in Österreich MuslimInnen mit 6,8 %
einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Gesamtbevölkerung, denn es handelt sich immerhin um rund 574.000
Menschen, die in Österreich leben.4 Diese Bevölkerungsgruppe, welche sich bei näherem Hinsehen in verschiedene Ethnien und damit in die unterschiedlichsten soziokulturellen Hintergründe differenziert, in Bezug auf ‚ihre’
Religion – ‚den’ Islam – zu vertreten, ist als solches schon
ein nicht zu vollbringendes Unterfangen. Dennoch, so
zumindest der ExpertInnenrat für Integration in seinem
Bericht von 2013, ist die Etablierung einer islamisch-theologischen Ausbildung eine wichtige Voraussetzung für eine
Integration von MuslimInnen in Österreich.5 Es geht dabei
um nichts Geringeres als eine für die muslimische Bevölke-
74
rung sichtbare Repräsentation ihrer Religion in Schule, Ausbildung und Universität.
Vor diesem Hintergrund entstand die Idee der Etablierung eines Doktorandenkollegs, welches sich zum Ziel
setzte, Nachwuchskräften die Möglichkeit zu bieten, „sich
intensiv mit den unterschiedlichen islamisch-theologischen
Disziplinen auseinanderzusetzen“ sowie „für eine gleichwertige Qualifizierung [gleichwertig in Bezug auf andere Wissenschaften, TW] der Nachwuchskräfte an der Universität
Wien“ zu sorgen.6 Der bei einer Stiftung eingereichte und
genehmigte Antrag für das Doktorandenkolleg Islamische
Theologie als Wissenschaft in Europa hat eine Laufzeit von
insgesamt drei Jahren und bietet bis zu sechs StipendiatInnen die Möglichkeit, im Rahmen einer Dissertation vertiefende Kenntnisse in den folgenden Schwerpunkten zu erlangen:
1. Genese und Exegese des Koran
2. Hadithwissenschaften: Genese und Exegese der
Hadithe (Aussagen des Propheten)
3. Islamisches Recht und Integrationstheologie
4. Empirische Theologie und islamische Philosophie
5. Ideengeschichte des Islams und Islam in Europa
6. Islamische Religionspädagogik und Fachdidaktik7
Dieses Programm soll die Entwicklung von islamischer
Theologie im Kontext Europas fördern helfen und zugleich
eine Spezialisierung innerhalb der Forschung ermöglichen.
Das Besondere an diesem Doktorandenkolleg ist, dass die
Durchführung in enger Kooperation mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Institut für Religionspädagogik an der Universität Wien praktiziert wird. Wissenschaftlichen Nachwuchs für das neue Feld Islamische Theologie auszubilden und damit perspektivisch die Voraussetzungen zu
schaffen, in Österreich für eine qualifizierte Ausbildung von
Imamen aber auch angehender ReligionslehrerInnen Sorge
tragen zu können, ist ein innerislamisches Anliegen. Durch
die Kooperation mit christlicher Theologie ist dieses Anliegen zugleich ein dialogisches.
2. Vorstellung der Dissertationsvorhaben
Bisher wurden vier DoktorandInnen gewonnen, die
unterschiedliche Dissertationsvorhaben verfolgen. Alle vier
Vorhaben wurden im Frühjahr 2015 in fakultätsöffentlichen
Präsentationen vorgestellt und entsprechend genehmigt. Die
folgenden vier Punkte geben Einblicke in die einzelnen
Inhalte der Dissertationsvorhaben.
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
2.1 SchülerInnen im Diskurs mit dem Qurˈān: Chancen und
Grenzen für einen zukunftsorientierten islamischen Religionsunterricht – Ein Handlungskonzept zum themenzentrierten Arbeiten anhand der Offenbarungsanlässe (asbāb
an-nuzūl)
Ranja Ebrahim
Mag. a, Universitätsassistentin am Zentrum für LehrerInnenbildung
für den Fachbereich Islamische Religionspädagogik der Universität
Wien und Doktorandin des Dr.-Studiums der Philosophie an der
Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik)
2.1.1 Einleitung
Die Dissertation problematisiert die Spannungsfelder8
in Bezug auf den Qurˈān im Sinne seiner kodifizierten und
somit geschlossenen und unveränderbaren Beschaffenheit,
unter besonderer Berücksichtigung der korrelierenden Konsequenzen im islamischen Religionsunterricht. Darüber
hinaus befasst sich die Arbeit mit dem Entwurf eines pädagogischen Handlungskonzeptes, welches die SchülerInnen-Gott-Kommunikation abseits des schwer zugänglichen
textus receptus auf Basis der Offenbarungsanlässe und mit
Unterstützung des themenzentrierten Handlungskonzeptes
nach Ruth Cohn fördern möchte. Die Betonung liegt somit
auf dem sogenannten diskursiven Qurˈān, also auf der
qurˈānischen Offenbarung in seiner lebendigen Natur, welche dem islamischen Glauben nach als Inbegriff trans- und
aszendenter Kommunikation gilt. Diese Herangehensweise
knüpft an Arkouns These zum diskursiven Qurˈān9, welcher
die Unabgeschlossenheit der qurˈānischen Offenbarung
zugrunde liegt. Der Qurˈān wird somit in dieser Dissertation als ein Prozess betrachtet, dessen Kommunikationspotenzial durch die Wiederaufnahme des Diskurses durch, in
diesem Falle, SchülerInnen als regenerierfähig gesehen wird.
Die inhärenten Lehren des Qurˈāns könnten dadurch für
zeitgenössische Herausforderungen fruchtbar gemacht werden. Das Ziel dahinter ist, SchülerInnen zu Diskursen zu
ermutigen, die an ihre Lebenswelten angepasst sind bzw.
von diesen ausgehen, d.h. welche auf die Förderung von
Partizipations- und Deutungskompetenz von SchülerInnen
abzielen. Die angestrebte Konzeption ist also nicht als ein
ganzheitliches religionspädagogisches Konzept zu betrachten, welches die Obsoletierung aller anderen Konzepte und
Ansätze intendiert. Das angestrebte Handlungskonzept
sollte als eine Erweiterung, eine „Dimension“10 des vorhandenen pädagogischen Angebotes für den islamischen Religionsunterrichts verstanden werden sowie Impulse für neue
Religionsdidaktiken geben können.
Im Folgenden werden die oben erwähnten Spannungsfelder der Qurˈān als Text und deren Konsequenzen im islamischen Religionsunterricht vorgestellt und dem Konzept
ÖRF 23 (2015) • 73–86
des sogenannten diskursiven Qurˈāns gegenübergestellt. Dieser Gegenüberstellung folgt eine kurze Vorstellung des
Handlungskonzeptes und der Rolle der Offenbarungsanlässe.
2.1.2 Konzeption und Forschungsfrage
Die erste und meines Erachtens grundlegende Problematik hinsichtlich des Qurˈāns als geschlossenes Medium
liegt in den machtpolitischen Verhältnissen, die seine Ideengeschichte prägten. Das Arbeitsfeld textus receptus war von
Beginn an eine Arena harscher intellektueller aber auch
politischer Auseinandersetzungen. Zwar brachten diese mitunter polemischen Kämpfe die Entwicklung und Ausarbeitung relevanter qurˈānisch hermeneutischer Methoden hervor, dennoch stand stets die Motivation, bestimmte Weltanschauungen durchzusetzen und ideologische Gegner argumentativ ins wissenschaftliche Abseits zu drängen im Vordergrund. Die qurˈānischen Verständnisse, welche aus diesem Kontext hervorkamen, behalten bis heute durch die
verschiedenen Rechtschulen Einfluss.11 Hinsichtlich des
Ansehens des Islams selbst könnte das Beharren auf mittelalterliche Richtlinien zum einen der wissenschaftliche Stillstand und zum anderen die Inkompatibilität mit der
Moderne und den Werten des Westens vorgeworfen werden.
Die Universalität des Qurˈāns, wie sie u.a. in (Qurˈān 2:185,
3:4, 6:90) betont wird, könnte durch die Beschränkung der
qurˈānischen Verständnisse auf ein bestimmtes historisches
Zeitfenster aberkannt werden. Für jugendliche MuslimInnen, die im westlich-pluralen Kontext sozialisiert werden,
könnte dadurch der Anschluss an zeitgenössische Herausforderungen und Interessen verfehlt werden.
Aus diesem Zusammenhang entsteht für mich der
zweite Problemkreis. Die heutige Situation der MuslimInnen als Minderheit innerhalb mehrheitlich christlich-plural
geprägter Gesellschaften stellt für die islamische Jurisprudenz eine Neuheit dar. Ihre Fragen und Anliegen finden in
den klassischen Werken keine Anknüpfungspunkte, da sie
zu gegebenen Zeiten kaum relevant waren. Vereinzelte
Gelehrte aus dem 20. Jahrhundert versuchten trotz starker
Widerstände seitens geistlicher Autoritäten Erneuerungen
in das islamische Recht einzuarbeiten. Bemühungen dahingehend waren stets mit dem Ziel verbunden, zeitgenössischen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Jene Bestrebungen liefen unter folgendem Banner: „We must not think
with the heads of our predecessors, because our problems,
needs and time are different from theirs. We cannot let
people who died centuries ago think on our behalf.”12
Der dritte Problemkreis bezieht sich auf die künstlich
produzierte Distanzbildung zwischen Mensch und Offenbarung, welche sich durch die Verwissenschaftlichung des
Qurˈāns als Text entwickelte. Der „Interpretierende Kor-
75
pus“13 schafft somit eine intellektuelle Zwischenebene, die es
zu überwinden gilt, wenn man sich dem Geist des Qurˈāns
und, im weiteren Sinne, auch Gott annähern möchte. Um
diese Barriere abzubauen, wäre ein lebenslanges Studium
des islamischen Fächerkanons aus Theologie und islamischer Jurisprudenz notwendig. Eine Bedingung, die weder
im Rahmen des gewöhnlichen Religionsunterrichts erfüllbar
noch hinsichtlich der von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ)14 vorgesehenen Unterrichtsziele förderlich
wäre. Hier wäre exemplarisch der Umgang mit Vielfalt,
Identitätsförderung oder die „Bewusstmachung der Kompatibilität einer islamischen Lebensweise mit dem Gefühl der
Zugehörigkeit zu Österreich und Europa“15 zu nennen. Aufgrund der genannten Problemkreise kann festgehalten werden, dass die Entwicklung von einer lebendigen Tradition zu
einer verstummten und elitären Polemik in eine Art Erstarrung des Qurˈāns geführt hat. Diese Erstarrung bezieht sich
auf den Moment der Umwandlung von einem offenen,
interpretierfähigen, kommunikativen Medium zu einem
erstarrten Spiegelbild der mittelalterlichen Gelehrsamkeit
und deren kontextuell geprägten Weltanschauungen. Der
theologische Blick, der sich dadurch gezwungenermaßen
stets in die Vergangenheit anstatt in die Gegenwart oder gar
in Richtung Zukunft wendet, hindert den Islam daran, konstruktiv am Wandel der Zeit zu partizipieren. Diese künstlich produzierte Kluft zwischen Moderne16 und Qurˈān
könnte somit Ideen und Haltungen, welche die Unvereinbarkeit jener beiden Aspekte behaupten, wie es u.a. bereits
in puristischen Bewegungen zu beobachten ist, gefördert
haben. Eine Ausgangslage, die weder für die Zukunft des
Islams in Europa, noch für die Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts in Österreich vielversprechend
erscheint.
Mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht lässt
sich aus der dargestellten Problematik die folgende Forschungsfrage formulieren: Wie könnte der Ansatz des diskursiven Qurˈāns im Rahmen des islamischen Religionsunterrichts unter Anknüpfung an die Lebenswelten der SchülerInnen in Anwendung gebracht werden?
Der Ansatz des diskursiven Qurˈāns berücksichtigt die
Historizität des Qurˈāns, was ihn aus seiner reinen Textualität und somit kontextuellen Dependenz löst. Auf diese
Weise wird er durch die stetige Reinterpretation durch den
jeweiligen Kommunikationspartner – in diesem Fall der/die
SchülerIn – verpflichtet. Die Offenbarung bleibt somit nicht
in einem kulturellen oder zeitlichen Vakuum eines bestimmten interpretativen Korpus des 11. oder 15. Jahrhunderts stehen, sondern wandelt sich sowohl räumlich als auch zeitlich
mit seinen Interlokutoren.17 Das zu erarbeitende Handlungskonzept möchte genau hier anknüpfen und die Tore
für fruchtbare SchülerInnen-Qurˈān Diskurse öffnen. Für
76
eine derartige Kommunikation bedarf es eines effektiven
Mediums, welches in der Lage ist, die qurˈānischen Lehren
erfolgreich an die Lebenswelten der SchülerInnen anzuknüpfen. Hier kommen die Offenbarungsanlässe, also die
Auslöser qurˈānischer Offenbarungen, in den Fokus. In diesen Auslösern wird eine besondere Chance darin gesehen,
Jugendlichen einen Zugang zu den qurˈānischen Lehren zu
ermöglichen, welche die eben postulierte Barriere zwischen
Mensch und Qurˈān umgehen könnte. Die sogenannten
historisch-exegetischen Überlieferungen zeichnen sich vor
allem durch ihren elementarisierenden Charakter aus, der
den jeweiligen Vers von seiner sprachlichen und inhaltlichen Komplexität löst und ihn auf seinen alltäglichen und
menschlichen Kern herunter bricht. Dadurch kann eine
unendliche Bandbreite an qurˈānischen Themenbereichen
wie Neid, Spott oder Enttäuschung, sowie auch Freundschaft, Glück und Liebe eröffnet werden, die bei den Lebenswelten der SchülerInnen Anknüpfungspunkte finden könnten. Der Vers kann dann durch das Zusammenbringen mit
den jugendlichen Erfahrungswelten, eine persönliche, kontextbezogene, neugedachte Reinterpretation erfahren, die
der qurˈānischen Lehre eine direkte Verortung in der
Gegenwart und in den Lebensrealitäten der Jugendlichen
ermöglicht. Als theoretische Grundlage zur Umsetzung dieses Ansatzes im islamischen Religionsunterricht bietet sich
ein Handlungskonzept an, welches sich bereits seit den
1980er Jahren auch an Schulen als „umfassendes, ganzheitliches Handlungskonzept“ bewährt „mit dem Ziel Situationen, in denen Menschen miteinander arbeiten, lernen und
leben, bewusst human und humanisierend zu gestalten“.18
Das theoretische Modell der Themenzentrierten Interaktion
(TZI) nach Ruth C. Cohn bietet durch seine spezielle Faktoren-Konzeption19 einen geeigneten Rahmen, welcher die
Interaktionsprozesse zwischen den SchülerInnen und dem
Verbindungsstück, den Offenbarungsanlässen, zielführend
fördert. Diese theoretische Konzeption erweist sich aus folgenden Punkten als qualifizierend für die erfolgreiche Einbringung des Ansatzes des qurˈānischen Diskurses im
Unterricht:
1. Das theoretische Modell, welches durch diese spezifische Faktorenkonstellation eine ausgewogene
Korrelation der einzelnen Eckpunkte des Modells
bezweckt, könnte eine Rekonstruktion und Reaktivierung des qurˈānischen Diskurses im Globe ‚Islamischer Religionsunterricht‘ ermöglichen: Die
involvierten AkteurInnen im angestrebten
qurˈānischen Diskurs umfassen die mit der Offenbarung in Wechselwirkung stehende Gemeinschaft
(im Sinne des Wir, die Klasse), das fragende Individuum, die/der ProtagonistIn im Offenbarungsanlass (als Ich, die/der SchülerIn) und den Offenba-
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
rungsanlass (im Sinne des Es als göttliche Reaktion).
2. Durch die Einbettung des Modells in den Globe
wird nicht nur der Kontext der SchülerInnen in der
Unterrichtsplanung und Vorbereitung berücksichtigt, sondern auch der Anknüpfungspunkt Gegenwart durch diese Voraussetzung gesichert.
3. Die Funktion der/des „Gruppenleiter/s/in“20 ist
eine, die den anderen TeilnehmerInnen hierarchisch nicht übergeordnet ist. Sie/er fungiert aber
durch ihre/seine fachliche Überlegenheit als Vermittlungsperson zwischen dem Ich, dem Wir und
dem Es, also so ähnlich wie etwa der/die OffenbarungsempfängerIn im Offenbarungsprozess. Diese
Option sollte dazu dienen, den Diskurs und die
Kommunikation zu leiten, sowie offene „Wissensfragen“21 zu klären.
4. Durch die humanistisch geprägte Weltanschauung,
welche anhand von formulierten Axiomen und
Postulaten die Grundhaltung der TZI repräsentiert,
erfüllt das Konzept eine wesentliche gesellschaftspolitische sowie persönlichkeitsbildende Erziehungsaufgabe. Das sind Werte und Haltungen22,
die für ein harmonisches Miteinander im pluralen
Europa als grundlegend gelten.
2.1.3 Fazit und Ausblick
Der Mehrwert aus dem angestrebten pädagogischen
Konzept für einen zukünftigen islamischen Religionsunterricht kann auf zwei Ebenen gesehen werden. Durch das
Handlungskonzept werden sowohl sprachliche Fähigkeiten
als auch fachliches Wissen miteinander verbunden. Die erste
Ebene unterstützt die Förderung der kommunikativen und
argumentativen Fertigkeiten zur Bildung einer persönlichen
und selbstbewussten theologischen Positionierung. Eine
Qualifikation, die vor allem in Anbetracht der Bestrebungen
radikal-islamistischer Bewegungen präventiv wirken kann.
Ein weiterer Ertrag könnte durch den Perspektivenwechsel
von der „backward-looking mentality“23 zur Gegenwartsund Zukunftsorientierung gewonnen werden. Diese Umorientierung könnte den Islam mitten in der westlich pluralen
Gesellschaft ankommen lassen, der Bildung von Parallelgesellschaften entgegenwirken sowie die Heimischwerdung
muslimischer Jugendlicher fördern.
Die zweite Ebene schafft Raum für eine intellektuelle
SchülerInnen-Qurˈān-Begegnung, die sich an die Erfahrungswelten der Jugendlichen anlehnt. Diese „Reinterpretation“24 bietet die Möglichkeit, den „Qurˈān neu zu denken“25. SchülerInnen wird dadurch das Partizipieren an und
Mitgestalten von Deutungsprozessen ermöglicht, ein Privileg, welches bisher lediglich den Ulamā vorbehalten war.
ÖRF 23 (2015) • 73–86
2.2 Der Islamische Staat - Entwicklung einer kontroversen
Idee
Nadire Mustafi
Dip.-Päd, M.A., Lehrbeauftragte für Sonderpädagogik und Inklusive Pädagogik für das Lehramt Islamische Religion an Pflichtschulen, AHS-Religionslehrerin und Doktorandin des Dr.-Studiums
der Philosophie an der Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik)
2.2.1 Einleitung
Aktuelle Ereignisse der Gegenwart zeigen, dass es muslimische Gruppierungen gibt, die hinsichtlich der Regierungsform der MuslimInnen ein Staatskonstrukt nach klassischem Vorbild des Kalifats fordern und diese Art der
Regierung gleichsam als eine dem Islam immanente ansehen. Daher gilt es, dieser Annahme auf den Grund zu gehen
und sie ideengeschichtlich herauszuarbeiten, um sich anzusehen, wie man diese Frage in der Vergangenheit löste und
wie man diese Lösungen begründete. Durch die Abschaffung des Kalifats im 20. Jahrhundert waren MuslimInnen
erstmals gefordert, sich hinsichtlich einer Regierungsform,
die sich für MuslimInnen eignet, Gedanken zu machen.26 Es
hatte sich vor diesem Zeitpunkt bereits längst die Idee des
Nationalstaates in der arabischen Welt gebildet, welche vom
Westen transportiert wurde; daneben hat sich jedoch auch
die Vorstellung einer einheitlichen muslimischen von einem
Kalifen regierten Gemeinschaft erhalten.27
Erstmalig seit dem Ableben des Propheten waren MuslimInnen mit der Frage von Führung und Herrschaft konfrontiert, was zu sehr lebendigen, wissenschaftlichen und
durchaus hoch theologischen Diskursen führte28, die bis
heute nicht abgeschlossen zu sein scheinen. Einerseits gab es
den theologischen Standpunkt, dass das Kalifat die einzig
islamisch legitime Regierungsform ist und andererseits gab
es bereits Überlegungen zu demokratischen Regierungsformen.
2.2.2 Konzeption und Forschungsfrage
Der Islamgelehrte ‘Alī ‘Abd ar-Rāziq, der als Vater des
Islamischen Säkularismus betrachtet werden kann und sein
Werk Der Islam und die Grundlagen des Regierens bilden den
Ausgangspunkt der Analysen. In dem Werk legt der Autor
dar, dass der Islam nicht vorschreibt, welche Regierungsform zu wählen ist. Zudem wird darauf verwiesen, dass
gerade das Kalifat auch in der Praxis gezeigt hat, dass die
Trennung von Religion und Staat die Religion vor Missbrauch bewahren kann. Das Buch provozierte heftige Reaktionen islamischer Religionsgelehrter, die sich selbst und
ihre Stellung aufgrund des Werkes von ‘Alī ‘Abd ar-Rāziq in
Gefahr sahen und mit eigenen wissenschaftlichen Abhandlungen darauf reagierten.29
77
Da anscheinend die Frage nach der islamischen Regierungsform bis heute noch nicht geklärt wurde und es heute
noch MuslimInnen gibt, die das Kalifat idealisieren und als
einzige islamisch-legitime Regierungsform ansehen30, ist es
erforderlich, sich mit dieser Konzeption zu befassen und
den theologischen Bezug zu dieser genauer zu betrachten.
Aus dem Erkenntnisinteresse heraus lässt sich folgende
forschungsrelevante Frage (mit zwei Teilfragen) formulieren:
Ist die Regierungsform Islamischer Staat nach klassischem Vorbild des Kalifats im Islam verankert und vorgeschrieben?
1. Welche theologischen Positionen existieren diesbezüglich?
2. Durch welche Faktoren wurden die Positionen gegenüber der Konzeption Islamischer Staat beeinflusst?
Beide Teilfragen können verdeutlichen, dass den Einflussfaktoren hinsichtlich der Entwicklung der Idee Islamischer Staat in dieser Arbeit großer Wert beigemessen wird,
um einerseits Zusammenhänge besser erkennen zu können
und um andererseits die Beantwortung der Forschungsfrage
argumentierend zu ermöglichen. Problematisiert werden
sollen:
• Die Entwicklung der Idee Islamischer Staat (historischer/ideengeschichtlicher Kontext).
• Die Bedeutung/Deutung der für diese Diskussion
zentralen Begriffe wie beispielweise Staat, Kalifat,
Umma, Daula (begriffsklärender Kontext).
• Die Wirkungen auf die damaligen wie heutigen
Gesellschaften (sozialer, politischer, theologischer
Kontext).
Die Entwicklung der Idee Islamischer Staat zu beschreiben dient dem Ziel, begründet zeigen zu können, was tatsächlich der Religion Islam hinsichtlich Islamischer Staat
immanent ist und was bezüglich – vor allem der theologischen Perspektive – als gegenstandslos betrachtet werden
kann.
Als erster methodischer Schritt des Forschungsvorhabens soll eine Klärung der zentralen Begriffe vorgenommen
werden. Die Begriffe sollen vorerst nur vorläufig definiert
werden und als Arbeitsdefinitionen dienen, um im darauffolgenden Arbeitsschritt zu erheben, welche dieser Konzeptionen von Regierungsformen in der Vergangenheit vorkamen und wie diese verwendet wurden.
In einem zweiten Arbeitsschritt sollen alle Regierungsformen von der Zeit des Propheten bis hin zur Auflösung
des Kalifats der Osmanen in einem kurzen Abriss historisch
rekonstruiert werden, um einen Überblick darüber zu
bekommen, welche Regierungsformen es in den betreffenden Zeitepochen gegeben hat. Da es nur um eine Darstellung der islamischen Tradition hinsichtlich der Fragestel-
78
lung geht und das Hauptgewicht der Arbeit nicht auf diesen
ersten Teil gelegt wird, soll nur auf die wichtigsten Zeitepochen Bezug genommen werden, um einen Überblick über
Konzeptionen von Herrschaftsformen der MuslimInnen in
den genannten Zeitenabschnitten zu erhalten. Die Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes sollen dahingehend zusammengefasst werden, dass letztendlich Aussagen darüber gemacht
werden können, welche dieser Regierungsformen als islamische Herrschaftsformen deklariert wurden bzw. welche nicht
und mit welcher Begründung dies getan bzw. dies nicht
getan wurde.
Abū l-Ma‘ālī ‘Abd al-Malik ibn ‘Abdallāh al-Ǧuwainī, ein
bedeutender schafiitischer Rechtsgelehrte31 zählt wohl zu
den ältesten Klassikern, die das Kalifat befürworten. Ein
weiterer Klassiker, der gleichsam ein Standardwerk hinsichtlich der Frage nach einem islamischen Staat schrieb, ist Abū
l-Hasan al-Māwardī, der das Werk Al-Ahkam al-Sultaniyya
w’al-Wilayat al- Diniyya (The Ordinances of Government)
verfasste. In diesem Werk definiert Abū l-Hasan al-Māwardī
die politische Leitung der MuslimInnen durch einen Kalifen
als obligatorisch32.
Zu den anderen Klassikern, die ein Kalifat als Teil der
Religion ansahen und dieses durch die Religion begründeten, zählen Sayyid Abu Al-A’la Maududi33 und Fazlollah
Nuri, ein schiitischer Geistlicher, der vor allem bis heute für
den Iran eine große Vorbildfunktion hat.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, beeinflusst durch
den Kolonialismus und der westlichen Idee von Nationalstaaten, begannen islamische Denker und Gelehrte die Theorie zu einem islamischen Staat im Sinne des Begriffes Staat
aus dem Islam heraus zu begründen und sahen die Konzeption des Kalifats als Regierungsform gescheitert. Bis dahin
hatte man noch keine konzeptuelle Theorie darüber ausgearbeitet. Panislamische Bestrebungen wurden etwa durch
Dschamal ad-Din al-Afghani oder Muhammad ´Abduh
beschrieben, die sich auf Ibn Taimiyas Staatsverständnis
bezogen.34
Auch Raschīd Riḍā, ein Schüler von Muhammad
´Abduh, galt als Klassiker hinsichtlich der Frage nach einem
islamischen Staat, der Schriften gegen Abd ar-Raziqs Werk
Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft verfasste und
in der Tradition des Theologen Abd ar-Rahmān al-Kawākibī
stand, der auch das Kalifat befürwortete.35
2.2.3 Fazit und Ausblick
Bezogen auf den islamischen Religionsunterricht könnten die Ergebnisse dieser Arbeit konkret an dessen Lehrplänen anknüpfen. So findet sich darin z.B. ein Themenschwerpunkt, der sich Islam in Österreich und in Europa nennt und
sich mit der Frage der eigenen Verantwortung dem Staat
und der Gesellschaft gegenüber sowie der Identifizierung
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
mit denselben beschäftigt. Dieser Themenschwerpunkt setzt
an den eigenen islamischen Wurzeln an. So soll etwa über
den Islam in Spanien zurzeit von Al-Andalus (711-1492)
gelehrt und über die Demokratieerziehung heutzutage
reflektiert werden. Auch dieses Dissertationsvorhaben setzt
am Staatsverständnis während der Prophetenzeit an und
führt bis zu den diesbezüglichen aktuellen Entwicklungen.
Durch die Ergebnisse dieser Arbeit und der ausgewählten
wissenschaftlichen Methode könnte man Modelle von
Regierungsformen generieren, welche weder mit der eigenen islamischen Tradition brechen, noch im Widerspruch
zur Lebenswirklichkeit der SchülerInnen stehen. Daher
könnte der Religionsunterricht Spannungen zwischen der
religiösen und nichtreligiösen Mehrheitsgesellschaft und der
muslimisch geprägten Bevölkerung, die sich auch innerhalb
der Mehrheitsgesellschaft befindet, bewusst machen und
einen verständnisvollen Umgang miteinander unterstützen.
2.3 Gotteskonzepte. Eine Studie zur theoretischen Modellierung und empirischen Erfassung von Gotteskonzepten bei
muslimischen OberstufenschülerInnen im Raum Wien
Minela Salkic Joldo
BA, MA, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Islamische Studien der Universität Wien, Fachbereich islamische Religionspädagogik und Doktorandin des Dr.-Studiums der Philosophie
an der Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik)
2.3.1 Einleitung
Aus Theorien36 geht hervor, dass sich die kognitiven
und emotionalen Dimensionen eines Gottesglaubens bei
Erwachsenen aber auch bei Kindern erforschen und nachweisen lassen. Durch die Forschungen von Szagun37, Dannenfeldt38 und Bösefeldt39, die das Gottesverständnis (Kognition) und die Gottesbeziehung (Emotion) bei Kindern
untersucht haben, wurde die Theorie von Grom40 bestätigt.
Laut Grom41 stehen die kognitive und die emotionale
Dimension in einer Wechselwirkung. Verschiedene Studien
verwenden für die Gottesthematik unterschiedliche Begriffe,
zum Teil auch synonym. Es ist die Rede von Gottesvorstellung, Gottesidee, Gottesbegriff, Gotteslehre, Gottesbild und
anderen.42 Szagun43, Dannenfeldt44 und Bösefeldt45 sprechen in ihren Studien von Gotteskonzepten und in Anlehnung an Grom46 enthalten die Gotteskonzepte zwei voneinander abhängige Dimensionen, die überwiegend kognitive
und die überwiegend emotionale und motivationale Dimension. Unter der überwiegend kognitiven Dimension versteht
Grom das Gottesverständnis47 und unter der überwiegend
emotionalen und motivationalen die Gottesbeziehung48. Aufgrund solcher Studien bzw. solcher entwickelter Theorien49
ist anzunehmen, dass auch nicht-konfessionsgebundene
ÖRF 23 (2015) • 73–86
Gotteskonzepte (Gottesverständnis und -beziehung) im
deutschsprachigen Raum und damit auch in der österreichischen Gesellschaft vorhanden sind.
2.3.2 Konzeption und Forschungsfrage
Das Anliegen dieser Arbeit ist es, ausgehend von
Groms50 Theorie über den Gottesglauben, ein theologisches
Modell von Gotteskonzepten aus noch näher zu spezifizierenden islamisch-theologischen Strömungen zu erheben.
Dieses Modell ist der Ausgangspunkt, um – in einem zweiten Arbeitsschritt – bei SchülerInnen des islamischen Religionsunterrichts vorhandene/nicht vorhandene Gotteskonzepte empirisch zu erfassen. Die gewonnenen Daten und das
theologische Modell werden im Anschluss miteinander verglichen, um in einem empirisch überprüften Modell die
Schnittmenge zwischen theologischen und SchülerInnen-Konzepten zu ermitteln und daraus fachdidaktische
Konsequenzen ziehen zu können. Unter dem Modell der
Gotteskonzepte sind komplexe Gebilde zu verstehen, welche
die inneren Beziehungen zwischen Kognitionen und Emotionen in Bezug auf Gott veranschaulichen können. Bezogen
auf muslimische SchülerInnen im deutschsprachigen Raum
haben sich bisher nur wenige Studien – und dies auch nur
am Rande – mit der Frage nach Gottesverständnissen und
-beziehungen auseinandergesetzt.51 Die Frage nach muslimischen Gotteskonzepten, also was muslimische Jugendliche unter Gott verstehen und welche Gefühle sie dabei entwickeln, ist bis heute eher unbeantwortet geblieben. Wenn
auch über Gottesvorstellungen geforscht wurde, wird in der
Regel nur auf die kognitive, unter Vernachlässigung der
emotionalen Ebene, fokussiert.52 Die Erhebung der kognitiven Ebene von Gotteskonzepten ist allerdings eine einseitige
Betrachtung. Daraus ergibt sich als eigentliche Problemstellung meiner Arbeit die nicht vorhandene Verknüpfung der
kognitiven mit der emotionalen Ebene von Gotteskonzepten
und deren empirischer Erfassung bei muslimischen Jugendlichen.
Diese Problemstellung kann noch dadurch verschärft
werden, dass Gotteskonzepte neben anderen Ursachen die
Welt-, Fremd- und Selbstwahrnehmung beeinflussen.53 Von
solchen Beeinflussungen sprechen auch Benson/Spilka54
sowie Murken55. Laut deren Forschungsergebnissen56 können sich persönliche Gotteskonzepte sowohl positiv wie
auch negativ auf die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen
auswirken und diese beeinflussen. Gotteskonzepte könnten
somit als eine wertvolle Ressource beim Aufbau und Erhalt
einer positiven Selbstwahrnehmung veranschlagt werden,
was laut Grom57 nur möglich ist, wenn das Gotteskonzept
verinnerlicht wird. Entscheidend für die Bildung eines positiven Gotteskonzeptes sind die Bezugspersonen – in erster
Linie Eltern, LehrerInnen und andere Personen aus dem
79
Umfeld – aber auch die religiöse Praxis58 und das Selbstwertgefühl der Person. Problematisch bei einer negativen
Bildung eines Gotteskonzeptes ist, dass dieses auch die
Selbstwahrnehmung der Person negativ prägen kann, was zu
negativen Gefühlen nicht nur gegenüber Gott sondern auch
gegenüber Mitmenschen bis hin zur negativen Wahrnehmung demokratischer Strukturen führen kann.59 Trotz der
hier hervorgehobenen Forschungslücke machen Studien wie
Dannenfeldt60 sowie Feige/Gennerich61 auf den emotionalen Bereich aufmerksam und zeigen, dass eine solche Erhebung bei konfessionslosen, christlichen und muslimischen
Heranwachsenden durchaus möglich ist. Zu meiner zu
untersuchenden SchülerInnengruppe mit den Merkmalen:
muslimisch, im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, ein mehr
oder weniger ausgeprägter Migrationshintergrund, gibt es
allerdings eine solche Studie noch nicht.
Aus dem bisher Dargelegten ergibt sich die folgende
Forschungsfrage: Welche Gotteskonzepte lassen sich bei
SchülerInnen der 7. und 8. gymnasialen Oberstufe identifizieren?
Ausgehend von einem theologisch gesicherten Modell
der Gotteskonzepte ergeben sich als Unterfragen:
• Welche Vergleiche lassen die theologischen und die
SchülerInnen-Gotteskonzepte zu?
• Ergibt sich auf der kognitiven und der emotionalen
Ebene eine Schnittmenge zwischen theologischen
und SchülerInnen-Konzepten?
Die Forschungsfrage impliziert schon die zu untersuchenden SchülerInnen (Sampling): Identifiziert werden sollen Gotteskonzepte bei muslimischen OberstufenschülerInnen im Alter der Adoleszenz. Die religiösen Entwicklungsstufen vom Kindes- bis hin zum Erwachsenenalter sind
umstritten, vor allem wenn es um Kinder und Jugendliche
aus einer multikulturellen Gesellschaft geht. Grom ist der
Meinung, dass es keine „umfassende und allgemeine Theorie der kognitiven und emotionalen Entwicklung des Gottesglaubens“62 gibt. Dennoch kann sich bei der Auswahl der
Altersgruppe auf Nipkow63 und Freudenberger-Lötz64
gestützt werden. Die Altersphase zwischen 16 und 18 Jahren
eignet sich für meine Studie deswegen, weil Heranwachsende in dieser Phase kritisch gegenüber Glaubens- und
Gottesvorstellungen sind, wie Nipkow herausstellen
konnte.65 In dieser Phase sind Jugendliche zweifelnder als
Kinder und die Sensibilität ist ausgeprägter, wodurch beim
Theologisieren religiöse Konzepte entdeckt, erweitert, verändert und auf Handlungen hin durchgearbeitet werden
können.66 Auch wenn Nipkow und Freudenberger-Lötz aus
der evangelischen Perspektive schreiben, dürften muslimische Jugendliche bei der Suche nach einem persönlichen
Gott, dem sie Vertrauen schenken können67, keine Ausnahme bilden. Das Sampling besteht aus (n=60) muslimi-
80
schen SchülerInnen, die den Religionsunterricht besuchen.
Als Variable wird u.a. der Bildungs- und Migrationshintergrund erhoben.
2.3.3 Fazit und Ausblick
Ziel der angestrebten Arbeit ist es herauszufinden, wie
Gotteskonzepte im Rahmen von islamischer Theologie und
bei SchülerInnen der gymnasialen Oberstufe aussehen und
ob sich daraus Kategorien bilden lassen, die sich in einer
Schnittmenge befinden bzw. sich nicht darin befinden. Aus
den theologischen bzw. SchülerInnen-Konzepten heraus
werden Kategorien abgeleitet und aus diesen Kategorien
werden das theologische bzw. SchülerInnen Modell gebildet.
Im Ergebnis soll die Schnittmenge zwischen den theologischen und SchülerInnen-Konzepten ermittelt werden. Dabei
gehe ich von einer zu identifizierenden Schnittmenge aus,
aber auch davon, dass sich Teile der jeweiligen Konzepte als
selbständig herausstellen. Die zu vermutenden Unterschiede
zwischen theologischen und SchülerInnen-Konzepten sollen
den Ausgangspunkt für religionsdidaktische Reflexionen
bilden, um die Schnittmenge – vermittelt über didaktische
Aufgaben – vergrößern zu können.
Wenn, wie dargestellt, sich persönliche Gotteskonzepte
positiv auf die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen auswirken können, dann ist der Mehrwert der Arbeit u.a. darin
zu sehen, dass solche Konzepte als Ressourcen betrachtet
werden können. Gerade in multikulturellen Ländern wie
Österreich sind stabile Welt-, Fremd- und Selbstwahrnehmungen auch wegen des Migrationshintergrundes vieler
MuslimInnen von enormer Bedeutung. Dabei sollten
Bezugspersonen und der islamische Religionsunterricht
auch durch die Vermittlung theologisch positiver Gotteskonzepte die persönlichen Gotteskonzepte der SchülerInnen
aufbauen und stärken.
2.4 Die koranischen Erzählungen. Eine Quelle für einen
zeitgemäßen islamischen Religionsunterricht? Dargestellt
am Beispiel von Muḥammed Aḥmed Ḫalafallāh
Ahmed al Shafey
BA, MA, Lehrbeauftragter an der Universität Wien, AHS-Religionslehrer und Doktorand des Dr.-Studiums der Philosophie an der
Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik)
2.4.1 Einleitung
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Koran
eine wichtige Rolle im islamischen Religionsunterricht an
der öffentlichen Schule spielt. Zugleich lässt sich vermuten,
dass die koranischen Erzählungen im Zentrum des islamischen Religionsunterrichts stehen. Eine koranische Erzählung macht nicht nur den Unterricht interessanter, sondern
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
bleibt auch ein sehr wichtiges pädagogisches Instrument bei
der Vermittlung bestimmter Werte und Lehren.
Meine Dissertation befasst sich mit dem Hauptwerk
Ḫalafallāhs al-Fann al- qaṣaṣī fi l-qurˈān al-karīm68 (Die
Erzählkunst im heiligen Koran). Warum ich mich mit dem
Buch Ḫalafallāhs auseinandersetzen möchte, kann auf folgende Gründe zurückgeführt werden:
1. Ḫalafallāh gehört zu den muslimischen Neudenkern, die anders an den Koran herangegangen sind.
Im Gegensatz zu vielen muslimischen Gelehrten
und Interpreten, die die koranischen Erzählungen
in der Regel wie Chroniken einstudiert und wörtlich verstanden haben, behandelte Ḫalafallāh sie als
literarische und religiöse Dokumente.69 Seine literarische Herangehensweise an den Koran führte
auch dazu, dass er bei einigen Erzählungen von
Allegorien ausging, während viele Gelehrte die
Problematik dieser Erzählungen übergingen und
sie unter der Bezeichnung „mehrdeutige Verse“
(mutashābihāt) einordneten.70
2. Anhand seines literarischen Umganges mit dem
Koran konnte Ḫalafallāh die gestalterische Freiheit
des göttlichen Sprechers hervorheben, ohne die
Quelle des Korans in Frage zu stellen. Gemäß seiner Methode kann sich ein Exeget vom Gefängnis
der wörtlichen Lektüre befreien, um das Signifikant hinter dem Signifikanten erfassen zu können.71 Eine genaue Analyse seines Buches lässt uns
verstehen, inwieweit die Meinungen Ḫalafallāhs
von denen der Traditionalisten abweichen.
3. Ḫalafallāh, der in Unterägypten im Jahre 1916 als
Sohn einer sudanesischen Mutter und eines ägyptischen Vaters geboren wurde, war sehr stark von
der Herangehensweise al-Ḫulis72 an den Koran
beeinflusst. In seiner von al-Ḫulī betreuten Magisterarbeit schrieb Ḫalafallāh über Die Dialektik des
Korans. In dieser Arbeit folgte er den von seinem
Professor al-Ḫuli entworfenen Prinzipien der literaturwissenschaftlichen Methode. Nach dem
Magisterabschluss begann Ḫalafallāh Koranexegese
an der Fuˈād Universität73 zu unterrichten.74
4. Da Ḫalafallāh mit den koranischen Erzählungen in
seiner auch von Professor al-Ḫulī betreuten Dissertation anders umging, löste er heftige Kritik aus.
Ein Satz von Umberto Eco beschreibt hier nicht
nur das Schicksal Ḫalafallāhs, sondern auch die
Bedingungen der Forschung überhaupt, die in der
islamischen Welt immer noch gelten: „Gegenüber
den wirklich heiligen Texten sind jedoch eigentlich
keine großen Freiheiten erlaubt, da eine religiöse
ÖRF 23 (2015) • 73–86
Autorität und Tradition in der Regel beanspruchen,
die richtige Interpretation zu besitzen.“75
Durch das Ablehnen seiner ursprünglichen Dissertation
sah sich Ḫalafallāh gezwungen, seinen Doktortitel mit einer
Arbeit über Abū al-Faraĝ al-Iṣfahānī und sein Buch der Lieder zu erwerben. Allerdings wurde, interessanterweise, die
Arbeit Ḫalafallāhs über die Erzählkunst im Koran zwischen
1953 und 1999 fünfmal in Kairo veröffentlicht.76
2.4.2 Konzeption und Forschungsfrage
Ḫalafallāh wollte den Koran so modifizieren, dass für
den/die MuslimIn der Lehrgehalt der koranischen
Geschichte, nicht mehr das in ihnen üblich gezeichnete Bild
eines Erzählverlaufs im Zentrum steht. Die Schlüsselfrage
Ḫalafallāhs zum Verständnis der koranischen Erzählungen
war nicht die Frage nach dem Ablauf einer koranischen
Geschichte, sondern vielmehr die Frage, warum Gott sie so
gestaltete, also die Frage nach der Absicht.77 Die künstlerische Gestaltung von koranischen Erzählungen liegt nach
Ḫalafallāh nicht auf der Ebene der historischen Wahrheit.
Vielmehr stellt die koranische Erzählung eine Kunst dar,
deren Aufgabe es ist, die Seelenlage des Publikums zu beeinflussen, d.h. die Gefühle der Menschen mit künstlerischen
Mitteln zu lenken, damit sie zur Wahrheit Stellung nehmen
können. In diesem Zusammenhang spricht Ḫalafallāh von
einer emotionalen, nicht immer rationalen Sprachlogik, die
den Koran kennzeichnet.78 Seine Theorie der literarischen
Gattungen könnte einen Weg für ein besseres, zeitgemäßes
Koranverständnis ebnen.79 Mit der von Ḫalafallāh aufgestellten Theorie der literarischen Gattungen, die die koranischen Erzählungen in drei Kategorien (historisch, gleichnishaft und auf Legenden beruhend) einteilt, könnten die
SchülerInnen eines islamischen Religionsunterrichts (IRU)
verstehen lernen, dass die Intention der Erzählungen im
Koran keineswegs ein Geschichtsunterricht ist, sondern an
ihrer Lebenswelt anknüpft. Dass im Zentrum des islamischen Religionsunterrichts nicht unbedingt die Erzähl- sondern die historische Dimension steht, muss, um die hier zu
bearbeitende Problemstellung schärfer herauszuschälen,
ergänzt werden durch die Beobachtung, dass SchülerInnen
häufig über keinen persönlichen Zugang zum Koran verfügen. Oft stützen sie sich auf eine Interpretation, die den Ort
und die Zeit, in der sie sich befinden, nicht berücksichtigt.
Stehen also nicht selten nur die historischen Ereignisse einer
koranischen Erzählung im Mittelpunkt des IRUs, so muss
auch betont werden, dass die koranischen Erzählungen nicht
an Alltagsvorstellungen und Lebenswelterfahrungen der
SchülerInnen anknüpfen. Der Beitrag meiner Forschung
möchte die moralische und religiöse Lehre der koranischen
Erzählungen ins Zentrum rücken, um zum einen theoretisch den koranischen Erzählungen mehr (literarisches)
81
Eigenrecht zuzusprechen und zum anderen unterrichtspraktisch den SchülerInnen einen lebensweltlichen Zugang zu
diesen zu ermöglichen. Eine solche neue Herangehensweise
an die koranischen Erzählungen kann die SchülerInnen von
der Last der historischen Einzelheiten befreien und ihnen
die Möglichkeit geben, frei und kreativ mit diesen Erzählungen umzugehen. Dabei kann eine literarische Herangehensweise an den Koran diesen als authentisches literarisches
Werk verstehen. Im Fokus der Forschung sind, um eine auf
Erfahrung aufbauende Verbindung zwischen SchülerInnen
und den koranischen Erzählungen herstellen zu können, die
folgenden drei Punkte zu problematisieren:
1. Koranische Erzählungen sind mehr als historische
Aussagen; sie sind in der Endkonsequenz Ausdruck religiöser und moralischer Erfahrung, jenseits orthodoxer Lehre.
2. An den koranischen Erzählungen kann gezeigt
werden, dass der Umgang mit dem Koran nicht als
ein geschlossener Prozess verstanden werden darf,
was nicht gegen die göttliche Quelle spricht.
3. Mit einer literarischen Herangehensweise an den
Koran, die der Intention und dem Geist des Textes
den Vorzug vor den Buchstaben gibt, kann eine
neue Entwicklung in der Koranauslegung in Bezug
auf den islamischen Religionsunterricht eingeleitet
werden.
Aus dieser Problematisierung ergibt sich Folgendes als
Hypothese:
Eine literarische Herangehensweise an den Koran
könnte zu einem besseren Koranverständnis führen und
damit die Qualität des IRUs verbessern, ohne die göttliche
Quelle des Korans in Frage zu stellen.
Aus den oben benannten Problemkreisen und der
Hypothese ergibt sich die folgende Hauptforschungsfrage:
Kann der literarische Umgang Ḫalafallāhs mit den koranischen Erzählungen Eingang in einen zeitgemäßen Islamischen Religionsunterricht finden?
Das Hauptanliegen meiner Arbeit ist es, das Hauptwerk
Ḫalafallāhs al-Fann al- qaṣaṣī fi l-quˈrān al-karīm zu analysieren. Anhand dieser Buchanalyse können die Gedanken
des ägyptischen Neudenkers Muḥamed Aḥmed Ḫalafallāh
in Bezug auf die koranischen Erzählungen dargestellt und
zusammengefasst werden, um zu verstehen, inwieweit er
von klassischen Verständnissen abweicht. Die Ergebnisse
dieses Vergleiches werden anschließend kategorial strukturiert. Anhand der Ergebnisse aus der literarischen Methode
wird der Versuch unternommen, diese für einen lebendigen
islamischen Religionsunterricht fruchtbar zu machen, was
eine zeitgemäße Gestaltung einschließt.
82
2.4.3 Fazit und Ausblick
Die literarische Herangehensweise Ḫalafallāhs an die
koranischen Erzählungen könnte hilfreich sein, über einen
neuen Zugang zum Koran im islamischen Religionsunterricht zu reflektieren. In diesem Rahmen versucht meine Forschung, für die literarische Dimension in Bezug auf den
Umgang mit den koranischen Erzählungen mehr Raum zu
schaffen. Die Freiheit, die eine literarische Herangehensweise an den Koran bietet, könnte die Mündigkeit bzw. die
Sprachfähigkeit von SchülerInnen fördern. Somit kann
betont werden, dass jeder Mensch in der Lage ist, den Koran
zu interpretieren und zu verstehen, ohne sein Verständnis
auf eine bestimmte Interpretation zu beschränken. Eine literarische Dimension, die ins Zentrum des IRUs gerückt werden soll, sieht einerseits die historische Authentizität einer
koranischen Erzählung als irrelevant an, andererseits fokussiert sie sich auf die Lehren, die man daraus ziehen kann.
Meine Forschung erachtet es für einen zeitgemäßen IRU als
notwendig, an der Lebenswelt der SchülerInnen anzuknüpfen. In der Unterscheidung zwischen einer historischen und
einer literarischen Dimension in Bezug auf die koranischen
Erzählungen liegt die Möglichkeit einer eigenen, alltagsrelevanten Urteilsfindung durch die SchülerInnen.
2.5 Zusammenfassung
Trotz der unterschiedlichen Themen der hier vorgestellten
Dissertationsvorhaben lassen sich Gemeinsamkeiten ausmachen, welche die Wichtigkeit islamisch-theologischer Forschung besonders hervorheben können:
1. Es lässt sich beobachten, dass alle Dissertationsvorhaben einen historischen Abstand zwischen Koranund/oder Traditionsauslegung und westlich
geprägter Gesellschaft diagnostizieren, den es zu
überwinden gilt, um ‚den’ Islam in europäischen
Ländern so zu etablieren, dass er als ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen
wird.
2. Gemeinsam ist allen Forschungsvorhaben zudem,
dass auf innerislamische Debatten verwiesen werden kann, sodass nicht von dem Islam gesprochen
werden kann und darf.
3. Der europäische Islam ist herausgefordert, Fragen
zu beantworten, die er aus seiner eigenen Wissenstradition heraus nicht kennt.
4. Gezeigt wird, dass die Religionsform Islam Potentiale in sich birgt, die es in Verknüpfung mit den
unterschiedlichen Lebenswelten, in Verbindung
zwischen Wissenschaft und Moscheengemeinde
oder Schule zu fördern gilt, um eine doppelte
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
Wahrnehmung der je eigenen Lebenswelt80 zumindest einzudämmen.
Solche wissenschaftlichen Forschungsansätze sind
schon deshalb zu fördern, weil sie mit Vorurteilen aufräumen und einen Dialog auf Augenhöhe anzubahnen in der
Lage sind.
3. Betreuung und Begleitung: Mentoring-Seminare
Zeigen die hier vorgestellten Dissertationsvorhaben
Lücken aber auch Potentiale einer Islamischen Theologie als
Wissenschaft in Europa an, so kann dies auch in Bezug auf
das Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten behauptet
werden. Ohne sich an dieser Stelle auf wissenschaftstheoretische Debatten einlassen zu können, ist wissenschaftliches
Arbeiten wie folgt kurz zu umreißen:
1. Hinterfragen der ‚so-ist-es’ Erfahrung des Alltages
2. Angabe und Reflexion zur Methodik
3. Exakte Bestimmung von Begrifflichkeiten
4. Auseinandersetzung mit und das Einbeziehen von
vorhandener Forschung
5. Ein, auch in methodischer Hinsicht, offener Diskurs
6. Wissenschaftliche Forschung selbst als unabschließbaren Prozess reflektieren
Im Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa ist eine umfassende Betreuung der StipendiatInnen gewährleistet. Die Gruppe traf /trifft sich im
14-tägigen Rhythmus. Im Wintersemester 2014/2015 lag der
Schwerpunkt des Mentoringseminares auf der Ausarbeitung
des einzureichenden Exposés, welches anschließend fakultätsoffen zu präsentieren war. Geleitet von einem islamischen und einem evangelischen Theologen orientierte man
sich an den Ausführungen von Hug/Poscheschnik81, die zur
Erstellung einer Projektskizze fünf Arbeitsschritte vorgeben:
1. Entwicklung einer Idee
2. Von der Idee zum Forschungsthema
3. Hypothesenbildung
4. Ableitung der Forschungsfrage
5. Erstellen einer Projektskizze82
Parallel zu diesen Erarbeitungsschritten waren die StipendiatInnen pro Seminarveranstaltung aufgefordert, ihre
Teilergebnisse vorzustellen. Damit wurde in spielerischer
Form die Präsentation der eigenen wissenschaftlichen
Erkenntnisse eingeübt. Spielerisch deshalb, weil die einzelnen TeilnehmerInnen immer wieder die Rolle des advocatus
diaboli oder eben des critical friend übernahmen, sodass der
wissenschaftliche Diskurs schon während der Erarbeitung
des Exposés eine entscheidende Rolle in der Betreuung/
Begleitung der StipendiatInnen spielte. Spielerisch auch des-
ÖRF 23 (2015) • 73–86
halb, weil die jeweiligen Präsentationen durch ein Zeitfenster von neun Minuten begrenzt wurden, sodass die Fokussierung auf das Wesentliche trainiert werden konnte.
Zusätzlich wurde für alle Studierenden der Islamischen Religionspädagogik eine Überblicksvorlesung über quantitative
und qualitative Forschungsmethoden angeboten. Im Sommersemester 2015, nachdem die StipendiatInnen ihr jeweiliges Forschungsvorhaben präsentiert hatten, lag der Fokus
der Mentoringseminare auf der Vertiefung einzelner Methoden. Zur hermeneutischen Methode wurden Texte von
Gadamer83 aber auch Übungen aus Müller et al.84 herangezogen, diskutiert und erprobt. Überprüft wurde, inwiefern
sich methodische Schritte der neutestamentlichen Exegese
auf den Koran übertragen lassen. Methodisch vertieft werden, konnten auch qualitative Forschungsansätze wie beispielsweise die Grounded Theory. Exkurse zum rationalen
Lesen oder zum wissenschaftlichen Argumentieren rundeten die Veranstaltungen im Sommersemester ab. Parallel
dazu wurde für alle Studierende der Islamischen Religionspädagogik offen ein Vertiefungsseminar zu qualitativen
sozialwissenschaftlichen Erhebungs- und Auswertungsmethoden angeboten.
4. Fazit: Was weiß man voneinander, wenn man
miteinander lernt?
Das hier bewusst gewählte neutrale man soll verhindern, dass der Eindruck entsteht, jene (MuslimInnen) lernen von diesen (ChristInnen). Viel eher ist zu konstatieren,
dass der Lernprozess ein wechselseitiger ist. Deutlich zu
Tage getreten sind im Doktorandenkolleg die Schwierigkeiten, mit denen islamische Theologie in Europa zu kämpfen
hat. Die hier gezeigten Dissertationsvorhaben sind für die
Zukunft der Etablierung von islamischer Theologie in
Österreich und letztlich Europa entscheidend, denn diese
Form des vertiefenden Studiums schafft Voraussetzungen,
um islamische Theologie aus der Isolation herauszuholen
und eine Kommunikation zu ermöglichen, die Theorie
(Wissenschaft) und Praxis (Schule und außerschulische religiöse Praxen) im Sinne des sapere aude! (Kant) miteinander
zu verknüpfen weiß. Ziel muss es dabei sein, einen Islam zu
etablieren, der im europäischen Kontext seine eigene Prägung findet. Dazu sind innerislamische Diskurse nötig aber
auch solche, die zwischen den einzelnen Religionsformen
stattfinden. Miteinander lernen heißt dann auch, dass aus
christlicher Sicht die Formen gelebter Religion in Europa
thematisiert werden müssen. Dabei geht es weniger um
Weltreligionen als vielmehr um die lebensweltlichen Berührungen mit anderen in der Nachbarschaft lebenden religiösen
Formen. Von muslimischen MitbürgerInnen ist in jedem
Fall zu lernen, dass Anpassung an zivilgesellschaftliche
83
Gegebenheiten nicht gleichbedeutend mit einer Aufgabe
religiöser Identität und Praxis, aber auch nicht mit einem
Umschwenken zu Gewalt ist. Aus christlicher Perspektive
neu war z.B. die Fragestellung, ob die Idee des Islamischen
Staates eine dem Islam immanente Idee ist. Gemeinsame
Forschung, gemeinsames Lernen bergen also auch das
Potential in sich, um Probleme des jeweils anderen zu wissen und damit öffentlich gemachte polemische Haltungen
bzw. Meinungen gegenüber ‚dem’ Islam qualifiziert ablehnen zu können. Der muslimischen und der christlichen
Religion immanent ist der Gedanke von Toleranz spätestens
seit Lessings Ringparabel. Damit soll 9/11 nicht weggewischt
werden, aber auch nicht die Hexenverbrennungen im
Namen von Christus. Innerislamische Diskurse sind letztlich – so wie innerchristliche – solche, die um ein Verständnis und eine Vermittlung von heiligen Texten/religiösen
Praxen und Alltags- bzw. Lebenswelt bemüht sind. Wenn
(mit Härle) Theologie eine zeitgemäße Auslegung des Glaubens ist, dann zeigen die hier vorgestellten Forschungsvorhaben, dass sich Islamische Theologie als Wissenschaft in
Europa etablieren kann und nicht von einem Wandlungsprozess ausgeschlossen werden darf. Gemeinsame Lernprozesse könnten hier entscheidende Weichenstellungen vornehmen. Wünschenswert wäre freilich eine klarere politische Haltung zu einem Islam europäischer Prägung. Von
staatlicher Seite würde sich eine positive Haltung demgegenüber u.a. darin spiegeln, dass die Ausbildung und Qualifikation islamischer TheologInnen strukturell (Fakultätsstatus)
und damit finanziell unterstützt würde.
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
84
Die einzelnen Dissertationsvorhaben werden immer mit der/dem
hauptverantwortlichen AutorIn versehen.
Aslan, Ednan (Hg.): Zwischen Moschee und Gesellschaft. Imame in
Österreich, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, 2012.
Ebd., 34.
Vgl. Rauscher, Hans: Muslime in Österreich. Die Politisierung einer
stark wachsenden Glaubensgemeinschaft, in: http://derstandard.
at/2000005451456/Muslime-in-Oesterreich
[abgerufen
am
07.07.2015].
Vgl. Expertenrat für Integration: Expertenbericht 2013. Perspektiven
und Handlungsempfehlungen, in: http://www.bmeia.gv.at/fileadmin/
user_upload/Zentrale/Integration/Integrationsbericht_2013/Expertenrat_Integrationsbericht_2013.pdf [abgerufen am 07.07.2015].
Vgl. Aslan, Ednan: Antrag auf ein Doktorandenkolleg Islamische
Theologie als Wissenschaft in Europa vom 06.11.2013, 2.
Vgl. Aslan, Ednan: Antrag auf ein Doktorandenkolleg Islamische
Theologie als Wissenschaft in Europa vom 06.11.2013, 3.
In Punkt 2.1.2 wird eine genauere Ausführung der Spannungsfelder
rund um den quranischen Text dargelegt.
Vgl. Arkoun, Mohammed: Der Islam. Annäherung an eine Religion,
Heidelberg: Palmyra 1999, 69.
10 Schweitzer, Friedrich: Wo also steht die Religionsdidaktik, in:
Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (Der evangelische Erzieher)
4 (2014), 387.
11 Vgl. Black, Antony: The History of Islamic Political Thought. From
the Prophet to the present, Scotland: Edinburgh University Press
2011.
12 Helfont, Samuel, Yusuf al- Qaradawi: Islam and Modernity, Tel
Aviv: Tel Aviv University Press 1999, 43 – Ein Zitat von Yusuf alQaradawi aus dem Jahr 2003 (Theologe und Rechtsgelehrter sowie
Gründer der Zentristen und Verfasser des fiqh al- aqalliyāt, Jurisprudenz der [muslimischen] Minderheiten [in pluralen Gesellschaften]).
13 Vgl. Arkoun 1999 [Anm. 9], 80.
14 Iggiö, in: http://www.schulamt.derislam.at/#&cssid=Religionsunterricht&navid=7&par=0 [abgerufen am 23.02.2015].
15 Ebd. [abgerufen am 23.02.2015].
16 Der Begriff Moderne ist im Sinne der Aufklärung als der Übergang
von der griechisch-römischen Vormundschaft zur humanistischen
Kultur, welche rationales Denken als Überwindung fortschrittbehindernder Strukturen postuliert, gemeint. Vgl. https://uni-vienna.brockhaus-wissensservice.com/brockhaus/moderne
[abgerufen
am
23.01.2015].
17 Vgl. Arkoun 1999 [Anm. 9]; Abu Zaid, Nasr Hamed: Mohammed
und die Zeichen Gottes, Freiburg: Herder Verlag 2008; Campanini,
Massimo: The Quran. Modern Muslim interpretations, New York:
Routledge 2008.
18 Schneider-Landolf, Mina u.a.: Handbuch Themenzentrierte Interaktion (TZI), Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2009, 15.
19 Ebd., 11.
20 Schneider-Landolf, Mina u.a. 2009 [Anm. 18], 172.
21 Büttner, Gerhard u.a.: Theologisieren mit Kindern, Stuttgart / Berlin
/ Köln: Kohlhammer 2002, 70.
22 Vgl. Grundwerte der EU, in: http://www.parlament.gv.at/PERK/PE/
EU/GrundwerteEU/index.shtml [abgerufen am 28.01.2015].
23 Vgl. Campanini 2008 [Anm. 17], 50.
24 Vgl. Abu Zaid 2008 [Anm. 17], 160.
25 Ebd., 161.
26 Werner, Ernst / Markov, Walter: Geschichte der Türken von den
Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin: Akademie Verlag 1978.
27 Gershoni, Israel / Jankowski, James P.: Egypt, Islam, and the Arabs:
The search for Egyptian nationhood, 1900–1930, New York: N.Y.
Oxford University Press 1986.
28 Vgl. Hatina, Meir: On the margins of consensus: the call to separate
religion and state in modern Egypt. Middle Eastern Studies 36/1
(2000) 35–67. doi: 10.1080/00263200008701296; ‘Imāra, Muhammad: Al- Islām wa-uṣūl al-ḥukm li-ʿAlī ʿAbd-ar-Rāziq. [Der Islam
und die Grundlagen der Herrschaft von ʿAlī ʿAbd-ar-Rāziq; Übers.
N.M.]. Bairūt: al-Muʾassasa al-ʿArabīya li-d-Dirāsāt wa an-Našr
1972.
29 Ridā, Rašid: „al-Manar.“, in: http://waqfeya.com/book.php?bid=7374, 1926, [abgerufen am 10.06.2015].
30 Vgl. Al-Nabhani, Taqi al-Din: al-Nizam al-Iqtisadi fi al-Islam, c. VI,
Beirut: Dar al-Ummah 2004.
31 Vgl. Nagel, Tilman: Griechenland und Rom, Judentum, Christentum
und Islam. Götterbilder - Gottesbilder –Weltbilder - Polytheismus
und Monotheismus in der Welt der Antike, Tübingen: Mohr Siebeck
2006.
32 Vgl. Māwardī, ʿAlī ibn Muhammad / Wahba, Wafaa Hassan: The
ordinances of government: A translation of al-Aḥkām al-sulṭānīyya w‘
al-wilāyāt al-dīnīyya, Reading: Garnet 11996.
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
33 Maududi, Abul A’la: Islamic way of life, Lahore: Islamic Publications 1967; Maududi, Abul A’la: Islamic way of life: ScribeDigital.
Com 1997.
34 Hartmann, Martin: Politische Theorie und politische Philosophie ein
Handbuch, München: Beck 2011.
35 Schulze, Reinhard: Islamischer Internationalismus im 20. Jahrhundert. Untersuchungen zur Geschichte der Islamischen Weltliga, Leiden: Brill 1990.
36 Vgl. Grom, Bernhard: Religionspädagogische Psychologie des Kleinkind-, Schul- und Jugendalters, Düsseldorf: Patmos Verlag 52000.
37 Vgl. Szagun, Anna-Katharina: Dem Sprachlosen Sprache verleihen:
Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung
von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Jena: Verlag IKS Garamond 2006.
38 Vgl. Dannenfeldt, Astra: Gotteskonzepte bei Kindern in schwierigen Lebenslagen: Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und
Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem
Kontext aufwachsen, Jena: Verlag IKS Garamond 2009.
39 Vgl. Bösefeldt, Ina: Männlich - Weiblich - Göttlich: geschlechtsspezifische Betrachtungen von Gottesbeziehungen und Gottesverständnis
Heranwachsender aus mehrheitlich konfessionslosem Kontext, Kassel: Kassel University Press 2010.
40 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36].
41 Ebd., 115 f.
42 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36]; Schweitzer, Friedrich u.a.: Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie: Elementarisierung in der
Praxis, Gütersloh: Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus 1995.
43 Vgl. Szagun 2006 [Anm. 37].
44 Vgl. Dannenfeldt 2009 [Anm. 38].
45 Vgl. Bösefeldt 2010 [Anm. 39].
46 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36].
47 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36], 115 f.
48 Ebd., 145 ff.
49 Vgl. ebd.; Szagun 2006 [Anm. 37].
50 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36].
51 Vgl. Hirsekorn, Murat Kemal: Īmān und ‘amal im historischen Kontext der Denkschulen, Wien 2011 (= Masterarbeit Universität Wien);
Feige, Andreas / Gennerich, Carsten: Lebensorientierungen Jugendlicher: Alltagsethik, Moral und Religion in der Wahrnehmung von
Berufsschülerinnen und -schülern in Deutschland. Eine Umfrage
unter 8.000 Christen, Nicht-Christen und Muslimen, Münster u.a:
Waxmann 2008; Bertenrath, Zita: Muslimische und christliche Gottesvorstellungen im Klassenraum. Eine qualitative Studie mit Schülerinnen und Schülern im islamischen und christlichen Religionsunterricht, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2011.
52 Vgl. Bertenrath 2011 [Anm. 51]; Hirsekorn 2011 [Anm. 51].
53 Vgl. Dannenfeldt 2009 [Anm. 38]; Grom 2000 [Anm. 36]; Murken, Sebastian: Gottesbeziehung und psychische Gesundheit. Die
Entwicklung eines Modells und seine empirische Überprüfung,
Münster: Waxmann 1998.
54 Benson, Peter / Spilka, Bernard: God Image as a Function of
Self-Esteem and Locus of Control. Journal for the Scientific Study of
Religion 12/3 (1973) 297–310.
55 Vgl. Murken 1998 [Anm. 53].
56 Benson und Spilka befragten in ihrer Studie 128 katholische SchülerInnen im Durchschnittsalter von 15 Jahren. Im Zusammenhang mit
den Selbstwertgefühlen interessierten sie sich für die Vorstellung von
einem Vater-Gott. Murken untersuchte bei 465 PatientInnen im
Durchschnittsalter von 39,8 Jahren den Zusammenhang zwischen
psychischer Gesundheit und Gottesbeziehung.
ÖRF 23 (2015) • 73–86
57 Grom 2000 [Anm. 35], 28.
58 Vgl. Dörr, Anette: Religiosität und psychische Gesundheit. Zur
Zusammenhangsstruktur spezifischer religiöser Konzepte, Hamburg:
Verlag Dr. Kovač 2001.
59 Vgl. Murken 1998 [Anm. 53].
60 Vgl. Dannenfeldt 2009 [Anm. 38].
61 Vgl. Feige / Gennerich 2008 [Anm. 51].
62 Grom 2000 [Anm. 36], 16.
63 Vgl. Nipkow, Karl Ernst: Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf, München: Kaiser 1987.
64 Vgl. Freudenberger-Lötz, Petra: Theologische Gespräche mit
Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen, Stuttgart: Calwer 2012.
65 Nipkow 1987 [Anm. 63], 65 f.
66 Vgl. Freudenberger-Lötz [Anm. 64]; Freudenberger-Lötz, Petra:
Theologische Gespräche mit Kindern. Untersuchungen zur Professionalisierung Studierender und Anstöße zu forschendem Lernen im
Religionsunterricht, Stuttgart: Calwer 2007.
67 Nipkow 1987 [Anm. 63], 80 f.
68 Das war der Titel der Dissertation Ḫalafallāhs, welche die Universität
in Kairo wegen angeblicher Nichtvereinbarkeit mit dem Islam abgelehnt hatte.
69 Benzine, Rachid: Islam und Moderne, Berlin: Verlag der Weltreligionen 2012, 149.
70 Vgl. ebd., 149–153.
71 Ebd., 154.
72 Amīn al-Ḫulī wurde am 1. Mai 1895 in Šūšai in Ägypten geboren. Er
bekam eine theologische Ausbildung an der al-Azhar und war auch
Imām einer angesehenen Moschee in Kairo. Für al-Ḫulī war immer
die Tötung des Alten durch Forschung der erste Schritt zur Erneuerung. Er war auch von den literarischen Eigenschaften des Korans
überzeugt und strebte nach einer literaturwissenschaftlichen Herangehensweise an den Koran, die alle anderen Herangehensweisen ersetzt,
da die literarische Herangehensweise an den Koran dem Leser andere
Lesarten (juristische, theologische, ethische usw.) zugänglich machen
kann (vgl. ebd., 140–143).
73 Heute: Kairo Universität.
74 Benzine [Anm. 69], 148.
75 Eco, Umberto: Zwischen Autor und Text, München: Carl Hanser
1994, 60.
76 Abū-Zaid, Naṣr Ḥāmid: Gottes Menschenwort. Für ein humanistisches Verständnis des Koran-Nasr Hamid Abu Zaid. Ausgew., übers.
und mit einer Einl. von Thomas Hildebrandt, Freiburg im Breisgau
u.a.: Herder 2008, 72.
77 Wielandt, Rotraud: Offenbarung und Geschichte im Denken moderner Muslime, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1971, 135–136.
78 Ebd., 137–138.
79 Nach Ḫalafallāh „bezieht der Koran ein Erzählmaterial aus historischen Ereignissen, beschreibt sie aber literarisch und vermittelt sie
mit Mitgefühl, um ihre Bedeutung zu verdeutlichen, ihre Intentionen
zu unterstützen, und mit ihnen eine Wirkung zu erzeugen, deren Eindruck auf die Seele so anziehend ist, dass Emotion und Gefühl erfasst
werden.“ Benzine [Anm. 69], 150.
80 Die doppelte Wahrnehmung der je eigenen Lebenswelt meint hier,
dass anscheinend viele MuslimInnen in Österreich mit ihren eigenen
Traditionen konfrontiert sind, an denen aus sinnstiftenden Gründen
festzuhalten ist und einer Umwelt, die auf diese Traditionen wenig
bis gar keinen Wert legt. Diese Spannung, die sich z.B. an Ramadan
und Schule aufzeigen ließe ist natürlich nicht durch Forschung allein
aufzuheben, wohl aber kann islamisch-theologische Forschung einen
85
81
82
83
84
86
Beitrag zur Reflexion der jeweiligen religiösen und nichtreligiösen
Praxen ermöglichen. Inwiefern solche Ergebnisse dann wirklich in
der Praxis Verwendung finden, lässt sich an dieser Stelle natürlich
nicht sagen.
Hug, Theo / Poscheschnik, Gerald: Empirisch Forschen. Die Planung und Umsetzung von Projekten im Studium, Wien: Verlag Huter
& Roth 2010.
Vgl. ebd., 41 ff.
Gadamer, Hans-Georg: Hermeneutik I - Wahrheit und Methode.
Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen: Mohr Siebeck 1990.
Müller, Peter / Dierk, Heidrun / Müller-Friese, Anita: Verstehen
lernen. Ein Arbeitsbuch zur Hermeneutik, Stuttgart: Calwer 2005.
Autoreninformation
Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan
Zentrum für LehrerInnenbildung
Porzellangasse 4
A-1090 Wien
e-mail: [email protected]
PD Dr. Thomas Weiß
Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Wien
Institut für Religionspädagogik
Schenkenstraße 8-10
A-1010 Wien
e-mail: [email protected]
GND: 1053744919
Österreichisches Religionspädagogisches Forum
Herunterladen