Ednan Aslan / Thomas Weiß unter Mitarbeit von Ranja Ebrahim, Nadire Mustafi, Minela Salkic Joldo, Ahmed al Shafey Miteinander lernen – Voneinander wissen Dokumentation zum Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa der autor der autor Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan, Universitätsprofessor und Institutsvorstand am Zentrum für LehrerInnenbildung für den Fachbereich Islamische Religionspädagogik und Islamische Studien. PD Dr. Thomas Weiß, Universitätsdozent am Institut für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Lehrer für Evangelischen Religionsunterricht. Abstract Eine islamisch-theologische Ausbildung wird von ExpertInnen als eine wichtige Voraussetzung für die Integration von MuslimInnen in Österreich eingeschätzt. Vor diesem Hintergrund etablierte sich das Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa. Es ist am Institut für Islamische Studien der Universität Wien angesiedelt und kooperiert eng mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Institut für Religionspädagogik der Universität Wien. Ziel des Kollegs ist die Förderung und Entwicklung islamischer Theologie im Kontext Europas. Durch die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich Islamische Theologie werden perspektivisch die Voraussetzungen geschaffen, in Österreich für eine qualifizierte Ausbildung von Imamen aber auch angehender ReligionslehrerInnen Sorge tragen zu können. Der nachfolgende Beitrag beschreibt die Arbeit des Doktorandenkollegs und stellt – in kurzer Form – die jeweiligen Dissertationsvorhaben vor. Schlagworte: Doktorand, Lehrveranstaltung, Islamische Theologie, Islam, Dissertation Learning with each other- knowing about one another. Documentation on the Doctoral College Islamic Theology as a Science in Europe An Islamic-Theological education is rated by experts as a key prerequisite for the integration of Muslims in Austria. Out of this concern the Graduate Program Islamic Theology as a science in Europe was established. The program is located at the Institute of Islamic Studies of the University of Vienna and cooperates with the Protestant Theological Faculty, Department of Religious Education of the University of Vienna. The aim of this program is the promotion and the development of Islamic Theology in the context of Europe. By supporting young scientists in the field of Islamic Theology conditions for a qualified training of Imams and teachers of Islamic Religious Education in Austria are created. The following article describes the work of the Graduate Program and presents – in short form – the doctoral theses. Keywords: Islamic theology, Islam, Dissertations, Academic, Junior scientists training M uslimInnen in Österreich sind ein fester Bestandteil des öffentlichen, kulturellen und damit religiösen Lebens. Gerade Wien kann als Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Traditionen angesehen werden. Integration fällt allerdings nicht vom Himmel. Viel eher stehen sich – bei allen politischen Beschwörungsformeln zur pluralistischen Gesellschaft – verschiedene Traditionen gegenüber. Dieses Gegenüberstehen impliziert zwar nicht automatisch eine FreundFeind-Haltung, allerdings ist zu beobachten, dass sich zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein Graben befindet, der nicht immer leicht bzw. manchmal auch gar nicht zu überbrücken ist. Einerseits wird ‚der’ Islam medial zu häufig mit Gewalt, Terror und Schreckensherrschaft in Verbindung gesetzt. Zum anderen ist sich die europäische, christlich geprägte Tradition sehr bewusst, dass Religion und Aufklärung in einen wechselseitigen Zusammenhang zu stellen sind, wenn die Zivilgesellschaft nicht in religiöser Barbarei untergehen soll. Die heimliche Unterstellung, dass ‚der’ Islam eben nicht durch die Aufklärung gegangen sei und deshalb Schwierigkeiten habe, sich in Europa zu etablieren, ist die eine Seite der Medaille. Die europäische Seite dieser einen Medaille könnte heißen: Sich nicht wirklich einlassen auf Fremdes. Diese, vielleicht etwas holzschnittartig, aufgemachte Opposition lässt sich, so die Überzeugung der VerfasserInnen dieses Beitrages, zumindest minimieren, wenn Ednan Aslan / Thomas Weiß: Miteinander lernen – Voneinander wissen. Dokumentation zum Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa • ÖRF 23 (2015), 73–86 73 gemeinsam miteinander gelernt wird, um voneinander zu wissen. Der vorliegende Beitrag greift diese Problematik auf und beschreibt den Prozess des gemeinsamen Lernens am Beispiel des Doktorandenkollegs Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa. In einem ersten Punkt wird, ausgehend von prinzipiellen Überlegungen zu einer fundierten muslimisch-theologischen Ausbildung, die Konzeption des Doktorandenkollegs vorgestellt (1). Anschließend (2) werden – in Kurzfassungen – vier Dissertationsprojekte präsentiert, die im Sommersemester 2015 die entsprechende öffentliche Präsentation an der Universität Wien erfuhren.1 In einem dritten Teil (3) wird die dem Projekt inhärente Begleitung (mentoring) beschrieben. Ein Fazit (4) schließt diesen Beitrag ab. 1. Das Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa Der von Aslan herausgegebene Band Zwischen Moschee und Gesellschaft2 problematisiert die Herausforderungen, denen sich eine islamische Theologie im europäischen Kontext gegenübergestellt sieht. MuslimInnen sind größtenteils durch Migration geprägt, versuchen durch das Anlehnen an bekannte Traditionen ihre kulturelle und religiöse Identität zu bewahren und stoßen damit, mehr oder weniger offensiv, an Verständnisgrenzen westeuropäischer Sozialisation. Zugleich ist eine eher „islamunfreundliche Lage in Westeuropa“3 zu beobachten. Der Begriff Islamische Theologie selbst scheint fragwürdig zu sein, denn welche Theologie ist gemeint? Wie die christliche oder die jüdische Theologie ist auch die islamische nur als Plural zu begreifen, als Theologien. Und je nachdem, aus welcher Rechtsschule LehrerInnen oder Imame kommen, welche soziokulturellen Hintergründe mitgebracht werden, fällt der Umgang zwischen Tradition und europäischer Umwelt (hier konkret: Österreich) aus. Dabei bilden in Österreich MuslimInnen mit 6,8 % einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Gesamtbevölkerung, denn es handelt sich immerhin um rund 574.000 Menschen, die in Österreich leben.4 Diese Bevölkerungsgruppe, welche sich bei näherem Hinsehen in verschiedene Ethnien und damit in die unterschiedlichsten soziokulturellen Hintergründe differenziert, in Bezug auf ‚ihre’ Religion – ‚den’ Islam – zu vertreten, ist als solches schon ein nicht zu vollbringendes Unterfangen. Dennoch, so zumindest der ExpertInnenrat für Integration in seinem Bericht von 2013, ist die Etablierung einer islamisch-theologischen Ausbildung eine wichtige Voraussetzung für eine Integration von MuslimInnen in Österreich.5 Es geht dabei um nichts Geringeres als eine für die muslimische Bevölke- 74 rung sichtbare Repräsentation ihrer Religion in Schule, Ausbildung und Universität. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee der Etablierung eines Doktorandenkollegs, welches sich zum Ziel setzte, Nachwuchskräften die Möglichkeit zu bieten, „sich intensiv mit den unterschiedlichen islamisch-theologischen Disziplinen auseinanderzusetzen“ sowie „für eine gleichwertige Qualifizierung [gleichwertig in Bezug auf andere Wissenschaften, TW] der Nachwuchskräfte an der Universität Wien“ zu sorgen.6 Der bei einer Stiftung eingereichte und genehmigte Antrag für das Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa hat eine Laufzeit von insgesamt drei Jahren und bietet bis zu sechs StipendiatInnen die Möglichkeit, im Rahmen einer Dissertation vertiefende Kenntnisse in den folgenden Schwerpunkten zu erlangen: 1. Genese und Exegese des Koran 2. Hadithwissenschaften: Genese und Exegese der Hadithe (Aussagen des Propheten) 3. Islamisches Recht und Integrationstheologie 4. Empirische Theologie und islamische Philosophie 5. Ideengeschichte des Islams und Islam in Europa 6. Islamische Religionspädagogik und Fachdidaktik7 Dieses Programm soll die Entwicklung von islamischer Theologie im Kontext Europas fördern helfen und zugleich eine Spezialisierung innerhalb der Forschung ermöglichen. Das Besondere an diesem Doktorandenkolleg ist, dass die Durchführung in enger Kooperation mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Institut für Religionspädagogik an der Universität Wien praktiziert wird. Wissenschaftlichen Nachwuchs für das neue Feld Islamische Theologie auszubilden und damit perspektivisch die Voraussetzungen zu schaffen, in Österreich für eine qualifizierte Ausbildung von Imamen aber auch angehender ReligionslehrerInnen Sorge tragen zu können, ist ein innerislamisches Anliegen. Durch die Kooperation mit christlicher Theologie ist dieses Anliegen zugleich ein dialogisches. 2. Vorstellung der Dissertationsvorhaben Bisher wurden vier DoktorandInnen gewonnen, die unterschiedliche Dissertationsvorhaben verfolgen. Alle vier Vorhaben wurden im Frühjahr 2015 in fakultätsöffentlichen Präsentationen vorgestellt und entsprechend genehmigt. Die folgenden vier Punkte geben Einblicke in die einzelnen Inhalte der Dissertationsvorhaben. Österreichisches Religionspädagogisches Forum 2.1 SchülerInnen im Diskurs mit dem Qurˈān: Chancen und Grenzen für einen zukunftsorientierten islamischen Religionsunterricht – Ein Handlungskonzept zum themenzentrierten Arbeiten anhand der Offenbarungsanlässe (asbāb an-nuzūl) Ranja Ebrahim Mag. a, Universitätsassistentin am Zentrum für LehrerInnenbildung für den Fachbereich Islamische Religionspädagogik der Universität Wien und Doktorandin des Dr.-Studiums der Philosophie an der Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik) 2.1.1 Einleitung Die Dissertation problematisiert die Spannungsfelder8 in Bezug auf den Qurˈān im Sinne seiner kodifizierten und somit geschlossenen und unveränderbaren Beschaffenheit, unter besonderer Berücksichtigung der korrelierenden Konsequenzen im islamischen Religionsunterricht. Darüber hinaus befasst sich die Arbeit mit dem Entwurf eines pädagogischen Handlungskonzeptes, welches die SchülerInnen-Gott-Kommunikation abseits des schwer zugänglichen textus receptus auf Basis der Offenbarungsanlässe und mit Unterstützung des themenzentrierten Handlungskonzeptes nach Ruth Cohn fördern möchte. Die Betonung liegt somit auf dem sogenannten diskursiven Qurˈān, also auf der qurˈānischen Offenbarung in seiner lebendigen Natur, welche dem islamischen Glauben nach als Inbegriff trans- und aszendenter Kommunikation gilt. Diese Herangehensweise knüpft an Arkouns These zum diskursiven Qurˈān9, welcher die Unabgeschlossenheit der qurˈānischen Offenbarung zugrunde liegt. Der Qurˈān wird somit in dieser Dissertation als ein Prozess betrachtet, dessen Kommunikationspotenzial durch die Wiederaufnahme des Diskurses durch, in diesem Falle, SchülerInnen als regenerierfähig gesehen wird. Die inhärenten Lehren des Qurˈāns könnten dadurch für zeitgenössische Herausforderungen fruchtbar gemacht werden. Das Ziel dahinter ist, SchülerInnen zu Diskursen zu ermutigen, die an ihre Lebenswelten angepasst sind bzw. von diesen ausgehen, d.h. welche auf die Förderung von Partizipations- und Deutungskompetenz von SchülerInnen abzielen. Die angestrebte Konzeption ist also nicht als ein ganzheitliches religionspädagogisches Konzept zu betrachten, welches die Obsoletierung aller anderen Konzepte und Ansätze intendiert. Das angestrebte Handlungskonzept sollte als eine Erweiterung, eine „Dimension“10 des vorhandenen pädagogischen Angebotes für den islamischen Religionsunterrichts verstanden werden sowie Impulse für neue Religionsdidaktiken geben können. Im Folgenden werden die oben erwähnten Spannungsfelder der Qurˈān als Text und deren Konsequenzen im islamischen Religionsunterricht vorgestellt und dem Konzept ÖRF 23 (2015) • 73–86 des sogenannten diskursiven Qurˈāns gegenübergestellt. Dieser Gegenüberstellung folgt eine kurze Vorstellung des Handlungskonzeptes und der Rolle der Offenbarungsanlässe. 2.1.2 Konzeption und Forschungsfrage Die erste und meines Erachtens grundlegende Problematik hinsichtlich des Qurˈāns als geschlossenes Medium liegt in den machtpolitischen Verhältnissen, die seine Ideengeschichte prägten. Das Arbeitsfeld textus receptus war von Beginn an eine Arena harscher intellektueller aber auch politischer Auseinandersetzungen. Zwar brachten diese mitunter polemischen Kämpfe die Entwicklung und Ausarbeitung relevanter qurˈānisch hermeneutischer Methoden hervor, dennoch stand stets die Motivation, bestimmte Weltanschauungen durchzusetzen und ideologische Gegner argumentativ ins wissenschaftliche Abseits zu drängen im Vordergrund. Die qurˈānischen Verständnisse, welche aus diesem Kontext hervorkamen, behalten bis heute durch die verschiedenen Rechtschulen Einfluss.11 Hinsichtlich des Ansehens des Islams selbst könnte das Beharren auf mittelalterliche Richtlinien zum einen der wissenschaftliche Stillstand und zum anderen die Inkompatibilität mit der Moderne und den Werten des Westens vorgeworfen werden. Die Universalität des Qurˈāns, wie sie u.a. in (Qurˈān 2:185, 3:4, 6:90) betont wird, könnte durch die Beschränkung der qurˈānischen Verständnisse auf ein bestimmtes historisches Zeitfenster aberkannt werden. Für jugendliche MuslimInnen, die im westlich-pluralen Kontext sozialisiert werden, könnte dadurch der Anschluss an zeitgenössische Herausforderungen und Interessen verfehlt werden. Aus diesem Zusammenhang entsteht für mich der zweite Problemkreis. Die heutige Situation der MuslimInnen als Minderheit innerhalb mehrheitlich christlich-plural geprägter Gesellschaften stellt für die islamische Jurisprudenz eine Neuheit dar. Ihre Fragen und Anliegen finden in den klassischen Werken keine Anknüpfungspunkte, da sie zu gegebenen Zeiten kaum relevant waren. Vereinzelte Gelehrte aus dem 20. Jahrhundert versuchten trotz starker Widerstände seitens geistlicher Autoritäten Erneuerungen in das islamische Recht einzuarbeiten. Bemühungen dahingehend waren stets mit dem Ziel verbunden, zeitgenössischen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Jene Bestrebungen liefen unter folgendem Banner: „We must not think with the heads of our predecessors, because our problems, needs and time are different from theirs. We cannot let people who died centuries ago think on our behalf.”12 Der dritte Problemkreis bezieht sich auf die künstlich produzierte Distanzbildung zwischen Mensch und Offenbarung, welche sich durch die Verwissenschaftlichung des Qurˈāns als Text entwickelte. Der „Interpretierende Kor- 75 pus“13 schafft somit eine intellektuelle Zwischenebene, die es zu überwinden gilt, wenn man sich dem Geist des Qurˈāns und, im weiteren Sinne, auch Gott annähern möchte. Um diese Barriere abzubauen, wäre ein lebenslanges Studium des islamischen Fächerkanons aus Theologie und islamischer Jurisprudenz notwendig. Eine Bedingung, die weder im Rahmen des gewöhnlichen Religionsunterrichts erfüllbar noch hinsichtlich der von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ)14 vorgesehenen Unterrichtsziele förderlich wäre. Hier wäre exemplarisch der Umgang mit Vielfalt, Identitätsförderung oder die „Bewusstmachung der Kompatibilität einer islamischen Lebensweise mit dem Gefühl der Zugehörigkeit zu Österreich und Europa“15 zu nennen. Aufgrund der genannten Problemkreise kann festgehalten werden, dass die Entwicklung von einer lebendigen Tradition zu einer verstummten und elitären Polemik in eine Art Erstarrung des Qurˈāns geführt hat. Diese Erstarrung bezieht sich auf den Moment der Umwandlung von einem offenen, interpretierfähigen, kommunikativen Medium zu einem erstarrten Spiegelbild der mittelalterlichen Gelehrsamkeit und deren kontextuell geprägten Weltanschauungen. Der theologische Blick, der sich dadurch gezwungenermaßen stets in die Vergangenheit anstatt in die Gegenwart oder gar in Richtung Zukunft wendet, hindert den Islam daran, konstruktiv am Wandel der Zeit zu partizipieren. Diese künstlich produzierte Kluft zwischen Moderne16 und Qurˈān könnte somit Ideen und Haltungen, welche die Unvereinbarkeit jener beiden Aspekte behaupten, wie es u.a. bereits in puristischen Bewegungen zu beobachten ist, gefördert haben. Eine Ausgangslage, die weder für die Zukunft des Islams in Europa, noch für die Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts in Österreich vielversprechend erscheint. Mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht lässt sich aus der dargestellten Problematik die folgende Forschungsfrage formulieren: Wie könnte der Ansatz des diskursiven Qurˈāns im Rahmen des islamischen Religionsunterrichts unter Anknüpfung an die Lebenswelten der SchülerInnen in Anwendung gebracht werden? Der Ansatz des diskursiven Qurˈāns berücksichtigt die Historizität des Qurˈāns, was ihn aus seiner reinen Textualität und somit kontextuellen Dependenz löst. Auf diese Weise wird er durch die stetige Reinterpretation durch den jeweiligen Kommunikationspartner – in diesem Fall der/die SchülerIn – verpflichtet. Die Offenbarung bleibt somit nicht in einem kulturellen oder zeitlichen Vakuum eines bestimmten interpretativen Korpus des 11. oder 15. Jahrhunderts stehen, sondern wandelt sich sowohl räumlich als auch zeitlich mit seinen Interlokutoren.17 Das zu erarbeitende Handlungskonzept möchte genau hier anknüpfen und die Tore für fruchtbare SchülerInnen-Qurˈān Diskurse öffnen. Für 76 eine derartige Kommunikation bedarf es eines effektiven Mediums, welches in der Lage ist, die qurˈānischen Lehren erfolgreich an die Lebenswelten der SchülerInnen anzuknüpfen. Hier kommen die Offenbarungsanlässe, also die Auslöser qurˈānischer Offenbarungen, in den Fokus. In diesen Auslösern wird eine besondere Chance darin gesehen, Jugendlichen einen Zugang zu den qurˈānischen Lehren zu ermöglichen, welche die eben postulierte Barriere zwischen Mensch und Qurˈān umgehen könnte. Die sogenannten historisch-exegetischen Überlieferungen zeichnen sich vor allem durch ihren elementarisierenden Charakter aus, der den jeweiligen Vers von seiner sprachlichen und inhaltlichen Komplexität löst und ihn auf seinen alltäglichen und menschlichen Kern herunter bricht. Dadurch kann eine unendliche Bandbreite an qurˈānischen Themenbereichen wie Neid, Spott oder Enttäuschung, sowie auch Freundschaft, Glück und Liebe eröffnet werden, die bei den Lebenswelten der SchülerInnen Anknüpfungspunkte finden könnten. Der Vers kann dann durch das Zusammenbringen mit den jugendlichen Erfahrungswelten, eine persönliche, kontextbezogene, neugedachte Reinterpretation erfahren, die der qurˈānischen Lehre eine direkte Verortung in der Gegenwart und in den Lebensrealitäten der Jugendlichen ermöglicht. Als theoretische Grundlage zur Umsetzung dieses Ansatzes im islamischen Religionsunterricht bietet sich ein Handlungskonzept an, welches sich bereits seit den 1980er Jahren auch an Schulen als „umfassendes, ganzheitliches Handlungskonzept“ bewährt „mit dem Ziel Situationen, in denen Menschen miteinander arbeiten, lernen und leben, bewusst human und humanisierend zu gestalten“.18 Das theoretische Modell der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn bietet durch seine spezielle Faktoren-Konzeption19 einen geeigneten Rahmen, welcher die Interaktionsprozesse zwischen den SchülerInnen und dem Verbindungsstück, den Offenbarungsanlässen, zielführend fördert. Diese theoretische Konzeption erweist sich aus folgenden Punkten als qualifizierend für die erfolgreiche Einbringung des Ansatzes des qurˈānischen Diskurses im Unterricht: 1. Das theoretische Modell, welches durch diese spezifische Faktorenkonstellation eine ausgewogene Korrelation der einzelnen Eckpunkte des Modells bezweckt, könnte eine Rekonstruktion und Reaktivierung des qurˈānischen Diskurses im Globe ‚Islamischer Religionsunterricht‘ ermöglichen: Die involvierten AkteurInnen im angestrebten qurˈānischen Diskurs umfassen die mit der Offenbarung in Wechselwirkung stehende Gemeinschaft (im Sinne des Wir, die Klasse), das fragende Individuum, die/der ProtagonistIn im Offenbarungsanlass (als Ich, die/der SchülerIn) und den Offenba- Österreichisches Religionspädagogisches Forum rungsanlass (im Sinne des Es als göttliche Reaktion). 2. Durch die Einbettung des Modells in den Globe wird nicht nur der Kontext der SchülerInnen in der Unterrichtsplanung und Vorbereitung berücksichtigt, sondern auch der Anknüpfungspunkt Gegenwart durch diese Voraussetzung gesichert. 3. Die Funktion der/des „Gruppenleiter/s/in“20 ist eine, die den anderen TeilnehmerInnen hierarchisch nicht übergeordnet ist. Sie/er fungiert aber durch ihre/seine fachliche Überlegenheit als Vermittlungsperson zwischen dem Ich, dem Wir und dem Es, also so ähnlich wie etwa der/die OffenbarungsempfängerIn im Offenbarungsprozess. Diese Option sollte dazu dienen, den Diskurs und die Kommunikation zu leiten, sowie offene „Wissensfragen“21 zu klären. 4. Durch die humanistisch geprägte Weltanschauung, welche anhand von formulierten Axiomen und Postulaten die Grundhaltung der TZI repräsentiert, erfüllt das Konzept eine wesentliche gesellschaftspolitische sowie persönlichkeitsbildende Erziehungsaufgabe. Das sind Werte und Haltungen22, die für ein harmonisches Miteinander im pluralen Europa als grundlegend gelten. 2.1.3 Fazit und Ausblick Der Mehrwert aus dem angestrebten pädagogischen Konzept für einen zukünftigen islamischen Religionsunterricht kann auf zwei Ebenen gesehen werden. Durch das Handlungskonzept werden sowohl sprachliche Fähigkeiten als auch fachliches Wissen miteinander verbunden. Die erste Ebene unterstützt die Förderung der kommunikativen und argumentativen Fertigkeiten zur Bildung einer persönlichen und selbstbewussten theologischen Positionierung. Eine Qualifikation, die vor allem in Anbetracht der Bestrebungen radikal-islamistischer Bewegungen präventiv wirken kann. Ein weiterer Ertrag könnte durch den Perspektivenwechsel von der „backward-looking mentality“23 zur Gegenwartsund Zukunftsorientierung gewonnen werden. Diese Umorientierung könnte den Islam mitten in der westlich pluralen Gesellschaft ankommen lassen, der Bildung von Parallelgesellschaften entgegenwirken sowie die Heimischwerdung muslimischer Jugendlicher fördern. Die zweite Ebene schafft Raum für eine intellektuelle SchülerInnen-Qurˈān-Begegnung, die sich an die Erfahrungswelten der Jugendlichen anlehnt. Diese „Reinterpretation“24 bietet die Möglichkeit, den „Qurˈān neu zu denken“25. SchülerInnen wird dadurch das Partizipieren an und Mitgestalten von Deutungsprozessen ermöglicht, ein Privileg, welches bisher lediglich den Ulamā vorbehalten war. ÖRF 23 (2015) • 73–86 2.2 Der Islamische Staat - Entwicklung einer kontroversen Idee Nadire Mustafi Dip.-Päd, M.A., Lehrbeauftragte für Sonderpädagogik und Inklusive Pädagogik für das Lehramt Islamische Religion an Pflichtschulen, AHS-Religionslehrerin und Doktorandin des Dr.-Studiums der Philosophie an der Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik) 2.2.1 Einleitung Aktuelle Ereignisse der Gegenwart zeigen, dass es muslimische Gruppierungen gibt, die hinsichtlich der Regierungsform der MuslimInnen ein Staatskonstrukt nach klassischem Vorbild des Kalifats fordern und diese Art der Regierung gleichsam als eine dem Islam immanente ansehen. Daher gilt es, dieser Annahme auf den Grund zu gehen und sie ideengeschichtlich herauszuarbeiten, um sich anzusehen, wie man diese Frage in der Vergangenheit löste und wie man diese Lösungen begründete. Durch die Abschaffung des Kalifats im 20. Jahrhundert waren MuslimInnen erstmals gefordert, sich hinsichtlich einer Regierungsform, die sich für MuslimInnen eignet, Gedanken zu machen.26 Es hatte sich vor diesem Zeitpunkt bereits längst die Idee des Nationalstaates in der arabischen Welt gebildet, welche vom Westen transportiert wurde; daneben hat sich jedoch auch die Vorstellung einer einheitlichen muslimischen von einem Kalifen regierten Gemeinschaft erhalten.27 Erstmalig seit dem Ableben des Propheten waren MuslimInnen mit der Frage von Führung und Herrschaft konfrontiert, was zu sehr lebendigen, wissenschaftlichen und durchaus hoch theologischen Diskursen führte28, die bis heute nicht abgeschlossen zu sein scheinen. Einerseits gab es den theologischen Standpunkt, dass das Kalifat die einzig islamisch legitime Regierungsform ist und andererseits gab es bereits Überlegungen zu demokratischen Regierungsformen. 2.2.2 Konzeption und Forschungsfrage Der Islamgelehrte ‘Alī ‘Abd ar-Rāziq, der als Vater des Islamischen Säkularismus betrachtet werden kann und sein Werk Der Islam und die Grundlagen des Regierens bilden den Ausgangspunkt der Analysen. In dem Werk legt der Autor dar, dass der Islam nicht vorschreibt, welche Regierungsform zu wählen ist. Zudem wird darauf verwiesen, dass gerade das Kalifat auch in der Praxis gezeigt hat, dass die Trennung von Religion und Staat die Religion vor Missbrauch bewahren kann. Das Buch provozierte heftige Reaktionen islamischer Religionsgelehrter, die sich selbst und ihre Stellung aufgrund des Werkes von ‘Alī ‘Abd ar-Rāziq in Gefahr sahen und mit eigenen wissenschaftlichen Abhandlungen darauf reagierten.29 77 Da anscheinend die Frage nach der islamischen Regierungsform bis heute noch nicht geklärt wurde und es heute noch MuslimInnen gibt, die das Kalifat idealisieren und als einzige islamisch-legitime Regierungsform ansehen30, ist es erforderlich, sich mit dieser Konzeption zu befassen und den theologischen Bezug zu dieser genauer zu betrachten. Aus dem Erkenntnisinteresse heraus lässt sich folgende forschungsrelevante Frage (mit zwei Teilfragen) formulieren: Ist die Regierungsform Islamischer Staat nach klassischem Vorbild des Kalifats im Islam verankert und vorgeschrieben? 1. Welche theologischen Positionen existieren diesbezüglich? 2. Durch welche Faktoren wurden die Positionen gegenüber der Konzeption Islamischer Staat beeinflusst? Beide Teilfragen können verdeutlichen, dass den Einflussfaktoren hinsichtlich der Entwicklung der Idee Islamischer Staat in dieser Arbeit großer Wert beigemessen wird, um einerseits Zusammenhänge besser erkennen zu können und um andererseits die Beantwortung der Forschungsfrage argumentierend zu ermöglichen. Problematisiert werden sollen: • Die Entwicklung der Idee Islamischer Staat (historischer/ideengeschichtlicher Kontext). • Die Bedeutung/Deutung der für diese Diskussion zentralen Begriffe wie beispielweise Staat, Kalifat, Umma, Daula (begriffsklärender Kontext). • Die Wirkungen auf die damaligen wie heutigen Gesellschaften (sozialer, politischer, theologischer Kontext). Die Entwicklung der Idee Islamischer Staat zu beschreiben dient dem Ziel, begründet zeigen zu können, was tatsächlich der Religion Islam hinsichtlich Islamischer Staat immanent ist und was bezüglich – vor allem der theologischen Perspektive – als gegenstandslos betrachtet werden kann. Als erster methodischer Schritt des Forschungsvorhabens soll eine Klärung der zentralen Begriffe vorgenommen werden. Die Begriffe sollen vorerst nur vorläufig definiert werden und als Arbeitsdefinitionen dienen, um im darauffolgenden Arbeitsschritt zu erheben, welche dieser Konzeptionen von Regierungsformen in der Vergangenheit vorkamen und wie diese verwendet wurden. In einem zweiten Arbeitsschritt sollen alle Regierungsformen von der Zeit des Propheten bis hin zur Auflösung des Kalifats der Osmanen in einem kurzen Abriss historisch rekonstruiert werden, um einen Überblick darüber zu bekommen, welche Regierungsformen es in den betreffenden Zeitepochen gegeben hat. Da es nur um eine Darstellung der islamischen Tradition hinsichtlich der Fragestel- 78 lung geht und das Hauptgewicht der Arbeit nicht auf diesen ersten Teil gelegt wird, soll nur auf die wichtigsten Zeitepochen Bezug genommen werden, um einen Überblick über Konzeptionen von Herrschaftsformen der MuslimInnen in den genannten Zeitenabschnitten zu erhalten. Die Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes sollen dahingehend zusammengefasst werden, dass letztendlich Aussagen darüber gemacht werden können, welche dieser Regierungsformen als islamische Herrschaftsformen deklariert wurden bzw. welche nicht und mit welcher Begründung dies getan bzw. dies nicht getan wurde. Abū l-Ma‘ālī ‘Abd al-Malik ibn ‘Abdallāh al-Ǧuwainī, ein bedeutender schafiitischer Rechtsgelehrte31 zählt wohl zu den ältesten Klassikern, die das Kalifat befürworten. Ein weiterer Klassiker, der gleichsam ein Standardwerk hinsichtlich der Frage nach einem islamischen Staat schrieb, ist Abū l-Hasan al-Māwardī, der das Werk Al-Ahkam al-Sultaniyya w’al-Wilayat al- Diniyya (The Ordinances of Government) verfasste. In diesem Werk definiert Abū l-Hasan al-Māwardī die politische Leitung der MuslimInnen durch einen Kalifen als obligatorisch32. Zu den anderen Klassikern, die ein Kalifat als Teil der Religion ansahen und dieses durch die Religion begründeten, zählen Sayyid Abu Al-A’la Maududi33 und Fazlollah Nuri, ein schiitischer Geistlicher, der vor allem bis heute für den Iran eine große Vorbildfunktion hat. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, beeinflusst durch den Kolonialismus und der westlichen Idee von Nationalstaaten, begannen islamische Denker und Gelehrte die Theorie zu einem islamischen Staat im Sinne des Begriffes Staat aus dem Islam heraus zu begründen und sahen die Konzeption des Kalifats als Regierungsform gescheitert. Bis dahin hatte man noch keine konzeptuelle Theorie darüber ausgearbeitet. Panislamische Bestrebungen wurden etwa durch Dschamal ad-Din al-Afghani oder Muhammad ´Abduh beschrieben, die sich auf Ibn Taimiyas Staatsverständnis bezogen.34 Auch Raschīd Riḍā, ein Schüler von Muhammad ´Abduh, galt als Klassiker hinsichtlich der Frage nach einem islamischen Staat, der Schriften gegen Abd ar-Raziqs Werk Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft verfasste und in der Tradition des Theologen Abd ar-Rahmān al-Kawākibī stand, der auch das Kalifat befürwortete.35 2.2.3 Fazit und Ausblick Bezogen auf den islamischen Religionsunterricht könnten die Ergebnisse dieser Arbeit konkret an dessen Lehrplänen anknüpfen. So findet sich darin z.B. ein Themenschwerpunkt, der sich Islam in Österreich und in Europa nennt und sich mit der Frage der eigenen Verantwortung dem Staat und der Gesellschaft gegenüber sowie der Identifizierung Österreichisches Religionspädagogisches Forum mit denselben beschäftigt. Dieser Themenschwerpunkt setzt an den eigenen islamischen Wurzeln an. So soll etwa über den Islam in Spanien zurzeit von Al-Andalus (711-1492) gelehrt und über die Demokratieerziehung heutzutage reflektiert werden. Auch dieses Dissertationsvorhaben setzt am Staatsverständnis während der Prophetenzeit an und führt bis zu den diesbezüglichen aktuellen Entwicklungen. Durch die Ergebnisse dieser Arbeit und der ausgewählten wissenschaftlichen Methode könnte man Modelle von Regierungsformen generieren, welche weder mit der eigenen islamischen Tradition brechen, noch im Widerspruch zur Lebenswirklichkeit der SchülerInnen stehen. Daher könnte der Religionsunterricht Spannungen zwischen der religiösen und nichtreligiösen Mehrheitsgesellschaft und der muslimisch geprägten Bevölkerung, die sich auch innerhalb der Mehrheitsgesellschaft befindet, bewusst machen und einen verständnisvollen Umgang miteinander unterstützen. 2.3 Gotteskonzepte. Eine Studie zur theoretischen Modellierung und empirischen Erfassung von Gotteskonzepten bei muslimischen OberstufenschülerInnen im Raum Wien Minela Salkic Joldo BA, MA, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Islamische Studien der Universität Wien, Fachbereich islamische Religionspädagogik und Doktorandin des Dr.-Studiums der Philosophie an der Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik) 2.3.1 Einleitung Aus Theorien36 geht hervor, dass sich die kognitiven und emotionalen Dimensionen eines Gottesglaubens bei Erwachsenen aber auch bei Kindern erforschen und nachweisen lassen. Durch die Forschungen von Szagun37, Dannenfeldt38 und Bösefeldt39, die das Gottesverständnis (Kognition) und die Gottesbeziehung (Emotion) bei Kindern untersucht haben, wurde die Theorie von Grom40 bestätigt. Laut Grom41 stehen die kognitive und die emotionale Dimension in einer Wechselwirkung. Verschiedene Studien verwenden für die Gottesthematik unterschiedliche Begriffe, zum Teil auch synonym. Es ist die Rede von Gottesvorstellung, Gottesidee, Gottesbegriff, Gotteslehre, Gottesbild und anderen.42 Szagun43, Dannenfeldt44 und Bösefeldt45 sprechen in ihren Studien von Gotteskonzepten und in Anlehnung an Grom46 enthalten die Gotteskonzepte zwei voneinander abhängige Dimensionen, die überwiegend kognitive und die überwiegend emotionale und motivationale Dimension. Unter der überwiegend kognitiven Dimension versteht Grom das Gottesverständnis47 und unter der überwiegend emotionalen und motivationalen die Gottesbeziehung48. Aufgrund solcher Studien bzw. solcher entwickelter Theorien49 ist anzunehmen, dass auch nicht-konfessionsgebundene ÖRF 23 (2015) • 73–86 Gotteskonzepte (Gottesverständnis und -beziehung) im deutschsprachigen Raum und damit auch in der österreichischen Gesellschaft vorhanden sind. 2.3.2 Konzeption und Forschungsfrage Das Anliegen dieser Arbeit ist es, ausgehend von Groms50 Theorie über den Gottesglauben, ein theologisches Modell von Gotteskonzepten aus noch näher zu spezifizierenden islamisch-theologischen Strömungen zu erheben. Dieses Modell ist der Ausgangspunkt, um – in einem zweiten Arbeitsschritt – bei SchülerInnen des islamischen Religionsunterrichts vorhandene/nicht vorhandene Gotteskonzepte empirisch zu erfassen. Die gewonnenen Daten und das theologische Modell werden im Anschluss miteinander verglichen, um in einem empirisch überprüften Modell die Schnittmenge zwischen theologischen und SchülerInnen-Konzepten zu ermitteln und daraus fachdidaktische Konsequenzen ziehen zu können. Unter dem Modell der Gotteskonzepte sind komplexe Gebilde zu verstehen, welche die inneren Beziehungen zwischen Kognitionen und Emotionen in Bezug auf Gott veranschaulichen können. Bezogen auf muslimische SchülerInnen im deutschsprachigen Raum haben sich bisher nur wenige Studien – und dies auch nur am Rande – mit der Frage nach Gottesverständnissen und -beziehungen auseinandergesetzt.51 Die Frage nach muslimischen Gotteskonzepten, also was muslimische Jugendliche unter Gott verstehen und welche Gefühle sie dabei entwickeln, ist bis heute eher unbeantwortet geblieben. Wenn auch über Gottesvorstellungen geforscht wurde, wird in der Regel nur auf die kognitive, unter Vernachlässigung der emotionalen Ebene, fokussiert.52 Die Erhebung der kognitiven Ebene von Gotteskonzepten ist allerdings eine einseitige Betrachtung. Daraus ergibt sich als eigentliche Problemstellung meiner Arbeit die nicht vorhandene Verknüpfung der kognitiven mit der emotionalen Ebene von Gotteskonzepten und deren empirischer Erfassung bei muslimischen Jugendlichen. Diese Problemstellung kann noch dadurch verschärft werden, dass Gotteskonzepte neben anderen Ursachen die Welt-, Fremd- und Selbstwahrnehmung beeinflussen.53 Von solchen Beeinflussungen sprechen auch Benson/Spilka54 sowie Murken55. Laut deren Forschungsergebnissen56 können sich persönliche Gotteskonzepte sowohl positiv wie auch negativ auf die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen auswirken und diese beeinflussen. Gotteskonzepte könnten somit als eine wertvolle Ressource beim Aufbau und Erhalt einer positiven Selbstwahrnehmung veranschlagt werden, was laut Grom57 nur möglich ist, wenn das Gotteskonzept verinnerlicht wird. Entscheidend für die Bildung eines positiven Gotteskonzeptes sind die Bezugspersonen – in erster Linie Eltern, LehrerInnen und andere Personen aus dem 79 Umfeld – aber auch die religiöse Praxis58 und das Selbstwertgefühl der Person. Problematisch bei einer negativen Bildung eines Gotteskonzeptes ist, dass dieses auch die Selbstwahrnehmung der Person negativ prägen kann, was zu negativen Gefühlen nicht nur gegenüber Gott sondern auch gegenüber Mitmenschen bis hin zur negativen Wahrnehmung demokratischer Strukturen führen kann.59 Trotz der hier hervorgehobenen Forschungslücke machen Studien wie Dannenfeldt60 sowie Feige/Gennerich61 auf den emotionalen Bereich aufmerksam und zeigen, dass eine solche Erhebung bei konfessionslosen, christlichen und muslimischen Heranwachsenden durchaus möglich ist. Zu meiner zu untersuchenden SchülerInnengruppe mit den Merkmalen: muslimisch, im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, ein mehr oder weniger ausgeprägter Migrationshintergrund, gibt es allerdings eine solche Studie noch nicht. Aus dem bisher Dargelegten ergibt sich die folgende Forschungsfrage: Welche Gotteskonzepte lassen sich bei SchülerInnen der 7. und 8. gymnasialen Oberstufe identifizieren? Ausgehend von einem theologisch gesicherten Modell der Gotteskonzepte ergeben sich als Unterfragen: • Welche Vergleiche lassen die theologischen und die SchülerInnen-Gotteskonzepte zu? • Ergibt sich auf der kognitiven und der emotionalen Ebene eine Schnittmenge zwischen theologischen und SchülerInnen-Konzepten? Die Forschungsfrage impliziert schon die zu untersuchenden SchülerInnen (Sampling): Identifiziert werden sollen Gotteskonzepte bei muslimischen OberstufenschülerInnen im Alter der Adoleszenz. Die religiösen Entwicklungsstufen vom Kindes- bis hin zum Erwachsenenalter sind umstritten, vor allem wenn es um Kinder und Jugendliche aus einer multikulturellen Gesellschaft geht. Grom ist der Meinung, dass es keine „umfassende und allgemeine Theorie der kognitiven und emotionalen Entwicklung des Gottesglaubens“62 gibt. Dennoch kann sich bei der Auswahl der Altersgruppe auf Nipkow63 und Freudenberger-Lötz64 gestützt werden. Die Altersphase zwischen 16 und 18 Jahren eignet sich für meine Studie deswegen, weil Heranwachsende in dieser Phase kritisch gegenüber Glaubens- und Gottesvorstellungen sind, wie Nipkow herausstellen konnte.65 In dieser Phase sind Jugendliche zweifelnder als Kinder und die Sensibilität ist ausgeprägter, wodurch beim Theologisieren religiöse Konzepte entdeckt, erweitert, verändert und auf Handlungen hin durchgearbeitet werden können.66 Auch wenn Nipkow und Freudenberger-Lötz aus der evangelischen Perspektive schreiben, dürften muslimische Jugendliche bei der Suche nach einem persönlichen Gott, dem sie Vertrauen schenken können67, keine Ausnahme bilden. Das Sampling besteht aus (n=60) muslimi- 80 schen SchülerInnen, die den Religionsunterricht besuchen. Als Variable wird u.a. der Bildungs- und Migrationshintergrund erhoben. 2.3.3 Fazit und Ausblick Ziel der angestrebten Arbeit ist es herauszufinden, wie Gotteskonzepte im Rahmen von islamischer Theologie und bei SchülerInnen der gymnasialen Oberstufe aussehen und ob sich daraus Kategorien bilden lassen, die sich in einer Schnittmenge befinden bzw. sich nicht darin befinden. Aus den theologischen bzw. SchülerInnen-Konzepten heraus werden Kategorien abgeleitet und aus diesen Kategorien werden das theologische bzw. SchülerInnen Modell gebildet. Im Ergebnis soll die Schnittmenge zwischen den theologischen und SchülerInnen-Konzepten ermittelt werden. Dabei gehe ich von einer zu identifizierenden Schnittmenge aus, aber auch davon, dass sich Teile der jeweiligen Konzepte als selbständig herausstellen. Die zu vermutenden Unterschiede zwischen theologischen und SchülerInnen-Konzepten sollen den Ausgangspunkt für religionsdidaktische Reflexionen bilden, um die Schnittmenge – vermittelt über didaktische Aufgaben – vergrößern zu können. Wenn, wie dargestellt, sich persönliche Gotteskonzepte positiv auf die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen auswirken können, dann ist der Mehrwert der Arbeit u.a. darin zu sehen, dass solche Konzepte als Ressourcen betrachtet werden können. Gerade in multikulturellen Ländern wie Österreich sind stabile Welt-, Fremd- und Selbstwahrnehmungen auch wegen des Migrationshintergrundes vieler MuslimInnen von enormer Bedeutung. Dabei sollten Bezugspersonen und der islamische Religionsunterricht auch durch die Vermittlung theologisch positiver Gotteskonzepte die persönlichen Gotteskonzepte der SchülerInnen aufbauen und stärken. 2.4 Die koranischen Erzählungen. Eine Quelle für einen zeitgemäßen islamischen Religionsunterricht? Dargestellt am Beispiel von Muḥammed Aḥmed Ḫalafallāh Ahmed al Shafey BA, MA, Lehrbeauftragter an der Universität Wien, AHS-Religionslehrer und Doktorand des Dr.-Studiums der Philosophie an der Universität Wien (Dissertationsgebiet: Islamische Religionspädagogik) 2.4.1 Einleitung Es kann davon ausgegangen werden, dass der Koran eine wichtige Rolle im islamischen Religionsunterricht an der öffentlichen Schule spielt. Zugleich lässt sich vermuten, dass die koranischen Erzählungen im Zentrum des islamischen Religionsunterrichts stehen. Eine koranische Erzählung macht nicht nur den Unterricht interessanter, sondern Österreichisches Religionspädagogisches Forum bleibt auch ein sehr wichtiges pädagogisches Instrument bei der Vermittlung bestimmter Werte und Lehren. Meine Dissertation befasst sich mit dem Hauptwerk Ḫalafallāhs al-Fann al- qaṣaṣī fi l-qurˈān al-karīm68 (Die Erzählkunst im heiligen Koran). Warum ich mich mit dem Buch Ḫalafallāhs auseinandersetzen möchte, kann auf folgende Gründe zurückgeführt werden: 1. Ḫalafallāh gehört zu den muslimischen Neudenkern, die anders an den Koran herangegangen sind. Im Gegensatz zu vielen muslimischen Gelehrten und Interpreten, die die koranischen Erzählungen in der Regel wie Chroniken einstudiert und wörtlich verstanden haben, behandelte Ḫalafallāh sie als literarische und religiöse Dokumente.69 Seine literarische Herangehensweise an den Koran führte auch dazu, dass er bei einigen Erzählungen von Allegorien ausging, während viele Gelehrte die Problematik dieser Erzählungen übergingen und sie unter der Bezeichnung „mehrdeutige Verse“ (mutashābihāt) einordneten.70 2. Anhand seines literarischen Umganges mit dem Koran konnte Ḫalafallāh die gestalterische Freiheit des göttlichen Sprechers hervorheben, ohne die Quelle des Korans in Frage zu stellen. Gemäß seiner Methode kann sich ein Exeget vom Gefängnis der wörtlichen Lektüre befreien, um das Signifikant hinter dem Signifikanten erfassen zu können.71 Eine genaue Analyse seines Buches lässt uns verstehen, inwieweit die Meinungen Ḫalafallāhs von denen der Traditionalisten abweichen. 3. Ḫalafallāh, der in Unterägypten im Jahre 1916 als Sohn einer sudanesischen Mutter und eines ägyptischen Vaters geboren wurde, war sehr stark von der Herangehensweise al-Ḫulis72 an den Koran beeinflusst. In seiner von al-Ḫulī betreuten Magisterarbeit schrieb Ḫalafallāh über Die Dialektik des Korans. In dieser Arbeit folgte er den von seinem Professor al-Ḫuli entworfenen Prinzipien der literaturwissenschaftlichen Methode. Nach dem Magisterabschluss begann Ḫalafallāh Koranexegese an der Fuˈād Universität73 zu unterrichten.74 4. Da Ḫalafallāh mit den koranischen Erzählungen in seiner auch von Professor al-Ḫulī betreuten Dissertation anders umging, löste er heftige Kritik aus. Ein Satz von Umberto Eco beschreibt hier nicht nur das Schicksal Ḫalafallāhs, sondern auch die Bedingungen der Forschung überhaupt, die in der islamischen Welt immer noch gelten: „Gegenüber den wirklich heiligen Texten sind jedoch eigentlich keine großen Freiheiten erlaubt, da eine religiöse ÖRF 23 (2015) • 73–86 Autorität und Tradition in der Regel beanspruchen, die richtige Interpretation zu besitzen.“75 Durch das Ablehnen seiner ursprünglichen Dissertation sah sich Ḫalafallāh gezwungen, seinen Doktortitel mit einer Arbeit über Abū al-Faraĝ al-Iṣfahānī und sein Buch der Lieder zu erwerben. Allerdings wurde, interessanterweise, die Arbeit Ḫalafallāhs über die Erzählkunst im Koran zwischen 1953 und 1999 fünfmal in Kairo veröffentlicht.76 2.4.2 Konzeption und Forschungsfrage Ḫalafallāh wollte den Koran so modifizieren, dass für den/die MuslimIn der Lehrgehalt der koranischen Geschichte, nicht mehr das in ihnen üblich gezeichnete Bild eines Erzählverlaufs im Zentrum steht. Die Schlüsselfrage Ḫalafallāhs zum Verständnis der koranischen Erzählungen war nicht die Frage nach dem Ablauf einer koranischen Geschichte, sondern vielmehr die Frage, warum Gott sie so gestaltete, also die Frage nach der Absicht.77 Die künstlerische Gestaltung von koranischen Erzählungen liegt nach Ḫalafallāh nicht auf der Ebene der historischen Wahrheit. Vielmehr stellt die koranische Erzählung eine Kunst dar, deren Aufgabe es ist, die Seelenlage des Publikums zu beeinflussen, d.h. die Gefühle der Menschen mit künstlerischen Mitteln zu lenken, damit sie zur Wahrheit Stellung nehmen können. In diesem Zusammenhang spricht Ḫalafallāh von einer emotionalen, nicht immer rationalen Sprachlogik, die den Koran kennzeichnet.78 Seine Theorie der literarischen Gattungen könnte einen Weg für ein besseres, zeitgemäßes Koranverständnis ebnen.79 Mit der von Ḫalafallāh aufgestellten Theorie der literarischen Gattungen, die die koranischen Erzählungen in drei Kategorien (historisch, gleichnishaft und auf Legenden beruhend) einteilt, könnten die SchülerInnen eines islamischen Religionsunterrichts (IRU) verstehen lernen, dass die Intention der Erzählungen im Koran keineswegs ein Geschichtsunterricht ist, sondern an ihrer Lebenswelt anknüpft. Dass im Zentrum des islamischen Religionsunterrichts nicht unbedingt die Erzähl- sondern die historische Dimension steht, muss, um die hier zu bearbeitende Problemstellung schärfer herauszuschälen, ergänzt werden durch die Beobachtung, dass SchülerInnen häufig über keinen persönlichen Zugang zum Koran verfügen. Oft stützen sie sich auf eine Interpretation, die den Ort und die Zeit, in der sie sich befinden, nicht berücksichtigt. Stehen also nicht selten nur die historischen Ereignisse einer koranischen Erzählung im Mittelpunkt des IRUs, so muss auch betont werden, dass die koranischen Erzählungen nicht an Alltagsvorstellungen und Lebenswelterfahrungen der SchülerInnen anknüpfen. Der Beitrag meiner Forschung möchte die moralische und religiöse Lehre der koranischen Erzählungen ins Zentrum rücken, um zum einen theoretisch den koranischen Erzählungen mehr (literarisches) 81 Eigenrecht zuzusprechen und zum anderen unterrichtspraktisch den SchülerInnen einen lebensweltlichen Zugang zu diesen zu ermöglichen. Eine solche neue Herangehensweise an die koranischen Erzählungen kann die SchülerInnen von der Last der historischen Einzelheiten befreien und ihnen die Möglichkeit geben, frei und kreativ mit diesen Erzählungen umzugehen. Dabei kann eine literarische Herangehensweise an den Koran diesen als authentisches literarisches Werk verstehen. Im Fokus der Forschung sind, um eine auf Erfahrung aufbauende Verbindung zwischen SchülerInnen und den koranischen Erzählungen herstellen zu können, die folgenden drei Punkte zu problematisieren: 1. Koranische Erzählungen sind mehr als historische Aussagen; sie sind in der Endkonsequenz Ausdruck religiöser und moralischer Erfahrung, jenseits orthodoxer Lehre. 2. An den koranischen Erzählungen kann gezeigt werden, dass der Umgang mit dem Koran nicht als ein geschlossener Prozess verstanden werden darf, was nicht gegen die göttliche Quelle spricht. 3. Mit einer literarischen Herangehensweise an den Koran, die der Intention und dem Geist des Textes den Vorzug vor den Buchstaben gibt, kann eine neue Entwicklung in der Koranauslegung in Bezug auf den islamischen Religionsunterricht eingeleitet werden. Aus dieser Problematisierung ergibt sich Folgendes als Hypothese: Eine literarische Herangehensweise an den Koran könnte zu einem besseren Koranverständnis führen und damit die Qualität des IRUs verbessern, ohne die göttliche Quelle des Korans in Frage zu stellen. Aus den oben benannten Problemkreisen und der Hypothese ergibt sich die folgende Hauptforschungsfrage: Kann der literarische Umgang Ḫalafallāhs mit den koranischen Erzählungen Eingang in einen zeitgemäßen Islamischen Religionsunterricht finden? Das Hauptanliegen meiner Arbeit ist es, das Hauptwerk Ḫalafallāhs al-Fann al- qaṣaṣī fi l-quˈrān al-karīm zu analysieren. Anhand dieser Buchanalyse können die Gedanken des ägyptischen Neudenkers Muḥamed Aḥmed Ḫalafallāh in Bezug auf die koranischen Erzählungen dargestellt und zusammengefasst werden, um zu verstehen, inwieweit er von klassischen Verständnissen abweicht. Die Ergebnisse dieses Vergleiches werden anschließend kategorial strukturiert. Anhand der Ergebnisse aus der literarischen Methode wird der Versuch unternommen, diese für einen lebendigen islamischen Religionsunterricht fruchtbar zu machen, was eine zeitgemäße Gestaltung einschließt. 82 2.4.3 Fazit und Ausblick Die literarische Herangehensweise Ḫalafallāhs an die koranischen Erzählungen könnte hilfreich sein, über einen neuen Zugang zum Koran im islamischen Religionsunterricht zu reflektieren. In diesem Rahmen versucht meine Forschung, für die literarische Dimension in Bezug auf den Umgang mit den koranischen Erzählungen mehr Raum zu schaffen. Die Freiheit, die eine literarische Herangehensweise an den Koran bietet, könnte die Mündigkeit bzw. die Sprachfähigkeit von SchülerInnen fördern. Somit kann betont werden, dass jeder Mensch in der Lage ist, den Koran zu interpretieren und zu verstehen, ohne sein Verständnis auf eine bestimmte Interpretation zu beschränken. Eine literarische Dimension, die ins Zentrum des IRUs gerückt werden soll, sieht einerseits die historische Authentizität einer koranischen Erzählung als irrelevant an, andererseits fokussiert sie sich auf die Lehren, die man daraus ziehen kann. Meine Forschung erachtet es für einen zeitgemäßen IRU als notwendig, an der Lebenswelt der SchülerInnen anzuknüpfen. In der Unterscheidung zwischen einer historischen und einer literarischen Dimension in Bezug auf die koranischen Erzählungen liegt die Möglichkeit einer eigenen, alltagsrelevanten Urteilsfindung durch die SchülerInnen. 2.5 Zusammenfassung Trotz der unterschiedlichen Themen der hier vorgestellten Dissertationsvorhaben lassen sich Gemeinsamkeiten ausmachen, welche die Wichtigkeit islamisch-theologischer Forschung besonders hervorheben können: 1. Es lässt sich beobachten, dass alle Dissertationsvorhaben einen historischen Abstand zwischen Koranund/oder Traditionsauslegung und westlich geprägter Gesellschaft diagnostizieren, den es zu überwinden gilt, um ‚den’ Islam in europäischen Ländern so zu etablieren, dass er als ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen wird. 2. Gemeinsam ist allen Forschungsvorhaben zudem, dass auf innerislamische Debatten verwiesen werden kann, sodass nicht von dem Islam gesprochen werden kann und darf. 3. Der europäische Islam ist herausgefordert, Fragen zu beantworten, die er aus seiner eigenen Wissenstradition heraus nicht kennt. 4. Gezeigt wird, dass die Religionsform Islam Potentiale in sich birgt, die es in Verknüpfung mit den unterschiedlichen Lebenswelten, in Verbindung zwischen Wissenschaft und Moscheengemeinde oder Schule zu fördern gilt, um eine doppelte Österreichisches Religionspädagogisches Forum Wahrnehmung der je eigenen Lebenswelt80 zumindest einzudämmen. Solche wissenschaftlichen Forschungsansätze sind schon deshalb zu fördern, weil sie mit Vorurteilen aufräumen und einen Dialog auf Augenhöhe anzubahnen in der Lage sind. 3. Betreuung und Begleitung: Mentoring-Seminare Zeigen die hier vorgestellten Dissertationsvorhaben Lücken aber auch Potentiale einer Islamischen Theologie als Wissenschaft in Europa an, so kann dies auch in Bezug auf das Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten behauptet werden. Ohne sich an dieser Stelle auf wissenschaftstheoretische Debatten einlassen zu können, ist wissenschaftliches Arbeiten wie folgt kurz zu umreißen: 1. Hinterfragen der ‚so-ist-es’ Erfahrung des Alltages 2. Angabe und Reflexion zur Methodik 3. Exakte Bestimmung von Begrifflichkeiten 4. Auseinandersetzung mit und das Einbeziehen von vorhandener Forschung 5. Ein, auch in methodischer Hinsicht, offener Diskurs 6. Wissenschaftliche Forschung selbst als unabschließbaren Prozess reflektieren Im Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa ist eine umfassende Betreuung der StipendiatInnen gewährleistet. Die Gruppe traf /trifft sich im 14-tägigen Rhythmus. Im Wintersemester 2014/2015 lag der Schwerpunkt des Mentoringseminares auf der Ausarbeitung des einzureichenden Exposés, welches anschließend fakultätsoffen zu präsentieren war. Geleitet von einem islamischen und einem evangelischen Theologen orientierte man sich an den Ausführungen von Hug/Poscheschnik81, die zur Erstellung einer Projektskizze fünf Arbeitsschritte vorgeben: 1. Entwicklung einer Idee 2. Von der Idee zum Forschungsthema 3. Hypothesenbildung 4. Ableitung der Forschungsfrage 5. Erstellen einer Projektskizze82 Parallel zu diesen Erarbeitungsschritten waren die StipendiatInnen pro Seminarveranstaltung aufgefordert, ihre Teilergebnisse vorzustellen. Damit wurde in spielerischer Form die Präsentation der eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse eingeübt. Spielerisch deshalb, weil die einzelnen TeilnehmerInnen immer wieder die Rolle des advocatus diaboli oder eben des critical friend übernahmen, sodass der wissenschaftliche Diskurs schon während der Erarbeitung des Exposés eine entscheidende Rolle in der Betreuung/ Begleitung der StipendiatInnen spielte. Spielerisch auch des- ÖRF 23 (2015) • 73–86 halb, weil die jeweiligen Präsentationen durch ein Zeitfenster von neun Minuten begrenzt wurden, sodass die Fokussierung auf das Wesentliche trainiert werden konnte. Zusätzlich wurde für alle Studierenden der Islamischen Religionspädagogik eine Überblicksvorlesung über quantitative und qualitative Forschungsmethoden angeboten. Im Sommersemester 2015, nachdem die StipendiatInnen ihr jeweiliges Forschungsvorhaben präsentiert hatten, lag der Fokus der Mentoringseminare auf der Vertiefung einzelner Methoden. Zur hermeneutischen Methode wurden Texte von Gadamer83 aber auch Übungen aus Müller et al.84 herangezogen, diskutiert und erprobt. Überprüft wurde, inwiefern sich methodische Schritte der neutestamentlichen Exegese auf den Koran übertragen lassen. Methodisch vertieft werden, konnten auch qualitative Forschungsansätze wie beispielsweise die Grounded Theory. Exkurse zum rationalen Lesen oder zum wissenschaftlichen Argumentieren rundeten die Veranstaltungen im Sommersemester ab. Parallel dazu wurde für alle Studierende der Islamischen Religionspädagogik offen ein Vertiefungsseminar zu qualitativen sozialwissenschaftlichen Erhebungs- und Auswertungsmethoden angeboten. 4. Fazit: Was weiß man voneinander, wenn man miteinander lernt? Das hier bewusst gewählte neutrale man soll verhindern, dass der Eindruck entsteht, jene (MuslimInnen) lernen von diesen (ChristInnen). Viel eher ist zu konstatieren, dass der Lernprozess ein wechselseitiger ist. Deutlich zu Tage getreten sind im Doktorandenkolleg die Schwierigkeiten, mit denen islamische Theologie in Europa zu kämpfen hat. Die hier gezeigten Dissertationsvorhaben sind für die Zukunft der Etablierung von islamischer Theologie in Österreich und letztlich Europa entscheidend, denn diese Form des vertiefenden Studiums schafft Voraussetzungen, um islamische Theologie aus der Isolation herauszuholen und eine Kommunikation zu ermöglichen, die Theorie (Wissenschaft) und Praxis (Schule und außerschulische religiöse Praxen) im Sinne des sapere aude! (Kant) miteinander zu verknüpfen weiß. Ziel muss es dabei sein, einen Islam zu etablieren, der im europäischen Kontext seine eigene Prägung findet. Dazu sind innerislamische Diskurse nötig aber auch solche, die zwischen den einzelnen Religionsformen stattfinden. Miteinander lernen heißt dann auch, dass aus christlicher Sicht die Formen gelebter Religion in Europa thematisiert werden müssen. Dabei geht es weniger um Weltreligionen als vielmehr um die lebensweltlichen Berührungen mit anderen in der Nachbarschaft lebenden religiösen Formen. Von muslimischen MitbürgerInnen ist in jedem Fall zu lernen, dass Anpassung an zivilgesellschaftliche 83 Gegebenheiten nicht gleichbedeutend mit einer Aufgabe religiöser Identität und Praxis, aber auch nicht mit einem Umschwenken zu Gewalt ist. Aus christlicher Perspektive neu war z.B. die Fragestellung, ob die Idee des Islamischen Staates eine dem Islam immanente Idee ist. Gemeinsame Forschung, gemeinsames Lernen bergen also auch das Potential in sich, um Probleme des jeweils anderen zu wissen und damit öffentlich gemachte polemische Haltungen bzw. Meinungen gegenüber ‚dem’ Islam qualifiziert ablehnen zu können. Der muslimischen und der christlichen Religion immanent ist der Gedanke von Toleranz spätestens seit Lessings Ringparabel. Damit soll 9/11 nicht weggewischt werden, aber auch nicht die Hexenverbrennungen im Namen von Christus. Innerislamische Diskurse sind letztlich – so wie innerchristliche – solche, die um ein Verständnis und eine Vermittlung von heiligen Texten/religiösen Praxen und Alltags- bzw. Lebenswelt bemüht sind. Wenn (mit Härle) Theologie eine zeitgemäße Auslegung des Glaubens ist, dann zeigen die hier vorgestellten Forschungsvorhaben, dass sich Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa etablieren kann und nicht von einem Wandlungsprozess ausgeschlossen werden darf. Gemeinsame Lernprozesse könnten hier entscheidende Weichenstellungen vornehmen. Wünschenswert wäre freilich eine klarere politische Haltung zu einem Islam europäischer Prägung. Von staatlicher Seite würde sich eine positive Haltung demgegenüber u.a. darin spiegeln, dass die Ausbildung und Qualifikation islamischer TheologInnen strukturell (Fakultätsstatus) und damit finanziell unterstützt würde. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 84 Die einzelnen Dissertationsvorhaben werden immer mit der/dem hauptverantwortlichen AutorIn versehen. Aslan, Ednan (Hg.): Zwischen Moschee und Gesellschaft. Imame in Österreich, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, 2012. Ebd., 34. Vgl. Rauscher, Hans: Muslime in Österreich. Die Politisierung einer stark wachsenden Glaubensgemeinschaft, in: http://derstandard. at/2000005451456/Muslime-in-Oesterreich [abgerufen am 07.07.2015]. Vgl. Expertenrat für Integration: Expertenbericht 2013. Perspektiven und Handlungsempfehlungen, in: http://www.bmeia.gv.at/fileadmin/ user_upload/Zentrale/Integration/Integrationsbericht_2013/Expertenrat_Integrationsbericht_2013.pdf [abgerufen am 07.07.2015]. Vgl. Aslan, Ednan: Antrag auf ein Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa vom 06.11.2013, 2. Vgl. Aslan, Ednan: Antrag auf ein Doktorandenkolleg Islamische Theologie als Wissenschaft in Europa vom 06.11.2013, 3. In Punkt 2.1.2 wird eine genauere Ausführung der Spannungsfelder rund um den quranischen Text dargelegt. Vgl. Arkoun, Mohammed: Der Islam. Annäherung an eine Religion, Heidelberg: Palmyra 1999, 69. 10 Schweitzer, Friedrich: Wo also steht die Religionsdidaktik, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (Der evangelische Erzieher) 4 (2014), 387. 11 Vgl. Black, Antony: The History of Islamic Political Thought. From the Prophet to the present, Scotland: Edinburgh University Press 2011. 12 Helfont, Samuel, Yusuf al- Qaradawi: Islam and Modernity, Tel Aviv: Tel Aviv University Press 1999, 43 – Ein Zitat von Yusuf alQaradawi aus dem Jahr 2003 (Theologe und Rechtsgelehrter sowie Gründer der Zentristen und Verfasser des fiqh al- aqalliyāt, Jurisprudenz der [muslimischen] Minderheiten [in pluralen Gesellschaften]). 13 Vgl. Arkoun 1999 [Anm. 9], 80. 14 Iggiö, in: http://www.schulamt.derislam.at/#&cssid=Religionsunterricht&navid=7&par=0 [abgerufen am 23.02.2015]. 15 Ebd. [abgerufen am 23.02.2015]. 16 Der Begriff Moderne ist im Sinne der Aufklärung als der Übergang von der griechisch-römischen Vormundschaft zur humanistischen Kultur, welche rationales Denken als Überwindung fortschrittbehindernder Strukturen postuliert, gemeint. Vgl. https://uni-vienna.brockhaus-wissensservice.com/brockhaus/moderne [abgerufen am 23.01.2015]. 17 Vgl. Arkoun 1999 [Anm. 9]; Abu Zaid, Nasr Hamed: Mohammed und die Zeichen Gottes, Freiburg: Herder Verlag 2008; Campanini, Massimo: The Quran. Modern Muslim interpretations, New York: Routledge 2008. 18 Schneider-Landolf, Mina u.a.: Handbuch Themenzentrierte Interaktion (TZI), Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2009, 15. 19 Ebd., 11. 20 Schneider-Landolf, Mina u.a. 2009 [Anm. 18], 172. 21 Büttner, Gerhard u.a.: Theologisieren mit Kindern, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 2002, 70. 22 Vgl. Grundwerte der EU, in: http://www.parlament.gv.at/PERK/PE/ EU/GrundwerteEU/index.shtml [abgerufen am 28.01.2015]. 23 Vgl. Campanini 2008 [Anm. 17], 50. 24 Vgl. Abu Zaid 2008 [Anm. 17], 160. 25 Ebd., 161. 26 Werner, Ernst / Markov, Walter: Geschichte der Türken von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin: Akademie Verlag 1978. 27 Gershoni, Israel / Jankowski, James P.: Egypt, Islam, and the Arabs: The search for Egyptian nationhood, 1900–1930, New York: N.Y. Oxford University Press 1986. 28 Vgl. Hatina, Meir: On the margins of consensus: the call to separate religion and state in modern Egypt. Middle Eastern Studies 36/1 (2000) 35–67. doi: 10.1080/00263200008701296; ‘Imāra, Muhammad: Al- Islām wa-uṣūl al-ḥukm li-ʿAlī ʿAbd-ar-Rāziq. [Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft von ʿAlī ʿAbd-ar-Rāziq; Übers. N.M.]. Bairūt: al-Muʾassasa al-ʿArabīya li-d-Dirāsāt wa an-Našr 1972. 29 Ridā, Rašid: „al-Manar.“, in: http://waqfeya.com/book.php?bid=7374, 1926, [abgerufen am 10.06.2015]. 30 Vgl. Al-Nabhani, Taqi al-Din: al-Nizam al-Iqtisadi fi al-Islam, c. VI, Beirut: Dar al-Ummah 2004. 31 Vgl. Nagel, Tilman: Griechenland und Rom, Judentum, Christentum und Islam. Götterbilder - Gottesbilder –Weltbilder - Polytheismus und Monotheismus in der Welt der Antike, Tübingen: Mohr Siebeck 2006. 32 Vgl. Māwardī, ʿAlī ibn Muhammad / Wahba, Wafaa Hassan: The ordinances of government: A translation of al-Aḥkām al-sulṭānīyya w‘ al-wilāyāt al-dīnīyya, Reading: Garnet 11996. Österreichisches Religionspädagogisches Forum 33 Maududi, Abul A’la: Islamic way of life, Lahore: Islamic Publications 1967; Maududi, Abul A’la: Islamic way of life: ScribeDigital. Com 1997. 34 Hartmann, Martin: Politische Theorie und politische Philosophie ein Handbuch, München: Beck 2011. 35 Schulze, Reinhard: Islamischer Internationalismus im 20. Jahrhundert. Untersuchungen zur Geschichte der Islamischen Weltliga, Leiden: Brill 1990. 36 Vgl. Grom, Bernhard: Religionspädagogische Psychologie des Kleinkind-, Schul- und Jugendalters, Düsseldorf: Patmos Verlag 52000. 37 Vgl. Szagun, Anna-Katharina: Dem Sprachlosen Sprache verleihen: Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Jena: Verlag IKS Garamond 2006. 38 Vgl. Dannenfeldt, Astra: Gotteskonzepte bei Kindern in schwierigen Lebenslagen: Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Jena: Verlag IKS Garamond 2009. 39 Vgl. Bösefeldt, Ina: Männlich - Weiblich - Göttlich: geschlechtsspezifische Betrachtungen von Gottesbeziehungen und Gottesverständnis Heranwachsender aus mehrheitlich konfessionslosem Kontext, Kassel: Kassel University Press 2010. 40 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36]. 41 Ebd., 115 f. 42 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36]; Schweitzer, Friedrich u.a.: Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie: Elementarisierung in der Praxis, Gütersloh: Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus 1995. 43 Vgl. Szagun 2006 [Anm. 37]. 44 Vgl. Dannenfeldt 2009 [Anm. 38]. 45 Vgl. Bösefeldt 2010 [Anm. 39]. 46 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36]. 47 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36], 115 f. 48 Ebd., 145 ff. 49 Vgl. ebd.; Szagun 2006 [Anm. 37]. 50 Vgl. Grom 2000 [Anm. 36]. 51 Vgl. Hirsekorn, Murat Kemal: Īmān und ‘amal im historischen Kontext der Denkschulen, Wien 2011 (= Masterarbeit Universität Wien); Feige, Andreas / Gennerich, Carsten: Lebensorientierungen Jugendlicher: Alltagsethik, Moral und Religion in der Wahrnehmung von Berufsschülerinnen und -schülern in Deutschland. Eine Umfrage unter 8.000 Christen, Nicht-Christen und Muslimen, Münster u.a: Waxmann 2008; Bertenrath, Zita: Muslimische und christliche Gottesvorstellungen im Klassenraum. Eine qualitative Studie mit Schülerinnen und Schülern im islamischen und christlichen Religionsunterricht, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2011. 52 Vgl. Bertenrath 2011 [Anm. 51]; Hirsekorn 2011 [Anm. 51]. 53 Vgl. Dannenfeldt 2009 [Anm. 38]; Grom 2000 [Anm. 36]; Murken, Sebastian: Gottesbeziehung und psychische Gesundheit. Die Entwicklung eines Modells und seine empirische Überprüfung, Münster: Waxmann 1998. 54 Benson, Peter / Spilka, Bernard: God Image as a Function of Self-Esteem and Locus of Control. Journal for the Scientific Study of Religion 12/3 (1973) 297–310. 55 Vgl. Murken 1998 [Anm. 53]. 56 Benson und Spilka befragten in ihrer Studie 128 katholische SchülerInnen im Durchschnittsalter von 15 Jahren. Im Zusammenhang mit den Selbstwertgefühlen interessierten sie sich für die Vorstellung von einem Vater-Gott. Murken untersuchte bei 465 PatientInnen im Durchschnittsalter von 39,8 Jahren den Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und Gottesbeziehung. ÖRF 23 (2015) • 73–86 57 Grom 2000 [Anm. 35], 28. 58 Vgl. Dörr, Anette: Religiosität und psychische Gesundheit. Zur Zusammenhangsstruktur spezifischer religiöser Konzepte, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2001. 59 Vgl. Murken 1998 [Anm. 53]. 60 Vgl. Dannenfeldt 2009 [Anm. 38]. 61 Vgl. Feige / Gennerich 2008 [Anm. 51]. 62 Grom 2000 [Anm. 36], 16. 63 Vgl. Nipkow, Karl Ernst: Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf, München: Kaiser 1987. 64 Vgl. Freudenberger-Lötz, Petra: Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen, Stuttgart: Calwer 2012. 65 Nipkow 1987 [Anm. 63], 65 f. 66 Vgl. Freudenberger-Lötz [Anm. 64]; Freudenberger-Lötz, Petra: Theologische Gespräche mit Kindern. Untersuchungen zur Professionalisierung Studierender und Anstöße zu forschendem Lernen im Religionsunterricht, Stuttgart: Calwer 2007. 67 Nipkow 1987 [Anm. 63], 80 f. 68 Das war der Titel der Dissertation Ḫalafallāhs, welche die Universität in Kairo wegen angeblicher Nichtvereinbarkeit mit dem Islam abgelehnt hatte. 69 Benzine, Rachid: Islam und Moderne, Berlin: Verlag der Weltreligionen 2012, 149. 70 Vgl. ebd., 149–153. 71 Ebd., 154. 72 Amīn al-Ḫulī wurde am 1. Mai 1895 in Šūšai in Ägypten geboren. Er bekam eine theologische Ausbildung an der al-Azhar und war auch Imām einer angesehenen Moschee in Kairo. Für al-Ḫulī war immer die Tötung des Alten durch Forschung der erste Schritt zur Erneuerung. Er war auch von den literarischen Eigenschaften des Korans überzeugt und strebte nach einer literaturwissenschaftlichen Herangehensweise an den Koran, die alle anderen Herangehensweisen ersetzt, da die literarische Herangehensweise an den Koran dem Leser andere Lesarten (juristische, theologische, ethische usw.) zugänglich machen kann (vgl. ebd., 140–143). 73 Heute: Kairo Universität. 74 Benzine [Anm. 69], 148. 75 Eco, Umberto: Zwischen Autor und Text, München: Carl Hanser 1994, 60. 76 Abū-Zaid, Naṣr Ḥāmid: Gottes Menschenwort. Für ein humanistisches Verständnis des Koran-Nasr Hamid Abu Zaid. Ausgew., übers. und mit einer Einl. von Thomas Hildebrandt, Freiburg im Breisgau u.a.: Herder 2008, 72. 77 Wielandt, Rotraud: Offenbarung und Geschichte im Denken moderner Muslime, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1971, 135–136. 78 Ebd., 137–138. 79 Nach Ḫalafallāh „bezieht der Koran ein Erzählmaterial aus historischen Ereignissen, beschreibt sie aber literarisch und vermittelt sie mit Mitgefühl, um ihre Bedeutung zu verdeutlichen, ihre Intentionen zu unterstützen, und mit ihnen eine Wirkung zu erzeugen, deren Eindruck auf die Seele so anziehend ist, dass Emotion und Gefühl erfasst werden.“ Benzine [Anm. 69], 150. 80 Die doppelte Wahrnehmung der je eigenen Lebenswelt meint hier, dass anscheinend viele MuslimInnen in Österreich mit ihren eigenen Traditionen konfrontiert sind, an denen aus sinnstiftenden Gründen festzuhalten ist und einer Umwelt, die auf diese Traditionen wenig bis gar keinen Wert legt. Diese Spannung, die sich z.B. an Ramadan und Schule aufzeigen ließe ist natürlich nicht durch Forschung allein aufzuheben, wohl aber kann islamisch-theologische Forschung einen 85 81 82 83 84 86 Beitrag zur Reflexion der jeweiligen religiösen und nichtreligiösen Praxen ermöglichen. Inwiefern solche Ergebnisse dann wirklich in der Praxis Verwendung finden, lässt sich an dieser Stelle natürlich nicht sagen. Hug, Theo / Poscheschnik, Gerald: Empirisch Forschen. Die Planung und Umsetzung von Projekten im Studium, Wien: Verlag Huter & Roth 2010. Vgl. ebd., 41 ff. Gadamer, Hans-Georg: Hermeneutik I - Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen: Mohr Siebeck 1990. Müller, Peter / Dierk, Heidrun / Müller-Friese, Anita: Verstehen lernen. Ein Arbeitsbuch zur Hermeneutik, Stuttgart: Calwer 2005. Autoreninformation Univ.-Prof. Dr. Ednan Aslan Zentrum für LehrerInnenbildung Porzellangasse 4 A-1090 Wien e-mail: [email protected] PD Dr. Thomas Weiß Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Wien Institut für Religionspädagogik Schenkenstraße 8-10 A-1010 Wien e-mail: [email protected] GND: 1053744919 Österreichisches Religionspädagogisches Forum