Unter der Herrschaft des Königreichs Preußen JUBILÄUM Die Entstehung des Kreises Wetzlar vor 200 Jahren/ Im Kreis Braunfels galten weiter die Standesrechte des Fürsten Von Louisa und Gerd Mathes WETZLAr Im Jahr 2016 begeht der aus dem früheren Landkreis Wetzlar und dem ehemaligen Dillkreis 1976 entstandene Lahn-Dill-Kreis ein bedeutsames Ereignis. Der frühere Kreis Wetzlar feiert sein 200-jähriges Jubiläum. Da er bis 1867 der einzige preußische Kreis im heutigen Bundesland Hessen war und bis 1932 als Exklave zum Regierungsbezirk Koblenz in der preußischen Rheinprovinz gehörte, war dieser Kreis Wetzlar ein herausragendes und besonderes Gebilde in Mittelhessen. Das bis 1805 selbstständige Fürstentum Solms-Braunfels wurde 1806 ein Teil des neugegründeten Herzogtums Nassau. 10 Jahre später entstanden als ein Ergebnis des Wiener Kongresses die königlich-preußischen Kreise Braunfels und Wetzlar, die 1822 zum Kreis Wetzlar vereinigt wurden. 1932 wurde im Zuge einer Verwaltungsreform der Kreis Wetzlar aus dem Regierungsbezirk Koblenz herausgelöst und dem Regierungsbezirk Wiesbaden der preußischen Provinz Hessen-Nassau zugeordnet. Im Zuge der Gebietsreform entstand dann der Lahn-DillKreis im Jahr 1976. Von 1789 bis 1805: Die letzten Jahre im Fürstentum Solms-Braunfels Dazu betrachten wir zunächst die entscheidenden Veränderungen in Frankreich und ihre anschließenden Auswirkungen auf ganz Europa. Entscheidend für diesen Wandel waren die revolutionären Vorgänge in Frankreich ab dem Jahr 1789. Am 14. Juli 1789 stürmten Aufständische die alte Pariser Stadtfestung, die Bastille, um sich mit Waffen zu versorgen. Noch hoffte der amtierende König Ludwig XVI, die Uhr wieder zurückdrehen zu können und setzte auf eine Intervention der anderen europäischen Mächte in Frankreich. Die Revolutionäre hielten dagegen und der neue Nationalkonvent beschloss am 21. September 1792 die Abschaffung der Monarchie in Frankreich und die Errichtung der „unteilbaren Republik“. Der König wurde angeklagt, wegen „Verschwörung gegen die Freiheit“ zum Tode verurteilt und am 21. Januar 1793 öffentlich durch die Guillotine enthauptet. Im Sommer 1799 übernahm der aus Korsika stammende populären General Napoleon Bonaparte (1769 – 1821) die Macht in Frankreich. Er wurde 1799 zum „Ersten Konsul“ auf zehn Jahre ernannt, wurde 1802 Konsul auf Lebenszeit und 1804 Kaiser der Franzosen. Seine Machtbasis war die Armee, als deren Heerführer er große Erfolge gegen die benachbarten Staaten hatte. Die Folgen der französischen Revolution waren dramatisch für Europa. Zunächst hatten die europäischen Monarchien schon im Jahr 1792 versucht, durch einen Krieg die Verhältnisse in Frankreich wieder zurückzudrehen und waren 1797 endgültig gescheitert. Am Ende dieses Krieges wurden die linksrheinischen Gebiete des „Heiligen Römischen Reiches“ an Frankreich angeschlossen. Sowohl das Fürstentum Nassau-Weilburg als auch das Fürstentum SolmsBraunfels waren von dieser Maßnahme betroffene Staaten. Zur Entschädigung der abgetretenen Gebiete erhielten die Fürsten, die Gebiete an Frankreich abtreten mussten, territoriale Entschädigungen. Diese wurden im „Reichsdeputationshauptschluss“ von 1803 festgelegt. Die dort erfolgte Entmachtung der geistlichen katholischen Herren (z.B. die Auflösung der Kurfürstentümer Mainz und Trier) und die Schließung von Klosteranlagen bezeichnet man auch als Säkularisation. Dies führte auch zu deutlichen Veränderungen in unserer Heimat. Das Fürstentum Solms-Braunfels konnte sein Territorium im Jahre 1803 vor Ort vergrößern. Dies war der Ausgleich für die an Frankreich abgetretenen Lothringer Besitzungen. Das Kloster Altenberg wurde mit seinen Feldern und Wäldern dem Fürstentum zugesprochen. Dieses Kloster war unter dem Schutz der Fürstbischöfe von Trier auch in der Reformationszeit in einem nunmehr protestantischen Umfeld katholisch geblieben. Der solms-braunfelsische Fürst Wilhelm Christian Karl löste das Kloster auf. Anschließend errichte er auf diesem Territorium eine Domäne, auf der noch heute Ackerbau und Forstwirtschaft betrieben wird. Die bis dato eigenständige Reichsstadt Wetzlar verlor im Jahr 1803 unter französischer Besatzung ihre Reichsunmittelbarkeit und kam als „Grafschaft Wetzlar“ zum Staat des Reichserzkanzlers Reichsfreiherr Karl Theodor von Dalberg. 1810 wurde Wetzlar schließlich ein Teil des neu geschaffenen Großherzogtums Frankfurt. 3) 1806 - 1815 Die Jahre im Herzogtum Nassau Im Frühjahr 1806 traten 16 süd- und westdeutsche Staaten formell aus dem seit fast 1000 Jahren bestehenden „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ aus und schlossen sich im Juli 1806 in Paris zum sogenannten „Rheinbund“ zusammen. Napoleon hatte diese Abtrennung vom Reich eingefädelt und organisiert. Die Dieser Grenzstein wurde nach 1815 gesetzt. Er steht an der Grenze zwischen dem Königreich Preußen und dem Herzogtum Nassau. Die Initialen bedeuten: KP = Königreich Preußen; N 111 = laufende Nummer 111 und BK = Gemeinde Biskirchen. (Foto: Mathes) : Der Grenzstein mit den Initialen NW steht für Nassau-Weilburg. Auf der nicht sichtbaren Seite steht SB für Solms-Braunfels. Dieser Grenzstein wurde um 1750 gesetzt und markierte die Grenze zwischen den Fürstentümern Nassau-Weilburg und Solms-Braunfels. (Foto: Mathes) Rheinbundstaaten waren nunmehr in einer Konföderation und Militärallianz mit dem napoleonischen Frankreich zusammen. Zum Rheinbund gehörte auch das im August 1806 neu entstandene Herzogtum Nassau. im Kreml einrichtete, zogen drei Tage lang große Feuer durch die Stadt, so dass die französischen Besatzer keinerlei Vorräte requirieren konnten. Erst am 19. Oktober 2012 befahl Napoleon den Rückzug aus Russland. Dieser gescheiterte Feldzug war der Anfang vom Ende von Napoleons Herrschaft. Die Ämter Braunfels und Greifenstein wurden Teil des Herzogtums Nassau Am 6. August 1806 legte auf napoleonischen Druck hin der Habsburger Franz II. die deutsche Kaiserwürde nieder und war ab diesem Zeitpunkt nur noch der Kaiser von Österreich. Mit der Auflösung des Alten Reiches blieben von den bisher über 300 eigenständigen Territorien nur noch 39 übrig, die bisherige territoriale Zersplitterung wurde damit teilweise überwunden. Dieser Vorgang nennt sich „Mediatisierung“, d.h. Mittelbarmachung kleinerer Staaten und Einverleibung in größere Einheiten. So wurden die Ämter Braunfels und Greifenstein des Fürstentums SolmsBraunfels Teil des Herzogtums Nassau. Die mediatisierten Fürsten waren nunmehr keine Landesherren mehr, aber sie hatten als sogenannte „Standesherren“ zahlreiche Privilegien und Sonderrechte bis zum Jahr 1848. Durch das Ende der absolutistischen Herrschaft im Jahr 1806 kam es im Herzogtum Nassau zu bedeutsamen Reformen und somit auch zu wesentlichen Verbesserungen für unsere Ahnen. Im Jahr 1806 erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft und 1810 gab es die Reise- und Niederlassungsfreiheit für die Menschen. Aus 991 direkten Steuern wurde nunmehr eine ein- heitliche Grund- und Gewerbesteuer; zur Bemessung dieser Steuer wurde das Kataster eingeführt. Die nassauische Verfassung vom 2. September 1814 war die erste moderne Verfassung eines deutschen Staates. Diese Verfassung garantierte die Freiheit des Eigentums, die religiöse Toleranz und die Freiheit der Presse. Die Rheinbundstaaten und somit auch das Herzogtum Nassau mussten aber auch einen hohen Tribut an Napoleon zahlen. Im Jahr 1806 war unsere Heimat an der Lahn französisches Der französische Kaiser Napoelon Bonaparte. Er veränderte Europa und somit auch unsere Heimat. (Foto: Wikiepedia) Durchmarschgebiet für den Krieg gegen das Königreich Preußen. Junge Männer wurden zum nassauischen Militär eingezogen. Sie kämpften dann für das napoleonische Heer gegen Preußen sowie in Spanien und nahmen auch an dem verhängnisvollen Russlandfeldzug teil. Von diesen Feldzügen kehrten nicht alle Soldaten wieder nach Hause zurück. Schrittweise baute Napoleon in den folgenden Jahren seine Macht in Europa aus. Durch den Sieg gegen Preußen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 war der Weg nach Berlin frei. Der anschließende Frieden von Tilsit war eine Katastrophe für Preußen. Es verlor mehr als die Hälfte seiner Territorialfläche und fast die Hälfte seiner Einwohner. Durch den Frieden von Tilsit waren Frankreich und Russland Verbündete geworden. Doch schon bald verschlechterte sich im Jahr 1812 das französisch-russische Verhältnis zunehmend. Daher begann Napoleon im Juni 1812 den Krieg gegen das zaristische Russland. Von ursprünglich 655 000 Soldaten erreichten nur noch 95 000 Mann am 14. September Alte Ansichtskarte von der Burg Braunfels, der Residenz der Fürsten zu Solms-Braunfels. Die Aufnahme ent- 2012 in Moskau. stand vor dem großen Umbau im Jahr 1880. Während Napoleon sich Der gescheiterte Feldzug gegen Russland war der Anfang vom Ende der Herrschaft Napoleons Nach einigen kleineren Gefechten im Jahr 1813 kam es am 16. Oktober 1813 zur Entscheidung. In der Völkerschlacht bei Leipzig stand den napoleonischen Truppen eine Allianz preußischer, russischer, österreichischer und schwedischer Heere gegenüber. Nach drei Tagen stand die Allianz als Sieger fest. Daraufhin erfolgte der Rückzug der Franzosen über den Rhein. Die Allianz siegte Ende März 1814 in der Schlacht von Paris. Daraufhin dankte Napoleon ab und ging in das Exil auf der Insel Elba. Doch Ende Februar 1815 floh Napoleon von Elba, sammelte Truppen und traf am 20. März 1815 in Paris ein. Nun organisierten die Mächte der Koalition einen neuen Krieg gegen ihn. Mit seiner Niederlage in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 endete Napoleons Hundert-Tage-Herrschaft über Frankreich und eine bedeutsame Epoche. Er wurde auf die Insel St. Helena im Südatlantik verbracht, wo er am 5. Mai 1821 verstarb. Was geschah in diesen bewegten Jahren in unserer Heimat. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 zogen sich die Franzosen in großer Eile nach Westen zurück. Ihnen folgten die Preußen und die Russen nach. Damals kam es in den heimischen Ortschaften zu Ereignissen, die noch lange im Gedächtnis unserer Vorfahren haften blieben. Zum ersten Mal wurden sie mit russischem Militär konfrontiert. Zu den russischen Soldaten gehörten auch berittene Kosakenregimenter. Ihnen zu begegnen wurde nicht nur erlebt, es wurde auch erlitten. Das mit Napoleon verbündete Herzogtum Nassau trat erst nach der Völkerschlacht in Leipzig zu den Verbündeten über. Daher betrachteten die Russen die hiesige Be- völkerung als franzosenfreundlich. Und das bekamen die Einwohner auch zu spüren. Die Kosaken verprügelten die Menschen, requirierten Nahrungsmittel, nahmen Pferde, Kühe und Rinder mit und verwüsteten etliche Anwesen. Dem Alkoholgenuss waren sie ebenfalls nicht abgeneigt. Auch Seuchen für Mensch und Tier brachten diese Soldaten mit. Erst im Jahr 1814 normalisierte sich wieder die Lage. Auch der Stadt Wetzlar wurde die Zugehörigkeit zum Rheinbund angelastet. Zumal der Landesherr Carl Theodor von Dalberg Fürstprimas Napoleon unterstützte und 1806 maßgeblich an der Gründung des Rheinbundes mitgewirkt hatte. Die nunmehr in Wetzlar stationierten Preußen waren ebenfalls nicht zimperlich. Die Situation spitzte sich dort vor Ort derartig zu, dass „die unglücklichen Einwohner daselbst“ durch eine dreiseitige Druckschrift mit dem Titel „Nothgedrungene Bitte der Einwohner Wetzlars um Erleichterung ihrer Kriegslasten“ am 21. Dezember 1813 auf ihre schlimme Situation aufmerksam machten. 1814 – 1815: Der Wiener Kongress und seine Auswirkungen auf unsere Heimat ten. Welche Auswirkungen ergaben sich für unsere Heimat? Durch die neuen Provinzen im Westen bestand das deutlich vergrößerte Königreich Preußen aus zwei getrennten Staatsgebieten, die an der schmalsten Stelle noch ca. 70 Kilometer auseinanderlagen. Daher hatte Preußen ein großes Interesse daran, nicht nur die Verbindungswege durch fremdes Territorium zwischen den beiden Staatshälften vertraglich zu sichern, sondern auch Stützpunkte entlang dieser Route zu erhalten. Zudem sah auch das fürstliche Haus in Braunfels durch den Wiener Kongress die Gelegenheit, die nassauische Annexion aus dem Jahr 1806 zumindest teilweise wieder rückgängig zu machen. Dazu schickte Fürst Wilhelm seinen erfahrensten Beamten, den fürstlichen Kammerrat Stephan Josef Stephan (1772 – 1844) nach Wien, um seine Interessen optimal in die Verhandlungen einzubringen. Es gelang Stephan dort, die Vorgaben seines Fürsten in die preußische Verhandlungsstrategie einzubringen. Und so kamen auch die herzoglich-nassauischen Ämter Braunfels und Greifenstein, die vor 1806 zum Fürstentum Solms-Braunfels gehörten, durch den Vertrag vom 31. Mai 1815 zum Königreich Preußen, ebenso das seit 1806 herzoglich-nassauische Amt Hohensolms, welches vorher zum Fürstentum Solms-HohensolmsLich gehörte. Preußen übernahm diese Gebiete dann offiziell am 3. Juli 1815. Außerdem erhielt Preußen noch das herzoglich-nassauische Amt Atzbach und die Dörfer Ebersgöns und Oberkleen aus dem ehemaligen gemeinschaftlichen Amt Cleeberg sowie die frühere Reichsstadt Wetzlar. Es dauerte dann noch einige Monate, bis die Verwaltungsstrukturen im neuen preußischen Regierungsbezirk Koblenz geschaffen waren. Zum 1. Mai 1816 entstanden die Königlich Preußischen Kreise Wetzlar und Braunfels. Im Kreis Braunfels galten aber weiterhin die Standesrechte des Fürsten Solms-Braunfels für die bisherigen Ämter Braunfels und Greifenstein und für das bisherige Amt Hohensolms behielt der Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich seine Standesrechte. Damit fand ein Prozess seinen vorläufigen Abschluss, der in der Französischen Revolution des Jahres 1789 seinen Beginn hatte. Literaturhinweise: Die Geschichte des Kirchspiels Biskirchen, Bissenberg und Stockhausen, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Leun, 1994; Tiefenbacher Chronik, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Braunfels, 1996; Kursbuch Geschichte, Ausgabe Hessen, Herausgeber: Karin Laschewski-Müller und Robert Rauh, Cornelsen-Verlag, Berlin 2014; Informationen zur politischen Bildung 315 Das 19. Jahrhundert, Herausgeber: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2012; GEO EPOCHE Nr. 55 – Napoleon und seine Zeit, Heftredakteur: Jens-Rainer Berg, Hamburg 2012. Der „Wiener Kongress“ zur Neuordnung Europas fand zwischen September 1814 und Juni 1815 statt. Das Hauptziel bestand darin, ein Gleichgewichtssystem zu erstellen, in dem kein Staat zu viel Macht erhalten sollte. Es sollte wieder Frieden herrschen und keinen Anlass zu erneuten Auseinandersetzungen geben. Zudem wollte man wieder zu den Zuständen zurückkehren, die vor Napoleons Auftreten in Europa bestanden hatten. Unter dem Schlagwort „Restauration“ wurde die Absicht zusammengefasst, die alten Monarchien und Dynastien aus der Zeit vor 1792 wieder einzusetzen. Es entstand der „Deutsche Bund“, ein Zusammenschluss von ungefähr 40 einzelnen Staaten unter öster- ANSPRECHPARTNER reichischer Führung. Nummer: 820 Das Königreich Preußen „Damals“ war der Hauptgewinner des Heinz Pfeiffer Redaktion Weilburg Wiener Kongresses. Vor al- Marktplatz 1 lem durch den Zugewinn der 35772 Weilburg Rheinprovinz verschob sich & (0 64 71) 93 80 29 Preußen deutlich nach Wes- [email protected]