KULTUR Seite 4 | Der Pfaffenhofener I n einer Zeit, die allenthalben ein recht gespaltenes Verhältnis zu ihrer Geschichte besitzt, halten nicht wenige Veranstaltungen und Reden zu Gedenk- oder Jahrestagen für überflüssig, mitunter sogar für provokativ, weil aus der Vergangenheit ohnehin keine Erkenntnisse für die Gegenwart oder Zukunft zu ziehen seien, und ziemlich viele sehen in ihnen lediglich eine nostalgische Träumerei, der sich nur weltfremde Idealisten hingeben. Alle, die an dieser Veranstaltung „Wir sind Europa“ beteiligt sind, gehören scheinbar zu diesen weltfremden Idealisten. Denn sie sind davon überzeugt, dass ein gemeinsames, innerlich gefestigtes Europa nur auf dem Fundament seiner gewachsenen kulturhistorischen Werte, die auf Athen, Rom und das Christentum zurückgehen, entstehen und bestehen kann. Dies wiederum setzt Kenntnis und Bewusstsein voraus, dass diese Werte dem alten Kontinent in der Vergangenheit nicht einfach zugefallen sind. Ihre zumeist mühsame Durchsetzung und Verwirklichung führten zu goldenen Zeiten, ihre Missachtung und ihr Verfall waren stets die Ursache leidvoller, barbarischer Katastrophen. Der massive Blick, den gegenwärtig die Medien auf den Beginn des 1. Weltkriegs vor hundert Jahren werfen, lässt der Erinnerung an den 2000. Todestag des römischen Kaisers Augustus (23.09.63 v. bis 19.08.14 n. Chr.) nur wenig Raum, obwohl gerade seine Gestalt und seine Zeit jene beiden Phänomene der Dekadenz und der folgenden Blütezeit in besonderem Maße widerspiegeln. Die gegenwärtige Situation Europas ist durchaus vergleichbar mit jenen Jahren, als der junge Gaius Octavianus ziemlich unvermittelt in das weltpolitische Geschehen geworfen wurde. Nach der Ermordung seines Adoptivvaters Gaius Julius Caesar an den Iden des März 44 v. Chr. trat der Achtzehnjährige dessen Erbe gegen den ausdrücklichen Rat seines Stiefvaters Lucius Marcius Philippus an und lud sich damit eine außerordentlich schwere Bürde auf: Denn es ging ja nicht nur darum, Caesars privates Vermögen, das dessen alter Kriegsgefährte Marcus Antonius zusammen mit der Staatskasse an sich gebracht hatte, als rechtmäßiger Eigentümer zu erkämpfen, nicht nur darum, das familiäre Renommee nach der Ermordung seines Adoptivvaters zu wahren, sondern es ging vor allem darum, ein schweres politisches Erbe in Zeiten der Krise des Imperiums anzutreten und diese Krise zu über- Freitag, 22. August 2014 Staat sichern, nicht zerstören … Nichts ist ihm teurer als die Republik, nichts wichtiger als euer Ansehen, nichts erwünschter als das Urteil wohlgesinnter Männer…“ (Orationes Philippicae, 5.49 – 51) Cicero freilich hatte sich in dem jungen Mann getäuscht. Denn Octavian erzwingt nach der siegreichen Schlacht gegen Antonius in Mutina (Modena) 43 v. Chr., bei der beide römischen Konsuln gefallen waren, seine Wahl in dieses Amt, geht im sog. 2. Triumvirat in ein Zweckbündnis mit M. Antonius und Lepidus ein, besiegt zusammen mit ihnen in schränkter Machthaber nach Rom zurückgekehrt war, wurden nicht nur die Tore des Janus-Tempels geschlossen als Zeichen dafür, dass nun der Bürgerkrieg zu Ende sei und im ganzen Reich Frieden herrsche. Dies geschah nach dem Bericht des Titus Livius seit der Gründung Roms 753 v. Chr. erst zum dritten Mal („Ab urbe condita“ 1, 19!). Es wurden nicht nur die unrechtmäßigen Verordnungen aus der Zeit des Triumvirats außer Kraft gesetzt, Octavian widerstand vor allem der Versuchung, den allenthalben verhassten Königstitel anzunehmen. Er war aus dem Cha- Der römische Ka und die Integra von Hellmuth Augustus in Kriegerrüstung. Zu Füßen Cupido, der Sohn der Venus, der die göttliche Abstammung der kaiserlichen Familie symbolisiert. (Vatikanisches Museum, Rom) winden. Denn die Republik befand sich auf dem Weg in den Untergang. Wollte Octavian Erfolg haben, dann musste er zunächst das breite Volk auf seine Seite bringen, er musste von unten her den Staat erneuern. Auch Europa würde dieses Verfahren gut zu Gesichte stehen, will es wirklich ein Europa der Bürger sein und nicht ein Europa der Reglementierungen von oben. Octavian zahlte aus eigener Tasche jedem Angehörigen der Plebs die von Caesar testamentarisch versprochenen 300 Sesterzen (Bei etwa 320 000 Römern ergibt dies eine Summe von rund 10 Mio. €!). Er schuf sich, um seine legitimen Ansprüche durchzusetzen, ein schlagkräftiges Heer. Da er kein Staatsamt begleitete wie M. Antonius, sondern Tempel Maison Carrée in Nimes (erbaut unter der Herrschaft des Augustus) nur einfacher Staatsbürger war, hatte er dazu keine Berechtigung. Als Usurpator übergab er deshalb seine Truppe aus zumeist alt gedienten Veteranen dem Senat, wurde in diesen aufgenommen und erhielt dafür als Proprätor die fehlende Legitimation einer militärischen Befehlsgewalt, wobei ihn Cicero, der in diesen Maßnahmen eine Chance zur Rettung und Wiedererrichtung der Republik sah, tatkräftig unterstützte. In einer seiner Senatsreden rühmt er den damals neunzehnjährigen Octavian, den er sich zum Instrument für seine politischen Pläne machen wollte, ob seiner Klugheit und seiner Gesinnung: „Auf ihm allein beruht die Hoffnung auf Freiheit…er will den der Schlacht von Philippi (42 v. Chr.) os einer untergehenden Republik als die republikanischen Caesarmör- glänzender Sieger hervorgegangen der Brutus und Cassius und erlebt und reorganisierte nun so behutsam danach sein politisches und mora- das Regierungs- und Verwaltungslisches Tief durch die gewaltsame system des Staats in seinem Sinne, Enteignung von Land in Italien, dass er stets als Retter der alten um damit hunderttausend Ordnung angesehen wurde. Veteranen zu versorgen Dafür erhielt er den vom und vor allem im PeSenat neu geschaffenen rusinischen Krieg Ehrennamen „Augu(41/40 v. Chr.) gegen stus“. Er leitet sich den Bruder des M. vom lat. „augere“ Antonius, nämlich („wachsen lassen, Lucius. Dieser war ver/mehren, erhö41 v. Chr. zum Konhen“) und bedeutet suln gewählt worden nichts anderes als der und bekämpfte zu„Erhöhte“, der „Ersammen mit Fulvia, seihabene“, der „Mehrer ner Schwägerin, des Reiches“, ein Titel, den jungen Empor- „Quo vadis, Europa?“ wie ihn später auch die kömmling. Da die Stadt deutschen Kaiser überPerusia in der kriegerischen Ausei- nahmen. Und dieser römische Senat nandersetzung den beiden Schutz war nun auch bereit, alle wichtigen geboten hatte, ließ Octavian nach Ämter im Staat, das des militärischen ihrer Einnahme den Stadtrat exe- Oberbefehls, des Volkstribunen, des kutieren und mehr als 300 römische obersten Gerichtsherrn, des Zensors Senatoren und Ritter an den Iden des und des obersten Priesters auf seiMärz 40 am Altar des inzwischen wie ne Person zu vereinigen. Nicht als einen Gott verehrten Gaius Julius Alleinherrscher, sondern als „prinCaesar als Opfer hinrichten. „Mori- ceps inter pares“ als „Erster unter endum esse.“ – „Es muss gestorben Gleichen“ im Senat und als „Erster werden.“ soll er den um Gnade Fle- Bürger im Staat“ erwarb er sich henden geantwortet haben, wie Su- jene „auctoritas“, jene Würde, die eton berichtet („Divus Augustus“, die neue Staatsform, das sogenannte 15). Prinzipat, kennzeichnete. „Ansehen“ und „Glaubwürdigkeit“ Integration Europas nach zwei galten für ihn als Prämissen, um den Staat zu lenken, der Begriff „poverheerenden Weltkriegen testas“ („Macht“, „Amtsgewalt“, In seiner Schrift „De clementia „Herrschaft“) war außer Mode ge(I.9)“ weist der Philosoph Seneca kommen. Diese Vorbildfunktion später darauf hin, dass solche Tief- blieb sehr bald auch bei der popunkte im Leben Octavians zu einer litischen Elite der römischen Geradikalen Umkehr seines Denkens sellschaft nicht ohne Wirkung und und Handelns geführt haben. Der könnte heute gleichermaßen Image grausame Machtpolitiker wandelte und Ansehen in der Politik sehr försich zum nachsichtigen Pazifisten. derlich sein. Hatten sich Optimaten Nicht wenige althistorische Wissen- und Popularen im Bürgerkrieg noch schaftler, so Jochen Bleicken (Augu- heftig bekämpft, um an die Macht stus: Eine Biographie, letzte Aufl. zu kommen, so war jetzt die indivi2010) oder Pedro Barceló (Augustus duelle Leistung für das Gemeinwohl und die Macht der Worte, 2002), der Maßstab dafür, ob man zur Nosind der Meinung, dass seine Gewalt- bilität gehörte und geeignet war, maßnahmen notwendige Vorausset- ein öffentliches Amt zu begleiten. zung dafür waren, dass es danach zu Die individuelle Leistung eines poeiner „apollinischen Ära“, zu jener litischen Mandatsträgers zur Zeit blühenden Epoche der „Pax Augu- des Augustus aber beruhte auf der sta“ bzw. „Pax Romana“ überhaupt „virtus“, der persönlichen Courage, kommen konnte. Sie gilt als Epoche sowie der „iustitia“, der Gerechder staatlichen und gesellschaft- tigkeit, der „clementia“, der Milde lichen Erneuerung, des wirtschaft- und Nachsicht vorweg Unterlegenen lichen und kulturellen Aufschwungs, gegenüber, und der „pietas“, dem der Eingliederung unterschiedlicher Pflichtgefühl. Das alles trug zur „diVölker und Stämme und vor allem gnitas“ bei, dem sozialen Rang in der des inneren Friedens des Imperiums Gesellschaft, und war Grundlage für über das erste nachchristliche Jahr- das Klientelsystem, um als Patron zu hundert hinaus. Und sie wiederum gelten, der bei wechselseitiger Hilfe könnte ein Beispiel geben für den ärmeren Bürgern Existenz, Schutz Weg, den man auch bei der Integrati- und Beistand gewährte. on Europas nach zwei verheerenden Weltkriegen gehen sollte. Augustus als Motor der Als der 35-jährige Octavian nach Stadterneuerung Roms seinem Sieg über Marcus Antonius und Kleopatra in der Seeschlacht bei Vergessene moralische Grundsätze Actium (31 v. Chr.) und der Annexi- wurden unter Augustus erneuert. on Ägyptens, das er dem Imperium Seine Ehe-, Erb- und Luxusgesetzals Provinz einverleibte, als unum- gebung bot dem ausschweifenden STADTKULTUR Freitag, 22. August 2014 Lebenswandel der Vermögenden, der verbunden war mit Ehe- und Kinderlosigkeit, Einhalt und führte u. a. zur Verbannung Ovids nach Tomi am Schwarzen Meer: Wohl wegen seiner „Ars amatoria“, seinem Lehrbuch der Liebe, und vermutlich auch wegen seines Wissens von den Ehebruchsaffären der Augustus-Enkelin Julia! Seine gleichnamige Tochter wiederum verbannte Augustus, nachdem er sie etliche Male in seinem Sinne verheiratet hatte, wegen ihrer sexuellen Eskapaden auf die Insel Pandateria, wo sie strengste Askese einhalten musste. Mit der nach dem Der Pfaffenhofener | Seite 5 ker, die man unterworfen hatte oder die in das Imperium eingedrungen waren und die es zu integrieren galt. Von den schätzungsweise 50 Millionen Einwohnern besaßen nur 4 Millionen das römische Bürgerrecht, und die militärische Stärke Roms beruhte damals lediglich auf etwa 150 000 Infanteristen. Da nach der Schlacht bei Actium aus Kostengründen die Heeresstärke fast halbiert worden war, konnte man Ordnung und Frieden mit militärischen Mitteln auf längere Zeit nicht erhalten. So setzte Augustus bei der Befriedung und der Integration jener verschie- Kaiser Augustus ration Europas muth Inderwies Augustus Forum in Rom Geschlecht benannten „Lex Julia“ denartigen fremden Völkerschaften dann mag es zunächst überraschen, sollte die Geburtenrate erhöht wer- auf eine kulturelle Durchdringung. wenn er die Alleinherrschaft eines den. Verheiratete kinderlose Männer „Er gab nicht nur den Stämmen Imperators als Problemlösung der mussten eine hohe Erbschaftssteuer sowohl der Griechen als auch der europäischen Krise ins Kalkül zieht. entrichten, Eltern mit drei Kindern Barbaren eine ganz feste Ordnung, Wer aber die gegenwärtige Situation erhielten Steuerfreiheit. sondern er gewann auch ihre Zu- der EU betrachtet, der kann zuminDer Religiosität des Volkes verlieh er neigung, zuerst mit Waffengewalt, dest seinen Vergleich mit der Zeit des mit der Wiedereinführung alter Riten dann aber auch ohne Waffen, und Niedergangs der römischen Republik und der aufwändigen Restauration zog sie willig auf seine Seite, weil nicht von der Hand weisen. Er nennt verfallener Tempel einen neuen Im- sein mildes Wesen für sie besser er- hierbei als gemeinsame Merkmale puls. Allenthalben wurde Augustus kennbar wurde, und er brachte sie bzw. Analogien: zum Motor der Stadter„Masseneinwanderung neuerung Roms: Aquäund Bevölkerungsrückdukte, Brunnen und Zigang; Atheismus und sternen zur Versorgung mit Fundamentalismus; Brot Wasser entstanden oder und Spiele; Globalisiewurden restauriert. Es solrung und Multikultulen damals täglich 370 bis ralismus; Kriminalität 450 Liter pro Einwohner und Umweltverschmutin der römischen Metropozung; Demokratiedefizit le verbraucht worden sein. und Elitenherrschaft; Latrinen und Kanäle für Pazifismus und TerrorisAbwässer wurden gebaut, mus, Kapitalismus und erste öffentliche, beheizte Staatsbankrott.“ Thermen entstanden, so All das sei keineswegs die Agrippa-Thermen, um das zweifelhafte Privileg die Hygiene zu verbessern des modernen Europas, usw. Nicht selten betonte sondern es habe auch den der Princeps, dass er eine Untergang der spätrepuZiegelstadt in eine Marblikanischen Gesellschaft morstadt umgewandelt des römischen Imperiums habe. Um die Wirtschaftsherbeigeführt. Und er kraft des Imperiums zu konstatiert: heben, initiierte er eine „Es grenzt schon an Reform des FinanzweSelbsthypnose, geflissens. Die Einführung einer sentlich zu übersehen, Kopf- und Grundsteuer dass die überall als Gaund die strenge Trennung ranten unseres Wohlbedes kaiserlichen Etats findens beschworenen von dem des Senats schuGrundwerte sich längst fen größere Gerechtigkeit in ihr Gegenteil verkehrt und Transparenz. Dass die haben: ‚Freiheit‘ steht reibungslose Umsetzung für Standortverlagerung vieler dieser Initiativen und Casinokapitalismus, von einer gezielten Pro„2000 Jahre Augsburg“. Augustusbrunnen, Rötel‚Demokratie‘ für eine paganda abhing, war Aukomposition von Antonio Cigna Kulisse, hinter der die gustus bewusst. So waren wahre Macht längst in es Zirkus und Theater, in die Hände von Lobbys denen die armen Bürger Roms An- dazu, auf ihn zu hören.“ (Nikola- und technokratischen Eliten gespruch auf reservierte Plätze hatten, os von Damaskus, Über das Leben langt ist, ‚Toleranz‘ für die Selbstund vor allem die bildende Kunst und die Erziehung von Caesar Au- kasteiung des Abendlands und und die Dichtung, die als wirksame gustus I,1) seiner Unterwürfigkeit unter alles, Medien eingesetzt wurden. Gab es Ohne regionale Eigenheiten zu un- was ‚anders‘ anmutet usw.“ hier zwar viele Reglementierungen, terdrücken, fußte die „Pax Roma- Mögen diese Worte schon fast wie die künstlerischem Schaffen die na“ auf der „Sitte der Alten“ (mos das Fanal eines unabwendbaren DeUrsprünglichkeit nahmen, so schu- maiorum). Römische Kleidung und sasters klingen, vor allem auch desfen sie andererseits auch ein Klima, die lateinische Amts- sowie die grie- halb, weil David Engels glaubt, dass das dem dichterischen Werk eines chische Bildungssprache besaßen in Europa die Weichen schon für die Vergil, eines Horaz oder auch der Vorrang. Mit dem Bau von Tempeln nächsten 30 Jahre gestellt seien und Geschichtsschreibung eines Livius und Bädern vermittelte der Princeps nur mehr die Wahl bleibe zwischen sehr entgegenkam. Der Vertraute des römische Lebensart, die Errichtung einer Fahrkarte in eine katastroPrinceps, Gaius Maecenas, übernahm von Märkten garantierte Einkom- phale Krise oder die Rückkehr zu als Förderer von Kunst und Wissen- men und Wohlstand. Auch wenn das 28 unbedeutenden Nationalstaaten, schaft zugleich die Rolle des Propa- Christentum verboten war, so wurde die zu einer leichten Beute Amerikas gandisten. in dieser Zeit doch der Boden für sei- oder neuer Imperien in Asien werden Wenn Augustus ein besonderes Au- ne Ausbreitung bereitet. dürften … die gegenwärtige Krise genmerk auf das Wohlergehen der der EU ist eine unumstößliche TatsaProvinzen legte und sie immer wie- Schwindende Solidarität und che! Sie zeigt sich nicht nur an der der besuchte (Er hielt sich einmal wirtschaftliche Konkurrenz schwindenden Solidarität zugunsten drei Jahre ausschließlich in Gallien eines wirtschaftlichen Konkurrenzauf.), so diente das vor allem der in- Wenn David Engels, Professor und In- denkens, sondern schlechthin am neren Festigung des Imperiums und haber des Lehrstuhls für „Römische Verfall jener Werte, mit denen sich seiner Sicherheit nach außen. Inner- Geschichte“ an der Universität Brüs- die Menschen früher, gerade auch halb der Grenzen des Weltreiches von sel, vor kurzem in einem Zeitungs- während der „Pax Romana“, idenetwa 3,3 Millionen qkm Landfläche beitrag die Frage stellte „Braucht tifizierten sowie an einem sinkenden (EU etwa 4,4 Mio) lebte eine Vielzahl Europa heute einen Kaiser Augus- Bildungsniveau und zuweilen sinunterschiedlicher Stämme und Völ- tus?“ („Die Welt“ vom 07.07.2014), kender Leistungsbereitschaft! Und sie zeigt sich an einem defizitären Demokratiebewusstsein, wenn zuletzt gerade einmal 43 % der Bürger sich an der Wahl zum Europäischen Parlament beteiligten und in einigen Ländern sogleich der Ruf nach einem starken Mann ertönte. Soll Europa eine lebenswerte Zukunft haben, dann setzt das voraus, dass es von unten her entsteht und dass sich seine Bürger sehr schnell auf jene Werte besinnen, die in der wechselvollen Geschichte des Kontinents vielfach mit großen Opfern und großem Leid erkämpft wurden. Nur sie, nicht die Finanzwelt und ihr Markt, bilden ein dauerhaftes Band und garantieren eine „Pax Europa“. Um aber zu erkennen, dass die Völker und Staaten des alten Kontinents nicht nur eine Schicksalsgemeinschaft, sondern vor allem eine Wertegemeinschaft und gerade deshalb auch eine Solidargemeinschaft sind, ist der Blick in die Vergangenheit eine unabdingbare Voraussetzung. Es ist höchste Zeit, dass der Mensch, will er als „modern“ gelten, zu Beginn des 3. Jahrtausends n. Chr. endlich von und aus seiner Geschichte lernt. Deshalb ist es geradezu eine Pflicht, sich des 2000. Todestages des römischen Kaisers Augustus zu erinnern und einen Blick zurückzuwerfen in eine Epoche, mit der die Gegenwart eine Vielzahl von Analogien aufweist. Nur so ist eigenes Dasein erklärbar, nur so lassen sich Probleme leichter zu lösen, weil sie nicht mehr als Novum erscheinen, und nur so ist ein gangbarer Weg in die Zukunft zu finden. Derzeit freilich besitzt das Wort Ingeborg Bachmanns wieder einmal uneingeschränkte Bedeutung: „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler.“ (Unser Redaktionsmitglied hielt den viel beachteten Vortrag im Rahmen der Präsentation „Wir sind Europa“, die das italienische Generalkonsulat am 27.07.14 anlässlich der Präsidentschaft Italiens im Rat der EU in München durchführte.) Römische Justitia (Maarten Heemskerck, 1556)