Infektionen durch Akupunktur? – Eine kritische Antwort! Am 18. März

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Infektionen durch Akupunktur? – Eine kritische Antwort!
Am 18. März 2010 erschien im BMJ British Medical Journal als Editorial „Acupuncture
trasmitted infections“ http://www.bmj.com/cgi/content/full/340/mar18_1/c1268 .
Dieser Text eines Mikrobiologen aus Hongkong hat aufgrund seiner schlechten
wissenschaftlichen Qualität und seiner pauschalen Urteile zu erheblichen Irritationen geführt
und zu scharfem Widerspruch der Leser geführt. Da zu erwarten ist, dass die Laienpresse in
Kürze dieses Thema aufgreifen wird, möchten wir hier unsere Mitglieder über die
Zusammenhänge informieren.
Inhalt des Artikels:
• Im Editorial von Prof. PC Woo von der Universität von Hongkong wird behauptet,
dass eine der wichtigsten Komplikationen der Akupunktur die Übertragung von
Mikroorganismen aus der Umgebung und von einem Patienten zum anderen sei.
• Der Autor beruft sich dazu auf einen Einzelfallbericht von 1977 (1) und einen eigenen
Einzelfallbericht eines MRSA-Keimes nach Akupunktur (2). Je ein Fallbericht von
1985 und 2004 werden als Beleg für weitere Infektionen angeführt. Im Weiteren wird
berichtet, dass bisher in der Weltliteratur 50 Fälle bakterieller Infektion beschrieben
worden seien, 2/3 der Fälle mit Stappylococcus aureus.
• Zur Frage der Infektion mit Hepatitis B werden Publikationen von 1978 (3)und 1988
(4) zitiert, bezüglich der möglichen HIV- und Hepatitis C-Infektion ein
Einzelfallbericht von 1989 (5).
• Im weiteren Verlauf des Artikels stellt der Autor die von ihm selbst und anderen
entdeckte Infektion mit einem Mykobakterium nach Akupunktur dar und bezieht sich
auf 70 Fälle, wobei diese Publikationen offenbar aus Korea und China stammen (6, 7).
Kritikpunkte:
• Das Literaturverzeichnis mit 12 Literaturangaben spiegelt nicht die aktuelle
Datenlage wider: 3 Literaturstellen sind Eigenzitate, 5 Literaturstellen sind älter als 20
Jahre und berichten längst Bekanntes; die übrigen Zitate beziehen sich im
Wesentlichen auf die Entdeckung von Hautinfektionen mit Mycobakterium, davon 4
in Hongkong und 40 in Seoul (s.u.).
• Der Autor zitiert 2 Fallberichte und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass es 50 Fälle
von Infektionen gäbe durch „unzureichende Hautdesinfektion vor Akupunktur“. Den
Beweis des kausalen Zusammenhangs bleibt er schuldig; er ist aus 2 Fallberichten
auch gar nicht zu führen.
• Die Ausbrüche von Hepatitis B 1976 und 1987 sind seit 33 bzw. 23 Jahren bekannt
und stammen aus einer Zeit, als, zumindest 1976, noch keine Einmalnadeln verfügbar
waren. Der Fall von 1987 bezieht sich auf eine einzelne Akupunkturambulanz in
Rhode Island, in der sich die Patienten angesteckt hatten.
• Bezüglich der Infektionswege Hepatitis C und HIV handelt es sich um einen Einzel
-Fallbericht aus dem Jahre 1989. Eine Übersichtsarbeit aus Korea aus dem Jahre 2006
(8) versucht in einer abenteuerlich anmutenden statistischen Berechnung aus der
Tatsache, dass in einer Population von Prostituierten aus Südkorea die Infizierten öfter
Akupunktur erhalten hatten als die Nichtinfizierten, einen kausalen Zusammenhang
zwischen Akupunktur und Hepatitis C bzw. HIV abzuleiten.
• Der Autor stützt seine Behauptungen über bakterielle Infektionen auf Berichte aus
Südostasien, besonders Süd- Korea, wo die Akupunktur ebenso wie in Japan meist
von Laien innerhalb der Familie und Nachbarschaft in Gegenseitigkeit ausgeübt wird,
1
auch mit wieder verwendbaren Nadeln bei unklarer Sterilisationsqualität und damit
keinerlei medizinischen Standards unterliegt,.
• Die Hälfte der genannten Fälle von Infektionen mit Mycobakterien stammt aus einer
einzigen - nicht ärztlichen - Akupunkturpraxis in Seoul, in der 40 Patienten zwischen
August und November 2001 durch verschmutzte Handtücher und Wärmepackungen
infiziert wurden, die meisten weiteren Fälle (6 gesichert, 26 Verdachtsfälle) gingen im
Jahr 2002 von einem einzelnen nicht ärztlichen Akupunkteur in Toronto aus, wobei
auch dort die Nadeln nach lediglich Einlegen in eine Lösung wieder verwendet
wurden!(9).
• Der Autor benutzt alte Anekdoten, statt sich über die neueste Datenlage aus
prospektiven Studien zu informieren. Er kennt offenbar nicht die herausragenden
prospektive Studien zur Sicherheit der Akupunktur, die es inzwischen aus
Großbritannien und Deutschland gibt:
o Bei 6348 Patienten in Großbritannien wurden nach Akupunktur 23
Hautinfektionen = 4 %o beobachtet. Keine dieser Hautinfektionen wird als
schwerwiegend oder gar lebensgefährlich berichtet.(10)
o Aus den GERAC- Studien der Modellvorhaben wurde keine Hautinfektion
berichtet (11).
o Die ARC Studie der Modellvorhaben der Ersatzkassen zeigte prospektiv bei
229.230 Patienten mit ca. 2,2 Mio. Akupunkturbehandlungen lediglich 31
lokale Infektionen. Es wurde keine allgemeine Infektion dokumentiert (12).
o Parallel dazu dokumentierte die TU München im Rahmen der Modellvorhaben
882.847 Behandlungsfälle mit etwa 7.945.000 Akupunktursitzungen. Dabei
traten: 1 Fall von Erysipel auf, der nach stationärer Infusionsbehandlung
abheilte, und 1 Kniegelenksinfektion mit Colibakterien, die operativ und
stationär mit antibiotischer Therapie versorgt wurde und abheilte. Weitere
Infektionen sind nicht dokumentiert (13).
Es bleibt unverständlich, warum das British Medical Journal diesen Beitrag so prominent
publiziert. Da die Berichte fast nichts mit der aktuellen Realität der Akupunkturausübung
in Europa und Nordamerika zu tun haben, muss offen bleiben, ob hier eine medizinische
Richtung aus sachfremden Gründen desavouiert werden soll.
Schlussfolgerung:
Ja, es gibt Infektionen nach Akupunktur. Es ist auch zu beachten, dass es unter unsauberen
Bedingungen in nicht ärztlichen Einrichtungen in Korea, Hongkong und einmalig in Kanada
Infektionen mit Mycobakterium abscessus gab, die wegen der langen Inkubation nicht sofort
dem vorherigen medizinischen oder kosmetischen Eingriff zugeordnet werden.
Bei sorgfältiger Durchführung in einem modernen Industrieland mit gut ausgebildeten Ärzten
sind Infektionen aber extrem selten. Am zuverlässigsten sind die Daten der großen
Modellvorhaben der deutschen Krankenkassen mit 2 schweren und 31 lokalen
Hautinfektionen auf ca. über 10 Millionen. Akupunkturbehandlungen und daher ca. 150
Millionen Nadelstiche. Das Risiko ist somit extrem gering! Zum Vergleich ein Zitat aus der
Ärztezeitung vom 15.4.2010: „Etwa 14 000 Intensivpatienten sterben jährlich an den Folgen
nosokomialer Infektionen“.
Natürlich ist jeder Infektionsfall möglichst zu vermeiden. Dies gelingt nach heutiger Kenntnis
am besten durch eine klinisch saubere, d. h. nicht verschmutzte Haut, hohe
allgemeinhygienisch Standards in Klinik und Praxis und atraumatisches Arbeiten mit EinmalNadeln. Eine Hautdesinfektion nach chirurgischen Maßstäben ist nach heutigem
Erkenntnisstand nicht notwendig(14,15).
2
Wolfram Stör
[email protected]
Icking / München 1. Mai 2010
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