Philosophie Landesinstitut Hamburg 1 Philosophie Inhaltsverzeichnis Übersicht über die Beispiele ............................................................................................... 4 Sterbehilfe........................................................................................................................... 5 Körperwelten....................................................................................................................... 7 Roboter ............................................................................................................................... 9 Kopftuch............................................................................................................................ 11 Asperger-Syndrom............................................................................................................ 13 Tätowierungen .................................................................................................................. 15 Landesinstitut Hamburg 2 Philosophie Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den hier vorgelegten Beispielaufgaben möchten wir Sie bei der Gestaltung der neuartigen Präsentationsprüfung im Abitur unterstützen. Die Aufgaben sind entwickelt worden mit dem Ziel, Ihnen hilfreiche und nachvollziehbare Hinweise für eigene Überlegungen zu Abituraufgaben zu geben. Grundsätzlich besteht ein wesentliches Merkmal „guter“ Prüfungsaufgaben darin, dass sie sinnvoll aus dem vorausgegangenen Unterricht abgeleitet werden und dadurch den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, die erworbenen Kompetenzen umfassend zu demonstrieren. Insofern sind unsere Beispielaufgaben mit Vorbehalt zu betrachten, da sie die unterrichtlichen Voraussetzungen nur in allgemeiner Weise – also bezogen auf den jeweiligen Rahmenplan und die Abiturrichtlinie – aufgreifen können. Wenn Sie die Beispiele in Ihren Fächern, aber auch mit den Beispielen aus anderen Fächern vergleichen, werden Sie eine gewisse Varianz feststellen – manche Beispiele sind knapper gehalten, andere ausführlich, einige verwenden Operatoren, andere verzichten darauf usw. Diese Unterschiedlichkeit ist gewollt; sie soll die Bandbreite aufzeigen, in der sich mögliche Aufgabenstellungen für die Präsentationsprüfung bewegen können, und Sie damit anregen und ermutigen, diese Bandbreite auch zugunsten Ihrer Schülerinnen und Schüler zu nutzen. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten: Die Beispiele sind grundsätzlich problemorientiert gestaltet, und sie lassen damit den Schülerinnen und Schülern Freiräume bei der Bearbeitung und der thematischen Schwerpunktsetzung. Außerdem sind alle Beispiele selbstverständlich so gestaltet, dass sie eine Bearbeitung auf allen drei Anforderungsebenen ermöglichen. Und schließlich halten sich die Beispielaufgaben selbstverständlich eng an die fachlichen Vorgaben des jeweiligen Rahmenplans und der Abiturrichtlinie. Ich hoffe, dass wir Ihnen mit diesen Beispielen eine Hilfe an die Hand geben können, mit der Sie die neuen Anforderungen besser bewältigen können. Über Anregungen und Kritik unter [email protected] freue ich mich! Dr. Jochen Schnack Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Landesinstitut Hamburg 3 Philosophie Übersicht über die Beispiele Philosophie auf grundlegendem Niveau: Sterbehilfe Körperwelten Roboter Philosophie auf erhöhtem Niveau: Kopftuch Asperger-Syndrom Tätowierungen Die skizzierten Erwartungshorizonte beziehen sich auf die Aufgabenstellungen, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Der vom Prüfer zu erstellende Erwartungshorizont muss sich auf die Dokumentation beziehen. Auch nicht erwähnte Angaben können positiv in die Bewertung der Präsentation einfließen, wenn sie innerhalb der Darstellung sinn voll und zielführend sind. Erwartet wird jeweils ein strukturierter, abgewogener Vortrag, unterstützt von sachangemessenen ausgewählten medialen Präsentationsweisen und deren inhaltsbezogene Begründung. Inhaltlich erfordern die Aufgaben Leistungen in allen drei Anforderungsbereichen. Je höher der Anforderungsbereich, in dem sich der Prüfling schwerpunktmäßig bewegt, desto besser ist die Prüfung zu bewerten. Landesinstitut Hamburg 4 Philosophie grundlegendes Niveau Sterbehilfe [Erläuterung der Aufgabe] Diese Beispielaufgabe lässt sich den im Rahmenplan PHILOSOPHIE beschriebenen Arbeitsbereichen Ethik und Politik oder Anthropologie und Kultur zuordnen. I Aufgabenstellung Aktive Sterbehilfe in Deutschland? Formulieren und bearbeiten Sie die Problematik aus philosophischer Sicht. II III Unterrichtliche Voraussetzungen Kenntnisse in den Grundlagen der Ethik mit Ausweitung auf spezielle bioethische Fragestellungen. Kenntnisse im Bereich Begründung und Letztbegründung von Ethik Grundlagen der Anthropologie Kenntnisse in den Rechtspositionen und deren Begründung. Z.B. eine kritische Sicht des Artikel 1 Grundgesetz Erwartete Schülerleistungen / Anforderungen Dieser Erwartungshorizont bezieht sich auf die Aufgabenstellung, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Aus der Konkretisierung durch den Prüfling können sich Gewichtungen ergeben, die vom Prüfer bei der endgültigen Erstellung des Erwartungshorizonts für den Prüfungsausschuss zu berücksichtigen wären. Kompetenzbereich Wahrnehmen und Deuten Formulierung des ethischen Problems. Z.B. (Anforderungsbereich II) Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist problematisch. Aktive Sterbehilfe kann schnell missbraucht werden. Laut Artikel 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Das heißt entweder Selbstbestimmungsrecht des Patienten oder es heißt Schutz um jeden Preis, also nicht erlauben. Christlich begründete Ethik. Schutz des Lebens um jeden Preis. Je nach Festlegung des Problems, wird hier ein anderer Weg eingeschlagen werden. Die Festlegung des Problems beinhaltet bereits eine erste Deutung der Problematik. Analyse der sachlichen Problematik und deren Darstellung bezogen auf die Fragestellung. (Anforderungsbereich I) Z.B.: Darstellung der Rechtslage in Deutschland Vorstellung von Vereinen, die sich für ein humanes Sterben einsetzen Rechtslage in Holland oder der Schweiz im Vergleich Kritik an Holland und der Schweiz mit Analyse der Argumente bekannte Beispiele Position des Deutschen Ethikrates Landesinstitut Hamburg 5 Philosophie grundlegendes Niveau Kompetenzbereich Argumentieren und Urteilen Beurteilung der entworfenen Problematik im Horizont bekannter Theorieansätze und eigenes Urteil (Anforderungsbereich II + III). Z.B.: Analyse elementarer Lebensbedingungen im Hinblick auf Handlungsalternativen Frage nach dem guten Leben. Rückgriff auf Martha Nussbaums „menschliche Grundfähigkeiten“. Frage und Beurteilung? mit Kants kategorischem Imperativ. Gedankenexperimente in der Form: Was wäre, wenn ich selbst in der Situation wäre oder meine Mutter oder mein Kind etc… praktisch durchdenken. Theoretische Reflexion auf die Frage, inwieweit Moraltheorien auf praktische Handlungen beziehbar sind. (Prüfung von Überzeugungen, Regeln, Prinzipien; Systematisierung des Denkens.: Bezug zum Abstrakten und Allgemeinen zum Zweck der Distanz und dergleichen Reflexionen mehr.) Prinzipielle Unterscheidung von deontologischer Ethik und konsequentialistischer Ethik. Anwendung der theoretischen Ansätze auf die Fragestellung. Anwendung von definierten Argumenten: Risikoargument, technikinduzierte Prüfung, Humanorientierung, Sozialorientierung, Umweltorientierung, Zukunftsorientierung. Unterscheidung von Mikro-, Meso-, Makrobereich in den Auswirkungen. Urteilsfindung als konkreter Entwurf unter Berücksichtigung der eigenen Gefühle. Überprüfung der Entscheidung im Hinblick auf ein verantwortliches Handeln. Kompetenzbereich Darstellen (Anforderungsbereich II + III) Angemessene Wahl der darstellerischen Mittel Die Funktion der Form muss erkennbar sein und reflektiert werden Die philosophischen Theoriebezüge müssen sachlich richtig sein und argumentativ gut begründet werden Die philosophische Begrifflichkeit muss angemessen sein IV Bewertung Eine gute Leistung liegt vor, wenn das ethische Problem überzeugend entfaltet und dargestellt ist und das Problem eine ethische Relevanz aufweist. die Analyse der Sachpositionen dem Problem angemessen und relevant ist und die Argumente vielfältig und nicht stereotyp sind. die Bezüge zur Theorie differenziert und divergent sind und sie einen Beitrag zur Lösung des Problems aufweisen. die Urteilsfindung durch Argumente überzeugt. Eine ausreichende Leistung liegt vor, wenn ein ethisches Problem gewählt und uns im Ansatz differenziert vorgestellt ist. einige zentrale Sachpositionen richtig vorgestellt und auf das ethische Problem bezogen werden. mindestens zwei grundlegende Theorien sinnvoll auf das Problem bezogen werden. (Z.B. ein deontologischer Ansatz und ein konsequentialistischer Ansatz). ein Ansatz zum bioethischen Urteil mit Begründungsansätzen vorliegt. Landesinstitut Hamburg 6 Philosophie grundlegendes Niveau Körperwelten „Körperwelten“ ist der Titel einer seit 1996 bestehenden Wanderausstellung plastinierter, überwiegend menschlicher Körper. Die Ausstellung ist aufgrund der Exponate umstritten. Diese Beispielaufgabe lässt sich den im Rahmenplan PHILOSOPHIE beschriebenen Arbeitsbereichen Ethik und Politik oder Anthropologie und Kultur zuordnen. I Aufgabenstellung Körperwelten - eine umstrittene Ausstellung! Formulieren und bearbeiten Sie ein zentrales philosophisches Problem, welches sich aus der Diskussion um die Ausstellung ergibt. II III Unterrichtliche Voraussetzungen Grundkenntnisse verschiedener ethischer Theorien (z.B. Deontologie, Regel- und Handlungsutilitarismus) Menschenwürde bei Kant und als Verfassungsprinzip Religiöse Begründung der Menschenwürde Konkretes und abstraktes Menschenwürdeprinzip (z.B. Birnbacher) Der Körper als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen (vgl. z.B. Marcel Mauss, Gugutzer) Verschiedene philosophische Vorstellungen zum Verhältnis von Leib und Seele (z.B. Descartes, d’Holbach) Erwartete Schülerleistungen / Anforderungen Dieser Erwartungshorizont bezieht sich auf die Aufgabenstellung, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Aus der Konkretisierung durch den Prüfling können sich Gewichtungen ergeben, die vom Prüfling bei der endgültigen Erstellung des Erwartungshorizonts für den Prüfungsausschuss zu berücksichtigen wären. Kompetenzbereich Wahrnehmen und Deuten Formulierung des Problems. z.B. (Anforderungsbereich II) Darf man Plastinate ausstellen? („Echte“ Tote werden zu Ausstellungsobjekten) Welches Verhältnis zum menschlichen Körper wird durch die Ausstellung hervorgebracht? Je nach Festlegung des Problems, wird hier ein anderer Weg eingeschlagen werden. Die Festlegung des Problems beinhaltet bereits eine erste Deutung der Problematik. Analyse der sachlichen Problematik und deren Darstellung bezogen auf die Fragestellung. (Anforderungsbereich I) Z.B.: Darstellung der Körperwelten-Ausstellung Darstellung der Diskussionen um die Körperwelten-Ausstellung Darstellung der Plastination: Was sind Plastinate? Landesinstitut Hamburg 7 Philosophie grundlegendes Niveau Kompetenzbereich Argumentieren und Urteilen Beurteilung der entworfenen Problematik im Horizont bekannter Theorieansätze und eigenes Urteil (Anforderungsbereich II + III). Z.B.: Prinzipielle Unterscheidung von deontologischer Ethik und konsequentialistischer Ethik. Anwendung der theoretischen Ansätze auf die Fragestellung. Gedankenexperimente in der Form: Würde ich selbst in die Ausstellung gehen und mit welcher Motivation und würde ich meinen Körper zur Plastination zur Verfügung stellen etc…. praktisch durchdenken. Überprüfung der Tragbarkeit des Menschenwürdeprinzips nach Kant und Birnbacher. Urteilsfindung als konkreter Entwurf unter Berücksichtigung der eigenen Gefühle. Analyse der der Ausstellung zugrunde liegenden Körpervorstellung mit Hilfe philosophischer Theorien (z.B. der Mensch als bloße Materie/ d’Holbach oder der Körper zwischen Verdrängung und Aufwertung in der Nachmoderne/ Gugutzer) Kompetenzbereich Darstellen (Anforderungsbereich I + II + III) IV Verständliche Darstellung der (Menschenwürde und ethischen) Theorien Die philosophischen Theoriebezüge müssen sachlich richtig sein und argumentativ gut begründet werden. Angemessene Wahl der darstellerischen Mittel. Die Funktion der Form muss erkennbar sein und reflektiert werden. Die philosophische Begrifflichkeit muss angemessen sein. Bewertung Eine gute Leistung liegt vor, wenn die zentralen Elemente der Ausstellung und die wichtigsten Aspekte der öffentlichen Debatte um die Körperwelten-Ausstellung differenziert theoretisch dargestellt werden; diesbezügliche Aussagen - evtl. fokussiert auf eine Leitfrage - an mehreren Beispielen aus der Ausstellung und der öffentlichen Debatte detailliert aufgezeigt werden; das gewählte philosophische Problem sowohl reflektiert, als auch nachvollziehbar entfaltet wird; ethische Theorien, philosophische Konzepte der Menschenwürde und/oder Körpertheorien differenziert auf ein zentrales Problem der Ausstellung bzw. der Diskussion um die Ausstellung angewandt werden; ein gut begründetes Urteil vorgetragen wird. Eine ausreichende Leistung liegt vor, wenn verschiedene Elemente der Ausstellung sowie ein Aspekt der öffentlichen Debatte um die Körperwelten-Ausstellung dargestellt werden; und diesbezügliche Aussagen an Beispielen aus der Ausstellung und der öffentlichen Debatte nachvollziehbar aufgezeigt werden; das gewählte philosophische Problem benannt wird; eine ethische Theorie, ein philosophisches Konzepte der Menschenwürde und/oder eine Körpertheorien auf ein Problem der Ausstellung bezogen wird. Wenn ein begründetes Urteil in Ansätzen vorliegt. Landesinstitut Hamburg 8 Philosophie grundlegendes Niveau Roboter A.I. – künstliche Intelligenz ist ein Science-Fiction-Film von Steven Spielberg. Der Film stellt zugleich eine moderne Adaptation des Pinocchio-Motivs dar. Der Film wird dem Prüfling zur Verfügung gestellt. Diese Beispielaufgabe lässt sich den im Rahmenplan PHILOSOPHIE beschriebenen Arbeitsbereichen Anthropologie und Kultur und Sprache und Erkenntnis zuordnen. I Aufgabenstellung und Material Spielbergs Film A.I. – künstliche Intelligenz: Formulieren und bearbeiten Sie ein zentrales philosophisches Problem des Filmes. II III Unterrichtliche Voraussetzungen Grundkenntnisse verschiedener Positionen der philosophischen Anthropologie (z.B. Aristoteles, Plessner) Kenntnisse über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier (z.B. aus biologischer Sicht und der Sicht der philosophischen Anthropologie) Begriffsdefinitionen „Künstliche Intelligenz“ Grundkenntnisse der Werkzeuge einer Filmanalyse (Perspektive, Schnitt, Kameraführung etc.) Erwartete Schülerleistungen / Anforderungen Dieser Erwartungshorizont bezieht sich auf die Aufgabenstellung, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Aus der Konkretisierung durch den Prüfling können sich Gewichtungen ergeben, die vom Prüfling bei der endgültigen Erstellung des Erwartungshorizonts für den Prüfungsausschuss zu berücksichtigen wären. Kompetenzbereich Wahrnehmen und Deuten (Anforderungsbereich I + II) Formulierung des Problems. z.B. (Anforderungsbereich II) Sind Mensch und Roboter vergleichbar und entstehen dadurch Probleme? Was macht den Menschen aus? Je nach Festlegung des Problems, wird hier ein anderer Weg eingeschlagen werden. Die Festlegung des Problems beinhaltet bereits eine erste Deutung der Problematik. Analyse der sachlichen Problematik und deren Darstellung bezogen auf die Fragestellung. (Anforderungsbereich I) Z.B.: Darstellung des Filmes Darstellung des Roboterkindes David und des Menschenkindes Henry und ihres Verhältnisses Landesinstitut Hamburg 9 Philosophie grundlegendes Niveau Kompetenzbereich Argumentieren und Urteilen (Anforderungsbereich II + III) Beurteilung des Problems mit Hilfe der bekannten anthropologischen Theorien (z.B. Plessner, Aristoteles) Formulierung des spezifisch Menschlichen mit Bezug zu einer selbstgewählten Theorie Gedankenexperimente in der Form: Würde ich als Mutter oder Vater ein Roboterkind akzeptieren können etc…. praktisch durchdenken. Überprüfung der Entscheidung im Hinblick auf ein verantwortliches Handeln (Hat der Mensch Verantwortung für die Roboterkinder, die er schuf?) Stellungnahme zur Debatte um das 2Eigenleben der Technik“ Kompetenzbereich Darstellen Verständliche Darstellung eines Problems nebst Erläuterungen, die es dem Zuhörer ermöglicht, kritische Fragen zu stellen Verständliche Darstellung der Theorien der philosophischen Anthropologie Angemessene Wahl der darstellerischen Mittel. Die Funktion der Form muss erkennbar sein und reflektiert werden. Die philosophische Begrifflichkeit muss angemessen sein. IV Bewertung Eine gute Leistung liegt vor, wenn die zentralen Elemente des Films und die wichtigsten Aspekte des Vergleichs zwischen Roboterkind und Menschenkind differenziert theoretisch dargestellt werden; diesbezügliche Aussagen - evtl. fokussiert auf eine Leitfrage - an mehreren Filmstellen detailliert aufgezeigt werden; das gewählte philosophische Problem sowohl reflektiert, als auch nachvollziehbar entfaltet wird; anthropologische Theorien differenziert auf ein zentrales Problem des Films angewandt werden; eine überzeugende Antwort auf das entfaltete Problem gegeben wird. Eine ausreichende Leistung liegt vor, wenn verschiedene Elemente des Films sowie ein Aspekt des Vergleichs zwischen Roboterkind und Menschenkind dargestellt werden; und diesbezügliche Aussagen an Beispielen (Filmausschnitte, Einzelbilder) nachvollziehbar aufgezeigt werden; das gewählte philosophische Problem benannt wird; eine anthropologische Theorie auf ein Problem des Films bezogen wird; eine Antwort auf das entfaltete Problem versucht wird. Landesinstitut Hamburg 10 Philosophie erhöhtes Niveau Kopftuch Bekleidungsnormen gibt es in vielen Kulturen. Prominent und umstrittenen ist hierzulande das Kopftuch der Musliminnen. Sollte es verboten sein, ein Kopftuch zu tragen? Nur in bestimmten öffentlichen Bereichen? Sind Kopftuchträgerinnen unterdrückte Frauen? Ist es ein Zeichen für rückschrittliche Auffassungen, wenn eine junge Frau ihr Kopftuch im Sportunterricht nicht ablegen will? Diese Beispielaufgabe lässt sich den im Rahmenplan PHILOSOPHIE beschriebenen Arbeitsbereichen Anthropologie und Kultur sowie Ethik und Politik zuordnen. I Aufgabenstellung Das Kopftuch der Musliminnen: Formulieren und bearbeiten Sie ein zentrales philosophisches Problem, das sich aus dem Tragen des Kopftuchs ergibt. II III Unterrichtliche Voraussetzungen Unterricht zu einem kulturanthropologischen Thema, z.B. Integration von Migranten, Begegnung von Kulturen, Kulturrelativismus vs. Kulturuniversalismus Unterscheidung „ein Verhalten erklären / Gründe für ein Verhalten nennen“ vs. „ein Verhalten billigen / gute Gründe für ein Verhalten nennen / ein Verhalten rechtfertigen“ Unterscheidung (1) rechtliche Normen – (2) moralische Normen – (3) technische Normen / Spielregeln – (4) Normen der Etikette Erwartete Schülerleistungen / Anforderungen Dieser Erwartungshorizont bezieht sich auf die Aufgabenstellung, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Aus der Konkretisierung durch den Prüfling können sich Gewichtungen ergeben, die vom Prüfling bei der endgültigen Erstellung des Erwartungshorizonts für den Prüfungsausschuss zu berücksichtigen wären. Kompetenzbereich Wahrnehmen und Deuten (Anforderungsbereich I + II ) Unterscheidung und Abgrenzung kultureller, politisch-rechtlicher und philosophischer Dimensionen des Themas. Explizite Nennung von philosophischen Fragestellungen: z.B. Sollte das Kopftuch verboten oder erlaubt oder verpflichtend sein? Wo? Ist das Kopftuchgebot in anderen Ländern, z.B. im Iran, zu billigen? Vielfalt der Umgangsweisen mit dem Kopftuch in der islamischen und der nichtislamischen Welt. Darstellung der aktuellen Situation in verschiedenen Staaten und Ländern: Kopftuchpflicht (z.B. Iran) und Kopftuchverbot (z.B. öffentliche Räume in der Türkei, Lehrer in Frankreich, Lehrer in Baden-Württemberg) Rechtslage in Deutschland: Urteil des BVerfG von 2003, Schulgesetz in BadenWürttemberg 2004 Kopfbedeckungen (und ggf. andere Bekleidungsnormen) im Kulturvergleich: mitteleuropäische Traditionen, Berufsbekleidung, Kopfbedeckungen im Judentum, Christentum, Hinduismus. Landesinstitut Hamburg 11 Philosophie erhöhtes Niveau Kompetenzbereich Argumentieren und Urteilen (Anforderungsbereich II + III) Heterogenität der Motive kopftuchtragender und nicht kopftuchtragender Musliminnen Argumentationen der Befürworter und der Gegner eines Kopftuchverbotes, evtl. auch Argumentation der Befürworter einer Kopftuchpflicht in islamischen Ländern Untersuchung und Bewertung der Argumentationen. Analyse von Schlüsselbegriffen in den Argumentationen, z.B.: „politisches Symbol“, „religiöses Symbol“, „Öffentlichkeit“. Begründung eines abschließenden Urteils. Kompetenzbereich Darstellen (Anforderungsbereich I + II + III) IV Präsentation der Phänomene (Abbildungen von Kopfbedeckungen: Kopftuch, Haube, Burka, Niqab, Turban; Umgangsweisen mit dem Kopftuch, evtl. Motive der Trägerinnen) Präsentation der Argumentationen Angemessene Wahl der darstellerischen Mittel. Die Funktion der Form muss erkennbar sein und reflektiert werden. Die philosophischen Theoriebezüge müssen sachlich richtig sein und argumentativ gut begründet werden. Die philosophische Begrifflichkeit muss angemessen sein. Bewertung Eine gute Leistung liegt vor, wenn das muslimische Kopftuch in den allgemeinen Kontext von Bekleidungsgepflogenheiten und Bekleidungsnormen gestellt wird und weitere Normen für Kopfbedeckungen vergleichend hinzugezogen werden; wenn die Argumentationen der Gegner und der Befürworter eines Kopftuchverbotes klar dargestellt werden; wenn diese Argumentationen in überzeugender Weise geprüft werden; wenn auf der Grundlage aller vorangegangenen Arbeitsschritte eine abschließende Position begründet wird. Eine ausreichende Leistung liegt vor, wenn unterschiedliche Auffassungen zur Frage des Kopftuchverbotes dargestellt und beurteilt werden wenn ein eigenes Urteil zum Kopftuch in nachvollziehbarer Weise begründet wird. Landesinstitut Hamburg 12 Philosophie erhöhtes Niveau Asperger-Syndrom Das Asperger-Syndrom ist eine schwach ausgeprägte Form des Autismus, die neuerdings immer häufiger diagnostiziert wird. Die von diesem Syndrom Betroffenen sind emotional und in ihren sozialen Fähigkeiten eingeschränkt, bilden hingegen oft Spezialinteressen und verfügen manchmal über erstaunliche Hoch- und Inselbegabungen. Eine Beschäftigung mit dieser Form der „Behinderung“ wirft neues Licht auf unser Menschenbild, auf die Beziehung zwischen Verstand und Gefühl, auf unsere Auffassung von Erkenntnis und Intelligenz etc. Diese Beispielaufgabe lässt sich somit den im Rahmenplan PHILOSOPHIE beschriebenen Arbeitsbereichen Anthropologie und Kultur sowie Sprache und Erkenntnis zuordnen. I Aufgabenstellung Das Asperger-Syndrom: Formulieren und bearbeiten Sie ein philosophisches Problem, das Sie aus dieser Form des Autismus entwickeln. II III Unterrichtliche Voraussetzungen Unterricht zu anthropologischen Themen: Fragestellungen der philosophischen und empirischen Anthropologie, Menschenbilder, Begriffe Rationalität vs. Irrationalität, Kognition vs. Emotion (vs. Volition) Unterricht zu erkenntnistheoretischen Themen: Selektivität der Wahrnehmung, Realismus vs. Konstruktivismus Fragestellungen der Philosophischen Psychologie: Verstehen von menschlichen Handlungen, technische vs. soziale / emotionale Intelligenz Erwartete Schülerleistungen / Anforderungen Dieser Erwartungshorizont bezieht sich auf die Aufgabenstellung, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Aus der Konkretisierung durch den Prüfling können sich Gewichtungen ergeben, die vom Prüfling bei der endgültigen Erstellung des Erwartungshorizonts für den Prüfungsausschuss zu berücksichtigen wären. Kompetenzbereich Wahrnehmen und Deuten (Anforderungsbereich I + II) Unterscheidung und Abgrenzung medizinischer, kultureller und philosophischer Aspekte des Themas Beschreibung der Symptome (Phänomenologie des Syndroms): Schwächen (z.B. Desinteressen, soziale Ignoranz, Angst vor instabilen Situationen) und Stärken (Expertentum in klaren, z.B. mathematischen Bereichen) der Betroffenen Explizite Nennung philosophischer Fragestelllungen, z.B. Welche Rolle spielen soziale und emotionale Fähigkeiten für die Bewältigung unseres Alltags und für unsere Erkenntnis? Bezug zu Menschenbildern und zu erkenntnistheoretischen Positionen der philosophischen Tradition und Einschätzung der Relevanz für die Anthropologie Landesinstitut Hamburg 13 Philosophie erhöhtes Niveau Kompetenzbereich Argumentieren und Urteilen (Anforderungsbereich II + III) Analyse: Anwendung anthropologischer und erkenntnistheoretischer Positionen und Argumentationen auf Menschen mit Asperger-Syndrom Beurteilung der Bedeutung des Syndroms für Menschenbilder und Erkenntnistheorien (Realismus, Konstruktivismus) Bedeutung des Filterns und Fokussierens für Wahrnehmungsfähigkeit und Gesundheit; Auseinandersetzung mit Auffassungen vom Ausblenden als Mangel Kompetenzbereich Darstellen Präsentation der Phänomene Angemessenheit in der Wahl der darstellerischen Mittel Die Funktion der Form muss erkennbar sein und reflektiert werden. Die philosophischen Theoriebezüge müssen sachlich richtig sein und argumentativ gut begründet werden. Die philosophische Begrifflichkeit muss angemessen sein. IV Bewertung Eine gute Leistung liegt vor, wenn es gelingt, philosophische Probleme in Bezug zum Asperger-Syndrom darzustellen und zu entfalten; wenn die Symptomatik in argumentativer Weise auf anthropologische und erkenntnistheoretische Positionen bezogen wird; wenn auch ein Urteil in der Frage, ob es sich bei dem Syndrom um eine „Behinderung“ oder um eine „Facette der Normalität“ handelt, überzeugend begründet wird. Eine ausreichende Leistung liegt vor, wenn es gelingt das philosophische Problem verständlich darzustellen; wenn die Symptomatik in argumentativer Weise auf mindestens eine anthropologische und eine erkenntnistheoretische Position bezogen wird. Landesinstitut Hamburg 14 Philosophie erhöhtes Niveau Tätowierungen Diese Beispielaufgabe lässt sich den im Rahmenplan PHILOSOPHIE beschriebenen Arbeitsbereichen Ethik und Politik, Anthropologie und Kultur sowie Ästhetik zuordnen. V Aufgabenstellung Mein Körper gehört mir! Formulieren und bearbeiten Sie eine philosophische Problematik des Tätowierens. VI VII Unterrichtliche Voraussetzungen: Grundkenntnisse der Ästhetik Kenntnisse der Ästhetisierung der Lebenswelt (homo aestheticus (Wolfgang Welsch)) Kenntnisse von ästhetischen Kategorien, ästhetischer Wirklichkeit, ästhetischer Erfahrung, Lehre von der Sinnlichkeit Kenntnisse über Selbstästhetisierung Identitätsproblematik – Spiel mit Identitäten Tattoos als kulturabhängiges Phänomen Kenntnis des Leib-Seele- Problems Erwartete Schülerleistungen / Anforderungen Dieser Erwartungshorizont bezieht sich auf die Aufgabenstellung, nicht auf die vom Prüfling zu erarbeitende und in der Dokumentation darzustellende Konkretisierung. Aus der Konkretisierung durch den Prüfling können sich Gewichtungen ergeben, die vom Prüfling bei der endgültigen Erstellung des Erwartungshorizonts für den Prüfungsausschuss zu berücksichtigen wären. Kompetenzbereich Wahrnehmen und Deuten (Anforderungsbereich I + II) Formulierung des philosophischen Problems. Z.B. Inwieweit ist die Tätowierung ein Problem der Ästhetik? Wie wird die Leiblichkeit berührt? Ist es das Gleiche, wenn ich meine Wohnung style, als wenn ich mich selbst style? Ist der Körper durch eine Tattoo verletzt oder geschmückt? Psychologische Unreife? Unübersehbarkeit der Verletzung des Körpers? Je nach Festlegung des Problems, wird hier ein anderer Weg eingeschlagen werden. Die Festlegung des Problems beinhaltet bereits eine Deutung der Problematik. Analyse der sachlichen Problematik und deren Darstellung bezogen auf die Fragestellung. (Anforderungsbreich I + II) Z.B.: Darstellung der Rechtslage in Deutschland: Erlaubnis für Minderjährige. Medizinische Fragen. Darstellung des Modehypes Tattoo. Darstellung von Tätowierungen in verschiedenen Kulturen. Landesinstitut Hamburg 15 Philosophie erhöhtes Niveau Kompetenzbereich Argumentieren und Urteilen (Anforderungsbereich II + III) Beurteilung der entworfenen Problematik im Horizont bekannter Theorieansätze und eigenes Urteil. Z.B.: Gibt es hier überhaupt verbindliche Kategorien, an denen man sein Urteil orientieren kann? Styling von Körper, Seele und Geist ? (Tablettendoping für bessere Leistungen? Bodybuilding?) Was wäre der Körper in seinem Naturzustand? Hat er ein Eigenrecht? Wäre der Körper zu schützen? Wie steuert die Gesellschaft den Geschmack? Kompetenzbereich Darstellen (Anforderungsbereich II + III) Angemessene Wahl der darstellerischen Mittel. Hier sicher Bilder von Tätowierungen in verschiedenen Kulturen. Die Funktion der Form muss erkennbar sein und reflektiert werden. Die philosophischen Theoriebezüge müssen sachlich richtig sein und argumentativ gut begründet werden. Die philosophische Begrifflichkeit muss angemessen sein. Hier muss reflektiert werden, dass im Bereich Ästhetik sehr viele Bereiche der Philosophiert verknüpft werden (erhöhtes Niveau!). VIII Bewertung Eine gute Leistung liegt vor, wenn Tätowierung als philosophisches Problem in einen philosophischen Horizont gestellt und überzeugend entfaltet und dargestellt ist. die Analyse der Sachpositionen dem Problem angemessen und relevant ist und die Argumente vielfältig und nicht stereotyp sind. (Hier müssten z.B. ästhetische Kategorien dargestellt und für die Argumentation genutzt werden.) die Bezüge zur Theorie differenziert sind und sie einen Beitrag zur Lösung des Problems aufweisen. die Urteilsfindung durch Argumente überzeugt. Eine ausreichende Leistung liegt vor, wenn Tätowierung in einen philosophischen Horizont gestellt ist. einige zentrale Sachpositionen richtig vorgestellt und auf das ästhetische Problem bezogen werden. zentrale Aspekte der Ästhetisierung vorgestellt und sinnvoll auf die Fragestellung bezogen werden. ein Ansatz zum ästhetischen Urteil mit Begründungsansätzen vorliegt. Hier vielleicht auch die Unmöglichkeit eines Urteils außer als persönliches Geschmacksurteil. Landesinstitut Hamburg 16 Philosophie Impressum Herausgeber: Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Gestaltungsreferat: Gesellschaftswissenschaftlicher Unterricht Referatsleitung: Martin Speck Fachreferent: Martina Dege Redaktion: Dörthe Ohlhoff Hans Christof Kräft Alle Rechte vorbehalten. Hamburg September 2010 Landesinstitut Hamburg 17