THEOLOGIE IST DIE CHRISTLICHE LEHRE INTOLERANT? Prof. Dr. Friedrich Hanssmann 27.07.2015 Was ist Toleranz? Wo immer Toleranz gefordert wird, existiert bereits eine gewisse Konfliktsituation zwischen Individuen oder gesellschaftlichen Gruppen. Andernfalls wäre nichts zu tolerieren. Wenn eine gesellschaftliche Gruppe A eine (legal zulässige) Verhaltensweise einer anderen gesellschaftlichen Gruppe B negativ bewertet, dann kann Gruppe B (und auch der Staat) fordern, dass Gruppe A das Verhalten der Gruppe B trotz negativer Bewertung tolerieren muss. Was aber ist unter diesen Umständen unter Toleranz zu verstehen, und was nicht? Die inhaltliche Beantwortung dieser Frage ist wichtig, weil im Namen der Toleranz leicht über das Ziel hinausgeschossen wird und Forderungen erhoben werden, die von einem semantisch und rechtlich einwandfreien Begriff der Toleranz nicht gedeckt sind. Wir schlagen vor: Toleranz ist Gewaltverzicht gegenüber anderen, deren Verhalten man selbst nicht billigt (also negativ bewertet). Unter Gewalt verstehen wir sowohl Aggressionen wie Unhöflichkeiten, Beschimpfungen und andere Verletzungen der Menschenwürde als auch physische und soziale Gewalt. Zur sozialen Gewalt gehören beispielsweise das Mobbing, die Verweigerung eines Rechtsbeistands, die Verweigerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt, falsche Anklagen und unfaire Prozesse und vieles andere mehr. Wenn also Gruppe A Verhaltensweisen der Gruppe B negativ bewertet und B von A Toleranz fordert, so ist der Toleranzforderung durch einen Gewaltverzicht von A Genüge getan. Denn Toleranz ist Gewaltverzicht (im definierten Sinne). Häufig werden jedoch über Gewaltverzicht hinausgehende Forderungen im Namen der Toleranz gestellt. Diese lassen sich kurz unter dem Begriff der Akzeptanzforderungen subsumieren. Im Beispiel: wenn Gruppe B von Gruppe A nicht nur Gewaltverzicht, sondern auch Verzicht auf die negative Bewertung von B fordert, so handelt es sich um eine typische Akzeptanzforderung. Sehr häufig werden Akzeptanzforderungen auch in der Form präsentiert, dass unterschiedliche Verhaltensweisen der Gruppen A und B, die aus der Sicht der Gruppe A auch unterschiedlich bewertet werden, von eben dieser Gruppe A künftig als gleichwertig zu akzeptieren seien. Es wird also eine Veränderung von Bewertungen und Überzeugungen, man könnte auch sagen, eine Nivellierung von Bewertungen gefordert. Kommt Gruppe A dieser Forderung nicht nach, so trifft sie alsbald der Vorwurf der Intoleranz. Wie ist diese Vorgehensweise zu beurteilen? Da Bewertungen und Überzeugungen ein Ausfluss des dahinter stehenden Wertesystems sind, handelt es sich um einen Angriff von B auf das Wertesystem von A. Mit diesem Angriff signalisiert Gruppe B, dass sie nicht NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 gewillt ist, das Wertesystem der Gruppe A zu tolerieren. Sie begeht damit einen Akt der Intoleranz gegenüber demjenigen, von dem sie Toleranz (in Form des Gewaltverzichts) fordert und erhält. Toleranz ist aber keine Einbahnstraße! Durch Akzeptanzforderungen wird Intoleranz im Namen der Toleranz praktiziert. Angesichts dieses Paradoxons ist zu folgern, dass Akzeptanzforderungen nicht Teil von Toleranzforderungen sein können. Toleranz ist nicht Akzeptanz. Verweigerung von Akzeptanz ist nicht Intoleranz. Tatsächlich handelt es sich bei Akzeptanzforderungen nicht um Toleranz, sondern vielmehr um einen Versuch der Umerziehung und Ideologisierung. Auf Überschreitung der Wasserscheide zwischen Gewaltverzicht und Akzeptanz ist sorgfältig zu achten, wenn sich nicht scheinbare Toleranzforderungen als intolerante Umerziehungsversuche herausstellen sollen. Wir diskutieren im Folgenden einige Vorwürfe von Intoleranz, die gegen Wertegemeinschaften erhoben werden. Wir hoffen zu zeigen, dass diese Vorwürfe u n b e r e c h t i g t s i n d , w e i l e s s i c h t a t s ä c h l i c h u m d i e Ve r w e i g e r u n g v o n Akzeptanzforderungen handelt, die ihrerseits intolerant sind. Ausschließlichkeitsansprüche sind nicht intolerant Wenn eine gesellschaftliche Gruppe ihre Überzeugung für richtig, alle anderen Überzeugungen aber für falsch hält, so kann man von einem Ausschließlichkeitsanspruch sprechen. Ein solcher Anspruch führt alsbald in Schwierigkeiten. Die mehrheitliche gesellschaftliche Meinung hat zwar nichts dagegen, wenn jede weltanschauliche, religiöse, politische oder sonstige gesellschaftliche Gruppierung ihr eigenes System entwickelt und ihren eigenen Weg geht, aber reagiert extrem empfindlich, wenn Ausschließlichkeitsansprüche gestellt werden. Weiß doch jedes Kind, so ist die Meinung, dass viele Wege nach Rom oder sogar viele Wege zu Gott führen. Würden dennoch Ausschließlichkeitsansprüche gestellt, so wäre dies die blanke Intoleranz und eine Störung des religiösen oder sogar öffentlichen Friedens. Es wird daher gefordert, Ausschließlichkeitsansprüche im Namen der Toleranz zu unterlassen. Es ist zwar richtig, dass ein Ausschließlichkeitsanspruch eine negative Bewertung anderer Auffassungen impliziert. Aber wie alle Bewertungen entspringt auch diese einem Wertesystem, das zu respektieren und zu tolerieren ist. Die Forderung, Ausschließlichkeitsansprüche zu unterlassen, ist damit ein Angriff auf dieses Wertesystem und damit selbst intolerant. Sie kann nicht Teil einer Toleranzforderung sein. Diese muss sich vielmehr auf den Gewaltverzicht beschränken. Eine darüber hinausgehende Forderung eines Verzichts auf Ausschließlichkeitsansprüche ist vom Toleranzbegriff nicht gedeckt. Ausschließlichkeitsansprüche sind nicht intolerant. NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 Bewertungskonflikte sind nicht intolerant Stehen sich gesellschaftliche Gruppierungen mit konfliktären Wertesystemen gegenüber, so kommt es zwingend und per definitionem zu negativen Bewertungen der jeweiligen Gegenseite. Beispielsweise kann sich aus den – etwa religiösen oder sittlichen – Werten der einen Seite ergeben, dass Positionen oder Verhaltensweisen der Gegenseite als moralisch verwerflich und verabscheuungswürdig beurteilt und empfunden werden. Es liegt dann nahe, dass die negativ bewertete Seite die bewertende Seite im Namen der Toleranz auffordert oder sogar unter Druck setzt, solche negativen Bewertungen zu unterlassen. Wie immer man über die Berechtigung solcher Forderungen denkt: keinesfalls können sie im Namen der Toleranz gestellt werden. Vielmehr handelt es sich um einen Angriff auf das Wertesystem der bewertenden Seite und damit um einen Akt der Intoleranz. Bewertungskonflikte sind nicht intolerant. Werbung ist nicht intolerant Wir haben oben argumentiert, dass Angriffe auf das Wertesystem einer Gruppierung einen Akt der Intoleranz darstellen. Diese Aussage muss nun etwas differenziert werden. Angenommen, eine Wertegemeinschaft A bewertet eine Wertegemeinschaft B in irgendeinem Punkt als negativ. Reagiert Wertegemeinschaft B mit der Forderung, Wertegemeinschaft A solle die negative Bewertung im Namen der Toleranz unterlassen, so stellt dies in der Tat einen Angriff auf das Wertesystem von A dar, der als Akt der Intoleranz und als Aufforderung zur inneren Widersprüchlichkeit und Schizophrenie zu beurteilen ist. Anders liegen die Dinge, wenn etwa Wertegemeinschaft A durch "Überzeugungsarbeit" Mitglieder der Wertegemeinschaft B abwerben und für sich gewinnen will. Wenn man will, kann man auch die Werbung der Gruppe A als einen Angriff auf das Wertesystem der Gruppe B ansehen. Aber diese Werbung zielt auf einen freiwilligen, gewaltfreien Wechsel des Wertesystems und erfüllt damit die Bedingung der Toleranz. Wir fassen zusammen. Wird ein Wertesystem mit dem Ziel angegriffen, Bewertungen innerhalb dieses Systems durch sozialen Druck von außen zu verändern, so liegt kein Akt der Toleranz vor (weil nicht gewaltfrei), sondern der Intoleranz. Im Erfolgsfall führt dieser Akt der Intoleranz zur inneren Widersprüchlichkeit, Schizophrenie und Selbstaufgabe des angegriffenen Systems. Wird dagegen ein Wertesystem durch Werbung angegriffen mit dem Ziel, einen freiwilligen, gewaltfreien Wechsel des Wertesystems herbeizuführen, so handelt es sich nicht um Intoleranz, sondern um legitimen Wettbewerb. Im Erfolgsfall findet ein Übertritt in eine andere Wertegemeinschaft statt – mit allen Konsequenzen. Fazit: Werbung ist nicht intolerant. Die Ablehnung synkretistischer Einflüsse ist nicht intolerant Obwohl Ausschließlichkeitsansprüche, Bewertungskonflikte und Werbung nicht gegen das Toleranzgebot verstoßen, so erzeugen diese Sachverhalte doch eine gewisse Spannung NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 zwischen Wertegemeinschaften. Da diese nicht immer als positiv empfunden wird, liegt es nahe, dass Wertegemeinschaften dazu neigen, Elemente anderer Wertegemeinschaften zu integrieren, um dadurch Spannungen abzubauen und mehr Einheit und Einheitlichkeit zu erreichen. Das Ergebnis solcher Integrationsprozesse könnte man als (religiösen oder säkularen) Synkretismus bezeichnen. Es findet eine gewisse Vermischung verschiedener Lehr- und Wertesysteme statt. Dabei ist es fast unvermeidlich, dass die integrierten Elemente nicht nur additiv hinzukommen, sondern mit dem ursprünglichen Lehr- und Wertesystem in Wechselwirkung treten und dieses verändern. Ursprüngliche Werte werden kompromittiert, Ausschließlichkeitsansprüche werden in Frage gestellt und relativiert. Im Extremfall können diese Prozesse zur Selbstaufgabe des ursprünglichen Systems führen. Angesichts solcher Möglichkeiten ist es wiederum verständlich, wenn es zu internen Kämpfen um die "reine" Lehre und zur gänzlichen Ablehnung synkretistischer Einflüsse kommt. Es ist zu fragen, ob ein solches defensives Abwehrverhalten gegen das Toleranzgebot verstößt. Hierzu greifen wir wiederum auf unsere Definition der Toleranz zurück. Toleranz besteht im Verzicht auf physische und soziale Gewalt gegen Andersdenkende. Eine Wertegemeinschaft, die diesen Gewaltverzicht praktiziert, aber andererseits synkretistische Einflüsse ablehnt, ist nicht intolerant. Ausschließlichkeitsansprüche der christlichen Lehre Wenden wir diese Überlegungen auf das Thema Ausschließlichkeitsansprüche in der c h r i s t l i c h e n L e h r e a n . D i e s e e n t h ä l t i n d e r Ta t s e h r z a h l r e i c h e Ausschließlichkeitsansprüche. Als den Klassiker unter diesen Ansprüchen kann man den Ausspruch Jesu Christi bezeichnen: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater (Gott) außer durch mich" (Joh. 14, 6). Dieses Wort hat schon immer zum Widerspruch gereizt und zum Vorwurf unerhörter Intoleranz geführt. Jeder bekennende Christ weiß davon ein Lied zu singen. Betrachten wir kurz einige der Ausschließlichkeitsansprüche christlicher Lehre. 1. Es gibt nur einen Gott: "Gott aber ist einer" (1. Kor. 8, 6; Eph. 4, 6; 1 Kor. 12, 6). Das ist mehr als Monotheismus. Letzterer besagt, dass es innerhalb einer Religion nur einen Gott gibt, nicht aber überhaupt nur einen. Es gibt auch nur einen, der diesen einen Gott wirklich kennt und ihn den Menschen offenbaren kann, nämlich der Mensch gewordene Gottessohn Jesus Christus (Mt 11, 27). Er offenbart Gott als seinen Vater (Mt 11, 27). Neben diesem vom Sohn geoffenbarten Gott haben andere Götter und Gottesvorstellungen keinen Platz (1 Kor 8, 5-6). Wer nicht in der Lehre Christi (über Gott) bleibt, hat keinen Gott (2 Joh 9). NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 2. Es gibt nur einen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Dieser ist der Mensch Christus Jesus (1 Tim 2, 5-6). Darum ist er der einzige Weg zu Gott (Joh 14, 6). 3. Für alle Menschen gibt es nur einen Weg zur Vergebung der Sünden und Versöhnung mit Gott. Dieser Weg ist der Glaube an den Mittler Jesus Christus und sein vollbrachtes Erlösungs- und Versöhnungswerk am Kreuz (1 Joh 2, 2; Rö 5, 18 ). "Wer glaubt und getauft wird, der wird errettet werden, wer nicht glaubt, wird verurteilt werden" (Mk 16, 16). 4. Für alle Menschen gibt es nur eine Hoffnung auf Auferstehung. Diese Hoffnung ist der auferstandene Christus (1 Kor 15, 20-22). 5. Für alle Menschen gibt es nur eine Hoffnung auf ewiges Leben, nämlich die Glaubensverbindung mit Jesus Christus. "Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben. Wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht" (1 Joh 5, 12; Joh 3, 36). Solche Ausschließlichkeitsansprüche stehen in unüberbrückbarem Gegensatz zu weit verbreiteten Vorstellungen, dass letztlich alle Menschen den gleichen Gott haben. Ein prominentes Beispiel bieten die Äußerungen von Prinz Assa-Wossen Asserate (2015), einem Großneffen des gestürzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, der als Christ galt:1 Wenn ein Jude, ein Muslim und ein Christ beten, beten sie doch im Grunde alle zum selben Gott, auch wenn sie ihm unterschiedliche Namen geben. Was bisher oft noch fehlt, sind Toleranz und Respekt und die Anerkennung, dass es verschiedene Wege zu diesem gemeinsamen Gott geben kann, die meist kulturell bedingt sind. Noch kritischer wird es, wenn sogar Regierungen im Namen der Toleranz die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Religionen fordern. Eine Petition (2015) an die württembergische Landesregierung sieht darin zu Recht eine Einschränkung der Religionsfreiheit:2 Noch deutlicher ist dies der Fall, wenn Sie "Akzeptanz von Vielfalt" auch "in religiöser Hinsicht" verordnen wollen. Denn dies bedeutet, dass zukünftige Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrerinnen und Lehrer ihren Glauben nicht mehr als den heilbringenden Glauben vertreten dürfen. Sie müssen vielmehr alle Religionen als gleichwertig gutheißen. Das aber ist biblisch nicht möglich. Das Gleiche gilt übrigens auch für Muslime. Auch aus Sicht des Koran ist es nicht möglich, alle Religionen als gleichwertig gutzuheißen. Wir hoffen gezeigt zu haben, dass der gläubige Christ, sofern er auf physische und soziale Gewalt verzichtet, erhobenen Hauptes an den Ausschließlichkeitsansprüchen seines 1 Asfa-Wossen Asserate 2015: Afrikas Hoffnung verlässt den Kontinent. FAZ 17.07.2015, S.11 Hanssmann, F. 2014: Im Namen der Toleranz zur Intoleranz oder Mehr Toleranz für "sexuelle Einfalt" und "Homophobie". Newsletter – Professorenforum III/2014 2 Petition (2015) zur Bildungsplanreform an die Württembergische Landesregierung: 07.06.2015 NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 Herrn Jesus Christus festhalten kann, ohne sich im Geringsten einer Intoleranz schuldig zu machen. Er muss sogar daran festhalten, will er nicht unverzichtbare Grundlagen seines Glaubens preisgeben. Wertkonflikte zwischen christlicher Ethik und anderen Wertesystemen Von Wertkonflikten zwischen christlicher Ethik und anderen Wertesystemen zu sprechen, mag zunächst überraschen. Tatsächlich existiert sogar eine bedeutende Schnittmenge zwischen jüdisch-christlicher Ethik und anderen Wertesystemen. So betont ein Autor, (Wer?) dass praktisch alle Rechtssysteme den Inhalt der zehn Gebote integriert haben. Er fügt hinzu: nicht weil sie in der Bibel stehen, sondern weil alle Gesellschaften, die sich auf Dauer von ihnen gelöst haben, zugrunde gegangen sind. Trotz dieser eindeutigen historischen Bilanz hat sich die moderne Gesellschaft einen Wertewandel verordnet, der immer weiter von jüdisch-christlicher Ethik wegführt und aus christlicher Sicht nur als Werteverfall bezeichnet werden kann. Betroffen sind vor allem die Gebiete des Lebensschutzes, der Sexualität, der Pädagogik und der ethischen Standards in der Wirtschaft. 1. Lebensschutz. Abtreibung und Euthanasie sind nach christlicher Ethik schwere Verstöße gegen Gottes Gebot (5. Gebot), durch die eine stetig wachsende Blutschuld auf die moderne Menschheit gehäuft wird. Im Gegensatz hierzu erfreut sich die Abtreibung breiter gesellschaftlicher und politischer Akzeptanz bis zur faktischen Legalisierung unter Zuhilfenahme der widersprüchlichen juristischen Konstruktion des "straffreien Unrechts". Auch die gesellschaftliche Zustimmung zur Euthanasie steigt stetig an und ebnet den Weg zur Legalisierung der "ärztlichen Sterbehilfe" und zur Zulassung von "Sterbehilfe" auf kommerzieller Basis. 2. Sexualität. In der christlichen Sexualethik sind sexuelle Beziehungen auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau beschränkt. Voreheliche und außereheliche sexuelle Beziehungen werden als Vergehen bewertet. In der modernen Gesellschaft sind voreheliche und außereheliche Beziehungen Alltag. Hinzu kommt eine Propaganda für "sexuelle Vielfalt", die schon bei Kleinkindern ansetzt und sie seelisch und körperlich misshandelt (siehe hierzu auch Hanssmann 2014). (3) Die Verordnung von Akzeptanz für "sexuelle Vielfalt" durch die württembergische Landesregierung wird in einer Petition (2015) an diese Regierung zu Recht als Verstoß gegen Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit (Artikel 4 und 5 GG) gebrandmarkt. Sogar die Front gegen Pädophilie wackelt bereits, es erheben sich erste Stimmen zu ihrer Legalisierung. Die biblische Bewertung von Homosexualität ist eindeutig stark negativ. Betroffene brauchen Hilfe, nicht Akzeptanz und Bestätigung. Im Gegensatz hierzu erfreut sich die Homosexualität breiter und sprunghaft steigender Akzeptanz in der westlichen Welt bis hin zur homosexuellen Lebenspartnerschaft. NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 3. Pädagogik. Die Erziehung von Kindern und Jugendlichen unterliegt nach christlicher Lehre dem göttlichen Gebot: "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren", das neutestamentlich ausdrücklich bestätigt wird: "Ihr Kinder seid gehorsam euren Eltern …." (Eph 6, 1). Stattdessen sehen wir Respektlosigkeit, Undankbarkeit, Kritik, Auflehnung und Erpressung gegenüber Eltern, Lehrern und allen Autoritäten, zum Teil begleitet von viel Verständnis auf Seiten von "Fachleuten" wie den Erfindern der antiautoritären Erziehung. 4. Wirtschaft. Christliche Ethik fordert Steuerehrlichkeit und ganz allgemein Integrität im Wirtschaftsleben. Sie verwirft wirtschaftliche Angebote, die nach christlichem Verständnis unmoralisch und schädlich sind. Zum Beispiel vermittelt eine Firma auf kommerzieller Basis außereheliche Affären unter dem Motto: "Das Leben ist kurz, gönnen Sie sich einen Seitensprung". Solche Angebote sind ebenso alltäglich wie bewusste Steuerhinterziehung. Letztere kann nur durch drastisch verschärfte Überwachung, Kontrolle und Strafbarkeit eingedämmt werden. Bei derartig vielen und scharfen Wertkonflikten zwischen gesellschaftlichem Konsens und christlicher Ethik ist es nicht verwunderlich, dass gegenüber der christlichen Ethik der Vorwurf der Intoleranz erhoben wird, der aber, wie wir gezeigt haben, am Wesen der Toleranz vorbeigeht und völlig unberechtigt ist. Werbung für den christlichen Glauben Werbung für den christlichen Glauben geschieht in Gestalt der Mission und Evangelisation. Ziel solcher Bemühungen ist der bewusste Übertritt einzelner Menschen zum christlichen Glauben und christlichen Werten, was natürlich Hand in Hand geht mit bewusster Abkehr von bisher praktizierten Glaubensinhalten und Werten. Christliche Mission wurde oft in Frage gestellt und angegriffen mit dem Argument, dass die Menschen in ihren vorfindlichen Religionen und Kulturen auf ihre Art genauso glücklich seien und dass es intolerant bis kriminell sei, sie in ihrem Glück zu stören. Ob diese Glücklichkeitstheorie bei denjenigen Zustimmung fände, die etwa als Frauen nach dem Tod ihres Mannes die Witwenverbrennung bei lebendigem Leibe erdulden mussten, die die Tempelprostitution erlitten haben, als Menschenopfer zur günstigen Beeinflussung der Götterwelt dargebracht wurden, mit religiöser Begründung erniedrigt, misshandelt und diskriminiert und in wirtschaftlichem und sozialem Elend gehalten wurden? Ob diejenigen zustimmen würden, die durch ihren Übertritt zum christlichen Glauben Befreiung von allen diesen Schrecklichkeiten erfahren haben bis hin zur wirtschaftlichen und sozialen Gesundung? In der Tat, vor dem Hintergrund der Tatsachen kann man diese Glücklichkeitstheorie nur als ein anthropologisches Märchen bezeichnen, wobei man sich nur wundern kann, das es von so vielen dahergeredet und geglaubt wird – bis hin zu Harvard-Professoren. Als Argument gegen christliche Mission hält es auf keinen Fall stand. NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 Ebenso unhaltbar ist der Bevormundungsaspekt, der in dieser Glücklichkeitstheorie steckt. Anstatt den Menschen die eigene Entscheidung zu überlassen, ob sie mit ihrer vorfindlichen Religion oder mit dem Angebot des christlichen Evangeliums glücklicher sind, will man ihnen dieses Angebot von vornherein vorenthalten und sie in ihrer Entscheidung bevormunden. Besonders interessiert uns in unserem Zusammenhang der Vorwurf der Intoleranz der christlichen Mission. Selbstverständlich ist christliche Mission ein Angriff auf vorfindliche Systeme. Wir hoffen jedoch, im allgemeinen Teil gezeigt zu haben, dass Werbung nicht intolerant ist. Damit ist auch die Werbung für den christlichen Glauben in der Form der Mission und Evangelisation von jedem Vorwurf der Intoleranz freigestellt, vorausgesetzt, dass die Grundsätze der Gewaltfreiheit und der Freiwilligkeit der Entscheidung gewahrt sind. Dies ist in der christlichen Kirchen- und Missionsgeschichte leider nicht immer der Fall gewesen, obwohl solche negativen intoleranten Praktiken keinerlei Basis in der christlichen Lehre des neuen Testaments haben. Sie können auf keinen Fall der christlichen Lehre zur Last gelegt werden. Vielmehr wurden sie von Machthabern mit politischen oder kirchlichen Machtinteressen ausgeübt, die nicht selten aus sehr durchsichtigen Gründen das Ziel einer Einheitsreligion in ihrem Machtbereich anstrebten und sich dabei über die christliche Lehre der Gewaltlosigkeit hinwegsetzten. Hieraus einen Vorwurf der Intoleranz christlicher Mission zu konstruieren, ist absolut abwegig. Vielmehr ist die Behinderung christlicher Mission intolerant. Überdies sind Christen verpflichtet, dem Missionsbefehl Jesu Christi Folge zu leisten. Sie könnten gar nicht darauf verzichten, ohne ihrer christlichen Lehre untreu zu werden. Christliche Lehre und Synkretismus Während Ausschließlichkeitsansprüche, Wertkonflikte und Werbung Angriffen von außen (von außerhalb der christlichen Gemeinschaft) ausgesetzt sind, handelt es sich bei synkretistischen Einflüssen um Angriffe von innen. Es entwickelt sich innerhalb einer christlichen Gemeinschaft eine Bereitschaft, der christlichen Lehre fremde und widersprechende Elemente aufzunehmen. Die daraus resultierenden Kompromisse mit den eigenen Werten werden gerechtfertigt durch einen (angeblichen) Zuwachs an Akzeptanz und Attraktivität für die eigene Gemeinschaft. Ein solches "deal" mag als "Realpolitik" gelten, lässt sich aber keinesfalls aus der christlichen Lehre selbst rechtfertigen, die überall auf einer strengen Trennung besteht. Der Preis für (angeblich) erhöhte Akzeptanz ist innere Widersprüchlichkeit, Substanzverlust und Selbstauflösung der eigenen Gemeinschaft. Praktisch stellt sich das Problem des Synkretismus zunächst in der christlichen Mission. Bei einem Übertritt zum christlichen Glauben mag sich der Konvertit fragen, was er von seiner bisherigen Religion und Kultur "mitnehmen" kann. Wird hier großzügig verfahren, so NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 kann es zum Import und der Duldung von Elementen der vorfindlichen Religion und (meist religiös geprägten) Kultur kommen, die mit der christlichen Lehre unvereinbar sind, z.B. Riten der vorfindlichen Religion, Geisteranbetung, Ahnenkulte, Götzendienst und Opferkulte, Aberglauben und okkulte Praktiken, Polygamie und vieles andere mehr. Das synkretistische Gemisch von Katholizismus und einheimischen heidnischen Religionen in Südamerika ist ein abschreckendes Extrembeispiel. Nach biblischer Lehre kann es hier nur ein klares Nein, strenge Trennung und Verabschiedung von diesen synkretistischen Elementen geben. Doch auch in westlichen Ländern blüht der Synkretismus. Es ist ernüchternd, welche öffentliche Aufregung ein Bremer Pastor verursachte, als er seine Gemeinde aufrief, etwaige Buddha-Statuen aus ihren Häusern "hinauszuwerfen". Es handelte sich dabei um einen internen Aufruf an eine christliche, nicht eine buddhistische Gemeinde oder die Allgemeinheit, sodass die sich alsbald wegen möglicher Volksverhetzung einschaltende Staatsanwaltschaft kaum fündig werden dürfte. Dennoch große Aufregung, die praktisch auf eine Forderung der Zulassung von Synkretismus in einer christlichen Gemeinde hinausläuft, die sich vermutlich auf Toleranz beruft, aber tatsächlich einen Akt der Intoleranz darstellt. Schlimmer noch, wenn Synkretismus freiwillig von innerhalb christlicher Gruppierungen gefordert und in die Wege geleitet wird. Genau dies geschieht jedoch heute in gemeinsamen, sogenannten ökumenischen "Gottesdiensten" und Veranstaltungen von christlichen und nichtchristlichen Gruppierungen. Zur Rechtfertigung muss abermals das weit verbreitete, populäre aber grundfalsche dictum herhalten, dass wir doch im Grunde alle den gleichen Gott haben, wenn wir ihn auch verschieden benennen. Und man darf ja nicht andere Religionen "schlecht machen", sondern muss "tolerant" sein, Gemeinsames betonen und dem Religionsfrieden nachstreben. So kann es zur Schizophrenie eines gemeinsamen Gebets zu einem nicht gemeinsamen Gott kommen. Oder zur Schizophrenie des Anhörens von Predigten, die von Vertretern nichtchristlicher Religionen gehalten werden, deren Religionsgelehrte andernorts grausame Gewalt bis hin zu schlimmsten Gräueln und Menschenrechtsverletzungen an Andersgläubigen ideologisch unterfüttern. Man mag dies alles unter dem Etikett des "interreligiösen Dialogs" sehen, der weithin eifrig propagiert wird. So schreibt wiederum Prinz Asfa-Wossen Asserate (2015): Man muss den Dialog zwischen den Religionen auf allen Ebenen anstoßen, vor allem den Dialog zwischen Islam und Christentum. Übersehen wird, dass das Neue Testament keinerlei Dialog mit anderen Religionen kennt oder befürwortet, auch nicht in geringsten Ansätzen. Es kennt nur die autoritative Verkündigung (wörtlich: Heroldsbotschaft) des Evangeliums von Jesus Christus. NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10 Vergessen ist, dass nach klarem biblischem Zeugnis der Gott und Vater Jesu Christi nichts, aber auch gar nichts mit irgendeinem anders benannten Gott zu tun hat. Vergessen, dass der Gott der Bibel von alters her jede synkretistische Vermischung seiner Offenbarung mit anderen Religionen und Göttern streng untersagt und geahndet hat: du sollst keine anderen Götter neben mir haben! Vergessen, dass sich Angehörige des jüdischen Volkes lieber in den Feuerofen werfen ließen, als dem Standbild eines heidnischen Herrschers göttliche Verehrung zu erweisen. Vergessen, dass die ersten Christen lieber starben als dem römischen Kaiser die geforderte göttliche Verehrung darzubringen, auch wenn es sich "nur" um ein kleines Weihrauchritual handelte. Wenn Synkretismus heute im Namen der Toleranz propagiert oder gefordert, strikte Ablehnung von Synkretismus aber als Intoleranz gebrandmarkt wird, so ist zum wiederholten Male daran zu erinnern, dass Toleranz in der Unterlassung physischer und sozialer Gewalt besteht, nicht aber in der Unterlassung von Überzeugungen, die jemand anderes stören. Eine Gruppierung, die auf physische und soziale Gewalt verzichtet, aber Synkretismus strikt ablehnt, begeht demnach keine Intoleranz. Fazit Eine gesellschaftliche Gruppierung oder Wertegemeinschaft, die auf physische und soziale Gewalt gegenüber Andersdenkenden verzichtet, aber zugleich an ihren Ausschließlichkeitsansprüchen, ihren Werten, ihrer Werbung und ihrer strikten Ablehnung von Synkretismus festhält, macht sich in keiner Weise der Intoleranz schuldig. Denn Toleranz besteht in der Unterlassung von Gewalt gegenüber Andersdenkenden, nicht aber in der Unterlassung eigener Überzeugungen, die andere Gruppierungen stören mögen. Der Intoleranz macht sich vielmehr derjenige schuldig, der von einer gewaltfrei agierenden Gruppierung die Unterlassung ihrer Überzeugungen fordert. Es ist besonders paradox, wenn dies im Namen der Toleranz gefordert wird. Es zeigt sich darin, dass das Wesen der Toleranz, nämlich Gewaltverzicht gegenüber Andersdenkenden, nicht erkannt wurde. Insbesondere macht sich die biblische christliche Lehre, in der es keinerlei Aufruf zur Gewalt gegenüber Andersgläubigen gibt, in der aber die Ausschließlichkeitsansprüche der Lehre Jesu Christi, bestimmte Werte, Werbung in Gestalt der Mission und Evangelisation sowie strikte Ablehnung von Synkretismus eine zentrale und unaufgebbare Rolle spielen, in keiner Weise der Intoleranz schuldig. NEWSLETTER ‑ PROFESSORENFORUM I/2016 Seite von 10