Inhalt - Archäologie in Deutschland

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Titelthema
18 Augustus in Germanien
Die »aurea aetas«, das Goldene Zeitalter des Römischen Reichs, als Literatur,
Kunst und Architektur einen bis dahin nicht gekannten Höhepunkt erreichten, ist einem Mann zu verdanken: Augustus. Vor 2000 Jahren, am 19. August 14, starb der Begründer des Prinzipats. Eine Seite seiner Herrschaft waren mehr oder weniger erfolgreiche Kriege. Seine Truppen marschierten im
Nahen Osten, auf dem Balkan, der Iberischen Halbinsel, über die Alpen,
an Rhein und Lippe entlang bis zur Elbe. Auch in Germanien hinterließen sie
gewaltige Militärkomplexe und Spuren grausamer Schlachten, aber auch
die Errungenschaften römischer Technik und Zivilisation.
Inhalt
AiD 4 2014
6 Warlords oder Amtsträger?
Mit der zunehmenden Verbreitung des Christentums auch rechts des Rheins bei Alamannen,
Bajuwaren und Thüringern wandelten sich zugleich die Bestattungssitten im Merowingerreich.
Die Toten erhielten immer seltener Waffenund Kleidungsbeigaben. Daher fallen Gräber,
in denen mehrere schwer bewaffnete und teils
kostbar ausgestattete Männer gemeinsam
beigesetzt wurden, umso stärker auf.
12 Arsur in Israel
Die Kreuzfahrer brachten Unruhe ins
Heilige Land: Heftige Kämpfe und friedliche Phasen wechselten sich ab, bis die
christliche Herrschaft gebrochen wurde.
Diese Auseinandersetzungen wirkten sich
auch auf die muslimische Bevölkerung
vor Ort aus. Ein DFG-gefördertes Kooperationsprojekt der Universitäten Tübingen
und Tel Aviv hat die Folgen für die Besiedlungsentwicklung in Arsur untersucht.
68 smac – Staatliches Museum 70 Der »Heidengraben«
für Archäologie Chemnitz
Das größte bislang bekannte keltische
Im ehemaligen Kaufhaus Schocken in
Chemnitz wurde am 16. Mai das Staatliche
Archäologische Museum des Landes
Sachsen eröffnet. Auf drei Stockwerken
und rund 3000 m2 werden sächsische
Kulturschätze von der Altsteinzeit vor
300 000 Jahren bis zur Industrialisierung
im 19. Jh. multimedial präsentiert.
Oppidum des Kontinents ist der »Heidengraben« auf der Schwäbischen Alb.
Am Albtrauf gelegen, erstreckt sich die
spätkeltische »Stadt« zwischen Grabenstetten, Hülben und Erkenbrechtsweiler. Imposante Befestigungswerke
oder natürliche Annäherungshindernisse boten Schutz, und teils sind die
Wälle noch gut im Gelände sichtbar.
|
1 Editorial
4 Spektrum Archäologie
Unser Titelbild
zeigt einen Aureus mit AugustusPorträt, gefunden im Hauptlager
von Haltern; geprägt in Lugdunum (Lyon) in den Jahren 2 v. bis
14 n. Chr.
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Archäologie in Deutschland 4 | 2014
6 Forschung: Gräber der späten
Merowingerzeit
Warlords – Krieger – reiche Bauern?
12 International: Israel
Arsur – Stadt der Kreuzfahrer
18 Titelthema: Augustus in Germanien
18 Gestalter der Welt – Eroberer Germaniens
26 Die Römer und der Rhein
30 Die Lippe entlang – Aufmarsch im
rechtsrheinischen Germanien
34 Moore, Wälder, Flüsse – die Legionen
des Augustus in Norddeutschland
36 Brennpunkt: Netzausbau contra Denkmalschutz?
Reiterstandbildern
Dschungel und Wüste
Die Vermessung der afrikanischen Geschichte
64 Reportage:
Von Würmchen und Schlangen – frühmittelalterlichen Schwertern auf der Spur
66 Reportage: Hafenprojekt
38 Kommentar: Schützenhilfe oder Bärendienst?
Mit Freunden ist das so eine Sache …
40 Aktuelles aus der Landesarchäologie
Der Rhein als historische Verkehrsachse
Europas
68 Museum:
Archäologisches Museum Chemnitz
56 Fenster Europa: Kroatien
Perle der Adria
70 Denkmal: Baden-Württemberg
Eine Keltenstadt auf der Schwäbischen
Alb – das Oppidum Heidengraben
72 Nachrichten
3-D-Röntgen-Computertomografie
Energiewende und Archäologie
22 Die Eroberung der Alpen
24 Eine urbane Siedlung mit repräsentativen
60 Reportage: Mit dem Laser durch
300000 Jahre Geschichte im
ehemaligen Kaufhaus
76 Bücher
78 Ausstellungen
81 Rätsel
75 Autoren dieses Heftes
80 Bildnachweis
www.aid-magazin.de
Das Rätsel der zyklopischen Festungen
Transkaukasien bildet eine Schnittstelle
zwischen Orient und Okzident, durch
die seit prähistorischer Zeit wichtige
Verkehrsrouten verlaufen. Mit Beginn der
Späten Bronzezeit zeigt sich eine kulturelle Zäsur im archäologischen Befund
dieser Region: Die reich ausgestatteten
Kurgane werden abrupt abgelöst von
aus großen unbehauenen Steinen errichteten Befestigungsanlagen. Diesem
Phänomen wollen Archäologen in
der Shirak-Ebene auf den Grund gehen.
Die Ergebnisse kann man unter
www.shirak-armenien.org verfolgen.
Archäologie in Deutschland 4 | 2014
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Spektrum | Archäologie
Im Blickpunkt
Textilien aus China
Älteste Hosen entdeckt
Die neu rekonstruierte Toranlage der
Heuneburg.
Die keltische Stadt Pyrene?
Neues von der Heuneburg
Vieles spricht dafür, dass die vom griechischen Weltbeschreiber Herodot im 5. Jh.
vor Chr. erwähnte mächtige Siedlung Pyrene an der oberen Donau mit der Heuneburg identisch und so vermutlich die älteste Stadt Deutschlands ist. Hier hat sich in
den letzten Jahren, was die archäologische Forschung und die Erschließung für Besucher angeht, Einiges getan. Der Zugang vom nahen Parkplatz führt nun über eine Holzbrücke durch den schematischen Nachbau eines monumentalen Steintores.
Unter dieser Rekonstruktion ruhen etwa 40 cm tiefer als das heutige Bodenniveau
die 2600 Jahre alten Fundamente des antiken Eingangstores zur einstigen »Burg«.
Die originalen Teile sind gut konserviert und durch eine dicke Schicht aus Glasschaumschotter, Geotextil und Sand geschützt. Zu beiden Seiten der Toranlage erstreckt sich ein imposanter Wall, der, teilweise wiederaufgeschüttet, die Vorburg
umgrenzt und den Wehrcharakter der Gesamtanlage verdeutlicht.
Besucher werden nun auch durch ein Beschilderungssystem geleitet, das die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mit fotorealistischen Computeranimationen
auf über 20 Informationstafeln vermittelt. Auch eine App mit Lageplan und Audioguide auf Deutsch oder Englisch hilft, in das Leben der Kelten einzutauchen.
Im so genannten Herrenhaus auf der Burg erwartet den Besucher eine neu konzipierte Ausstellung. Hier stehen die aktuellen Forschungen zur Keltenstadt und deren europaweite Handelskontakte im Mittelpunkt. Ein Highlight ist dabei das vor
wenigen Jahren nahe der Heuneburg entdeckte Fürstinnengrab vom Bettelbühl. Unterstützt wird die Präsentation durch Medienstationen mit Filmen und 3D-Rekonstruktionen.
Sicher werden dies nicht die letzten Neuerungen auf der Heuneburg bleiben,
denn die Forschungen gehen mit großer Intensität weiter. So hat die Deutsche
Forschungsgemeinschaft für die nächsten 12 Jahre ein Langfristprojekt bewilligt, bei
dem das bislang kaum untersuchte Umland in den Fokus gestellt wird. Die im Umkreis
von ca. 20 km liegenden Höhensiedlungen wie die Alte Burg bei Langenenslingen
oder der Bussen bei Uttenweiler werden durch Prospektionen und Ausgrabungen
genauer erforscht. Darüber hinaus sollen weitere Dörfer und Gehöfte, die vermutlich zur Versorgung der Heuneburg gedient haben, in die Untersuchungen einbezogen werden.
| Leif Hansen/Christiane Schmid-Merkl/AiD
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Archäologie in Deutschland 4 | 2014
Lange schon vermuten Altertumskundler, dass es einst Reitervölker waren, die vor
allen anderen dazu übergingen, Hosen zu
tragen. Nun präsentierte ein deutsch-chinesisches Team die ältesten bekannten
Hosen, die jemals hergestellt wurden –
und bestätigte diese Vermutung. Chinesische Archäologen hatten Teile der Beinkleider aus Wolle bei Ausgrabungen in
zwei Gräbern in der Turfan-Oase im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang im
Westen der Volksrepublik China entdeckt.
Die Funde wurden gemeinsam mit Forschern um Mayke Wagner, Leiterin der Außenstelle Peking des Deutschen Archäologischen Instituts, analysiert. Bei der Radiokarbondatierung zeigte sich, dass die
Hosen rund 3200 Jahre alt sind und somit
älter als ähnliche Funde aus Gräbern anderer Steppenreiter wie etwa den Skythen.
Dass es sich bei den nun untersuchten
Gräbern um solche von berittenen Nomaden und Kriegern handelte, legen weitere
Beigaben nahe. Neben den Beinkleidern
fanden die Forscher Zaumzeug sowie für
Reiterkrieger typische Waffen. Doch auch
die Hosen selbst geben deutliche Hinweise für den Zweck ihrer Erzeugung: An den
Beinen lagen sie eng an, im Schritt und um
die Hüften waren sie weit gehalten. Der
Schnitt zeigt also durchaus einige Ähnlichkeit mit modernen Reiterhosen. Wobei
der Ausdruck »Schnitt« nicht wirklich zu-
trifft, war doch die Schneiderschere zu jener Zeit noch gar nicht erfunden. Vielmehr
wurden die Einzelteile des Kleidungsstücks
auf einem Webstuhl in Form gewebt und
dann zusammengenäht.
Der Fund ist einer der bisher bedeutendsten im Rahmen des Forschungsprojekts »Silk Road Fashion«, gefördert durch
das BMBF im Schwerpunkt »Sprache der
Objekte«. | Hakan Baykal
Pfahlbauten und
Gletscherfunde in Bern
»Die Pfahlbauer – Am Wasser
und über die Alpen«
Unter diesem Motto lockt derzeit das
Bernische Historische Museum (BHM) Archäologiebegeisterte auf einer Fläche von
1200 m2 in seinen modernen Ausstellungsbau. Es geht um das reiche schweizerische
Weltkulturerbe in den Seen und Mooren,
aber auch um neue, Aufsehen erregende
bis zu 6500 Jahre alte Gletscherfunde aus
dem Berner Oberland. Zusammen mit
Grab- und Versteckfunden entwickelt sich
hier eine umfassende Gesamtschau der
neolithischen und bronzezeitlichen Kulturen zwischen Mittelland und Alpenhauptkamm.
Anlass für diese große und sehenswerte Ausstellung des BHM und seines Kooperationspartners, des Archäologischen
Dienstes des Kantons Bern, gab einerseits
das seit 2011 auf Antrag der Schweiz eingerichtete Weltkulturerbe von 111 Pfahlbaustationen rund um die Alpen. Andererseits kommen seit 2003 am Schnidejoch aus dem schmelzenden Gletscher prähistorische Funde zum Vorschein, darunter
ein jungsteinzeitlicher Pfeilbogen und ein
Hosenbein aus pflanzlich gegerbtem Hausziegenleder. Die vom Eis freigegebenen
Gegenstände werden hier zum ersten Mal
gezeigt. Sie stellen zweifellos ein Highlight
der Sonderausstellung dar.
Die vielgestaltige materielle Kultur dieses spezifisch bernischen Pfahlbauzeitalters, genannt seien hier nur das älteste
ganz erhaltene Brot aus der Jungsteinzeit
oder reiche frühbronzezeitliche Grabfunde vom Thuner See, wird exzellent hinterlegt mit anschaulichen Modellen, Figurinen und großformatigen Leuchtbildern.
Im Museumspark entstehen derzeit
zudem noch zwei experimentelle Pfahl-
bauhäuser im Originalmaßstab, daneben
sprießen prähistorische Getreidearten auf
einem Acker. Markus Binggeli schließlich
zeigt in seiner hier eingerichteten Bronzewerkstatt, wie Fundstücke aus einem frühbronzezeitlichen Grab mit damaligen Arbeitstechniken hergestellt werden.
Die Ausstellung läuft noch bis 26. Oktober. Info unter www.bhm.ch
| BHM/AiD
a R u B - archäologische Reisen und Bildung, Dr. phil. Beate Veil, Auguste-Ravenstein-Weg 59, 30657 Hannover,
Tel.: 0511/6069791, E-Mail: [email protected]; www.arub.net
Die 3200 Jahre alten
Reiterhosen lassen
funktionelle Ähnlichkeiten mit moderen
Exemplaren erkennen.
„Auf kulturhistorischen Spuren im Elsass und in Burgund.“: 16.06.–24.06.2014.
„Archäologische Entdeckungsreise auf den Orkney-Inseln“: 15.07.–22.07.2014.
„Von Ankara zu den Hethitern u. Phrygiern in Zentralanatolien“: 17.09.–22.09.2014.
„Ägypten in der Schweiz: Zürich–Basel–Genf “: 21.11.–23.11.2014.
„Auf den Spuren der Minoer“: 29.09.–13.10.2014.
Archäologie in Deutschland 4 | 2014
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Titelthema | Augustus in Germanien
gustus so zu benennen. Niemanden, dessen Machtgrundlage offiziell nur zehn
Jahre gültig war, kann man als Kaiser bezeichnen. Augustus war Princeps, der
Erste im Gemeinwesen, ohne den dieses
allerdings nicht funktionieren konnte.
In den folgenden Jahren wurde seine Stellung weiter ausgebaut; 23 v.Chr.
trat er von seinem Dauerkonsulat zurück, erhielt aber dafür die Amtsgewalt
eines Volkstribunen, womit er in Rom
politisch handlungsfähig blieb, wenn
auch mit Einschränkungen. Dazu verlieh man ihm das Recht, sich im Konfliktfall gegenüber den Prokonsuln in
den Provinzen durchzusetzen. Doch erst
19 v.Chr. wurde ihm, nach krisenhaften
Erscheinungen vor allem bei den Wahlen zum Konsulat, der immer noch politisch entscheidendsten Magistratur, eine Amtsgewalt wie ein Konsul (imperium consulare) ohne jede Einschränkung
verliehen. Damit konnte er zwar rechtlich auch nur wie ein Konsul agieren;
doch angesichts seiner gesamten sonstigen Machtfülle – dem Kommando
über zahlreiche Provinzen mit den dort
stationierten Legionen, seinen gewaltigen finanziellen Ressourcen und seiner
großen Klientel im gesamten Reich –
wagte niemand mehr, sich seinen Ansichten zu widersetzen. Augustus bezeichnet diese machtvollen Möglichkeiten in den Res gestae als seine auctoritas, seine Autorität, worin ihm niemand
gleichgekommen sei. Doch diese auctoritas ruhte eben auf einer konkreten
Machtbasis, mit der keiner konkurrieren konnte.
Gestalter der Welt – Eroberer Germaniens
Rom im Herbst 13 n.Chr. Augustus, den die gesamte Mittelmeerwelt mitsamt den
angrenzenden Ländern als ihren Herrn kannte, fühlte, dass sich seine Zeit dem Ende
zuneigte. Er vollendete einen Bericht über das, was er im Laufe von 57 Jahren für
das Römische Reich und seine Bewohner, vor allem die römischen Bürger, geleistet
hatte, seine Res gestae, seinen Tatenbericht.
Von Werner Eck
D
arin spricht er in den Kapiteln 27
bis 33 auch von all den Erfolgen,
die er an den Grenzen des Imperiums erreicht hatte. Gegenüber den Parthern an der Ostgrenze hatte er ohne direkte kriegerische Konfrontation einen
imponierenden diplomatischen Sieg errungen, andere Könige erbaten seine Hilfe, um sich weiterhin an der Herrschaft
zu halten. Doch vor allem betont er seine territorialen Erfolge, wodurch er das
Reich vergrößert habe. Alle Provinzen,
an die Völker grenzten, die Rom noch
nicht gehorchten, habe er erweitert. Ägypten sei erobert, der Alpenraum eingegliedert, der Donauraum unterworfen,
die spanischen und gallischen Provinzen einschließlich Germaniens bis zur
Elbe seien befriedet worden. Jeder historische Atlas zeigt eindringlich, dass
sich das Territorium des römischen Imperiums am Ende von Augustus’ Herrschaftszeit gegenüber den letzten Jahren
der Republik fast verdoppelt hatte.
Gaius Octavius
57 Jahre hat Imperator Caesar Augustus, wie sein Name seit dem Jahr
27 v.Chr. lautet, die römische Politik entscheidend mitbestimmt. Zum ersten Mal
betrat er die öffentliche Bühne aktiv im
Jahr 44 v. Chr., wenige Wochen nach
Caesars Ermordung am 15. März – im
Alter von 19 Jahren. Als Grund führt er
an, er habe das römische Gemeinwesen,
die res publica, von der Tyrannei einer
Clique befreien wollen. Doch das entscheidende Motiv war ein sehr persönliches und sehr römisches: Der verstorbene Diktator Caesar hatte seinen jungen Großneffen Gaius Octavius (wie Augustus’ Name bis zum Jahr 44 v. Chr.
lautete) in seinem Testament adoptiert
18
Archäologie in Deutschland 4 | 2014
und ihm drei Viertel seines Vermögens
vermacht. Das beinhaltete nach den Vorstellungen der Zeit nicht nur die Übernahme des Namens, sondern auch die
Fortführung der politischen Erbschaft
des Verstorbenen. Da Caesar ermordet
worden war, musste sein Sohn vor allem
die Rache an den Mördern vollziehen.
Dies aber war nur möglich, wenn er sich
selbst eine Machtposition schuf, was er
auf skrupellose Weise getan hat. Er suchte sich Partner, die über militärische oder
politische Macht verfügten, tat sich zeitweise sogar mit Caesarmördern zusammen. Doch entscheidend war seine Verbindung mit zwei ehemaligen Anhängern Caesars: Er schloss im Herbst 43
mit Marcus Antonius und Aemilius Lepidus, die lange Zeit unter Caesar gedient
hatten, den so genannten Triumvirat, ein
Bündnis, dessen Hauptzweck die Rache
für Caesar war. Die Triumvirn aber ließen sich gleichzeitig die Aufgabe übertragen, das Gemeinwesen zu ordnen, natürlich nach ihren Vorstellungen und zur
Absicherung ihrer eigenen Stellung.
Münze unter Caligula
geprägt; auf der Vorderseite Germanicus auf
dem Triumphwagen.
Von der Entscheidungsschlacht bei
Actium 31 v. Chr. ...
Die Schlacht bei Philippi im Jahr 42
war Teil der Rache für Caesar; in den folgenden Jahren bauten Octavian und Marc
Anton nach Ausschaltung des Lepidus ihre Machtpositionen aus, ohne dass wir
heute erkennen könnten, welche genauen Vorstellungen sie über die zukünftige
Ordnung der res publica und ihre eigene
Stellung hatten. Dass beide dort nebeneinander agieren könnten, wurde allerdings
Schritt für Schritt recht unwahrscheinlich.
Die Entscheidung brachte die Seeschlacht
von Actium im Herbst 31 v.Chr. Es war
der letzte Akt der Bürgerkriege zwischen
Octavian und Marc Anton; doch da dieser engstens mit der ägyptischen Herrscherin Cleopatra liiert und wesentlich auf
ihre Ressourcen angewiesen war, wurde
die Auseinandersetzung als Kampf Roms
gegen die Bedrohung durch eine orientalische Königin stilisiert. Der Sieg bei Actium und die Einnahme Ägyptens im folgenden Jahr machte Octavian endgültig
zum alleinigen Machthaber im Römischen Imperium.
... zum princeps inter pares
In seinen Res gestae formulierte Augustus später, er habe damals die gesamte
Macht in Händen gehabt. Doch habe er
schließlich 28 und 27 v.Chr. die Verfügung über das Gemeinwesen wieder an
Senat und Volk von Rom zurückgegeben, also in die Hände der »verfassungsmäßigen« Organe der Republik.
Was so mit dürren Worten beschrieben
wird, verdeckt einen längeren schwierigen Prozess, in dem eine Form gefunden
wurde, die es erlaubte, von Rom wieder
als einem Gemeinwesen, einer res publica, zu sprechen und gleichzeitig Octavians zentrale Machtstellung als Erster
innerhalb der res publica, als Princeps,
nach Regeln zu gestalten, die als republikanisch ausgegeben werden konnten
und es in gewisser Hinsicht auch waren.
Octavian gab tatsächlich seine absolute
Verfügungsgewalt auf, behielt allerdings
den Konsulat, also die zentrale Magistratur der Republik, den er im Jahr 27 zusammen mit Agrippa, seinem engsten
Vertrauten, Berater und Strategen, führte. Offiziell drängte ihn der Senat, weiterhin Verantwortung zu übernehmen.
Das mündete in den »Kompromiss«,
dass Octavian die Leitung mehrerer großer Provinzkomplexe für die nächsten
zehn Jahre übernahm: der Iberischen
Halbinsel, ganz Galliens und Syriens sowie der Insel Cypern und Ägyptens. Begründet wurde die Zuweisung der Provinzen damit, sie seien erst noch zu befrieden, was gleichzeitig beinhaltete, dass
dort die Mehrheit aller Legionen statio-
Altersloses Porträt:
Marmorstatue des
Augustus von der
Via Labicana.
niert war. Alle anderen Provinzen sollten wie früher durch Los an Senatoren
mit der Amtsbezeichnung »Prokonsul«
vergeben werden. Für diesen Kompromiss wurde Octavian ein außergewöhnlicher neuer Name verliehen: Augustus
(der Erhabene). Seitdem lautete sein voller Name: Imperator Caesar Augustus.
Dies war ein voller römischer Name mit
Prae-, Gentil- und Cognomen. Keines
dieser Elemente hatte rechtlichen Inhalt,
sodass man es auch vermeiden muss,
Caesar als Kaiser zu verstehen und Au-
Innen- und außenpolitische Erfolge
Auf dieser rechtlich-politischen
Grundlage agierte Augustus in der Folgezeit, nicht immer sogleich erfolgreich.
Oft musste er auch Widerstände breiter
Bevölkerungskreise überwinden, etwa
als er gesetzlich verordnete, dass Römer
im Alter zwischen 25 und 60 sowie Römerinnen zwischen 20 und 50 verheiratet sein mussten, oder als er eine 5%-ige
Steuer auf Erbschaften einführte; aber
am Ende setzte er sich meist durch. Weit
freier als in der »Innenpolitik« war er bei
seinem Bestreben, das Römische Reich
nach außen zu schützen und auszuweiten. In der letzten Zeit der Republik hatte sich der Blick derer, die auf ErobeArchäologie in Deutschland 4 | 2014
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des Rheins erstreckte und in einer
Schnelligkeit mit Infrastruktur ausgestattet wurde, wie man das bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten hätte.
Zum einen wurden Zentralorte wie
Nijmegen, Köln oder Waldgirmes geschaffen, die für die Kontrolle der Provinzbevölkerung wichtig waren, zum andern wurde ein Provinziallandtag eingerichtet, zu dem Stämme der linken und
rechten Rheinseite ihre Delegierten entsandten. Das Kultzentrum für den Landtag wurde im oppidum Ubiorum eingerichtet, wo es den Kern des von römischen Truppen erbauten Zentralorts bildete. 9 n.Chr. amtierte dort der Cherusker Segimundus als vom Landtag gewählter Priester. Ebenfalls im Zentralort
der Ubier wurde eine Steuerverwaltung
aufgebaut, von der Sklaven und Freigelassene des Augustus bezeugt sind. Diese Finanzadministration kümmerte sich
auch um den Einzug der Abgaben, die
von den Pächtern von Metallbergwerken
wie dem im sauerländischen Brilon abzuführen waren.
rungen setzten, vor allem nach Osten gerichtet; auch Caesar hatte einen Krieg gegen die einzige Großmacht im Osten, die
Parther, geplant; Marcus Antonius hatte
sich wenig erfolgreich in dieses Abenteuer eingelassen. Solchen Plänen erteilte Augustus schließlich eine Absage.
Mit den Parthern kam es 20 v. Chr. zu
einem diplomatischen Ausgleich, der in
Rom wie ein gewaltiger Sieg gefeiert
20
Archäologie in Deutschland 4 | 2014
wurde. Doch dieser Erfolg erlaubte es
Augustus und Agrippa, Pläne zu verfolgen, die auf andere Territorien zielten,
vor allem an Rhein und Donau. Die frühesten militärischen Unternehmungen
im Westen sollten die römische Herrschaft im Norden der Iberischen Halbinsel vollenden. Dies gelang Agrippa bis
zum Jahr 20 v.Chr. Danach aber wurden
offensichtlich Pläne entworfen, wie der
Karte des augusteischen römischen Imperiums.
Alpenbogen, der gesamte Balkan bis zur
Donau sowie die Gebiete nördlich und
östlich des Rheins, in die direkte römische Herrschaft einbezogen werden
könnten. Die Eroberung des Alpenbogens zwischen 16 und 15 v.Chr. war ein
wichtiges »Vorspiel«, dem dann ab 13
bzw. 12 v. Chr. die Hauptaktionen auf
dem Balkan und am Rhein folgten. Primäres Ziel war dabei zunächst das Vordringen zur Donau und die Öffnung des
Landwegs nach Osten über den Balkan;
dies beweist vor allem die Tatsache, dass
dort Agrippa das Kommando übernahm
bzw. nach seinem unerwarteten Tod im
Frühjahr 12 v.Chr. der ältere der beiden
Stiefsöhne des Augustus, Tiberius. Tatsächlich gelang es den römischen Heeren von Illyricum aus den Raum bis zur
Donau in wenigen Jahren – scheinbar –
zu unterwerfen, noch etwas früher, als
dies Drusus und in seiner Nachfolge Tiberius am Rhein geschafft hatten. Auf
dem Balkan wurden bald neue ProvinBleibarren mit dem Pro- zen gegründet: Dalmatien, Pannonien,
duzentennamen L. FlaMösien. Am Rhein entstand nur die eivius Verucla; das Blei
ne Provinz Germania, die sich seit Tibewurde vermutlich im
Sauerland gewonnen.
rius’ Triumph 7 v.Chr. auf beiden Seiten
Divus Augustus
Diese weit fortgeschrittene Durchdringung des rechtsrheinischen Raums
wurde durch die Vernichtung des römischen Heeres unter Varus zunächst gestoppt; doch dachte Augustus nie daran,
das einmal eroberte Gebiet wieder aufzugeben. Er beauftragte zunächst Tiberius, dann Germanicus, den Sohn seines Stiefsohnes Drusus, mit der Wiedereroberung, die bei seinem Tod noch
nicht abgeschlossen war. Falls er tatsächlich Tiberius, der seit 4 n.Chr. sein
Adoptivsohn war, den Rat gegeben haben sollte, das Reich nicht auszuweiten,
sondern innerhalb der erreichten Grenzen zu halten, dann hat er dabei nicht
den Rhein als Grenze angesehen, sondern ganz selbstverständlich das germanische Territorium bis zur Elbe als
Teil des Imperiums einbezogen. Als Augustus am 13. August 14 n.Chr. im campanischen Nola starb, ging er davon aus,
dass die Ausweitung des Reichs, die seine Politik am Rhein erreicht hatte, Be-
Das goldene
Antlitz
des unbekannten
Makedonenkönigs
Porträt des Tiberius
als princeps der römischen Bürgerschaft in
der Togatracht.
stand haben würde. Er hätte es seinem
Nachfolger Tiberius nie verziehen, dass
dieser aus Gründen, die mit seinem
Misstrauen gegenüber Germanicus zusammenhingen, die vollständige Wiedereroberung des rechtsrheinischen Germaniens aufgegeben hat. Doch gegen die Entscheidung seines Nachfolgers war selbst
der unter die Götter versetzte Augustus,
der divus Augustus, machtlos.
24.7.
bis 16.11.2014
Makedonen und Kelten
am Ohrid-See –
ein Zusammenprall der Kulturen?
Im Erlet 2 | 85077 Manching | Tel. 08459 32373-0 | Fax -29 | www.museum-manching.de
Öffnungszeiten Di – Fr 9.30 –16.30 | Sa, So, Feiertag 10.30–17.30 Uhr | Mo geschlossen
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