Aktueller Kommentar Mosambik: Eine Wachstumsstory mit Potenzial 17. Juni 2014 Die Wachstumsprognose von 8% p.a. für die nächsten fünf Jahre basiert auf dem Reichtum an Bodenschätzen, der Entwicklung der Infrastruktur nach dem 30-jährigen Bürgerkrieg und dem günstigen makroökonomischen Umfeld. Das Land im südlichen Afrika hat jedoch ein sehr geringes Pro-KopfEinkommen (USD 655). Eine der größten Herausforderungen besteht jetzt darin, die großen Rohstoffvorkommen zu erschließen, insbesondere den Erdgassektor, sodass sie der Bevölkerung insgesamt zugutekommen und zu einem nachhaltigen Wachstum führen. Von Entwicklungshilfe zu ausländischen Direktinvestitionen Mosambik hat sich von dem brutalen Bürgerkrieg von 1977 bis 1992 (nach Erlangung der Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1975) erholt. Seit Mitte der 1990er Jahre befindet es sich auf einem robusten Wachstumspfad mit einem durchschnittlichen BIPWachstum von 7% in den letzten zehn Jahren und damit einer der höchsten Wachstumsraten der Welt. Der Kohlebergbau, die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und die Entwicklung des Erdgassektors dürften in den nächsten fünf Jahren wichtige Wachstumstreiber sein. Finanzdienstleistungen und der Bausektor sind ebenfalls stark wachsende Sektoren. Die Entwicklungshilfe trägt weiterhin 1/3 zu den Fiskaleinnahmen bei, dürfte sich jedoch verringern (s. Grafik). Dies ist z.T. auf die Budgetbeschränkungen der Geberländer und die Befürchtungen hinsichtlich der Führungsstrukturen in Mosambik zurückzuführen. Gleichzeitig wurde das Land zu einen bevorzugten Ziel für ausländische Direktinvestitionen (ADI) in Afrika (2013: Rang 3); in den Jahren 2012 und 2013 zog es USD 5 Mrd. an, ca. 1/3 des BIP, vor allem aufgrund der riesigen Kohlevorkommen und OffshoreGasfelder sowie der Entwicklung der Infrastruktur. Mosambiks Infrastrukturprojekte belaufen sich gegenwärtig auf ca. USD 32 Mrd., wobei sie sich hauptsächlich auf die Entwicklung der Straßenund Schienennetze zwischen den Kohlefeldern und die Erweiterung der Hafenanlagen konzentrieren. In der Tat ist das Transportwesen eine Herausforderung für die internationalen Unternehmen, die in Mosambik tätig sind, und hier insbesondere die unzureichenden Eisenbahnverbindungen zwischen der kohlereichen Tete-Provinz im Nordwesten und Beira, dem Haupthafen für Kohleexporte. Der in Brasilien ansässige Bergbaukonzern Vale investiert in einen USD 6,5 Mrd. Terminal und eine 900 km lange Schienenfrachtverbindung, die ihren Kohleabbau in dieser Provinz mit dem Tiefseehafen in Nacala im Nordosten des Landes verbindet. Mosambik hofft, seine Kohleexporte bis zum Jahr 2015 zu verdoppeln (von 3 Mio. Tonnen 2012). Für die nächsten Jahre wird ein starker Anstieg der Kohleexporte prognostiziert (s. Grafik). Das dürfte dazu beitragen, das Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren. Seite 1 von 4 Aktueller Kommentar Hohe und steigende Leistungsbilanz- und Budgetdefizite Mit über 40% des BIP ist das Leistungsbilanzdefizit strukturell hoch, was auf die hohen Importe zurückzuführen ist, die für die kapitalintensiven Großprojekte im Bergbau- und Energiebereich erforderlich sind. Das Defizit wird jedoch zum Großteil mit ADI finanziert (s. Grafik) und dürfte die makroökonomische Stabilität nicht gefährden. Kohle dürfte im Jahr 2015 die Rolle von Aluminium als Hauptexportprodukt übernehmen (27% gg. 21%, vs. 17% und 24% prognostiziert für 2014). Südafrika ist bei Weitem der größte Handelspartner von Mosambik (ca. 1/3 der Exporte und Importe). Die EU, China und Indien sind ebenfalls große Handelspartner, und Portugal und Brasilien haben weiterhin starke geschäftliche, politische und persönliche Beziehungen zu Mosambik. Obwohl das Land zunehmende Unabhängigkeit von der Entwicklungshilfe gewinnt, muss es sich teurer verschulden, wenn auch zum großen Teil zu konzessionären Bedingungen. Prognosen zufolge dürfte die öffentliche Verschuldung 2014 47% des BIP ausmachen (nach 43% 2013). Der Anstieg des Budgetdefizits ist vor allem auf die Infrastrukturinvestitionen zurückzuführen, die zur Weiterentwicklung der mineralgewinnenden Industrie notwendig sind, resultiert jedoch auch aus den Ausgaben im Vorfeld der Wahlen, dem Anstieg der Löhne und den Ausgaben für die Sicherheit des Seeverkehrs. Leichte Volatilität in einem insgesamt stabilen politischen Umfeld Nach Einschätzung politischer Beobachter dürfte die wichtigste politische Kraft seit Mosambiks ersten demokratischen Wahlen 1994, die Front zur Befreiung von Mosambik (Frelimo), die Parlamentswahlen im Oktober gewinnen. Es wird erwartet, dass Filipe Nyussi, der frühere Verteidigungsminister und Präsidentschaftskandidat der Frelimo, die Position von Staatspräsident Armando Guebuza einnehmen dürfte. Zusammenstöße mit Anhängern der größten Oppositionspartei Renamo haben seit April 2013 zu zahlreichen gewalttätigen Übergriffen geführt, aber die Verhandlungen zu Beginn des Jahres trugen zum Abbau der Spannungen bei. Der langjährige Renamo-Führer Afonso Dhlakama gab am 23. Mai seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen bekannt, was sich positiv auf einen Friedensdialog auswirken könnte. Unerschlossenes Mineralien- und Agrarpotenzial Mit seinen umfangreichen unerschlossenen Kohlereserven (20 Mrd. Tonnen) hat Mosambik das Potenzial, größter Kohleproduzent Afrikas zu werden. Auch die jüngsten Gaserschließungen an der Küste stärken die Hoffnung Mosambiks, bis zum Jahr 2020 einer der größten Exporteure von verflüssigtem Erdgas zu werden. Die geografische Lage und lange Küstenline erlauben leichten Zugang zu den anderen Ländern Afrikas sowie Ostasiens. Zudem verfügt Mosambik über umfangreiche Wasserkraftressourcen und riesige Flächen von Ackerland, die zum Großteil ungenutzt sind. Herausforderungen für die Entwicklung Trotz des robusten Wirtschaftswachstums hat Mosambik große Defizite, die sich auf die Beschäftigungssituation, das Bildungswesen, den Gesundheitssektor und die Infrastruktur beziehen. Das Land verzeichnet eine der deutlichsten Verbesserungen in der menschlichen Entwicklung und bezogen auf das pro Kopf-Einkommen (4,5% Wachstum gg. Vj. seit 2010 gegenüber einem durchschnittlichen Wachstum von 2,4% für Afrika südlich der Sahara), nimmt aber immer noch Rang 185 im UN-Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index) ein, der 187 Staaten erfasst, (gegenüber Rang 152 für Tansania und Rang 148 für Angola). Die Lebenserwartung beträgt lediglich 50 Jahre (Durchschnitt in den Ländern Subsahara-Afrikas: 55), die durchschnittliche Zahl der Schuljahre 1,2 Jahre (Durchschnitt Subsahara-Afrika: 4,7), und 60% der der Bevölkerung lebt von weniger als USD 1,25 pro Tag (Durchschnitt Subsahara-Afrika: 48,5%). Mosambik steht vor der Herausforderung, die kapitalintensiven Megaprojekte und die Entwicklung der schwachen traditionellen Sektoren wie z.B. die Landwirtschaft, die 80% der Beschäftigung umfasst und 30% des BIP ausmacht, miteinander zu vereinbaren. Aufgrund der unzureichenden Infrastruktur (insbesondere Transportwesen und Stromversorgung) und des fehlenden Zugangs zu Krediten und Märkten sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwach (Rang 139 Seite 2 von 4 Aktueller Kommentar von den 189 Ländern im Doing Business Survey 2014). Wie die übrigen Länder der Region weist Mosambik bezogen auf die Governance-Indikatoren eine schwache Einstufung auf. Es rangiert auf dem unteren 33. Perzentil im Indikator der Weltbank zur Korruptionsbekämpfung (vs. Kenia:12., Tansania: 22. und Ruanda: 73.). Der IWF unterstützt das Land und hat ihm eine 3-jährige PSI (Instrument zur Unterstützung der Politik) gewährt. Eine freie Presse, eine aktive Zivilgesellschaft und demokratische Wahlen sprechen für eine allmähliche Stärkung der Institutionen. Kann Mosambik dem Ressourcenfluch entkommen? Die allgemeine Unzufriedenheit, dass das robuste Wachstum nicht weiteren Bevölkerungskreisen zugutekommt, dürfte sich durch den Rohstoff-Boom noch verstärken. Die kommerzielle Entwicklung der Kohle- und Gasvorkommen werden den Wohlstand des Landes nach Angaben der Weltbank mehr als verdoppeln. Die steigenden Exporte aus dem Bergbau und in einigen Jahren aus Erdgas könnten das Risiko einer geringen wirtschaftlichen Diversifizierung, volatiler Einkünfte und Holländischer Krankheit jedoch verstärken. Mehrere Aspekte sprechen dennoch für eine positive Entwicklung Mosambiks. Die Regierung hat eine ehrgeizige politische Agenda einschließlich der Bewältigung der sozialen Problematik und der Förderung ausländischer Direktinvestitionen. Sie hat einen strategischen Fünfjahresplan eingeführt, um das Geschäftsumfeld zu verbessern. Der Regierung ist es gelungen, die Gewinne aus den Erdgasfunden von 2011-2013 vorzuziehen, sodass sie die Kapitalertragsteuer von ca. USD 1,3 Mrd. erheben konnte. Außerdem hat die Verarbeitende Industrie wachsende Bedeutung erlangt und einen BIP-Anteil von 15% erreicht (Stand 2011) gegenüber z.B. 3% in Angola. Mosambik verfügt über gute Möglichkeiten, die vor- und nachgelagerten Verbindungen aus dem Ressourcenbereich zu stärken, besonders den Erdgas- und Agrarsektor – beispielsweise durch die Entwicklung des Nahrungsmittelsektors, der Düngemittelindustrie und der Elektroindustrie. Die Regierung hat die Chance, die richtige Balance zwischen staatlichen Investitionen und fiskalischer Tragfähigkeit einerseits und den Erwartungen der Bevölkerung und dem Investoreninteresse andererseits zu finden. Wenn es Mosambik gelingt, einen größeren Anteil seiner Rohstoffeinnahmen in Human- und Sachkapital zu investieren, ist die Zukunft des Landes vielversprechend, auch wenn der Fortschritt bezüglich der Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes, der Infrastruktur und der Effizienz der Regierung nur allmählich erfolgen dürfte. Mehr dazu: Agricultural value chains in Sub-Saharan Africa: From a development challenge to a business opportunity Äthiopien: Der afrikanische Tiger Sub-Saharan Africa: A bright spot in spite of key challenges Angola diversifiziert seine öldominierte Wirtschaft Foreign investment in farmland: No low-hanging fruit Die Aktuellen Kommentare im Audio-Format finden Sie hier... Autor: Dr. Claire Schaffnit-Chatterjee (+49) 69 910-31821 mehr zum Research-Bereich Emerging Markets/Länderrisiko Aktuelle Kommentare - Archiv Seite 3 von 4 Aktueller Kommentar © Copyright 2014. Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“ gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. 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