Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:12 Uhr Seite 46 "Es wirkt viel kleiner als früher", murmelt Roy. Klar, große Bauwerke wirken als Kind immer viel imposanter. Dennoch, der mystische Ort beeindruckt. Wie vielerorts fingen die Menschen im Neolithikum der Jungsteinzeit hier um 5.000 vor Christus an, kreisförmige Tempelanlagen aus Holz zu errichten, diese verrotteten rasch. Kein Wunder bei dem britischen Wetter. Das besondere an Stonehenge war, dass man um 2.500 vor Christus diese Holzanlage durch einen Steinbau austauschte. 800 Jahre brauchten die Menschen, bis das Bauwerk heutige Ausmaße erreichte. “Wie haben die das nur gemacht?”, fragt man sich oft, ohne Räder, ohne Maschinen. Nun, ganz so schwierig war das nicht. Dass die Menschheit in dieser Zeit schon zu ganz anderen Leistungen fähig war, beweist der Bau der Pyramiden von Gizeh. Die große Cheops Pyramide entstand auch um 2.500 vor Christus in vergleichsweise kurzer Zeit. Zum Bau von Stonehenge wurden Sarsen- und Blausteine verwendet. Die riesigen Sarsensteine, bis zu 40 Tonnen schwere Sandsteinkolosse, fand man etwa 30 Kilometer entfernt in den Marlborough Downs. Von hier aus war es möglich, die Findlinge in zwölf Tagen auf Schlitten oder Holzpfählen in die Ebene von Salisbury zur Stonehenge Baustelle zu ziehen. Etwa 200 Mann waren dazu nötig. Die kleineren Bausteine hingegen kamen von weiter her. Deren Heimat sind die Preseli Berge 240 Kilometer von Stonehenge entfernt, im Westen von Wales. Über die Art des Transports weiß man nichts. Es gibt lediglich Vermutungen. Waren hier gar Obelixe am Werk? Problematisch war auf jeden Fall der Weg um den Bristol Kanal, der Südwales von Südengland trennt. Oder gab es diesen vor 4.000 Jahren noch nicht? Unsere Reise folgt dem Weg der Steine. Wir überqueren die trichterförmige Atlantikbucht nahe Newport, wo sich der Fluss Severn ins Meer ergießt. An dieser Stelle, am “Mouth of the Severn”, herrschen die zweitstärksten Gezeiten der Welt. Auf der anderen Seite betreten wir Wales. 46 47 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:13 Uhr Seite 48 Auf den Preseli Hills weiden heute Schafe. Das mag in der Jungsteinzeit auch schon so gewesen sein, denn Schafe und Ziege gehörten, aus dem Orient kommend, zu den ganz frühen Haustieren der Menschheit. Und es sind eben diese Schafe, deretwegen wir gemeinsam mit Roy Edleston nach Wales gereist sind. Roy vertritt mit seiner Beratung Green Seed das Produkt “CIG OEN CYMRU”. Das ist walisisch und bedeutet Lammfleisch aus Wales. Es gibt viele Lämmer in Wales, sehr viele. Neun Millionen sind es insgesamt. Das Verhältnis Mensch zu Schaf beträgt eins zu drei. Dumme Schafe außen vor. Ihr Export ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der sonst vergleichsweise armen Region. 67% von Wales sind landwirtschaftlich genutzt. Davon sind 62% Weideland für Milchkühe und die Produktion von rotem Fleisch: Beef und Lamm. 27% der gesamten landwirtschaftlichen Produktion wiederum ist Lammfleisch. Und nur 4% davon verzehrt man im eigenen Land. Auf den Britischen Inseln werden historisch karge, für den Ackerbau ungeeignete Gebiete mit Tieren, guten Raufutterverwertern, besetzt. Anders als hierzulande, denn solche Regionen dienen in Deutschland zumeist der Waldwirtschaft. So ist denn auch das Bild dieser walisischen Kulturlandschaften von dieser Nutzung geprägt. Fährt man bei uns durch tiefe Wälder, so reist man in Wales durch eine Parklandschaft. Weideflächen, umringt von dichten Hecken und altem Baumbestand, legen sich über sanfte Hügel. Bis hinauf auf die kleinen Berge, dort, wo die Landschaft karstiger und rauer wird, weiden Schafe. Ein liebliches, von Harmonie geprägtes Landschaftsbild, zu dem die Tiere einfach gehören. Der Job eines Schaf-Farmers in Wales ist im Vergleich zu anderen Bauern recht “relaxed“. Schafe werden nicht der Milch wegen gehalten, so steht er nicht unter täglichem Melkdruck oder unter Erntedruck wie beim Feldanbau. Einst durch das Try-and-Error-Prinzip, heute durch selektive Zucht, haben sich viele lokale Lammformen herausgebildet. Diese sind an die mikroklimatischen Bedingungen einzelner Gegenden, ja jeder Farm teils über Jahrhunderte angepasst. Mountain Sheep sind härter und unempfindlicher als Lowland Sheep. Jede einzelne Farm hat unterschiedliche Gegebenheiten und so schwankt dann auch ihr Ertrag, wenn man das so nennen darf, je Acre. Im Schnitt können in den saftigen Talauen zehn Schafe auf einem Acre (entspricht 4.047 qm) weiden. Hingegen liefern im Hochland vier Acre gerade mal Nahrung für ein Tier. Dennoch sind alle Produkte im Geschmack recht ähnlich. Während trockene Kräuterweiden in Spanien Lammfleisch hervorbringen, das oft typisch “lammig“ schmeckt, oder die Salzwiesen ein Lammfleisch mit typischem Jodton, so liefern die Gras- und Kleeweiden in Wales ein mildes Fleisch, das dem üblichen deutschen Geschmack am ehesten entspricht. Das vom warmen Golfstrom beeinflusste milde Klima ermöglicht, die Tiere das ganze Jahr über auf der Weide stehen zu lassen. Nur wenige werden über den Winter eingestallt und nur dann, wenn diese Jahreszeit eine ungewöhnliche Härte zeigt. Einige Farmer sind in letzter Zeit dazu übergegangen, die Tiere im Winter von den Bergen herab in die Täler zu führen oder mit dem Lastwagen dorthin zu transportieren. Zudem wird im Winter Heu zugefüttert. Grundsätzlich gewährleistet das feuchte Wetter lange Wachstumsperioden der natürlichen Futterpflanzen. Deutlich wird, dass der Lammgeschmack weniger von der Rasse als durch die Ernährung beeinflusst wird. Dementsprechend ist dann auch das Fleisch von Juni bis Dezember, wenn alle Weiden kräftig grün sind, am besten. Unter Kennern allerdings gilt das auf den Bergen gezogene Schaf als das Beste. Denn hier gedeihen andere würzigere Gräser als im Tal. Bei Beef und Lamm herrschen traditionelle Waliser Rassen vor. Beef Farmer bevorzugen Welsh Black, ein robustes, ruhiges und schweres Tier. Dieser Rasse wächst im Winter ein dichtes Fell, das im Frühjahr abgelegt wird. Zudem findet man Rinder der Rasse Hereford, benannt nach einer Stadt nahe der walisischen Grenze, aber auch Limousin und Charolais. Auch der Schafbestand setzt sich größtenteils aus walisischen Urrassen und deren hybriden “Halfs Breeds” zusammen. Das Welsh Black Mountain ist ein kleines schwarzes Bergschaf. Seit dem Mittelalter eine begehrte Fleisch- und Wollrasse. Die Widder tragen imposante Hörner auf ihrem unbehaarten schwarzen Kopf. Das Fell ist braunschwarz. Die nicht behornten Weibchen lammen einmal jährlich zwischen Februar und März. 48 Eine Highland Schaffarm. Robuste Rassen sind auf den Bergen gefragt. Einst bevorzugte man schwarze Schafe, da diese im Winter bei Schnee leichter aufzufinden waren. 49 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:13 Uhr Seite 50 Ebenfalls eine uralte Rasse ist das Welsh (White) Mountain. Mit extrem dichter Wolle ist es an unwirtliche Gegenden angepasst. Selbst extreme Kälte und Nässe sind kein Problem. Diese Eigenschaften, robuste Gesundheit, Unempfindlichkeit, hohe Milchleistung, somit hohe Überlebensrate der Lämmer, wurden in viele andere Rassen eingekreuzt. Eine davon ist das Welsh Mule, ein Hybrid, der in den 1970er Jahren entwickelt wurde. Guter Fleischansatz und Großrahmigkeit gepaart mit den robusten Tugenden alter Rassen zeichnen dieses Schaf aus. Das hübsche Beulah Speckled Face ist ebenfalls ein Bergschaf, das seit mehr als hundert Jahren gezüchtet wird. Das Schaf trägt weiße Wolle, der unbehaarte Kopf ist schwarz-weiß gefleckt. Die Wolle und das Fleisch sind von guter Qualität. Als letzte wichtige Rasse ist das Lleyn zu nennen. Das von der gleichnamigen Halbinsel stammende Schaf wurde seiner Wolle wegen gezüchtet. Heute wird die Rasseneigenschaft "Gute Muttertiere", besonders hohe Milchleistung und ein ruhiger Charakter, für Crossbreeds geschätzt. Kein goldenes Vlies Ach ja, die Wolle! Wirtschaftlich kommt ihr heute keinerlei Bedeutung mehr zu. Anfang des letzten Jahrhunderts überstieg ihr Wert den Ertrag aus Fleisch und Milchverkauf bei weitem. Aber das war vor der Zeit der Kunstfaser und dem Baumwollboom. Ganz lange vorbei ist die Zeit da man mit der abgeschorenen Wolle, dem Vlies, Gold aus Bächen und Flüssen wusch. Heute kann ein Farmer froh sein, wenn er die Kosten für das Scheren wieder herausbekommt. Geschoren werden muss einmal pro Jahr, denn das Haar des Schafes wächst immer weiter. Ein Ergebnis der Domestizierung und der Zucht auf Wollertrag. Das Urschaf war noch in der Lage, sein Haarkleid selber zu wechseln. Heute versucht man durch das Einkreuzen sehr ursprünglicher Rassen oder Wildformen diese Eigenschaft wiederzuerlangen. Die Gefahr dabei ist, das auch die Fleischleistung sinkt, denn laut dem Mendelschen Gesetz fallen Weiterzüchtungen von Hybriden wieder auf die Eigenschaften der “Großeltern” zurück, sehr vereinfacht dargestellt. Ein zweiter Ansatz, ein schurloses Fleischschaf zu züchten, ist die Eigenschaft von Schafen mit ohnehin geringer Wollleistung weiter zu forcieren. Zum Vergleich: Milchrassen erzeugen im Durchschnitt ein Kilogramm Wolle, Wollrassen bis zu fünf Kilogramm pro Saison. 50 Exkurs Lamm und Schaf von Stephan Otto Als Lamm wird ein nicht ausgewachsenes Hausschaf bezeichnet. Lämmer sind bis zu einem Jahr alt. Neben Schwein, Rind und Ziege gehört das Hausschaf geschichtlich zu den ältesten Haustierarten. Heute geht man davon aus, dass alle Hausschafrassen vom armenischen Mufflon abstammen. Das Hausschaf ist ein sehr widerstandsfähiges und genügsames Tier. Es ist somit sehr anpassungsfähig an das Nahrungsangebot und an klimatische Bedingungen. Diese Vorzüge halfen dem Hausschaf in der weltweiten Verbreitung als Haustier. Schafe werden entsprechend ihrer Nutzung in verschiedene Gruppen eingeteilt. So wird unterschieden nach Wollschafen, Fleischschafen, Milchschafen, Pelzschafen und als Zweinutzungsrasse Woll-Fleisch-Schafe. Für den Gourmet sind die Fleischschafrassen interessant. In Europa werden heute überwiegend Fleischschafe gehalten, wobei die Fleischrassen nach ihrer Herkunft in englische, französische, holländische und deutsche Fleischrassen unterschieden werden. Führende Züchter für Fleischrassen verfolgen zwei Ansätze bei der Züchtung. Überwiegend werden die verschiedenen Fleischrassen miteinander gekreuzt. Einerseits um einen hohen Fleischanteil in den begehrten Teilen des Lammes zu erhalten, andererseits wird aber auch darauf hin gearbeitet, eine saisonale Empfängnisbereitschaft der weiblichen Tiere zu erreichen. Während die Empfängnisbereitschaft der saisonalen Rassen im Herbst ist, und die Lämmer somit im Frühjahr zur Welt kommen, kann die außersaisonale Schafrasse ganzjährig Lämmer produzieren. Die meisten Schafe gibt es in Asien. In Europa haben die Mittelmeerländer und Großbritannien ausgeprägte Schafkulturen, während in Deutschland die Schafzucht eine eher untergeordnete Rolle spielt. In Westeuropa wird fast ausschließlich das Fleisch von Lämmern genutzt. Als Milchlamm werden Lämmer bis zu einem Alter von sechs Monaten bezeichnet, die sich überwiegend von Muttermilch ernähren. Das Fleisch der Lämmer hat im Gegensatz zum Fleisch der Schafe einen sanften, leckeren Geschmack. Bei ausgewachsenen Schafen, insbesondere bei männlichen Tieren, wird der Geschmack für den westeuropäischen Gaumen zu streng, außerdem lässt die Zartheit des Fleisches nach. Wie bei jedem anderen Tier schmeckt man auch beim Lamm, was es selbst bzw. was das Muttertier gefressen hat. So unterscheidet der Gourmet oftmals die Lämmer nach ihrer Herkunft, die Auskunft darüber gibt, was die Lämmer gefressen haben. Als Beispiele sind hier das Pyrenäen-Lamm und das Salzwiesen-Lamm anzusprechen. Das Pyrenäen-Lamm ist berühmt für sein aromatisches Fleisch, welches durch die Freilandhaltung in den Pyrenäen mit ihrem Artenreichtum an Kräutern erreicht wird. Beim Salzwiesen-Lamm bezieht man sich auf die Freilandhaltung an der Küste. Die Lämmer werden auf den Wiesen in Küstennähe gehalten, die das Meersalz aufnehmen. Das Fleisch hat somit einen sehr angenehmen, leicht salzigen Geschmack. Neben diesen Geschmackseigenschaften ist aber die Hauptursache für die Beliebtheit des Lammfleisches unter Deutschlands Gourmets die sehr feine Fleischfaser, die zu hoher Zartheit und Saftigkeit führt. Im Gegensatz zu den Bestrebungen der Rinder- und Schweinezüchter, reinrassige Tiere für beste Gourmetqualität zu züchten, stellen anerkannte Schafs- bzw. Lammrassen für den Züchter nur das genetische Ausgangsmaterial für eigene Züchtungen dar. Die bekannten Fleischrassen werden verwendet, um zum einen im Lammbereich einen hohen Fleischanteil zu erreichen, zum anderen wird aber auch die Asaisonalität, also die ganzjährige Produktion von Lämmern, verfolgt. Oftmals wird in der Lämmerzucht nur der Bock von einer Fleischrasse genommen. Die Mutterschafe entstammen meist sogenannten Landrassen, die für einen bestimmten Landstrich stehen. Wichtiger ist die Definition von Lamm-Gourmetfleisch über den Züchter bzw. die Region. In der Region gibt es Züchtergemeinschaften, die nach einheitlichen Kriterien die Lämmer produzieren. Die Regionen stehen insbesondere auch für eine typische Fütterung, die dem Lamm den Geschmack verleiht. Welsh Lamb ist ein geschützter Begriff. Eine Protected Geographical Indication (PGI). Ähnlich wie Champagner oder Bresse Huhn dürfen sich nur Produkte "Welsh Lamb" nennen, die in Wales geboren und gefarmt wurden, auf zertifizierten Farmen aufgewachsen sind und in zertifizierten Betrieben geschlachtet und zerlegt wurden. Erkennbar ist dieses Fleisch am Qualitätssiegel. 51 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:13 Uhr Seite 52 CYMRU, auf englisch Wales, gehört zu den sechs keltischen Nationen. Schottland, Irland, Cornwall, die Bretagne und die Isle of Man gehören ebenfalls dazu. Wir durchqueren das Land, um eine der typischen Farmen zu besuchen. Alle Schilder zweisprachig. Keltisch wirkt fremdartig und bietet keinen Ansatz, den Sinn der Worte zu erahnen, auch wenn die Sprache zur indogermanischen Sprachfamilie gehört. Der walisisch-keltische Dialekt ist durchaus eine vitale Sprache, etwa 750.000 Menschen beherrschen ihn. Denn "Icymrisch" ist neben englisch auch Amts- und Schulsprache. Wie die deutsche Sprache hat auch Welsh stark variierende lokale Dialekte. Welsh for Beginners Lamm: OEN, Fleischer: CIGYDD, Fleisch: CIG, Eier: WY, Bäcker: SIOPFARA, Kaufen: PRYNA, Gemüse: LLYSIAU Die Römer bauten hier einst Kastelle und Legionslager. Bei Caerleon ist auch ein Amphitheater bestens erhalten. Die Angelsachsen hingegen eroberten Wales nie. Das hügelige Terrain war zu schwierig und die Bevölkerung zu wehrhaft. So konnte sich die walisische Sprache und Kultur erhalten. Erst 1282 besiegten die Normannen den letzten freien walisischen Fürsten. Die Zeit der Industrialisierung und Ausbeutung der walisischen Bodenschätze wie Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, Zink und Kohle brachte Unruhen. Aufgrund großer Kohlevorkommen, die küstennah bei den Häfen lagen, grub man tiefe Löcher in das Herz des Landes und der Menschen. Die Mine von Penrhyn galt Ende des 19. Jahrhunderts als das größste von Menschenhand gegrabene Loch im Erdboden. Widerstände gegen Ausbeutung, Maut und Unterdrückung der "faulen Waliser, die nicht einmal die englische Sprache kannten" führte zu Aufständen und Streiks, die blutig niedergeschlagen wurden. Wales wurde eine Hochburg der Sozialisten und Gewerkschaften. In Südwales liegt der Ursprung der Arbeiterbewegung und hier begann die industrielle Revolution. Das Ende der Industrie in Wales kam rasch, als der Diesel die Kohle betriebenen Dampfmaschinen in Schiffen, Fabriken und Eisenbahnen verdrängte. Wales wurde das Armenhaus Englands. Heute erinnert kaum noch etwas an diese Zeit. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes Gras über die Geschichte gewachsen. 52 Wir übernachten im Unicorn Hotel in Llanidloes. Ein romantischer Ort am Flüsschen Severn. Natürlich nehmen wir einen Drink im Pub, bevor wir Lammspezialitäten essen gehen. Roy Edleston Wir erreichen eine typische Farm in Mid Wales. Geleitet wird sie seit einigen Jahren von Kevin Brown, der zudem Zentraleinkäufer von Randall Parker Foods, einem der größten Schlacht- und Zerlegebetriebe für Lammfleisch ist. Das historische Haus wurde im späten 18. Jahrhundert erbaut und ist größtenteils mit antiken originalen Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Wir setzen uns zum Tee, den wir mit Milch serviert bekommen. Kevins Mutter hat den Tisch mit allerlei Köstlichkeiten gedeckt. Mom serviert uns Sandwiches mit Ham, der "etwas weiter runter an der Straße" produziert wird und Beef, das ebenfalls aus der Gegend stammt. Dazu gibt es Käse, Törtchen mit Erdbeeren und Welsh Cakes, ein traditionelles Gebäck, dessen Rezept seit Generationen weitergegeben wird. Für die Herstellung von Welsh Cakes braucht man ein offenes Feuer und eine "Griddle". Die ursprüngliche Form ist eine Metallplatte, in unserem Fall Gußeisen, die über dem Feuer erhitzt wird. Darauf gart man ohne Öl. Dieses rudimentäre Kochgerät findet man fast auf der ganzen Welt. Cake, anders als bei uns der trockene Keks, nennt man im englischen Sprachbereich eigentlich alles an süßem Gebäck und Kuchen. Der Welsh Cake ähnelt dem englischen "Scone" der auch zum Tee serviert wird. Die original walisische Bezeichung "AEPICE AR Y MAENAE", Küchlein in der großen Pfanne, charakterisiert die Köstlichkeit treffsicher. Mom hat für die Zubereitung 500 g Mehl, 2 TL Zucker, 1 TL Backpulver, 50 g Rosinen, 250 g lauwarme Butter, 1 Ei und 250 ml Milch bereitgestellt. Zunächst hat sie Butter, Mehl, Backpulver und Zucker zu Streuseln zerrieben. Danach gab sie die Rosinen, die Milch und das Ei hinzu und verknetete die Masse. Mit dem Rolling Pin, dem Nudelholz, wurde dann die Masse auf einer bemehlten Fläche 1 cm dick ausgerollt. Danach hat sie mit einer kleineren Schüssel ca. 10 cm große Teigscheiben ausgestochen. Diese wurden dann auf der Griddle ein paar Minuten auf jeder Seite gebacken. Die weib- 53 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:14 Uhr Seite 54 lichen Gäste am Tisch scheinen davon süchtig zu werden. Ein Cake nach dem anderen wird verputzt. Mein persönlicher Favorit allerdings sind die Lamm Pastetchen. Kleine Hefeteigtaschen mit Minced Lamb, Zwiebeln und Karotten gefüllt und mit Knoblauch, Pfeffer, Salz, Cumin und Curry abgeschmeckt und ausgebacken. Ein schöner Gruß aus der Kolonialzeit. Die Familie isst gerne Roasted Lamb, berichtet Mom. Kevin mag es gerne würziger. Für ihn hat sie eine scharf gewürzte Lamm Casserole erdacht. Philip erzählt. Sein Dialekt ist extrem und fast so schwer zu verstehen wie walisisch. Die Farm beherbergt auf 1.400 Acre 650 Schafe. Auf einer nahegelegenen Weide, die mit dem Quad angefahren wird, äsen 15 Monate alte Schafe. Ein Suffolk Bock durfte sich zu ihnen gesellen und sie zu zukünftigen Muttertieren machen. Nach einer Tragzeit von fünf bis sechs Monaten werden sie ihre ersten Lämmer gebären. Die etwa 150 Tiere erneuern den Bestand der Herde. Nach dem fünften Lammen zeigen die Muttertiere deutliche Alterserscheinungen. Es fallen Zähne aus und die Winterzeit setzt ihnen deutlich zu. Mit der kleinen Herde ist die Farm wie viele Farmer "understocked" – unterbesetzt. Weit mehr Ertrag wäre möglich. Eine kleine Farm, so wie die Familienbetriebe der Nachbarschaft auch. Einst wurde in der Gegend Milchwirtschaft betrieben. Doch immer mehr Bauern trennen sich aus wirtschaftlichen Gründen von ihren Milchkühen. Ein Problem, das wir nur allzu gut auch aus Deutschland kennen. Der Wechsel zur Schafhaltung ist eine der wenigen Ausweichmöglichkeiten, da Ackerbau hier nur unzureichende Erträge liefert. Auch auf dieser Farm hat der Vater des Gastgebers zunächst eine Milchfarm aufgebaut, wechselte dann zu Fleischrindern und Schafen, bis er sich schließlich auf die Schafsfleischzucht konzentrierte. Die große Liebe von Kevins verstorbenem Vater Derek gehörte den Sheep Dogs, mit denen auch heute noch auf der Farm gearbeitet wird. Derek nahm mit seinen Hunden an zahlreichen Wettbewerben teil, Medaillen und Urkunden zeugen von seinen Erfolgen. Mit Stolz wird immer noch vom “Welsh National Sheep Dog Trial“ berichtet, der 1993 hier im Tal stattfand. “Alle berühmten Hütehunde aus ganz Wales waren damals hier“, erzählt Kevin. Sheep Dog Trials, Hütehundewettbewerbe, sind große Ereignisse in Wales. Die Hunde müssen eine Gruppe von Schafen über einen freien Parcours führen und letztlich in einen Pferch treiben. Der Schäfer gibt klare Anweisungen und die Hunde müssen exakt folgen. Zuerst treiben sie die Schafe zusammen, dann führen sie die Tiere dem Schäfer zu. Anschließend muss der Hund die Herde wieder wegtreiben, in zwei Gruppen trennen und schließlich in den Pferch bringen. Unschlagbar in dieser Disziplin sind Border Collies, sicher die beste Hütehunderasse der Welt. Am Morgen hat sich Amy Lowe zu uns gesellt. Die engagierte junge Frau ist Marketing Executive bei HYBU CIG CYMRU, einer Organisation, die Fleisch aus Wales weltweit promoted. Amy ist die richtige Frau am richtigen Platz. Aufgewachsen in Mid Wales verbrachte sie ihre Jugend inmitten der Schafe, half auf Nachbarfarmen und denen der Familie aus. Das Füttern, das Melken und auch die Hilfe beim Lammen sind ihr nicht fremd. So lag es nahe, ein landwirtschaftliches College zu besuchen. Und obwohl heute Marketing ihr Job ist, hält sie den Beruf des Schafzüchters für einen Traumjob. Sehr relaxed und ein Arbeiten in gesunder schöner Landschaft. Neben der Aufgabe, das Fleisch auf den Märkten weltweit anzubieten, arbeitet die Organisation HYBU CIG CYMRU sehr eng und intensiv mit den Farmern zusammen. Mit dem Ziel, Produktionserfolge sicherzustellen, werden auf Versuchsfarmen neue Ideen und Konzepte im Bezug auf Zuchtlinien und Haltungsbedingungen getestet. Erfolgreich verlauAuf der Farm von Kevin Brown werden wir zur Tea Time gebeten. Eine respektable Auswahl Waliser Spezialitäten wartet auf uns. Kevin Brown 54 55 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:14 Uhr Seite 56 Amy Lowe fene Tests werden dort wo sinnvoll umgesetzt. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die nachhaltige Produktion. Die Farmer werden geschult, einerseits marktkonform so viel zu produzieren, dass ein guter Lebensstandard für sie gewährleistet ist, andererseits dabei jedoch das Land nicht auszubeuten, und das Niveau auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Landschafts- und Naturschutz sind ebenfalls Bestandteile solcher Programme. Teiche, Sümpfe, Hecken und Haine geben heimischen Tieren Lebensraum. Der Organisation ist zudem wichtig, damit die Farmer verstehen, was ihre Kunden wollen. In Schulungen wird der Weg vom lebenden Schaf bis zur Zerlegung dargelegt, und anhand der Karkassen wird erläutert, wie unterschiedlich die Anforderungen der Märkte in punkto Größe aber auch Fettansatz sein können. Klassifizierung von Lammfleisch Klassifizierung und Gewicht von Lammfleisch bestimmen den Wert des geschlachteten Tieres. Da verschiedene Rassen unterschiedlich hohe Fettanteile haben, wird auch zwischen den Rassen untereinander klassifiziert. Wie funktioniert die Klassifizierung? Einstufung: Hier wird das Schlachttier einer visuellen Beurteilung bezüglich der Form unterzogen und in Klassen eingestuft. Es gibt fünf Hauptklassen: E, U, R, O, P. Fettanteil: Die Klasse des Fleisches wird auch durch die visuelle Beurteilung der äußeren Fettentwicklung bestimmt. Es gibt fünf Klassen: 1 (very lean, sehr mager) bis 5 (very fat, sehr fett). Die Klassen 3 und 4 werden noch einmal in L (leaner, magerer) und H (fatter, fetter) unterteilt. Gemeinhin werden Lämmer mit höherem Fettanteil auch in eine höhere Klasse eingestuft. Allerdings sind die Unterschiede nicht sehr dramatisch. Untersuchungen haben ergeben, dass jeder Aufstieg in eine andere Fettklasse nur eine kleine Erhöhung der Einstufung ergibt. Die Einstufung in Klassen und der Fettanteil werden vom Produktionsprozess beeinflusst. Identische Tiere, die auf unterschiedliche Art verarbeitet werden, weisen verschiedene Eigenschaften und Merkmale auf. Die Klassifizierung des Fettanteils ist unabhängig vom Alter des Tieres. Das Fleisch wird schneller fett, sobald ein Lamm geschlechtsreif ist, also wenn es etwa 60 % seines Erwachsenengewichts erreicht hat. Geschlecht und Fettanteil: Die Klassifizierung von Fett misst den subkutanen Fettanteil und wird gleichermaßen bei Männchen, weiblichen Lämmern sowie kastrierten Tieren angewandt. Der Fettanteil in den Muskeln unterscheidet sich je nach Geschlecht. Der Fettanteil bei weiblichen Lämmern und Hammeln ist höher als bei Bocklämmern. Geschlecht und Einstufung: Das Geschlecht eines Lamms hat keine Bedeutung bei der Einstufung in eine Klasse. Bocklämmer, weibliche Lämmer und Hammel werden ähnlich eingestuft. Die Rasse und die Wahl des Zuchttieres beeinflussen die Klassifizierung maßgeblich. Die Selektion eines passenden Zuchttieres ist deshalb von großer Wichtigkeit. Das gesamte Produktionssystem beeinflusst die Klassifizierung. Die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Faktoren zeigt, dass sich die einzelnen Faktoren beeinflussen. Wenn zum Beispiel die Rasse geändert wird, aber die Ernährung gleich bleibt, hat das maßgebliche Folgen auf die Beschaffenheit des Fleisches. Die Fleischerei H. J. Edwards & Son ist Mitglied der renommierten “Guild of Q Butchers”. Fleischqualität: Die Rasse spielt bei der Qualität keine Rolle, auch das Geschlecht spielt eher eine untergeordnete Rolle. Die Ernährung kann den Geschmack beeinflussen. Das Alter und die Saisonalität beeinflussen die Qualität, denn gemeinhin sind ältere Lämmer zäher. Außerdem besteht nur eine geringe Korrelation zwischen Fettanteil und Essensqualität. Nach der Schlachtung: das Herunterkühlen, elektrische Impulse, die Hängemethode, das Reifen und das Kochen beeinflussen die Qualität des Fleisches wesentlich. In der Familienfleischerei Williams sind Lammbratwürste mit Minze eine gefragte Spezialität. 56 57 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:14 Uhr Seite 58 Wichtige Märkte für Wales Lamm sind die Türkei und außerhalb ihres Landes lebende Moslems. Allein in Deutschland leben 3,5 Millionen Muslime, in ganz West-Europa sind es etwa 20 Millionen. Ein gewaltiger Markt, der Lammfleisch bevorzugt. Aus diesem Grund schlachtet Randall Parker Foods generell Halal. Sehr viel Widersprüchliches ist über diese Schlachtmethode zu hören, sie sei grausam und daher in einigen Ländern verboten. Wir werden die beiden Schlacht- und Zerlegebetriebe des Unternehmens besuchen. Unterwegs erzählt uns Kevin von seinem Job als Einkaufschef. Er kauft nicht auf Auktionen, sondern direkt von den Farmern. Rund 1.000 Landwirte werden von ihm betreut. Gekauft wird nicht nach Rasse, sondern nach Größe und Qualität. Kevin und seine Leute kennen die Farmen ganz genau und wissen, welcher Farmer wann die richtigen Tiere für eine spezielle Bestellung hat. Außerdem melden die Farmen selbst Menge und Größe der schlachtreifen Tiere. 22 Kilogramm sind das Limit für das Gewicht der Karkasse, also das nach dem Schlachten ausgeweidete Tier. Alles was darüber liegt, wird schlechter bezahlt. Aber nicht der Farmer allein sondern Farmland und Rasse bestimmen die Qualität. International werden hohe Anforderungen an das Fleisch gestellt. Ein französischer oder belgischer Einkäufer legt genau fest, wie das Fleisch für seine Lieferung auszusehen hat. Anders in Deutschland. Als Lammanfänger sind den meisten deutschen Kunden die feinen Qualitätsunterschiede nicht wirklich bewusst. Wie groß soll die Karkasse sein, wie hoch der Fettanteil und welche Mengen werden benötigt? Eine echte Herausforderung, die mithilfe exakter “Killing Plans“ gelöst wird. Nach Auswahl der Tiere werden diese entsprechend der Bestellung markiert und zum Schlachthof transportiert. Dabei geht es möglichst ruhig und sehr hygienisch zu. Nach jedem Transport werden die Fahrzeuge gründlichst gereinigt. Jetzt folgt der vielleicht wichtigste Schritt für eine gute Fleischqualität. Was passiert mit dem Fleisch nach der Farm? Wir erreichen das Schlachthaus von Randall Parker. Mit uns 5.300 Lämmer, die an diesem Tag geschlachtet werden. In dieser Woche werden es insgesamt 33.000 Tiere sein. Damit ist dieser Betrieb die größte Lammschlachterei im vereinigten Königreich. Alles ist perfekt organisiert. Bis zur Ausführung einer Bestellung benötigt das Unternehmen lediglich vier bis fünf Stunden. Die Nähe zu den Farmen spielt dabei natürlich eine wichtige Rolle, also wurde der Betrieb inmitten des Schaflandes errichtet. Ein zweiter Betrieb befindet sich in Andover in Südengland und verarbeitet neben Welsh Lamb auch Tiere aus anderen Teilen des UK Marktes. Bis hinauf nach Schottland kauft das Unternehmen ein. Jedes Tier ist an Etiketten klar zu identifizieren, eine Verwechslung der Herkunft ist unmöglich. Das Tochterunternehmen Weddel Swift, ein seit 100 Jahren etabliertes Handelsunternehmen, beliefert allein im vereinigten Königreich 3.000 Fleischereien. Damit ist Weddel Swift eindeutig Marktführer. Der gesamte Schlachtprozess, vom Töten bis zum Kühlen des ausgenommenen Schlachtkörpers, dauert kaum sechs Minuten. Vom Transporter herunter werden die Tiere in Pferche geführt, wo sie sich nach dem Transport beruhigen. Möglichst vorsichtig, lediglich ein Plastikbeutel unterstützt die Treiber, werden sie dann zu einer Rampe geleitet. Am Ende dieser Rampe benetzt eine Wasserstrahl das Fell im Halsbereich, anschließend werden die Tiere mit einem Stromschlag betäubt. Im direkten Anschluss wartet das Messer. Automatisch wird das Tier seitlich gelegt und in Richtung Mekka gedreht. Dann folgt ein Kehlschnitt des Schlächters, der übrigens Muslim sein muss. Diese Halal-Schlachtung ist nicht so entsetzlich wie ich befürchtete. Zumindest wenn das Tier wie hier geschehen vorher betäubt wurde. Allerdings wäre diese Methode für einen orthodoxen Muslimen nicht akzeptabel. Er würde auf den Kehlschnitt bei dem lebendigen bzw. wachen Tier bestehen. Diese Ansicht teilt jedoch nur eine Minderheit, die modernen Muslime haben das Schlachten mit Betäubung aus Tierschutzgründen akzeptiert. Das Halal geschlachtete Fleisch wird mit einem Siegel der Halal Food Authority gekennzeichnet. 58 59 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:14 Uhr Seite 60 Neben dem Verzehr von unreinem Fleisch, wie z.B. vom Schwein, ist den Moslems auch der Verzehr von Blut untersagt. Bei der rituellen Schlachtung werden dem Tier an der Halsunterseite die großen Blutgefäße sowie Luft- und Speiseröhre durchtrennt. So kann das Fleisch schnell und komplett ausbluten. Das im Judentum angewandte Schächten ist identisch. Die geschlachteten Karkassen durchlaufen eine strenge Endkontrolle. 1A Tiere kommen in den Export, der Rest wird in lokalen Shops verkauft. Vorher wird das Fleisch bis zu zwei Wochen gereift. Under the Walnut Tree Den Abend verbringen wir in einem der besten Restaurants der Gegend. Im “The Walnut Tree” in Abergavenny kocht Shaun Hill eine produktbezogene, anspruchsvolle aber dennoch unkomplizierte Küche. Dem Michelin ist seine Arbeit einen Stern wert. Drei weitere Sternerestaurant gibt es in Wales. Die Kulinarik entwickelt sich hier rasch. Wussten die Waliser früher nicht viel mit den guten Produkten des eigenen Landes anzufangen, so haben die Menschen heute die Freude am Genuss entdeckt. Der Abend ist angenehm warm und wir nehmen an einem der hölzernen Gartentische vor dem Restaurant platz. Shaun, begleitet von einem prallen Glas Rotwein, setzt sich zu uns. Er hat das Restaurant vor wenigen Jahren übernommen, als es völlig heruntergewirtschaftet war. “Seit der Schlacht bei Hastings“ war das Restaurant eine kulinarische Landmarke. Und unser Gastgeber hat es wieder zu einer gemacht. Das Geschäft läuft sichtlich gut. Shaun stammt nicht aus Wales. Den gebürtigen Iren hat sein Beruf quer durch das vereinigte Königreich geführt, seit 25 Jahren begleitet ihn dabei ein Michelinstern. Dabei hat er nie darüber nachgedacht, was der Michelin gerne möchte, er hat immer gekocht, was er für richtig hielt. Seine Philosophie ist einfach. Er kauft die besten Produkte möglichst in der nahen Umgebung. Und wenn die Produkte gut sind, soll der Koch nicht allzu viel damit machen, das ist seine Überzeugung. Für ihn ist wichtig, dass die Lebensmittel ihre Typik behalten, der Eigengeschmack darf nicht verloren gehen und ihre Textur sollte nicht verändert werden. Trotzdem liebt er das Spiel mit unterschiedlichen Schnitten und Garmethoden auf dem Teller. Beim Lamm serviert er Kombinationen von geschmorten Stücken, die kräftige Aromen und Sauce bringen, mit rosa Gebratenem, bei dem ihn die Textur besonders begeistert. Er will den Gast mit dem Essen unterhalten, ihm einen sympathischen Abend gestalten, ihm aber nicht zu viel abverlangen. Leichte angenehme Unterhaltung ist es, wie ein Kinooder Theaterbesuch, sicher keine avantgardistische Kunstperformance. Um ein gutes Produkt zu finden, müsse man sein Hirn oft anstrengen, erläutert er. Die Gegend steht für gutes Lamm- und Rindfleisch. Und Shaun ist der perfekte Protagonist für diese Produkte. In seiner Küche verwendet er ausschließlich Welsh Lamb, das in den meisten Monaten das beste der Welt ist, in drei Wintermonaten aber schrecklich schlecht sei – so sagt es der Sternekoch. Lamm hat genauso wie Erdbeeren oder Spargel eine Saisonalität, die man berücksichtigen soll. Allerdings würde Shaun nie auf die Idee kommen, zu Neuseelandware zu wechseln, die den Saisonknick ausgleichen könnte. Ebenso wie es beim ihm kein italienisches Mineralwasser oder US-Beef gibt. Sich mit Fleisch aus dem Umland zu versorgen ist kein Problem. Auch Wild gibt es in der Saison genügend. Schwierig wird es bei Gemüse, das kaum in guter Qualität gezogen wird. Obwohl dies, so Shaun, möglich wäre. In seinem eigenen Kräuter- und Gemüsegarten tritt er den Beweis an. Bei einigen Produkten ist der Zugriff auf regionale Ware unmöglich. “Wir produzieren hier die schlechteste Schokolade des Universums, und ich kenne ein paar Hühnerfarmen, die grauenhaftes Fleisch produzieren.“ Nach diesem Statement begibt er sich wieder in die Küche. Wir werden bei ihm essen. In der Zwischenzeit blättern wir in seinem Kochbuch und in einigen Werken, die er übersetzt hat. www. thewalnuttreeinn.com 60 Und hier ein Hill-Klassiker: Spring Lamb Stew Frühlings-Lamm-Eintopf Rezept für 4 Personen 700 g Lammschulter, in 5 cm große Würfel geschnitten 2 EL Olivenöl Salz und Peffer 1 mittelgroße Zwiebel, fein gehackt 2 Knoblauchzehen, fein gehackt 1 EL Tomate, passiert 1 gestrichener EL Mehl 200 ml Weißwein 4 kleine Karotten, gehackt 4 kleine Lauchstangen, in 5 cm lange Stücke geschnitten 8 Spargelstangen, in 5 cm lange Stücke geschnitten 4 kleine Zucchini, in 5 cm lange Stücke geschnitten 100 g Erbsen, geschält 1 EL frische Petersilie, gehackt 1 EL frisches Basilikum, gehackt In einer Gusspfanne das Öl erhitzen, das Lammfleisch mit Pfeffer und Salz würzen und mit Zwiebel und Knoblauch braten. Nach 5 Minuten die passierte Tomate zugeben, danach das Mehl zufügen und kurz kochen lassen. Den Weißwein eingießen und alles unter Rühren zum Kochen bringen. Die Hitze reduzieren, leicht simmern lassen und mit einem Deckel verschließen. Etwa 50 Minuten weich kochen. In einem Topf ungesalzenes Wasser zum Kochen bringen und die Gemüse in der Reihenfolge ihrer Garzeit darin kochen, zuerst die Karotten, dann Lauch, Spargel, Zucchini und zum Schluss die Erbsen. Abgießen und ein bisschen vom Kochwasser auffangen. Wenn das Lamm fertig gegart ist, die Gemüse zugeben und mit dem Gemüsewasser die Konsistenz des Eintopfs ausgleichen, wenn er zu trocken geworden ist. Vom Herd nehmen, die Kräuter zufügen und unterrühren. Mit Kartoffeln servieren. 61 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:15 Uhr Seite 62 Im Düsseldorfer Medienhafen, unweit der City, haben sich schicke Unternehmen und hippe Agenturen angesiedelt. Berens am Kai, das Sternerestaurant von Holger Berens liegt, wie der Name schon sagt, direkt am Kai. Hohe Glasfronten gewähren einen großzügigen Blick auf das alte Hafenbecken, das von stylischen Gebäuden umsäumt ist. Ein paar alte Kräne erinnern noch an die Zeit, als hier ein echter Hafen war. Amüsant und selbstironisch berichtet uns Holger Berens über sein Leben. Holger stammt aus einer Gastronomenfamilie, und er startete seine Kochkarriere mit einer Ausbildung im Hotel zur Mühle in Paderborn. Sein Ausbildungschef war Hans Dieter Berens, sein Vater. Eigentlich wollte er gar nicht werden, was sein Vater schon war. Obwohl oder vielleicht gerade weil er schon als Kind in die Szene eingeführt wurde und Sternerestaurants kennenlernte. Er wusste, dass ihn ein harter Job erwartete. Zuerst hatte er deshalb gegen den Willen des Vaters eine Metzgerausbildung gemacht. Den Gesellenbrief in der Tasche dachte er um. Ein Metzger muss für einen Nachtmenschen viel zu früh aufstehen, das Arbeitsumfeld ist kalt und unfreundlich. Also folgte die Kochausbildung. Sein Vater Hans Dieter Berens war so etwas wie das Enfant terrible der Gastroszene, ein Rocker und Urgestein. Als Mitbegründer der deutschen Sommelier-Union verfügte er über exzellente Kontakte, und so jagte er seinen Sohn quasi aus Paderborn ins Düsseldorfer Victorian zum großen Scherrer. In dieser Kaderschmie der Gastronomie machte er seine ersten Erfahrungen als Commis. Um halb acht morgens musste er anfangen zu arbeiten, und als er sich nachmittags fragte, wann denn die zweite Schicht käme, musste er feststellen, dass er selbst dazu gehörte... Ein frischer Wind für einen Jungen aus behütetem Hause, der ihn aber letztlich in Richtung Spitzengastronomie trieb. Seine nächste Station wurde das Schiffchen von Jean Claude Bourgueil in Düsseldorf-Kaiserswerth. Damit absolvierte Holger Berens zwei der schwierigsten Stationen der damaligen Spitzengastronomie. Nach einem Jahr Bourgueil wollte er eigentlich wechseln, aber sein Vater und sein Chef hatten andere Pläne. “Du bleibst!“, verkündete Monsieur Bourgueil. “Du bist jetzt der neue Sous-Chef.“ Kurz zuvor hatte das Schiffchen den dritten Michelinstern erhalten und das Beiboot “Aalschokker“ im Erdgeschoss war mit einem Stern für seine deutsche Küche ausgezeichnet worden. Vier Sterne aus einer Küche – eine Sensation. Holger Berens blieb vier Jahre und leistete weiterhin wertvolle Beiträge zu den Erfolgen der beiden Restaurants. Seine erste Position als Küchenchef nahm er im Frankfurter Kempinski ein. Für Holger ein Test für die spätere Selbständigkeit: 1992 übernahm er das An’ne Bell in Düsseldorf, eigentlich ein Ausflugslokal mit riesigem Biergarten. Gut anderthalb Jahre später kam der Michelinstern. 1998 wurde das Objekt allerdings verkauft, abgerissen und später neu errichtet. Holger Berens war gezwungen, sich nach einem neuen Objekt umzusehen. Der Zufall spielte mit, als zwei Architekten, gleichzeitig Stammgäste, für ihr Objekt im Hafen einen Gastronomen suchten. Berens eröffnete zunächst unter dem alten Namen An’ne Bell, später dann als Berens am Kai, sein Restaurant. Die Küche des postmodernen Restaurants basiert auf klassischen französischen und mediterranen Wurzeln. Selbstverständlich bereichert um moderne Produkte und Techniken. Auch bei Berens spürt man den Trend zum lokalen Produkt. In der näheren Umgebung kultiviert man für ihn Kräuter, lokale Produzenten werden, wenn qualitativ vertretbar, bevorzugt. Auf unsere Frage nach Lammfleisch erfahren wir vom Sternekoch, dass er Fleisch mit gutem Fettansatz aber mildem Aroma bevorzugt. Besonders schätzt er die Vielseitigkeit des Materials und das breite Spektrum der kulinarischen Möglichkeiten. Das Berens am Kai ist einer der wichtigsten Hot Spots der Region, eine Institution für die vielen Stammgäste. Wer noch nicht da war – unbedingt hingehen. LAMM AM KAI www.berensamkai.de 62 63 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 Zwiebelringe: 1 Roscoff-Zwiebel 100 ml Läuterzucker Geschmorte Zwiebel: 2 Roscoff-Zwiebeln Öl Salz, Pfeffer Kartoffelauflauf: 300 g mehlige Kartoffeln 100 g Ziegenfrischkäse 20 g Butter 20 ml Milch Salz, Pfeffer Muskat Lammschulter: 250 g Lammschulter 1 Zwiebel 2 Knoblauchzehen Olivenöl 2 Tomaten Thymian 500 ml Rotwein Lammfond aus Lammknochen Salzige Zitrone: 2 salzig eingelegte Zitronen 20 ml Zitronenfond 80 ml asiatischer Zitronentee 1 g Agar Agar 1 Blatt Gelatine Zwiebelcreme: 1 Roscoff-Zwiebel 100 ml Sahne 80 ml Brühe 1 g Agar Agar 1 Blatt Gelatine 1 Dosierlöffel Guarzoon Zwiebelringe: Die Zwiebel schälen und auf der Aufschnittmaschine in hauchfeine Ringe schneiden. Die Ringe durch den Läuterzucker wenden und die einzelnen Ringe im Dehydrator trocknen. Geschmorte Zwiebel: Die Zwiebeln schälen und in 1,5 cm dicke Scheiben schneiden und salzen. In der Pfanne die 16:15 Uhr Seite 64 Zwiebeln auf einer Seite etwas Farbe annehmen lassen, wenden und dann im Ofen auf mittlerer Schiene 10-15 Minuten schmoren. Abschließend pfeffern. Kartoffelauflauf: Die Kartoffeln schälen und kochen. Diese dann pressen und durch ein Sieb streichen. Die Masse mit zwei Dritteln vom Käse mischen und nochmals durchstreichen. Die Milch erwärmen und zu dem Püree geben, Butter hinzufügen und abschmecken. Den restlichen Käse über die Masse geben und gleichmäßig gratinieren. Als Garnitur gegrillte Steinpilze verwenden. Lammschulter: Das Lamm würfeln und mit den Zwiebeln in einer Casserole anrösten und anschließend die Tomaten dazugeben und mit Rotwein ablöschen. Dann mit Lammfond auffüllen. Thymian, Knoblauch und Gewürze hinzugeben. Das Lammragout solange kochen bis es zerfällt. Anschließend auf ein Sieb geben, die trockene Lammmasse in eine Form füllen und erkalten lassen. Den abpassierten Fond mit Butter binden und als Jus für das Lammgericht verwenden. Die Lammterrine in Scheiben schneiden, mit einem Ausstecher ausstechen und den Kartoffelauflauf darauf anrichten. Das Ganze langsam im Ofen erhitzen. Salzige Zitrone: Die Zitronen vierteln, filetieren und die Schale in feine Brunoise schneiden. Fond, Tee und Agar Agar mit den Brunoise aufkochen und zwei Minuten köcheln lassen. Das Ganze vom Herd nehmen und die Gelatine hinzufügen. Alles in eine Form gießen und kalt stellen. Zwiebelcreme: Die Roscoff-Zwiebeln schälen, halbieren und in feine Julienne schneiden. Mit Sahne und Brühe ca. eine halbe Stunde köcheln lassen. Den Zwiebelfond passieren und ein Viertel zur Seite stellen. Erneut unter Zugabe von Agar Agar zwei Minuten köcheln lassen. Den Topf vom Herd nehmen, Gelatine beifügen und abkühlen lassen. Die abgekühlte Masse mit dem restlichen Zwiebelfond und Guarzoon zu einer glatten Creme mixen. 2009 Grauburgunder SW, Martin Wassmer, Baden, Deutschland WALISISCHER LAMMRÜCKEN / SALZIGE ZITRONE / ROSCOFF-ZWIEBEL Das geschmacksgebende Lammgericht forciert den aromatischen Grauburgunder, der durch seine Frische und Saftigkeit an Sympathie gewinnt und charaktervoll hervorragt. HOLGER BERENS 64 65 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 Lammschulter: 1 Lammschulter Salz, Pfeffer 1 TL Kümmel 1 TL Madras Curry Thymian Knoblauch Olivenöl Nudelteig: 150 g Mehl 10 g Grieß 50 g Eigelb 45 g Vollei Olivenöl, Salz, Safran Ravioli: 200 ml Trüffeljus 200 ml Lammfond 100 g Butter 4 Blatt Gelatine Lammfond: 2 kg Lammknochen 4 Zwiebeln 300 ml Sojasauce Knoblauch Thymian, Lorbeerblätter Pfefferkörner 2 l Fleischbrühe Guarzoon Geschmorter Knoblauch: 1 Knolle junger Knoblauch grobes Meersalz Pfeffer Olivenöl Trüffel-Sphäre: etwas von der Trüffel-Raviolimasse 250 g Lammfond 15 g vegetarische Gelatine 16:15 Uhr Seite 66 Lammschulter: Die Lammschulter auslösen und zu einer Rolle binden. Mit Salz, Pfeffer, Kümmel und Curry einreiben. Mit etwas Thymian, Olivenöl und Knoblauch vakuumieren und bei 58° C im Holdomat 12 Stunden garen. Nudelteig: Mehl sieben und mit den restlichen Zutaten zu einem Teig kneten. Teig vakuumieren und 24 Stunden im Kühlhaus ruhen lassen. Ravioli: Für die Füllung Trüffeljus und Lammfond um die Hälfte reduzieren lassen. Mit der kalten Butter aufmixen und die Gelatine zugeben. Das Ganze in eine Form füllen und erkalten lassen, in Würfel schneiden und in den Nudelteig füllen. Lammfond: Lammknochen im Bräter anrösten, die Zwiebeln in Würfel schneiden und zugeben. Mit Sojasauce ablöschen und reduzieren lassen. Mit Fleischbrühe auffüllen und die Kräuter und Gewürze hinzugeben. Eine Stunde leicht kochen und dann durch ein feines Sieb passieren. Eventuell klären und mit Guarzoon eindicken bis der Fond leicht sämig ist. Geschmorter Knoblauch: Den jungen Knoblauch mit Öl, Salz und Pfeffer in Alufolie einpacken und ca. eine Stunde im Ofen schmoren. Trüffel-Sphäre: Die Trüffel-Raviolimasse in 0,5 cm große Würfel schneiden und eine Stunde einfrieren. Den Lammfond mit der vegetarischen Gelatine aufkochen und die Trüffelfond-Würfel in den Gelatinenfond tauchen. Vor dem Anrichten die Würfel unter dem Pass warm werden lassen. Geschmorte Artischocke: Die geputzten Artischocken mit den Brunoise und Schalotten ohne Farbe anschwitzen lassen. Eine halbe Stunde köcheln lassen. 2007 Hermitage La Petite Chapelle, Rhône, Frankreich Geschmorte Artischocke: 6 Artischocken (Violetto di Toscana) je 50 g Möhre, Sellerie, Lauch, in feine Brunoise schneiden Schalotten Salz, Pfeffer MARINIERTE WALISISCHE LAMMSCHULTER / ARTISCHOCKEN / TRÜFFEL / GESTOCKTER LAMMFOND Der formidable Syrah ist altbewährt und eine gute Wahl. Er entfaltet wunderbare Fruchtaromen und durch seine Erdigkeit bettet er den Trüffel samtig und weich. HOLGER BERENS 66 67 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:15 Uhr Seite 68 Nicht weit vor den Toren Kölns, in Pulheim-Stommeln, liegt einer der nobelsten Golfclubs Deutschlands: Gut Lärchenhof. Die Anlage wurde vom Weltklasse-Golfer und begehrten Golfplatzarchitekten Jack Nicklaus gestaltet. Golfer beschreiben den Kurs als fair, anspruchsvoll und abwechslungsreich. Und genau so lässt sich auch die Küche des Gourmetrestaurants beschreiben, das im Clubhaus angesiedelt ist. Der quirlige und agile Gastronom und Patron Peter Hesseler darf behaupten, das einzige Sternerestaurant in einem Golfclub zu führen. Zu verdanken hat er dies seinem Küchenchef Bernd Stollenwerk. Dieser kocht eine sehr moderne, filigrane Küche, die sich besonders an der Saison orientiert. Bernd Stollenwerk folgt durchaus den allgemeinen Strömungen in der Gastronomie, interpretiert sie aber für sich selbst sehr individuell. Einzig die Molekularküche hat bis auf einige Texturgeber wie Xanthan oder moderne Gartechniken keinen Einfluss auf seine Karte genommen, wenngleich die Auseinandersetzung mit dieser Küche sein Schaffen gefördert hat. Ebenso ist der Hype der euro-asiatischen Fusion Cuisine an ihm vorübergegangen. Da ihm die Expertise der asiatischen Küche fehlt, würde er es als unehrlich empfinden, so zu kochen. Stollenwerks Küche bedient das Golfclub Bistro mit einfachen Gerichten, die gut zu einem Golftag passen, ebenso wie das Gourmetrestaurant, das eigentlich nur ein Bereich des großen Raumes ist. Die besondere Herausforderung dabei ist, dass die Positionen in der Küche nicht getrennt sind. Jeder kocht dem Lauf der Bestellungen folgend Bistro und Gourmet. Nicht einfach, zwischen vielen Golfergerichten einen Gourmetteller laufen zu lassen. “Fünf mal Fischfilet in Senfsauce, einmal Variation vom Lamm an Rhabarber bitte!“ Bernd Stollenwerk nimmt dabei in seiner Küche die Positionen des Sauciers und Poissonniers ein. Zu Lammgerichten befragt, stellt er fest, dass seine Gäste in der Mehrzahl einen milden Lammgeschmack bevorzugen. Zudem wird auch wie zumeist Fleischqualität weniger nach Aroma denn nach Zartheit definiert. Da ist bei vielen Gästen Entwicklungsarbeit von Nöten. Aus diesem Grund bevorzugt Bernd das Garen bei Niedrigtemperatur. Nach dem Anbraten gart das Fleisch bei 65° C mehrere Stunden im Kombidämpfer. Ergebnis: butterzartes Fleisch. Festere Fleischteile eignen sich besonders für diese Sous-vide-Technik. Die Haut wird vor dem Servieren in Olivenöl und Butter noch kurz angebraten. Fett gehört für Stollenwerk zum Lammfleisch dazu. Und Welsh Lamb passt in sein Konzept: Es ist feinfaserig und mild. Stollenwerks Lamm-Kreationen sind verblüffend, das Fleisch ist leicht angeräuchert, mit Rhabarber kombiniert oder mit Melone. Die Gerichte schmecken sommerlich und sehr fein. Bernd Stollenwerk macht deutlich, dass für ihn Kochen ein Handwerk mit vielen künstlerischen Aspekten ist. Und er vertritt die Ansicht, dass man Techniken zunächst perfekt beherrschen soll, bevor man sich auf kreative Ausflüge begeben kann. So gesehen stehen ihm die Ausflüge auf jeden Fall zu. LAMB ON THE GREEN www.restaurant-gutlaerchenhof.de 68 69 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 Rezept für 4 Personen 4 Stücke Lammrücken à 120 g Raviolifüllung: Ziegenfrischkäse Oliven Ofentomaten Petersilie Pfeffer und Salz Olivenöl Nudelteig Karamellisierte Melone: 1 Honigmelone (alternativ Wassermelone) Zucker Sternanis Reisessig 16:15 Uhr Seite 70 Lammrücken anbraten und bei 65° C im Ofen 2 Stunden bei Niedertemperatur garen. Raviolifüllung: Ziegenkäse, gehackte Oliven und Ofentomaten sowie Petersilie vermischen und mit Pfeffer, wenig Salz und Olivenöl verrühren. Zwei dünne Nudelbahnen ausrollen und mit der Füllung zu Ravioli mit 3 cm Durchmesser verarbeiten. Diese in Salzwasser 2 Minuten garen. Karamellisierte Melone: Die Melone in Stücke von 3 x 3 cm schneiden. In einer Pfanne Zucker karamellisieren lassen, die Melonenstücke dazu geben und mit Sternanis karamellisieren, später mit ein wenig Reisessig ablöschen. Sauce: Die Lammjus mit Purple Curry und einem Schuss Traubensaft abschmecken. Beim Anrichten die Sprossen mit Reisessig und Olivenöl marinieren. Sauce: Lammjus Purple Curry (Ingo Holland) Butter Traubensaft Erbsensprossen Rote Bete Sprossen Reisessig Olivenöl WALISISCHER LAMMRÜCKEN MIT KARAMELLISIERTER MELONE, PURPLE CURRY UND ZIEGENKÄSERAVIOLI BERND STOLLENWERK 70 2008 Riesling Kabinett Wiltinger Braune Kupp, Egon Müller, Saar, Deutschland Der Lammrücken ist dem Riesling mit seiner runden Säure äußerst zugetan. Die Fruchtigkeit und physiologische Reife des Weißweins harmoniert vorzüglich mit der karamellisierten Melone und seine Cremigkeit kommt durch die Ziegenkäseravioli wunderbar zum Ausdruck. 71 Wales Lamm:Burgundertrüffel 09.03.2011 16:16 Uhr Seite 72 Rezept für 4 Personen 1 Lammsattel Meersalz Olivenöl 4 Stücke Lammbratwurst Bohnensud: 1 Stück Speck 100 g Schnibbelbohnen Geflügelbrühe Butter Bohnenkraut Olivenöl weißer Balsamico 100 g Keniabohnen 50 g dicke Bohnen 4 Kartoffeln geklärte Butter je 1 Rosmarin- und Thymianzweig Das obere Stück des Lammsattels in vier Karrees à zwei Koteletts teilen und sauber putzen. Den Deckel von der Rippe lösen und in Vierecke von 2 x 8 cm schneiden, diese mit Meersalz würzen, 20 Minuten ziehen lassen und wieder abreiben. Danach mit Olivenöl in einem Vakuumbeutel einschweißen und bei 58° C im Wasserbad zwölf Stunden garen. Die gegarten Lammkarrees in der Pfanne auf der eingeritzten Schwarte knusprig braten. Die Lammkoteletts mit dem Messer mittig einschneiden und die Lammwürstchen längs hineindrücken. Anbraten und im Ofen bei 65° C zwei Stunden Niedertemperatur garen. Bohnensud: Ein Stück Speck auslassen, die Schnibbelbohnen dazu geben, mit Geflügelbrühe aufgießen und weich köcheln. Anschließend pürieren und mit Butter, Bohnenkraut, Olivenöl und Balsamico aufmontieren. Die Keniabohnen in Salzwasser abgaren und in Butter und Olivenöl glasieren. Die dicken Bohnen in Butter und Olivenöl anschwenken. Die Kartoffeln schälen und in Rechtecke von 2 x 4 cm schneiden, diese in Olivenöl und geklärter Butter mit Rosmarin und Thymian weich schmoren. WALISISCHES LAMMKARREE MIT LAMMBRATWURST GEFÜLLT, KNUSPRIGE RIPPE UND BOHNENSUD BERND STOLLENWERK 2008 Château L´Hospitalet Grand Vin, Gérard Bertrand, Languedoc, Frankreich Der würzige und charismatische Rotwein aus dem Süden Frankreichs verführt durch seine Philosophie des Gebens und Nehmens als harmonischer und perfekter Begleiter. 72 73