Was motiviert zum politischen Engagement? Wolfgang Palaver Mein (biographischer) Zugang Politisierung durch die Friedensbewegung Entdeckung der Kirche als „andere Polis“ gegen Rüstungswahnsinn; Pax Christi Begeisterung für politische Theologie im Gegensatz zu konstantinischen Verschmelzungen von Thron / Partei und Altar, entdeckte ich die Kirche (n) als politische Kontrastgesellschaft (Yoder, Hauerwas) theologische Politik statt politische Theologie Der Schritt in die Lokalpolitik (2010) mein interreligiöses und interkulturelles Engagement führte mich vom Pfarrgemeinderat in den Gemeinderat von Jenbach Motivation durch Visionen von einer besseren Welt religiös: Sehnsucht nach dem Reich Gottes Utopie; Prinzip Hoffnung (1938-1947; E. Bloch) politische Theologie, Theologie der Befreiung John Lennon‘s Song Imagine (1971) wichtige Wurzel für Sozialismus … Hymne der Friedensbewegung H.E. Richter mit J. Weizenbaum: politisches Engagement aus Sorge um die Welt die Rettung der Welt hängt von einer/einem jeder/jeden ab (in Gemeinschaft) Wechselbeziehung zwischen Machen und Erkennen H.E. Richter: Wechselbeziehung zwischen Machen und Erkennen „Es gibt eine kreisförmige Wechselbeziehung zwischen Machen und Erkennen. Wenn man nicht macht was man als notwendig, wenn auch mit persönlichen Unannehmlichkeiten behaftet, erkannt hat, dann kann man irgendwann auch nicht mehr erkennen, was zu machen ist. Wer Anpassungszwängen taktisch nachgibt, wohl wissend, dass er ihnen mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte und auch sollte, wird nach und nach die Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen gar nicht mehr wahrnehmen, d.h., die eigene Gefügigkeit auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen. Alles erscheint normal: die Verhältnisse, denen er sich ergibt, und der Verzicht auf Gegenwehr, den er eben gar nicht mehr erlebt.“ Stéphane Hessel: Empört Euch! S. Hessel (geb. 1917) französischer Widerstandskämpfer ruft zum Widerstand im Geist der Résistance auf; Erstaunen über die heutige Passivität; Tanz um das Goldene Kalb (Geld, Konkurrenz) gegen die sich immer weiter öffnende Schere zwischen ganz arm und ganz reich Menschenrechte und der Zustand unseres Planeten wider die Gleichgültigkeit; Aufruf an junge Menschen andere Motive nicht übersehen … Macht (Ist Politik geil?) H. Kissinger: „Macht ist das stärkste Aphrodisiakum.“ Geld (eine Form von Macht) aktuelle Lobbying-Affaire Berufspolitik (Beamte in Politik; Parteiwechsel um das Mandat zu erhalten; Monetarisierung der Lokalpolitik …) Die Schattenseiten des Politischen sich auf die diabolischen Mächte des Politischen einlassen M. Weber, H. Plessner Freund-Feind-Unterscheidung Carl Schmitt; Dolf Sternbergers Kritik bleibt doch zu sehr an der Oberfläche die Feindschaft gegen Reagan (Bush …) motivierte die Friedensbewegung Kraft der Solidarisierung gegen gemeinsame Feinde (Sozialstaat; Entwicklungshilfe …) Politik und Sündenböcke Politiker beherrschen die Logik des Sündenbocks oder fallen ihr selbst zum Opfer Könige sind verzögerte Sündenböcke Ödipus Kajaphas Canettis Machtfigur des Überlebenden opfert andere, um sich selbst zu erhalten Politik und Opfer Moderne: Absage an das Opfer keine Sündenböcke mehr Kultur der Menschenrechte Absage an die Opferung kann die Hingabe, das Selbstopfer erfordern oft gibt es nur die Alternative zwischen Abschieben von Gewalt (Sündenbock) oder Ertragen von Gewalt (Hingabe) der „gute Hirte“ (Joh 10) im Gegensatz zum „Überlebenden“ S. Weil, Mahatma Gandhi Vaclav Havel: Bereitschaft zum Lebensopfer ermöglicht ethische Politik J. Lennon: „nothing to kill or die for“ S. Weil (1909–1943) Pazifismus vor 1939: „verbrecherischer Irrtum“ „Der Pazifismus kann nur dann Unheil anrichten, wenn er zwei Arten des Abscheus vermengt: den Abscheu vor dem Töten und den Abscheu vor dem Sterben.“ V. Havel; J. Patočka (1907-1977); Charta 77 gegen „lieber rot als tot“ „Die Abwesenheit von Helden, die wissen wofür sie sterben, ist der erste Schritt zu den Leichenhaufen derer, die nur noch wie Vieh geschlachtet wurden.“ aber: kein politisches Projekt rechtfertigt einen einzigen unfreiwilligen Tod Antipolitik: Perspektive der Opfer (G. Konrad) „Antipolitik ist das Politisieren von Menschen, die keine Politiker werden und keinen Anteil an der Macht übernehmen wollen. Antipolitik betreibt das Zustandekommen von unabhängigen Instanzen gegenüber der politische Macht, Antipolitik ist eine Gegenmacht, die nicht an die Macht kommen kann und das auch nicht will. Die Antipolitik besitzt auch so schon und bereits jetzt Macht, nämlich aufgrund ihres moralisch-kulturellen Gewichts. ... Antipolitik ist in anderen Dimensionen und anderen Gefilden tätig als die Regierung. Die Antipolitik ist weder Stütze noch Opposition der Regierung, sie ist anders.“ „Antipolitik? Überprüfung der herrschenden politischen Philosophien, der ideologisch bestimmten Pseudorealpolitik, Verteidigung der Menschenrechte aus der Perspektive der möglichen Opfer.“ Politisches Engagement lebt von außerpolitischen Quellen Politik bleibt auf Antipolitik verwiesen, will sie nicht ihren eigenen Versuchungen der Macht verfallen lebendige kirchliche Gemeinden als Gegenpol Johannes Paul II. als Vertreter der Antipolitik der Gegenpol der staatsfernen Gemeinschaften (Mennoniten, Bahai …) Zivilgesellschaft; Lebenswelt: nicht alles ist Politik, Politik darf nicht alles sein Habe ich ein antipolitisches Widerlager für mein politisches Engagement? Mystik und Widerstand Religion – im weiten Sinn verstanden – ist für Widerstand wesentlich Gandhi: selbst Atheisten sind in ihrem Einsatz für moralische Grundsätze und für die Wahrheit ein Beleg für die religiöse Natur des Menschen („Wahrheit ist Gott“) D. Sölle (Mystik und Widerstand, 1997); kritisiert Klerikalismus und vor allem auch die moderne Illusion eines religionsfreien Widerstands Warum Religion? Festhalten an Wahrheit und Liebe; Standpunkt außerhalb bloß vorherrschender Mehrheiten Bereitschaft, Leiden auf sich zu nehmen