Thema 4 In einer globalisierten Welt leben 4.2 Globalisierung Ursachen Globalisierung : Dossier 1. Lokale und weltumspannende Sichtweise Kirchturmpolitik Besteigen wir einen Kirchturm, so bietet sich uns eine Rundsicht über ein bestimmtes Gebiet in der Nähe, etwa über ein Dorf, eine Kleinstadt oder über eine Region. Kirchturmpolitik ist aus dieser Sicht eine Poltik, die immer die eigene (nahe) Region im Auge behält. Es mangelt ihr an Weitsicht; die Wahrnehmung von grenzüberschreitenden Zusammenhängen fehlt. Globalisierung Globalisierung bedeutet eine Sicht auf unseren Planeten in seiner Gesamtheit. Sie überwindet sämtliche Grenzen. Es mangelt ihr an Nahsicht; die Einsicht in Kultur, Umwelt, Wirtschaft und Politik der einzelnen Regionen fehlen. Unter Globalisierung (global= Welt umspannend) versteht man die zunehmende weltweite Verflechtung in wichtigen Lebensbereichen. Die führt zu einer weltweiten gegenseitigen Abhängigkeit in diesen Bereichen. 2. Bereiche der Globalisierung Beispiel Kultur Weltweit kann das gleiche getrunken, gegessen (Big Mac) oder gekauft werden. Es ist eine Veramerikanisierung der Welt spürbar, z.B. durch Mc Donalds, Popmusik, Hollywood aber auch durch die Weltsprache Englisch. Zudem tragen die z.T. hohen Ausländeranteile im eigenen Land zu einer Vermischung der Kulturen wesentlich bei. Beispiel Umwelt Die zunehmende Umweltbelastung wird zu einem nationalen Problem. Ozonbelastung, Erwärmung der Atmosphäre, Folgen von Reaktorkatastrophen sowie Ressourcenverschleiss wie das Abholzen des Regenwaldes, knapper werdende Erdölvorräte, Leerfischen der Weltmeere oder die Verteuerung der Nahrungsmittel sind zu grenzüberschreitenden Problemkreisen geworden. Diese immer dringenderen Probleme können nicht mehr von einem Staat allein gelöst werden. Thema 4 In einer globalisierten Welt leben 4.2 Globalisierung Ursachen Beispiel Wirtschaft Der internationale Handel wird von immer grösserer Bedeutung. Um neue Absatzmärkte zu gewinnen, müssen die Unternehmen weltweit präsent und international tätig sein. Finanzmärkte: Riesige Geldmengen können dank Computertechnologie innert Sekunden transferiert werden. An einem durchschnittlichen Tag werden in der Schweiz Devisentransaktionen von über 100 Milliarden vorgenommen. Gibt es an der Tokioter Börse einen Kurssturz, hat das unmittelbar Auswirkungen auf die anderen internationalen Börsen. Beispiel Politik Veränderungen in den obigen Bereichen verlangen oft nach Gesetzen, die Missstände verbieten oder … … Migration: Damit es nicht zu Spannungen innerhalb des Staates oder einer Staatengruppe kommt, müssen politische Lösungen bezüglich Flüchtlingsströmen, Ausländerpolitik, Entwicklungszusammenarbeit angestrebt werden. … Krankheiten wie AIDS, Lebensmittelvergiftungen oder – verknappungen bleiben nicht mehr eine nationale Angelegenheit. 3. Grafische Darstellung 4. Ursachen der Globalisierung Früher waren die Strecken zwischen den Kontinenten große Hürden für die Kommunikation und den Warentransport. Seit je wurden Waren zwischen den Kontinenten transportiert. Zum Beispiel Gewürze aus Indien nach England. Diese waren sehr kostbar und daher lohnte es, viel Geld für den Transport auszugeben. Im Laufe der Zeit wurden die Schiffe größer, schneller und sicherer. Durch den Durchbruch der Frachtcontainer wurde der Transport erneut deutlich einfacher und billiger. Die Kosten für den Transport von Gütern ist auf einen sehr niedrigen Preis gefallen. Thema 4 In einer globalisierten Welt leben 4.2 Globalisierung Ursachen Den Startschuss für die jetzige Globalisierung lieferte der Fall des eisernen Vorhangs von 1989. Nachdem die bipolaren Welt (= Teilung in eine westliche, demokratische und eine östliche, diktatorische Welt) ein Ende gefunden hatte, bot sich dem Welthandel die Möglichkeit sich in der jetzigen Form zu entfalten. Heutzutage lohnt sich auch der Transport von Billigprodukten über weite Strecken, beispielsweise von Plastikspielzeug von China in die schweiz. Gleichzeitig zu der Entwicklung im Transport, entwickelte sich die Kommunikation ebenfalls rasant weiter. Mittlerweile ist es eine Selbstverständlichkeit mit dem Internet große Datenmengen zu senden und zu empfangen. Es stellt heutzutage kein Problem mehr dar, mit weit entfernten Menschen zu kommunizieren und es tritt kein Zeitverlust auf. Auch die Kosten der Kommunikation sind auf einen extrem niedrigen Wert gefallen. Durch die Entwicklung in Kommunikation und im Warentransport ist es heute überhaupt kein Problem mehr, Arbeitsprozesse zu teilen und auf verschiedenen Kontinenten zu koordinieren. Insbesondere der Preisunterschied führt dazu, dass große Mengen an Waren nach Westeuropa und in die USA kommen, die dort zu vergleichbaren Preisen nicht hergestellt werden könnten. Dies allein ist aber noch nicht alles: Insbesondere die Liberalisierung und Deregulierung vieler internationaler Märkte war eine wichtige Voraussetzung für die heutige Globalisierung. Dies betrifft einerseits Güter und Dienstleistungen, aber auch das Kapital. Die Zölle wurden von über 40% auf mittlerweile unter 5% gesenkt, was den Warenverkehr fördert. Die Finanzmärkte unterliegen fast keiner Regulierung. 5. Folgen 5.1 Folgen für den Arbeitsmarkt Durch die Globalisierung ist der Arbeitsmarkt oft nicht mehr national oder regional begrenzt, sondern global. Das führt dazu, dass das Arbeitsangebot enorm steigt. Die Lebenshaltungskosten sind in Asien oft bei nur 20 % der Lebenshaltungskosten in Westeuropa. Dementsprechend groß ist auch die Differenz der Löhne und Gehälter. Der Faktor Arbeit ist in vielen Teilen der Welt also deutlich billiger als in Westeuropa. Das bedeutet, dass ein Arbeiter in der Schweiz auf dem Arbeitsmarkt nicht nur in Konkurrenz zu anderen Schweizer Arbeitern steht, sondern auch in Konkurrenz zu den vielen Arbeitskräften in der ganzen Welt, die Ihre Arbeitskraft deutlich billiger anbieten. Diese Lohnschere zwischen Westeuropa und vielen anderen Teilen der Welt führt dazu, dass viele Firmen einfache Produktionstätigkeiten in Billiglohnländer verlegen. Der einzige Ausweg, um nicht mit Millionen von Billigarbeitern in Konkurrenz zu stehen, ist gut qualifiziert zu sein. Am schweizerischen Arbeitsmarkt lässt sich dies gut beobachten: Während viele Unternehmer einen Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften haben, stehen viele gering qualifizierte Arbeitslose auf der Strasse. Zum (Welt-) Marktpreis können diese Geringqualifizierten ihre Arbeit nicht anbieten, da dieser nicht ausreichen würde, um einen schweizerischen Lebensstandard zu halten. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass auch höher qualifizierte Tätigkeiten in Niedriglohnländer verlagert werden. Dies ist zum Beispiel bei IT-Firmen zu beobachten, die Programmierer in Indien beschäftigen. Auch in China sind die Thema 4 In einer globalisierten Welt leben 4.2 Globalisierung Ursachen Anstrengungen groß, die Qualifikation der Arbeiter zu erhöhen: Jedes Jahr schließen in China sehr viel mehr Studenten ein technisches Studium ab als in der Schweiz. 5.2 Folgen für den Gütermarkt Auf dem Gütermarkt, dem Markt für Produkte, führt die Globalisierung in bestimmten Bereichen zu einem deutlich größeren Angebot. Ein größeres Angebot führt zu geringeren Preisen. Dies ist auf Märkten der Fall, wo einfache Güter gehandelt werden, wie beispielsweise Textilien. Viele einheimische Firmen können dem Preisdruck nicht standhalten und müssen Konsequenzen ziehen: Entweder gehen sie dahin, wo sie billiger produzieren können, oder sie müssen die Produktion aufgeben. Die Globalisierung kann auch zu einer deutlich größeren Nachfrage führen, da der Weltmarkt natürlich große Absatzmöglichkeiten bietet. Dies ist zum Beispiel im Maschinenbau der Fall. Viele Unternehmen profitieren von diesem Aspekt der Globalisierung. Die Schweiz ist vom Export abhängig. Die Folgen für die Unternehmen sind, wie hier dargestellt, zweigeteilt. Es gibt Unternehmen, die davon profitieren, dass der Absatzmarkt größer geworden ist. Und es gibt Firmen, die unter dem Preisdruck leiden und daraus Konsequenzen ziehen müssen. 5.3 Folgen für die Umwelt Die Globalisierung hat negative Auswirkungen auf die Umwelt. Das durch die Globalisierung hervorgerufene Wachstum der Weltwirtschaft birgt erhebliche Gefahren für die Umwelt. Insbesondere in Schwellenländern wird die Notwendigkeit des Umweltschutzes noch nicht erkannt und die Industrieanlagen verschmutzen die Umwelt. Die Gefahr für die Umwelt geht daher vom Wachstum der Weltwirtschaft aus, das durch die Globalisierung ermöglicht wird. 5.4 Folgen für die Industriestaaten In den Industriestaaten ist insbesondere die Veränderung auf dem Arbeitsmarkt ein oft schwerwiegendes Problem. Viele schlecht ausgebildete Arbeitskräfte sind arbeitslos. Das führt zu sozialen Problemen und zu höheren Kosten der Sozialsysteme. Die Arbeitsmärkte haben sich grundlegend gewandelt, viele Berufe haben wenig Zukunft. Nur Tätigkeiten, die nicht verlagerbar sind, haben noch einen guten Stand z.B. Auto-Mechaniker. Autos können nicht nach Polen zur Reparatur gebracht werden. Die Unternehmen hingegen profitieren von einem großen Kapitalstock, der zu hohen Renditen führt und von den großen weltweiten Absatzmöglichkeiten. Thema 4 In einer globalisierten Welt leben 4.2 Globalisierung Ursachen Insbesondere diese Schere ist der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln. Die Unternehmen machen Rekordgewinne, während viele Menschen arbeitslos sind. Gerade für die Politik tun sich große Problemfelder auf, da der Betrachtungshorizont und die Wirkungsmöglichkeiten meist national begrenzt sind, die Unternehmen aber längst global denken und wenig Patriotismus zeigen, wenn es um die Gewinne der Konzerne geht. 5.5 Folgen für die Entwicklungsländer Die Entwicklungsländer haben durch die Globalisierung viele neue Möglichkeiten. Die Produkte können in die ganze Welt verkauft werden und es besteht ein enormer Kostenvorteil bei den Arbeitskräften. In den Entwicklungsländern besteht allerdings kein großer Kapitalstock, so dass die Entwicklungsländer in vielen Fällen von Kapitalgebern aus den westlichen Industrieländern abhängig sind. Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird auch oft ausgenutzt. Probleme für die Entwicklungsländer stellen aber insbesondere protektionistische Maßnahmen der reicheren Staaten dar. Gerade im Agrarbereich gibt es zahlreiche Beschränkungen und Beschneidungen des freien Handels. Diese werden durch Subventionen und Einfuhrbeschränkungen gebildet. Für die Entwicklungsländer mit ihren oft sehr stark auf Landwirtschaft beschränkten Wirtschaften, ist dies ein großer Nachteil, der viele Chancen der Globalisierung verbaut. 6. Globale Lösungen Diese Situation ruft nach internationalen Absprachen und gemeinsamem Handeln der Staatengemeinschaft. Die dazu notwendigen Institutionen sind mit der UNO und ihren Spezialorganisationen eigentlich vorhanden. Die UNO kann aber nur so gut funktionieren, wie die einzelnen Länder bereit sind, auf kurzfristige eigene Vorteile zu verzichten und dafür eine langfristig nachhaltige Entwicklung der Welt zu ermöglichen, die allen Menschen dieser Erde zugute kommt. So notwendig die weltweite Zusammenarbeit zur Lösung der globalen Probleme ist, so wenig darf man übersehen, dass die richtige Einsicht und die schönen Worte an internationalen Konferenzen allein nicht genügen - die Lösungen müssen auch in jedem Land umgesetzt werden. So unterschiedlich die Länder, so unterschiedlich wird auch die Umsetzung sein.