Universität Oran 2 Seminar: MLEAP(Sommersemester 2016) Deutschabteilung (M1 HL) Dr. Mokadem Bedeutungen des Wortes Diskurs diskurs diskurs - definition diskurs , Sinne von diskurs der <Diskurses, Diskurse> (geh) mündliche oder schriftliche Erörterung eines Themas einen lebhaften Diskurs über etwas führen, der philosophische/politische Diskurs diskúrs diskúrs - definition diskúrs , Sinne von diskúrs Diskúrs ( lat . ; frz . discours ) , Rede , Unterredung; diskurrieren , hin und her reden , sich besprechen .Diskúrs ( franz . Discours ) , Unterredung . diskursiv diskursiv - definition diskursiv , Sinne von diskursiv Adj dis·kur·siv1 philos so, dass etwas von Begriff zu Begriff logisch fortschreitet diskursive Logik 2 (geh) so, dass es gesprächsweise, erörternd erfolgt die diskursive Herangehensweise an ein Problem 1 Universität Oran 2 Seminar: MLEAP (Sommersemester 2016) Deutschabteilung (M1 HL) Dr. Mokadem Definition des Begriffes Diskurs: Der Begriff Diskurs wurde ursprünglich in der Bedeutung „erörternder Vortrag“ oder „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Seit den 1960er Jahren wird der Begriff jedoch zunehmend in so genannten Diskurstheorien untersucht und erhält in den verschiedenen Theorien eine unterschiedliche Bedeutung. Diskurstheorien versuchen zu beschreiben, wie Folgen von Äußerungen konstituiert werden. Die Form der Untersuchung kann philosophisch, linguistisch oder auch literaturwissenschaftlich sein. Definition von Diskurs u.a. (Keller 2004: 64) Diskurs: „Eine … abgrenzbare Aussagepraxis bzw. Gesamtheit von Aussageereignissen, die im Hinblick auf institutionell stabilisierte gemeinsame Strukturmuster, Praktiken, Regeln und Ressourcen der Bedeutungserzeugung untersucht werden.“ Diskursfeld, diskursives Feld: „Arena, in der verschiedene Diskurse um Konstitution bzw. Definition eines Phänomens wetteifern“. Diskursstrategien: „Argumentative, rhetorische, praktische Strategien zur Durchsetzung eines Diskurses …“ Dispositiv: „Die materielle und ideelle Infrastruktur, d.h. die Maßnah-mebündel, Regelwerke, Artefakte, durch die ein Diskurs (re-)produ-ziert wird und Effekte erzeugt (z.B. Gesetze, Verhaltensanweisun-gen, Gebäude, Messgeräte)“. Diskurs als Vortrag Beim Diskurs als erörterndem Vortrag lassen sich zwei Diskursarten unterscheiden: bei systematischer Anwesenheit von Sprecherwechseln: Sprechhandlungssequenz, zum Beispiel Frage und Antwort, Vorwurf und Rechtfertigung bei systematischer Abwesenheit von Sprecherwechseln: Sprechhandlungsverkettung, zum Beispiel Vortrag, Erzählung. Unterschiedliche Verständnisse von „Diskurs“ Michel Foucault stellte mit seinem L’ordre du discours (1974) die traditionelle Geistesgeschichte in Frage. Foucault schuf aber keine Methode, sondern legte mit seinen theoretischen Überlegungen Grundsteine für eine neue Art des Denkens, ein erkenntnistheoretisches Modell, das in der Literaturwissenschaft, der Soziologie und zunehmend in der Geschichtswissenschaft angewendet und reflektiert wird. In Frankreich trug insbesondere der Diskursforscher Michel Pêcheux dazu bei, die methodologische Umsetzung einer empirisch orientierten Diskursanalyse 2 voranzutreiben. Angesichts unterschiedlicher Ideenschulen kann von einem einheitlichen Verfahren keine Rede sein. Die in Deutschland von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas geprägte Diskurstheorie ist nicht mit der an Foucault angelehnten und vom postmodernen Denken beeinflussten Diskurstheorie zu verwechseln. Ihre unter den Begriffen „Diskursethik“, „Diskurstheorie des Rechts“ und „Konsenstheorie der Wahrheit“ bekannte Denkschule ist dem Denken der Moderne verbunden und versucht deren Errungenschaften, gegen die Foucaults Analyse ausgesprochen kritisch ist, zu bewahren. Aus dieser Strömung stammt auch einige Kritik an Foucaults Diskursanalyse (Hans-Ulrich Wehler, Herbert Schnädelbach, Urs Marti u. a.). Herbert Schnädelbach schuf mit seinem Hauptwerk Reflexion und Diskurs (1977) zur Diskursanalyse ein methodisches Instrumentarium. Auf der Ebene von pragmatischen Sinnexplikationen rekonstruiert die Schnädelbachsche Diskursanalyse den jeweiligen Diskursgegenstand in Form von satzförmigen Sachgehalten, um die Bestimmung ihrer Geltung (die Foucault offen lasse), auch und gerade unter den (post-)modernen Bedingungen einer Diskurspluralität zu ermöglichen. 3 Universität Oran 2 Deutschabteilung (M1 HL) Seminar: MLEAP (Sommersemester 2016) Dr. Mokadem 1. Diskursanalyse ist ein Oberbegriff für die sozial-, sprach- politik- oder geschichtswissenschaftliche Analyse von Diskursphänomenen. Je nachdem, was als Diskurs betrachtet wird, gibt es dafür unterschiedliche Herangehensweisen. Allgemein untersucht Diskursanalyse den Zusammenhang von sprachlichem Handeln und sprachlicher Form, sowie den Zusammenhang zwischen sprachlichem Handeln und gesellschaftlichen, insbesondere institutionellen Strukturen. Während man sich in den Sozialwissenschaften i. A. für situationsübergreifende Ordnungen der Sinnproduktion interessiert, ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht die Abgrenzung des Diskurses (als pragmatisches Phänomen) gegenüber dem Text (als sprachliche Struktur des Diskurses, welcher unter anderem in der Textlinguistik untersucht wird) bemerkenswert. Diskursanalyse bezieht sich auf ähnliche Materialien wie Inhalts-analyse und bedient sich im Kern inhaltsanalytischer (oder damit vergleichbarer) Verfahren. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass (eben) ein bestimmter (u.U.: Teil-)„Diskurs“ untersucht werden soll. Das heißt vor allem:Es werden die Diskurse in ihrer Gesamtheit untersucht, Texte u.a. werden also in Beziehung zueinander gesehen. Es werden die verschiedenen ‚Stimmen‘ untersucht, es wird also systematisch berücksichtigt, wer die Sprecher/Akteure sind. Die Analyse zielt i.A. auf die zugrundeliegenden „Frames“ (Deutungsschemata) wie wird Gegenstand konstituiert, geformt? U.U. auch: Wirkungen des Diskurses (Dispositive, Mentalitäten). 1.1. Typische Fragen einer Diskursanalyse Wann taucht ein Diskurs auf, wann verschwindet er wieder? Welche sprachlichen oder symbolischen Mittel werden eingesetzt? Wie werden Gegenstände durch den Diskurs konstituiert und formiert? Was sind entscheidende Ereignisse im Verlauf eines Diskurses? Welche Akteure besetzen wie welche Sprecherpositionen? Wer ist Träger, wer ist Adressat, wer ist Publikum des Diskurses? Welche Bezüge enhält Diskurs zu anderen Diskursen? Wie lässt sich Diskurs auf soziale Kontexte beziehen? Welche Macht-Effekte gehen von einem Diskurs aus, wie verhalten sich diese zu gesellschaftlichen Praxisfeldern? 4 1.2. Diskursanalyse 1.2.1. Die kritische Diskursanalyse Die sogenannte Kritische Diskursanalyse (zum Beispiel Jürgen Link und Siegfried Jäger) schließt aus marxistischer Perspektive an den Diskursbegriff von Foucault an. Diskurs bedeutet hier die institutionalisierte gesellschaftliche Redeweise, die das Handeln der Menschen bestimmt. Gegenstand sind dabei sowohl die Form, als auch der Inhalt von Äußerungen. Gefragt wird auch nach dem, was in den Redeweisen nicht gesagt wird oder sagbar ist. Für Jäger besitzt der Diskurs zudem eine historische Dimension: Diskurs ist ein Fluss von Rede und Texten („Wissen“) durch die Zeit. 1.2.2. Diskursanalyse in der Geschichtswissenschaft Die historische Diskursanalyse geht von einer doppelten Vermittlung von Geschichte aus. Zum einen durch Quellen, zum anderen durch ihre Darstellung (in Geschichtsbüchern beziehungsweise geschichtswissenschaftlichen Abhandlungen). Geschichte wird stets von Zeichensystemen vermittelt und ist insofern immer konstruiert, indem sie genau diese sinnhaften (Zeichen-) Konstruktionen zum Gegenstand ihrer Untersuchung erhebt – anders gesagt: Historische Ereignisse, Strukturen und Prozesse sind untrennbar mit ihrer Repräsentation verknüpft. Geschichte ist nur in vermittelter Form zugänglich, also als „repräsentierte Realität“. Die Diskursanalyse spürt also den Formen und Regeln der Repräsentation nach. 1.2.3. Diskursanalyse in den Sozialwissenschaften Sie untersucht die Regeln und Regelmäßigkeiten des Diskurses, seine Möglichkeiten zur Wirklichkeitskonstruktion, seine gesellschaftliche Verankerung und seine historischen Veränderungen. Sie stellt insbesondere Fragen nach den sozialen und institutionellen Zusammenhängen, in denen Aussagen des Diskurses auftauchen, sowie nach der Organisation der Aussagen, das heißt nach den Prinzipien ihrer Anordnung. Das Forschungsinteresse richtet sich insbesondere auf die Existenz der Aussagen. (Warum treten gerade diese Aussagen auf? Warum in dieser Form und in diesen Zusammenhängen?) Die Diskursanalyse beabsichtigt also nicht, einen (literarischen) Text in seiner Ganzheit zu verstehen und zu interpretieren wie etwa die Hermeneutik, sondern es geht ihr vielmehr um Diskursformationen (Strukturen, Praktiken), die sich durch die unterschiedlichsten Texte hindurchziehen. Folgende Aspekte finden Beachtung: Institutioneller Rahmen / Kontext (z. B. Autor, Medium, Ereignishintergrund) Text-Oberfläche (Gestaltung, Sinneinheiten, Strukturierung angesprochener Themen) Sprachlich-rhetorische Mittel (Analyse der Argumentationsstrategien, Implikationen und Anspielungen, Logik und Komposition, Kollektivsymbolik ("Bildlichkeit"), Redewendungen, Wortschatz, Stil, Akteure, Referenzbögen ...) Inhaltliche-ideologische Aussagen: Menschenbild, Gesellschaftsbild, Vorstellungen von Zukunft, Technik etc. Interpretation: Systematische analytische Darstellung eines Diskursfragments nach der Aufbereitung des Materials. Dabei werden die einzelnen Elemente aufeinander bezogen. Zentrale Analysekategorien sind dabei die Diskursstränge der diskursiven Ereignisse, Diskursebenen und Diskurspositionen. 5 1.2.4. Diskursanalyse in Anlehnung an Foucault Dominique Maingueneau, Vertreter einer linguistischen Diskursanalyse in Frankreich beschreibt vier Charakteristika einer an Foucault angelehnten Diskursanalyse: 1. Ort: historischer, sozialer, kultureller Ausgangspunkt einer Serie ähnlicher Aussagen, der "Ort des legitimen Sprechens" (Institutionalisierung eines Sachverhaltes z. B. Wahnsinn im Rahmen der Psychiatrie). Der Ort ist eng mit Macht verbunden, da es sich dabei zumeist auch um einen Platz handelt, "den ein Subjekt einnehmen muss, wenn es im Rahmen eines Diskurses etwas sagen will, das als Wahrheit gelten soll". 2. Einschreibung: Äußerungen werden erst zu Aussagen durch die Wiederholung ähnlicher Äußerungen, denn durch Wiederholung generieren die miteinander verbundenen Aussagen ein Ordnungsschema bzw. eine diskursive Regelmäßigkeit. 3. Grenzen und Interdiskurse: Ein Diskurs zeichnet sich immer auch durch seine Beschränkungen aus, d.h. durch Verbote, Ausgrenzungen (des Sagbaren, Sichtbaren), zugleich zeigen sich auch immer Verbindungen zu anderen Diskursen z. B. durch Kollektivsymbole (=diskursive Elemente, die zu einer bestimmten Zeit in vielen Diskursen vorkommen, sie dienen als Quelle von Evidenz und Deutbarkeit). Archiv: Die drei vorangegangenen Elemente konstruieren das Archiv. "Auf Basis dieses Archivs erst kann man dann inhaltliche Aussagen darüber machen, wie Diskurse die soziale Welt des Bezeichneten in ihrer historischen Spezifität hervorbringen." 6 Themen zur Auswahl für Präsentationen im Fach MLEAP : - Diskurs bei Chantalle Mouffe Diskurs bei Ernesto Laclau Diskurs bei Siegfried Jäger Diskurs bei Jürgen Link Diskurs bei Karl Otto Appel Diskurs bei Habermas Diskurs bei Foucault Diskurs bei Keller Diskursethik Diskursanalyse in der Geschichtwissenschaft Diskursanalyse in der Sozialwissenschaft Diskursanalyse in der Rechtswissenschaft Intersubjektivität Rhetorik Gesprächanalyse Diskussio Sprecherwechsel Inhaltsanalyse Quantitative Inhaltsanalyse Qualitative Inhaltsanalyse Eigene Auswahl von mündlichen oder schriftlichen Diskursen (auf Deutsch, Hocharabisch, Algerisch, Französisch od. Englisch) und Durchführung derer Analyse. 7