Interview RZ Oberwallis

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Interview RZ Oberwallis
Erschienen im November 2004
Friedrich Zemanek, dipl. Koch- und Küchenmeister und Teamcaptain der Rhoneköche Wallis
„Der zweite Platz ist eine grosse Genugtuung“
Gluringen / Starke Leistung der Rhoneköche an der Koch-Olympiade in Erfurt. Ewald Michlig, Norbert Schwery,
Friedrich Zemanek, Fabian Margelisch und Michel Schnidrig holten einmal Gold, zweimal Silber und den zweiten
Platz in der Mannschaftswertung. Im RZ-Frontalinterview spricht Teamcaptain Friedrich Zemanek über den
gelungenen Wettkampf, seinen Werdegang und sagt: „Jetzt konnten wir endlich beweisen, was in uns steckt.“
Von Walter Bellwald
Markus Pianzola
Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Silbermedaille an der Koch-Olympiade in Erfurt. Haben Sie entsprechend
gefeiert?
Wir haben uns zwar riesig gefreut, aber wir haben nicht gross gefeiert. Wir hatten zwar im Voraus spekuliert, mit den Besten
mithalten zu können. Trotzdem kam der Erfolg letztendlich überraschend.
Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?
Die Silbermedaille und der siebte Platz unter den besten 55 Regionalmannschaften der Welt ist eine grosse Genugtuung für
uns. Wir sind nun schon seit fünf Jahren zusammen und mussten für unseren Erfolg hart arbeiten. In den Anfängen wurden
wir an den internationalen Wettbewerben ein wenig belächelt und nicht ernst genommen. Jetzt konnten wir endlich
beweisen, was in uns steckt.
Trotzdem: War die Enttäuschung über die verpasste Goldmedaille letztendlich grösser als die Freude über die
silberne Auszeichnung?
Sowohl als auch. In Anbetracht der grossen Konkurrenz bei diesem Wettkampf können wir mit dem Gewinn der
Silbermedaille sicher zufrieden sein. Andererseits wurmt es halt doch ein bisschen, dass wir den Sieg verpasst haben.
Nach Ihrem Auftritt an der Zentralschweizerischen Ausstellung für Gastgewerbe, Hotellerie und
Gemeinschaftsgastronomie (ZAGG) waren Sie unzufrieden. Was haben Sie in der kurzen Zeit an Ihrem Programm
geändert?
Wir haben ein komplett neues Ausstellungsprogramm präsentiert. An der ZAGG hatten die Juroren die zu kleinen
Fingerfood- und Tellerportionen kritisiert. Ausserdem wurde bemängelt, dass die Hauptkomponenten der Gerichte hinter der
Garnitur versteckt waren. Auf all diese Einwände haben wir reagiert und uns entsprechend ins Zeug gelegt.
Was haben Sie in Erfurt auf den Tisch gezaubert?
Wir haben verschiedene Vorspeisen und sechs verschiedene Hauptgänge serviert. Auf unserer Schauplatte vereinten wir
sowohl Fisch als auch Fleisch und vegetarische Produkte. Bei der Herstellung haben wir darauf geachtet, vor allem
heimische Produkte wie Aprikosen, Tomaten, Ziger oder Roggenbrot zu verwenden. Schliesslich hat unser Patissier Norbert
Schwery zum Dessert verschiedene Pralinen hergestellt. Diese Kombination konnte die Jury überzeugen.
Was ist Ihre nächste grosse Herausforderung?
Wir werden nächstes Jahr an vielen kleineren Wettbewerben wie beispielsweise in Nürnberg oder Salzburg teilnehmen. Der
Höhepunkt des Jahres ist sicher der IGEHO-Weltcup-Wettbewerb im November 2005 in Basel. Hier können die besten drei
Mannschaften jedes Landes teilnehmen. Die Siegermannschaft jedes Landes qualifiziert sich dann für die
Nationalmannschaft.
Sie haben schon bei vielen Kochwettbewerben abgeräumt. Wie wichtig ist Ihnen der Vergleich mit der
internationalen Kochgilde?
Der Erfahrungsaustausch und das gegenseitige Einvernehmen mit anderen Köchen sind sehr wichtig. Dadurch kann man
viele gute Ideen und Vorschläge in die eigene Küche einbringen.
Und welche Auszeichnung hat Sie bisher am meisten gefreut?
Für jede Medaille, sei es nun im Team- oder Einzelwettkampf, muss man hart arbeiten. Darum ist jede Auszeichnung
wertvoll und eine Anerkennung für die gebotenen Leistungen.
Lassen Sie uns über Ihre Anfänge reden. Sie sind in Böhmen aufgewachsen. Wollten Sie immer schon Koch
werden?
Nein, nicht wirklich. Mein Vater wollte ursprünglich, dass ich nach meinem Schulabschluss studiere. Ich stellte mich aber
quer, weil ich dem Sport mehr zugetan war. Vor allem Judo hatte mich begeistert. Erst später entschied ich mich dann eine
Kochlehre zu machen.
Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit dem Kochlöffel?
Das war ganz schön hart. Mein Lehrmeister war sehr streng. Darum habe ich meine Lehre in Böhmen unterbrochen und in
Deutschland fertiggemacht. Später habe ich noch die Meisterprüfung absolviert und die Ausbildung zum Diätkoch gemacht.
Nach Ihrer Ausbildung sind Sie auf Wanderschaft gegangen und haben in verschiedenen Restaurants und Hotels
gekocht. Was für Eindrücke sind Ihnen aus dieser Zeit geblieben?
Die beste Erinnerung ist mir vom Spielcasino in Aachen geblieben. Das gehörte in den achtziger Jahren zu den
renommiertesten Betrieben in Deutschland. Oder in Miami arbeitete ich in einem Restaurant mit tausend Sitzplätzen. Für
hiesige Verhältnisse unvorstellbar. Wir haben um zehn Uhr morgens mit der Arbeit angefangen und haben nicht selten bis
morgens um zwei Uhr durchgearbeitet. Das war zwar eine sehr strenge, aber lehrreiche Zeit.
Nach Ihrer Koch-Odyssee durch Europa und Übersee sind Sie im Goms gelandet. Was hat Sie hierher verschlagen?
Ich wollte damals eigentlich nach Tel Aviv in ein renommiertes Hotel. Weil ich aber der einzige Europäer war, der nach Israel
wollte, habe ich mich kurzerhand anders entschieden und mich auf eine Zeitungsannonce im Hotel Kristall gemeldet. Das
war Ende der achtziger Jahre. Als ich ins Goms gekommen bin, war es anfangs ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber ich
habe mich schnell eingelebt. Hier habe ich auch meine Frau Romy kennen gelernt, die im gleichen Hotel an der Reception
gearbeitet hat.
Später haben Sie sich im Restaurant Bächi in Gluringen niedergelassen.
Nicht direkt. Zwischendurch habe ich noch in der Karibik gearbeitet. Dann war ich in Oberägeri, Basel, Maloja und Fiesch.
1997 haben wir den Schritt in die Unabhängigkeit gewagt.
Ihre Küche ist weit über das Goms hinaus bekannt. Was ist Ihr kulinarisches Geheimnis?
Ich bin ein Tüftler und koche sehr kreativ und vielfältig. Dazu verwende ich Pflanzen aus dem heimischen Kräutergarten
sowie einheimisches Fleisch und Gemüse. Die wahre Kochkunst besteht darin, aus einfachen Zutaten etwas Gutes
zuzubereiten. Wichtig ist auch, wie der Teller angerichtet wird; das Auge isst ja bekanntlich mit. Ich habe mir vor Jahren der
Eurotoques-Philosophie verschrieben, das heisst, ich verwende möglichst wenig industrielle Produkte in meiner Küche.
Im Gegensatz zum „Fast-Food“ haben Sie den Begriff der „Slow-Food-Küche“ geprägt. Was ist darunter zu
verstehen?
Beim „Slow-Food“ soll sich der Gast Zeit nehmen, das Essen zu geniessen. Auch die Herkunft und Zubereitung der Produkte
sind wichtig. Es sollten nur heimische Produkte verwendet werden, die auf natürlicher Basis hergestellt sind.
Welche Küche schmeckt Ihnen am besten?
Ich esse gerne deftig, das heisst, Schweinsbraten, Haxen und Knödel gehören zu meinen Leibspeisen. Das ist zwar nicht
gerade gesund, aber es schmeckt nun mal hervorragend (lacht).
Seit ein paar Jahren führen Sie zusammen mit der Ernährungsberaterin Andrea Hunziker eine Sinnes- und
Geschmackswerkstatt für Kinder durch.
Dabei sollen Kinder und Jugendliche ihre Sinnes- und Geschmacksnerven testen und sensibilisieren. Die Resultate sind sehr
unterschiedlich. Bei einigen Kindern und Jugendlichen sind die Sinnes- und Geschmacksnerven sehr ausgeprägt, bei
anderen dagegen völlig inexistent.
Worauf ist das zurückzuführen?
Der eigentliche Grund für diese Wahrnehmungsstörungen sind im Elternhaus zu suchen. Viele Kinder wissen heute nicht
mehr, wie ein Rüebli oder ein Apfel wirklich schmecken. Der ursprüngliche Geschmack eines Produktes wird vielfach mit
Saucen verfälscht. Aber auch die Sinnesorgane werden schnell getäuscht. So haben wir eine Crème auf Vanillebasis mit
verschiedenen Lebensmittelfarben angerührt. Das Ergebnis war erstaunlich: Die Kinder haben die verschiedensten Aromen
herausgeschmeckt. Von Erdbeer bis hin zu Schokolade oder Pfefferminze. Dabei war alles nur Vanillepudding. Aber durch
die optische Täuschung wurden die Sinne verwirrt.
Kann man die Sinnes- und Geschmacksnerven trainieren?
Ich denke schon. Wir müssen wieder lernen, die Sinne und den Geschmack auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es ist
wichtig, die Produkte besser kennen zu lernen und den Geschmack intensiver wahrzunehmen. Darum wollen wir die Kinder
und Jugendlichen animieren, ihre Sinne zu schärfen und ihren Geschmackssinn besser auszuprägen. Auch die Eltern sind
angehalten, ihre Kinder diesbezüglich besser zu schulen. Das fängt mit dem Tischdecken an und geht über die Getränke bis
hin zu den Speisen.
Sie sind nicht nur ein guter Koch, sondern haben auch ein Buch herausgegeben. Was erwartet den Leser?
Im Buch „Gaumenschmaus und Augenweide“ sind verschiedene Rezepte mit einheimischen Produkten nachzulesen. Die
Rezepte sind an die vier Jahreszeiten angelehnt und auf einfache Art und Weise zuzubereiten. Und mit ein wenig Phantasie
kann man den Gerichten auch eine perfekte optische Note geben.
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