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Medienwelten
2014 Medienwelten 1 – Struktur und Wandel der Medien in der veränderten Welt
2015 Medienwelten 2 – Die Verantwortung der Medien in der veränderten Welt
2016 Medienwelten 3 – Die Macht der Medien in der veränderten Welt
2017 Medienwelten 4 – Das Potential der Medien in der veränderten Welt
„Medien“ sind ein vieldeutiger Begriff. Im Alltag ist er bei allem Mangel an Trennschärfe
durchaus verständlich. Wenn junge Menschen „irgendwas mit Medien“ machen wollen,
haben sie weder die immer abstrakter werdenden Kommunikations- und Gesellschaftstheorien
im Sinn, noch meinen sie Mode, Sprache oder gar die Menschen, die in Trance mit den Toten
reden. Die traditionellen Medien sind Presse, Fernsehen, Radio und neuerdings ihre Ableger
im Metamedium Internet. Gleichfalls Mediencharakter im hiesigen Sinne haben viele – wenn
nicht alle – computer- bzw. mobiltelefonbasierten Anwendungen, nämlich mindestens all
jene, die über den individuellen (Spiele) und Paargebrauch (Telefon, Mails) hinausgehen; hier
ist besonders an Datenbanken, Suchmaschinen und soziale Netzwerke zu denken. Ein
Medium im Medium ist nicht zuletzt die Werbung mit ihren eigenen strukturellen
Besonderheiten etwa bezüglich Image-Vermittlung und Wahrheitsanspruch.
Medien sind unverzichtbar. Unbeeindruckt vom erkannten oder jedenfalls fortwährend
postulierten Verschwinden des Subjekts bauen Demokratien nach wie vor auf den mündigen
Bürger, der sich mithilfe der Medien informiert und eine Meinung bildet. Die fundamentale
Einschränkung seiner Souveränität durch dieselben, ihre Eigendynamik, Macht und
Verantwortung bleiben dabei weitgehend unreflektiert: Medien erzeugen unser Bild von der
Wirklichkeit und zu einem guten Teil die Wirklichkeit selbst. Große gesellschaftliche Themen
entwickeln sich nicht durch eine allgemeine Bewusstwerdung, sie werden erzeugt, besetzt
oder durch Rückkopplungseffekte überhaupt erst zu vermeintlicher Relevanz aufgebauscht,
indem Zeitungen und Sender bzw. ihre Internetableger die Themenauswahl der Konkurrenz,
aber auch der „sozialen“ Netzwerke beobachten und kopieren.
Die Abhängigkeit des Privatfernsehens von Werbekunden und Einschaltquoten bringt
regelmäßig ethisch und geschmacklich fragwürdige „Formate“ hervor, die durch ihren Erfolg
erheblichen Druck auf die gebührenfinanzierten Sender ausüben und seriöse
Programmbestandteile auf unattraktive Sendeplätze verdrängen. Information und
gesellschaftlich-politische Bildung werden als Info- bzw. Histotainment dargeboten, worauf
sich andersherum auch die Politik einstellt: Schöne Bilder, kurze, positive Sätze,
Problemdefinition und -lösung sind Elemente des Politainments, während die eigentlichen
Entscheidungsprozesse und -träger immer weniger transparent sind. Auch die Presse macht
einen schmerzhaften Wandel durch. Die Tages- und Wochenzeitungen können den Rückgang
der Werbeeinnahmen nur dann als Zuwachs an Unabhängigkeit nutzen, wenn sie es schaffen,
gegenüber der teils hausgemachten Internetkonkurrenz ihre (muss man sagen: Rest-?)
Leserschaft durch Hintergrund-, Lokal- und Spartenberichterstattung zu binden.
Wenn über Medien gesprochen wird, so meist nur im schulischen und akademischen Kontext.
Basierend auf Vor- und Freidenkern der ersten Jahrhunderthälfte haben die sich
herausbildenden Medien-Fachwissenschaften seit den 1960er Jahren zahlreiche Theorien zu
Mediennutzung und -wirkung erarbeitet, die von der Realität oft bereits überholt wurden. So
fällt es schon seit Einführung des Privatfernsehens in den 1980er Jahren schwer, noch eine
medienbedingte „gemeinsame Öffentlichkeit“ auszumachen – und um wieviel mehr im
Zeitalter des internetbasierten Medienmarktes?! Inwiefern kann man heute noch von
„Enkulturation“, Homogenisierung und einer Integrationsfunktion „der“ Medien sprechen,
wenn das vormals eher passive Publikum sich heute aus aktiven „Nutzern“ einer
unüberschaubar gewordenen Vielzahl von Medienangeboten zusammensetzt? Was machen
Medien heute mit Kindern (und umgekehrt), zumal wenn ein „Migrationshintergrund“ im
Spiel ist?
Gerade an der Frage der Integrationsfunktion der Massenmedien lässt sich das breite
Spektrum der akademischen Betrachtungsweisen und Deutungsmuster gut aufzeigen: Die an
sich schon widersprüchlichen zentrifugalen und zentripetalen Effekte der Mediennutzung
lassen sich positiv als Vielfalt, Differenzierung, Individualisierung bzw. Integration,
Homogenisierung, Konsens oder negativ als Fragmentierung, Ungleichheit, Polarisierung
bzw. Konformität, Vermassung, Mainstreaming beschreiben.
Wie steht es im gleichen Zusammenhang mit der Konstruktion von Identität? Nicht nur
vermitteln die zielsprachlichen Medien bereits einen Großteil der in einer individualisierten,
wertepluralistischen Gesellschaft möglichen Lebensentwürfe, zugleich bieten
Satellitenfernsehen und Internet das ganze Medienangebot der elterlichen bzw. Heimatkultur.
Medien sind Bausteine in der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit, und ihre
Wichtigkeit kann angesichts der immer noch wachsenden Zahl sogenannter Reality-Formate,
aber auch der Auswahl „ernster“ Medieninhalte kaum überschätzt werden:
Unsicherheitsgefühle, Rollen- und Starkultdenken und nicht zuletzt die Ökonomisierung der
zwischenmenschlichen Beziehungen werden über den Mainstream der „seriösen“ Medien
transportiert und verstärkt, während „gute Nachrichten“ über alternative Handlungs- und
Interventionsmuster stark unterrepräsentiert sind. Die Folgen können Gewaltbereitschaft und
Vergnügungssucht bei den jüngeren Konsumenten, Politikverdrossenheit, Zukunftsängste und
eine sinkende Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement in der Gesamtbevölkerung sein.
Auch die wahrnehmungs- und wertebildende Rolle der allgegenwärtigen kommerziellen
Werbung wird heute kaum mehr reflektiert.
Andererseits sind die Beispiele starker Mobilisierung des Publikums durch konzertierte
Medienarbeit Legion. Es gehört zum Potential der Massenmedien, in wahren „Feldzügen“
(frz. campagne) weite Teile der Bevölkerung im Guten wie im Schlechten zu
Meinungswechseln und Handlungen zu bewegen. Auch mediale Massenereignisse wie
Sportveranstaltungen oder Natur- und Kriegskatastrophen können als eine Art „sozialer
Zement“ für schicht- und milieuübergreifende Verständigung sorgen.
Der Parforceritt durch einige Kernfragen zum Gegenstand sollte gezeigt haben: Medien sind
ein ausgesprochen komplexes Thema. Sie lenken Interessen, produzieren Konsens und
(seltener) Unzufriedenheit – und sind bzw. machen blind für ihre eigenen Wirkmechanismen.
Die überwiegend akademische und medial wenig präsente Reflexion über ihre Struktur,
Verantwortung, Macht und Möglichkeiten ist ihrer psychosozialen und politischen Bedeutung
nicht angemessen. Die zunächst auf vier jährliche Treffen angelegte Konferenzreihe
„Medienwelten“ möchte dem etwas entgegensetzen. Fachkräfte der Medien-,
Kommunikations- und Sozialwissenschaften, Medienmacher und Mediennutzer sind
eingeladen, sich in Vorträgen und Diskussionen mit dem so wichtigen Großthema zu
befassen. Jedes Jahr wird ein Schwerpunkt gesetzt:
1. Die Einleitung zu Struktur und Wandel der Medien in der veränderten Welt soll der
Begriffsklärung dienen und eine Bestandsaufnahme liefern: Was verstehen wir unter Medien?
Wie ist es um die Medienlandschaft Deutschland und die klassischen Medien der
Meinungsbildung Fernsehen und Zeitung bestellt? Welche quantitative und meinungsbildende
Bedeutung haben Spartensender, Sendeplätze und -formate, aber auch die ausländischen
Medien in Deutschland? Was ist journalistischer Alltag hier und andernorts: Wie sind
Unterhaltung und Information gewichtet? Wie wird es in Zukunft um die klassischen wie
neuen Medien und ihre Praxis stehen? In dieser ersten Veranstaltung sollen auch die zentralen
medienwissenschaftlichen Grundannahmen und -begriffe vorgestellt und einige wichtige
Medien(nutzungs)phänomene wie Starkult, Politikverdrossenheit oder Aktualität behandelt
werden.
2. Der Schwerpunkt der zweiten Konferenz liegt auf der Verantwortung der Medien in der
veränderten Welt: Medienmacher sind nicht frei in der Wahl ihrer Themen und
Darstellungsweisen. Neben dem im Rundfunkstaatsvertrag verankerten Bildungsauftrag der
öffentlich-rechtlichen und dem finanziellen Kalkül der privaten Sender gibt es einen für beide
auf unterschiedliche Weise bindenden Kodex von „Korrektheit“ und Sensibilität. Das
Grundgesetz garantiert den Medien zwar weitgehende Freiheiten, doch periodisch
wiederkehrenden Diskussionen etwa über Mohammed-Karikaturen oder der nachweisliche
Zusammenhang von Fremdenfeindlichkeit und Berichterstattung über
„Ausländerkriminalität“ zeigen, dass gerade große Medienmarken mit sensiblen Themen sehr
vorsichtig umgehen müssen. Hier stellt sich auch die Frage nach Sprachregelungen,
Themenauswahl und (der Möglichkeit von) Neutralität. Wie lassen sich Freiheit und
Verantwortung vereinen? Welche medialen (Auto-)Regulationsmechanismen gibt es oder
sollte es geben?
3. Im dritten Jahr wird die Frage nach der Macht der Medien in der veränderten Welt
gestellt. Politische wie rein wirtschaftlich orientierte Akteure haben seit langem verstanden,
dass Interessen nicht bestehen, sondern erzeugt werden. Liegen Themen aufgrund äußerer
Umstände einmal „in der Luft“, werden sie mehr „besetzt“ als diskutiert und nicht selten ihrer
Inhalte beraubt. Aller Entwicklung partizipativer Medien („Web 2.0“) zum Trotz bestimmen
immer noch die klassischen Medien bzw. ihre Zuspieler aus Politik und Wirtschaft die
„Agenda“ der vermeintlichen Notwendigkeiten, definieren „Probleme“ und ihre Lösungen im
Rahmen nicht mehr hinterfragter Grundannahmen und machen Deutungen durch
Wiederholung zu Gewissheiten. Zur Meinungsformung gehört auch der intensive Bildeinsatz.
Erst seit wenigen Jahren spürt eine akademisch institutionalisierte Bildforschung der
Bedeutung des „Visuellen Zeitalters“ für Individuum und Gesellschaft nach – Bildbotschaften
haben insbesondere die Eigenheit, dass man ihnen kaum entgehen und gar nicht
widersprechen kann.
4. Am Schluss der Konferenzreihe steht die Frage nach dem Potential der Medien in der
veränderten Welt. Je nach Erkenntnisinteresse kann es sinnvoll sein, von der unseren als
einer Spektakelgesellschaft (Debord), Konsumgesellschaft (Baudrillard) oder
Risikogesellschaft (Beck) zu sprechen – weitgehend unbestritten, aber auch wenig reflektiert
ist der Begriff der Mediengesellschaft. Das Potential der Medien zeigt sich an ihrem Rand:
Alternative Presse, Piratensender, Gegenöffentlichkeit, Web 2.0, arabischer Frühling,
Graswurzelrevolution sind nur einige der in diesem Kontext relevanten Stichworte. Es
mangelt dem Mainstream der Medien zweifellos an (system-) kritischen, vor allem aber auch
an positiven Tönen, wenn es um Ökologie, Gesellschaftsfragen oder internationale Konflikte
geht. Sind wirklich nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten? Sind sie es überhaupt?
Besonders auf junge Menschen wirkt ausschließlich negative Berichterstattung
desillusionierend und lähmend, wo angesichts der globalen Krise(n) gerade Bewusstwerdung
und Aktion gefordert sind. „Eine andere Welt ist möglich!“ heißt es fast nur in
Aktivistenkreisen. Ihre neuen und alternativen Medien zeigen Möglichkeiten der
Sensibilisierung und Mobilisierung auf, zu denen Politik und Medienmainstream (noch) nicht
fähig zu sein scheinen.
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