Rotstift: Wie weiter in Vertrieb und Marketing?

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Marketing & Verkauf 41
360-Grad-Touchpoint-Management
Rotstift: Wie weiter
in Vertrieb und Marketing?
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten rückt eine Fragestellung immer stärker in den Mittelpunkt: Welche
Investitionen in welche Massnahmen lohnen sich überhaupt? Budgets zu streichen ist das eine, die
knappen Mittel für heute und die Zukunft optimal einzusetzen das andere. Das hier vorgestellte 360Grad-Touchpoint-Management ermöglicht eine systematische, entscheidungsunterstützende Auseinandersetzung mit den Stellhebeln eines zukunftsgerichteten Markt- und Markenmanagements.
Christoph Spengler
Wenn die Mittel knapper werden, müssen
diese noch effizienter und effektiver eingesetzt werden. Gefragt sind nachhaltige Strategien und Lösungen, die sicher mehr Abverkaufserfolg generieren und zur stetigen Stärkung der Marke beitragen. In einem Umfeld,
in welchem sich mehrere Entwicklungen
überlagern, funktioniert das Prinzip «Je mehr
Massnahmen, desto mehr Interaktionen mit
Kunden und damit mehr Umsatz» nicht. Herkömmliche Ansätze stossen an ihre Grenzen:
Response-Raten sinken – Kontaktkosten steigen. Naheliegend und wahr: Nur wenn sich
ein Markenkontakt beim (potenziellen) Kunden positiv durchsetzt, kann er etwas bewirken, die Einstellungen zur Marke verändern
sowie den Abverkauf steigern.
Unzureichende Transparenz
Noch nie gab es so viele verschiedene Möglichkeiten und Kanäle, wie (potenzielle)
Kunden weltweit schnell angesprochen
werden können. Das Internet hat die Rah-
menbedingungen für Vertrieb und Marketing stark verändert und wird dies auch in
naher Zukunft weiter tun. Als Folge der Verschmelzung der On- und Offline-Welten ist
in den vergangenen Jahren sprunghaft eine
Vielzahl neuer Instrumente und Plattformen
entstanden, was häufig zu einer Inflation
der betrieblichen Marktbearbeitungsmassnahmen führte. So ist es in der Praxis kaum
mehr möglich, den Beitrag einzelner Massnahmen zum Gesamterfolg zu bestimmen.
In der Regel können diese nur aus der betrieblichen Perspektive isoliert analysiert
werden, ein ganzheitliches Mess- und Bewertungskonzept (Äpfel-Birnen-Problem)
fehlt meistens. Bereits mittelgrosse Unternehmen im B2C- oder B2B-Bereich managen heute meist weit über hundert Berührungspunkte. Das ist häufig zu viel, wenn
man es wirklich gut machen will.
Fokus auf Markenstärkung
Tatsache ist, dass sich das Touchpoint-Universum – also das Abbild aller unternehmensindividuellen Massnahmen in Vertrieb
und Marketing – schon in kurzer Zeit verändern kann. Neue Kanäle gewinnen an Bedeutung, andere verlieren – die Prioritäten
verschieben sich. Gleichzeitig hat sich auch
die Mediennutzung markant verändert und
die Machtverhältnisse verschieben sich stetig hin zu den Kunden: Sie bestimmen selbst,
wann und wo sie welche Botschaften empfangen wollen. Aktuelle Kontaktpunkt-Analysen zeigen unter anderem:
O Etwa die Hälfte des subjektiven Markenerlebnisses machen die unterschiedlichen
Kontaktpunkte im Vertrieb resp. am Verkaufspunkt aus.
O Rund ein Drittel des Markenerlebnisses
wird durch persönliche Empfehlungen
von Freunden und Bekannten oder Produktempfehlungen aus Testberichten sowie redaktionellen Beiträgen bestimmt,
die sich durch eine überdurchschnittliche
Glaubwürdigkeit auszeichnen. Auch
nimmt die Bedeutung von Peer-to-PeerNetzwerken bzw. das Engagement in
Communities zu. Entwickelt sich eine Eigendynamik, können solche Online-Plattformen einen glaubwürdigen Multiplikatoreffekt auslösen.
KMU-Magazin Nr. 5, Juni 2009
42 Marketing & Verkauf
O
Zu mindestens zehn Prozent entscheiden
sich Konsumentinnen und Konsumenten
auf der Basis von neuen Informationsquellen wie Internet, E-Mail oder Mobiltelefon. In Branchen wie beispielsweise
Reisen oder Computertechnologie verlagern sich ganze Kaufprozesse zunehmend
in die virtuelle Welt.
Ziel muss es daher sein, den Fokus und die
Investitionen auf die markenstärkenden
Kontaktpunkte in Vertrieb und Marketing zu
konzentrieren, welche die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig unterstützen.
Touchpoint-Management
Der Grundgedanke des Touchpoint-Managements ist zwar nicht neu, gewinnt aber
aufgrund der zunehmenden Komplexität sowie der unzureichenden Wirkungstransparenz an Bedeutung. Erst ein ganzheitlicher
Blickwinkel aus der Kundenperspektive ermöglicht es, den optimalen Mix für eine
Multikanalstrategie zu identifizieren, über
welchen die Markt- und Markenkommunikation am wirkungsvollsten gesteuert werden kann. Erfahrungswerte und Intuition
können leicht täuschen. Das birgt Risiken,
kostet Zeit und gute Chancen können vergeben werden. Neu können diese erfolgsrelevanten Herausforderungen mit einem
übersichtlichen, wissenschaftlich fundierten
Methodenbaukasten im Praxisalltag angegangen werden. Dadurch wird ein Multikanal-Management mess- und steuerbar. Systematisch werden Optimierungspotenziale
und neue Wege aufgedeckt, damit der Return-on-Investment maximiert wird. Ent-
scheidungen unter Ungewissheit können
damit minimiert werden.
Durch die 360-Grad-Touchpoint-Analyse
lassen sich annähernd hundert Prozent der
marktseitigen Investitionen des Unternehmens erfassen und bewerten. Der optimale
Touchpoint-Mix und die bestmögliche Gestaltung von Strukturen und Prozessen setzen bedeutende Effizienzreserven frei. Systematisch werden Über- und Unterinvestitionen aufgedeckt. Diese Mittel können
eingespart oder für andere Aufgaben nutzbar gemacht werden. Kundenbeispiele zeigen, dass Einsparungen ohne Wirkungsverlust in einem substanziellen zweistelligen
Prozentbereich möglich sind.
Sicht von aussen nach innen
Eine kundenorientierte Strategie- und Massnahmenentwicklung von «aussen nach innen» erhöht nicht nur die Entscheidungssicherheit, sondern führt nachvollziehbar
auch zur Steigerung der Kontakt- und Servicequalität sowie zur Stärkung der Marke.
Projekterfahrungen zeigen, dass Schwachstellen im Kundenkontakt nicht selten mit
unzureichend strukturierten Prozessen zusammenhängen. Der Vorteil des Konzepts
ist seine Einfachheit mit der richtigen Fokussierung. In einer ganzheitlichen Betrachtungsweise wird der Kunde in den Mittelpunkt gerückt. Basierend auf Customer Insights werden aus einer Vielzahl von
Möglichkeiten die relevanten Off- und Online-Kontaktpunkte bereichsübergreifend
identifiziert und bewertet. Dies ermöglicht
unter anderem (siehe nächste Seite):
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Gezielte Komplexitätsreduktion und Steigerung der Prozesseffizienz in Vertrieb
und Marketing.
Priorisieren der Investitionen durch wirkungsorientierte Budgetallokation.
Zielführendes Innovations-Management
in Vertrieb und Marketing.
Flexibilität und rasche Reaktion auf den
immer schnelleren Wandel.
So gesehen bietet ein ganzheitliches Touchpoint-Management eine schlüssige Entscheidungsgrundlage für den Vertrieb, das Marketing, aber auch für Spezialisten in Kommunikation, Werbung und Prozessmanagement.
Was darunter verstanden wird
Brand- oder Customer-Touchpoints sind
sämtliche Schnittstellen oder Berührungspunkte eines Unternehmens oder einer Marke mit Kunden, Nichtkunden und anderen
Stakeholdern – vor, während und nach dem
Kauf. Vertriebspersonal, Call-Center, Webseite, Messestand, Katalog, Sponsoring-Anlass,
Preisvergleichsportal, Diskussionsforen oder
Kundenmagazin sind nur einige der zahlreichen Möglichkeiten aus dem Repertoire
der Kontaktmöglichkeiten. Diese unterschiedlichen Touchpoints – seien sie konventionell
oder unkonventionell, off- oder online, persönlich oder massenmedial vermittelt – haben einen unterschiedlichen Stellenwert.
Viele der relevanten Kundenschnittstellen
sind wenig spektakulär, dafür aber äusserst
wirksam. Je mehr es gelingt, die Erwartungen
und Bedürfnisse zu treffen, desto höher ist
der Erfolg in der Neu-kundengewinnung,
Kundenzufriedenheit und -loyalität.
Die fünf Arbeitsschritte im Touchpoint-Management
1.
Touchpoint-Audit
(Innensicht)
KMU-Magazin Nr. 5, Juni 2009
2.
360°-TouchpointAnalyse
(Aussensicht)
3.
Optimierungsziele
festlegen
4.
Umsetzung der
Optimierungsziele
5.
Wiederholungsmessung
(Tracking)
Marketing & Verkauf 43
Fünf Arbeitsschritte
2. 360°-Touchpoint-Analyse (Aussensicht)
Voraussetzung für die Optimierung des Gesamtprozesses sind einheitliche Messgrössen
über die unterschiedlichen Vertriebs- und
Kommunikationswege hinweg. Um die Wirkung der möglichen Schnittstellen durch die
«Kundenbrille» zu beurteilen, werden in einem
zweiten Schritt die Reichweite und der Touchpoint-Value mittels Marktforschung erhoben
und statistisch ausgewertet bzw. berechnet.
Zur Gestaltung eines ganzheitlichen Touchpoint-Managements empfiehlt sich eine
Vorgehensweise in fünf Arbeitsschritten,
wie sie die nachstehende Grafik aufzeigt.
1. Touchpoint-Audit (Innensicht)
Zuerst werden die für das Unternehmen und
die Branche relevanten Off- und OnlineKontaktpunkte erfasst. Diese unterschiedlichen Kontaktpunkte reichen über Vertrieb
(Point-of-Sale bzw. Point-of-Interaction),
den klassischen Massenmedien, über indirekte Kommunikation (Public Relations,
Word-of-Mouth usw.) bis zu persönlicher
One-to-one-Kommunikation.
Die verknüpfte Betrachtung von Kontaktpunkten, Zielgruppen und Markenperformance liefert den Entscheidern die nötige
Informationstiefe, um richtige und nachhaltige Entscheidungen für die Marktbearbeitung von heute und morgen zu treffen:
102 untersuchte Kontaktpunkte im Unternehmen
1.
Prioritäre
Touchpoints
2.
Potenzielle
Touchpoints
3.
Question
Mark-Touchpoints
O
O
O
3. Optimierungsziele festlegen
Abgestimmt auf Strategie und Positionierung kann der qualitative und quantitative
Veränderungsbedarf festgelegt und Einsparpotenzial quantifiziert werden. Mit einem
Activity Based Costing lassen sich die Mittel optimal auf die unterschiedlichen Kontaktpunkte resp. Massnahmen zuordnen.
Auch Empfehlungen für geeignete Massenmedien lassen sich aus der KontaktpunktAnalyse einfach ableiten.
4. Umsetzung der Optimierungsziele
Inhalte des Umsetzungsplanes sind unter
anderem:
O
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38
30
O
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Illustratives 360-Grad-Touchpoint-Universum
Ganzheitliche und medienübergreifende
Identifikation und Bewertung der relevanten Schnittstellen für Strategie und
Massnahmen.
Maximierung der Breitenwirkung (Reichweite) und Tiefenwirkung (Einstellung
und Handlung).
Optimierung der Kontaktkosten.
O
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Konkrete Optimierung der TouchpointAusgestaltung
Geeigneter Multikanal-Mix für Vertrieb
und Markenkommunikation
Verantwortlichkeiten für die Touchpoints
und Prozesse festlegen
Nachgelagerte Prozesse optimieren
Einsparungen realisieren
5. Wiederholungsmessung (Tracking)
Wiederholungsmessung für die Beurteilung
und Steuerung der Strategie- und Massnahmen-Performance.
Praxisbeispiel
Illustratives 360-Grad-Touchpoint-Universum: Anhand der Breiten- und Tiefenwirkung werden alle relevanten Kontaktpunkte
im Markt nach unterschiedlichen Zielgruppen identifiziert und bewertet. Das Marken-Benchmarking deckt Stärken und Defizite der untersuchten Marken auf. Der Erkenntnisgewinn ermöglicht eine gezielte Optimierung eines ganzheitlichen Markt- und
Marken-Managements.
Erfolg durch strategische Neuausrichtung
und Restrukturierung, Beispiel Einzelhandel: Im Kern ging es um die Frage, welche
unterschiedlichen Vertriebs- und Kommunikationskanäle sich eignen, um (potenzielle)
Kunden anzusprechen, zu gewinnen und zu
betreuen.
KMU-Magazin Nr. 5, Juni 2009
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Checkliste
Porträt
Ganzheitliches Touchpoint-Management
Beurteilungsraster für Strategie und Massnahmen
Welches sind aus Kundensicht die 30 relevantesten Kontaktpunkte der Marke?
Welches sind die 10 innovativsten Kontaktpunkte in der Branche für die nächsten zwei Jahre?
Welche Massnahmen sollen aufgrund unzureichender Breiten- und Tiefenwirkung hinterfragt werden?
Über welche Kontaktpunkte unterscheidet sich das Unternehmen positiv von den Mitbewerbern?
Bei welchen Schlüsselkontaktpunkten ist eine gezielte Optimierung erforderlich?
Welche Investitionen in welche Massnahmen versprechen einen optimalen Return-on-Investment?
Christoph Spengler ist Gründer und Managing
Director des Beratungs- und Research-Unternehmens Accelerom AG in Zürich. Seit 2003
berät Accelerom Unternehmen unterschiedlicher Grösse und Branchen im In- und Ausland im Markt- und Marken-Management. Davor war Christoph Spengler unter anderem
tätig als Business Director Unilever Schweiz,
Marketing Director McDonald´s Schweiz und
Director PricewaterhouseCoopers.
Welche integrierte Kombination von Massnahmen ist für ein ganzheitliches Markt- und Marken-Management am vielversprechendsten?
Über welche Kontaktpunkte können neue Kunden angesprochen und gewonnen werden?
Welche Kontaktpunkte eignen sich besonders für die Bindung der Kunden an die Marke?
Welche Kontaktpunkte stärken ein markentypisches Kundenerlebnis?
Literatur
Dank gezielter strategischer Neuausrichtung und Restrukturierung und des Marktund Marken-Managements konnten in kurzer Zeit 30 Prozent Einsparungen in Vertrieb
und Marketing realisiert und positive Ergebnisse erzielt werden. Weitere Praxisbeispiele
unter www.accelerom.com.
1. Prioritäre Touchpoints
Es werden die reichweitenstärksten und
effektivsten Kontaktpunkte identifiziert, in
welche es sich zu investieren lohnt. Der Mitbewerbervergleich gibt Aufschluss darüber,
welche Touchpoints von der Konkurrenz
möglicherweise besser genutzt werden.
2. Potenzielle Touchpoints
Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten werden neue, innovative Kontaktpunkte identifiziert. Diese Kontaktpunkte bilden die
Plattform, um die Intensität des Kundenerlebnisses strategisch weiter zu stärken.
3. Question Mark-Touchpoints
Diese Kontaktpunkte weisen eine unterdurchschnittliche Breiten- und Tiefenwirkung auf und sollten hinterfragt werden.
KMU-Magazin Nr. 5, Juni 2009
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein ganzheitliches TouchpointManagement ein zielführendes Konzept ist,
mit dessen Hilfe sich ein performanceorientiertes Markt- und Marken-Management in
der Praxis umsetzen lässt. Projekterfahrungen zeigen, dass der Erfolg durch Optimierung das Touchpoint-Management zu
einer gewinnbringenden Investition macht.
Mehr denn je hat jedes Unternehmen und
jede Marke aber seine ganz eigenen Optimierungschancen, die es aus der Kundenperspektive mit einer vertieften Analyse zu
ermitteln gilt. Richtig optimiert, entstehen
so – trotz Rotstift – in kürzester Zeit neue
Freiräume für anstehende Herausforderungen und eine nachhaltige Entwicklung
des Markt- und Marken-Managements.
Interaktive Potenziale nutzen. Viele Unternehmen stehen der neuen Macht des Verbrauchers im Web 2.0 rat- und hilflos gegenüber. Internet-Communities wie YouTube
oder StudiVZ scheinen rätselhafte Phänomene einer Parallelwelt zu sein. Und doch
sind sie Alltag. Das Buch bietet einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Potenziale von Communities und gibt konkrete
Handlungsanweisungen für das Management. Es ist somit ein idealer Leitfaden für
die Auswahl und Ausgestaltung einer Community-Marketingstrategie. Praxisbezogen
werden die Möglichkeiten der Unternehmen,
Werte mithilfe von Online-Gemeinschaften
zu schaffen, beleuchtet. Mit einem Fachbeitrag von Christoph Spengler und Dr. Jeanette Müller von Accelerom AG zum Thema
Messbarkeit und Management integrierter
Marken- und Marketingkommunikation:
«Welcher Marken-Touchpoint zählt?»
Kontakt
Christoph Spengler
Managing Director
Accelerom AG
Technoparkstrasse 1, 8005 Zürich
Tel. 044 445 29 15
[email protected]
www.accelerom.com
«Community Marketing»
Wie Unternehmen in sozialen
Netzwerken Werte schaffen
Helge Kaul und Cary Steinmann
Schäffer-Poeschel, 2008
263 Seiten, gebunden
ISBN 978-3791027579
CHF 64.–
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