Positionspapier der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) vom 19. Februar 2013 Connected TV Vorbemerkung: Auf nationaler und europäischer Ebene stellt das Thema Connected TV weiterhin einen Schwerpunkt der aktuellen medienpolitischen Debatte dar. Die Verknüpfung von Internet und Rundfunk auf einem Endgerät schafft die Notwendigkeit, sich mit der Konvergenz der Medientechnologien und -märkte zu befassen. Auf europäischer Ebene soll der Themenkomplex Connected TV in dem für Anfang 2013 angekündigten „Grünbuch über die Vorbereitung einer vollständig konvergente audiovisuellen Welt -Wachstum, Schöpfung und Werte“ aufgegriffen und die Diskussion zur Konvergenz audiovisueller Mediendienste eingeleitet werden. Die redaktionelle Arbeit an dem Grünbuch ist bereits weitestgehend abgeschlossen. Die DLM/ZAK hat sich 2012 und 2013 wiederholt mit dem Thema Connected TV befasst und in technischer und begrifflicher Hinsicht umfassend aufgearbeitet. Zur Erarbeitung einer DLM-Positionierung hat der DLMVorsitzende den Vorsitzenden der KJM, die Beauftragte für Recht, den Beauftragten für Programm und Werbung, den Beauftragten für Plattformregulierung und Digitalen Zugang und den Vorsitzenden der TKLM zur Beantwortung der wesentlichen Fragen in den ihren Bereichen gebeten. In diesem am 19.02.2013 beschlossenen Positionspapier sind die wesentlichen Kernaussagen der einzelnen Ausarbeitungen zusammengefasst: 1. Jugendmedienschutz Nach Ansicht der KJM erscheint es im Ergebnis derzeit verfrüht, mit Anpassungsvorschlägen an den Gesetzgeber heranzutreten. Die Entwicklung der Märkte sollte zunächst weiter beobachtet werden. Es existiert schon derzeit ein einheitliches materiell- und verfahrensrechtliches Schutzniveau für Rundfunk und Telemedien in Bezug auf die in § 4 1/7 Abs. 1 JMStV definierten absolut unzulässigen Angebote. Demgegenüber bestehen regulatorische Unterschiede bei den Schutzvorkehrungen der Anbieter bei der Verbreitung von relativ unzulässigen oder entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten im Bereich des Rundfunks und der Telemedien. Gleiches gilt hinsichtlich der Maßnahmen bei einem etwaigen Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Eine Notwendigkeit der Angleichung dieser Unterschiede besteht grundsätzlich, da sich diese vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung ggf. nicht mehr begründen lassen. Dies darf jedoch nicht automatisch zu einer Deregulierung führen. 2. Werberegulierung Der Anknüpfungspunkt für die Werberegulierung sollte weiter die verbreiteten Inhalte und nicht vorrangig die Verbreitungstechnologie sein. Fortentwicklungen des deutschen Werberechts setzen weitgehend vorherige Anpassungen des europäischen Ordnungsrahmens voraus. Eine künftige Medienregulierung auf europäischer Ebene wie durch die Länder sollte grundsätzlich gleiche Werbeanforderungen regeln, wo die Inhalte aus der Perspektive der Zuschauer vergleichbar sind. Unterschiedliche Werberegeln sollte es nur dort geben, wo es sachliche Gründe für ein ausdifferenziertes Regulierungsniveau gibt. Zu den einzelnen Aspekten der Werberegulierung: ▪ Trennungsgebot Am Grundsatz der Trennung von Werbung und Inhalt ist auch im Rahmen von Connected TV festzuhalten. Die Trennung muss dem Medium und der spezifischen Werbeform (z.B. Spotwerbung, Sponsoring und Sonderwerbeformen für Rundfunk und z.B. Bannerwerbung, Pop up-Werbung bei Internetwerbung) angemessen erfolgen. Wegen der unterschiedlichen Erscheinungsformen von Werbung in Rundfunk und Telemedien (z.B. Spotwerbung und Sponsoring auf der einen und z.B. Bannerwerbung und Pop up-Werbung auf der anderen Seite) müssen die Trennungsvorgaben dem Medium und der spezifischen Werbeform angemessen ausgestaltet werden. 2/7 ▪ Werbegrundsätze und Sponsoring An der konvergenten Regulierung für lineare TV-Programme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf in Bezug auf die allgemeinen Werbegrundsätze, das Beeinflussungsgebot, Split Screen Werbung, Dauerwerbesendungen, virtuelle Werbung, das Schleichwerbeverbot und Sponsoring nach §§ 7 und 8 RStV ist im Zusammenhang mit Connected TV festzuhalten. ▪ Einfügen von Werbung Die Regelung zur Einfügung von Werbung nach § 7a Abs. 1 bis 3 RStV (Unterbrecherwerbeverbot für Kindersendungen und Gottesdienstübertragen, Blockwerbegebot sowie Abstandsregelungen) sollten für lineare und nichtlineare audiovisuelle Mediendienste angeglichen werden. Die Angleichung sollte in der Weise erfolgen, dass für die linearen Angebote eine Liberalisierung vorgenommen wird – letzteres ggf. verbunden mit zusätzlichen qualitativen Anforderungen an die betreffende Werbung, wie z.B. wie z.B. durch einen Verzicht auf das subjektive Kriterium des Ausnutzens der Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit beim Verbot unmittelbarer Kaufappelle bei Minderjährigen. Dies würde jedoch eine Änderung der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 2 AVMD-RL voraussetzen. ▪ Kinder und Werbung Die spezifischen Werbebestimmungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen für Rundfunk und Telemedien in § 6 JMStV sind als konvergente Regelungen beizubehalten. ▪ Quantitative Werbebeschränkungen Die quantitativen Werbebeschränkungen für lineare Bewegtbildangebote sind in der AVMD-RL und im Rundfunkstaatsvertrag verzichtbar. ▪ Personalisierte, interaktive Werbung Die durch Connected Devices gegebenen Möglichkeiten, Kundendaten für Werbung fruchtbar zu machen, berühren verbraucher- und datenschutzrechtliche Fragestellungen. Daher setzen sich die Medienanstalten dafür ein, dass dem Zuschauer die Entscheidung verbleibt, ob er mit personalisierter und interaktiver Werbung konfrontiert werden möchte. 3/7 Die wettbewerbsrechtlichen Grenzen im Bereich des Direktmarketings sollten hier regulative Beachtung finden. 3. Plattformregulierung Im Zusammenhang mit der Plattformregulierung geht es bei Connected TV primär um Aspekte des chancengleichen Zugangs zu Plattformen und der Darstellung in Portalen und elektronischen Programmführern. ▪ Zugangsoffenheit Der Grundsatz des offenen, chancengleichen Zugangs, der heute für Plattformen, also primär für Kabelnetze gilt, sollte auch für Portale oder AppStores von Geräteherstellern und Kabelnetzbetreibern gelten. All jene Inhalte, die sich an die Allgemeinheit richten, müssen grundsätzlich die Möglichkeit haben, auf einem Portal (in dem Store eines Portals) ihr Angebot zugänglich machen zu können. In regulatorischer Hinsicht könnte hierbei die Frage der Relevanz (Reichweite) des Portals einbezogen werden. Zudem könnte die Aufsicht über die Zugangsoffenheit als nachwirkende Missbrauchsaufsicht ausgestaltet werden. ▪ Darstellung/Auffindbarkeit Die Regelungen des RStV und der Plattformsatzung zu Darstellung und Auffindbarkeit müssen auch für Portale hybrider Fernseher gelten. Folgende Anforderungen lassen sich, abgeleitet von den Regelungen zu EPGs, entsprechend an die Portale formulieren: - - Die Darstellung und Sortierung der Inhalte muss auch den Anforderungen der Sicherung der Meinungsvielfalt genügen (tendenziell besteht keine Notwendigkeit, Angeboten von Rundfunkveranstaltern in App-Stores Vorrang einzuräumen). Der Kunde muss die Möglichkeit haben, sich die Angebote unkompliziert selbst zu sortieren. Gleiches muss gleich behandelt werden. 4/7 ▪ Second Screen Wird der „Second Screen“ zum First Screen, gelten dieselben Regeln wie sie auf dem großen TV-Schirm – jedenfalls soweit dabei auch die Navigation mit übertragen wird. Werden im Internet parallel zu bestehenden Sendungen darauf bezogene Inhalte angeboten (bspw. Votings), gilt das Recht des jeweils auf dem Second Screen angebotenen Inhalts. ▪ De-Regulierung Zwei Bereiche, die möglicherweise einer De-Regulierung unterliegen könnten: - - Es wäre angezeigt, die bestehenden Anzeigeverfahren zu verschlanken, also auf die wesentlichen Fallkonstellationen und Informationen zu beschränken. Technische Zugangsoffenheit: Die Entscheidung über die Zugangsoffenheit von CA-Systemen und APIs, die heute parallel von Medienanstalten und BNetzA geregelt wird, könnte künftig – bei Abstimmung mit den Medienanstalten im Vorfeld dieser Entscheidung – bei der BNetzA konzentriert werden. 4. Zulassungsfragen Die regulatorische Differenzierung zwischen Rundfunk, der eine besondere Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung hat, und Telemedien ist dem Grunde nach beizubehalten. Dies gilt jedenfalls für die Frage der Zulassung. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ist in Deutschland für meinungsrelevanten Rundfunk ein Zulassungserfordernis vorzusehen, ein genereller Erlaubnisverzicht wäre nicht möglich (BVerfGE 57, 295, 326), für die Aspekte der Werberegulierung s. dort. Die Zulassungspflicht von Rundfunkangeboten ist jedoch zu modifizieren. Sie sollte von der Meinungsbildungsrelevanz eines Angebots abhängig gemacht werden. Die Unterscheidung zwischen linear und non-linear ist eine primär technische und wird im Zuge der weiteren Digitalisierung in absehbarer Zeit überholt sein. Perspektivisch betrachtet ist sie daher aufzuheben. Es wird vorgeschlagen, ein anhand der Meinungsrelevanz und der Reichweite eines Rundfunkangebotes abgestuftes Zulassungs- und Anzeigere5/7 gime (sog. „Ampelmodell“) einzuführen. Die Zulassungspflicht sollte auf potentiell für die öffentliche Meinungsbildung besonders relevante Programme beschränkt werden. Dies sind insbesondere Programme mit hohem Informationsgehalt. Andere Programme können ab einer gewissen Reichweite bzw. Relevanz diese Schwelle ebenfalls erreichen. Unterhalb der Zulassungsschwelle sollte eine Anzeigepflicht – auch mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten bei Nichtbeachtung – für Fernsehangebote eingeführt werden. Bei reiner Verbreitung im Internet ist jedenfalls im Moment maximal eine Anzeigepflicht notwendig. 5. Signalschutz/Bildintegrität Die Integrität des von den Sendern ausgestrahlten Bildes ist im Bereich von Connected TV nicht ausreichend gesetzlich geschützt. Das Urheberrecht erfasst nicht Fälle der Bildintegrität, sondern kann immer nur dann eingreifen, wenn entweder ein Eingriff in das Sendesignal vorliegt (§ 87 UrhG) oder der Sendeinhalt (§ 14 UrhG) entstellt wurde. Auch durch das bestehende Wettbewerbsrecht (§ 4 Ziff. 9 ff. GWB) kann ein umfassender Rechtsschutz der Rundfunkanbieter gegen alle Handlungen, durch die Dritte einen unlauteren wirtschaftlichen Nutzen aus dieser Investition ziehen, nicht abschließend erreicht werden. § 52 a Abs. 3 RStV betrifft nur die inhaltliche und technische Integrität des Signals und nicht dessen Darstellung auf dem Bildschirm und wäre damit wohl ebenfalls nicht einschlägig. Eine Überlagerung von redaktionellen Inhalten oder von Werbung durch Inhalte oder Werbung Dritter ist zu untersagen, soweit sie nicht a) vom Anbieter des redaktionellen audiovisuellen Bewegtbildangebotes initiiert oder autorisiert wurde oder b) vom Zuschauer/Nutzer bewusst gesteuert wurde. Der Anbieter ist für die von ihm initiierten oder in Kooperation mit ihm vorgenommenen Überlagerungen verantwortlich. Diese Verantwortung ist gesetzlich zu regeln. Der Veranstalter ist bei der Sicherstellung der Integrität seiner Inhalte zu unterstützen, etwa durch die Möglichkeit der Beschwerde. 6/7 6. Aufsichtsstrukturen und Verfahren Die konvergente Medienregulierung im Bereich audiovisueller Mediendienste und Connected TV setzt konvergente Aufsichtsstrukturen und --verfahren voraus. Die Werberegulierung im Bereich Connected TV bedarf der Übertragung der Telemedienaufsicht auf alle Medienanstalten und der Einführung der Organzuständigkeit der ZAK, um bundeseinheitliche Aufsichtsentscheidungen in diesem Bereich auch parallel zur bundesweiten Fernsehaufsicht treffen zu können. Die Richtlinienkompetenz der Medienanstalten im Rahmen des § 46 RStV für Aufsichtsfragen muss auch auf Telemedien erstreckt werden. 7/7