Arbeitsrichtlinien

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Arbeitsrichtlinien*
von Jochen E. BÜHLING, Generalberichterstatter
Dariusz SZLEPER und Thierry CALAME, Stellvertreter des Generalberichterstatters
Nicolai LINDGREEN, Nicola DAGG, Shoichi OKUYAMA und Sarah MATHESON
Assistenten des Generalberichterstatters
Frage Q216
Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz und erlaubte Benutzungsformen
urheberrechtlich geschützter Werke in den Sektoren der
Hochtechnologie und Digitaltechnologie
Einführung
In der Welt des Cyberspace:
–
haben nationale Grenzen wenig Bedeutung
–
ist niemand zuständig für das System als Ganzes und sein Wachstum ist sowohl unvorhersehbar,
als auch unkontrollierbar
–
gibt es ein immenses Verkehrsvolumen
–
werden Werke wiederholt und häufig automatisch reproduziert, indem sie in Computerspeichern
gespeichert werden
–
können Veröffentlichung und Reproduktion von Werken mit extremer Leichtigkeit erreicht
werden.
Viele sehen diese schnelllebige Welt als Test und Herausforderung für das traditionelle
urheberrechtliche Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit, kreative Anstrengung zu schützen,
und den Bedürfnissen von Nutzern, Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu haben und
diese zu verwenden. Als Antwort auf diese Bedenken hat AIPPI entschieden, bestimmte Ausnahmen
vom Urheberrechtsschutz und erlaubte Benutzungsformen von urheberrechtlich geschützten Werken
in den Sektoren der Hochtechnologie und Digitaltechnologie zu untersuchen. Diese Sektoren
sind nicht nur für das Software-Geschäft zunehmend wichtig geworden, sondern auch für den
Urheberrechtsschutz im Allgemeinen. Trotz der grundsätzlichen Kritik, die gegen diese Art des
Schutzes erhoben worden ist, kann man deutlich sagen, dass jedes System des geistigen Eigentums,
einschließlich Urheberrechtsschutz, ein echtes Gleichgewicht zwischen den legitimen Interessen
aller beteiligten Parteien erfordert, einschließlich der Öffentlichkeit als Nutzer von urheberrechtlich
geschützten Werken. Dies wirft eine Anzahl an Fragen in Bezug auf Ausnahmen vom Schutz und
erlaubte Benutzungsformen auf. Sind bestehende Ausnahmen der Technologie angemessen? Sind
sie angesichts der Erwartungen der Benutzer realistisch? Sind sie leicht verständlich? Und sind
sie unter Berücksichtigung von unter anderem der extremen Länge des Urheberrechtsschutzes –
häufig das Leben plus 70 Jahre – geeignet um sicherzustellen, dass, in den Worten von TRIPS,
Maßnahmen und Verfahren, um Rechte des Geistigen Eigentums durchzusetzen, nicht selbst zu
Schranken für den rechtmäßigen Handel werden?
Unter Vorbehalt der Zustimmung des Geschäftsführenden Ausschusses haben wir die Absicht, uns
mit diesem extrem weiten Thema in zwei Teilen (Q216A und Q216B) zu befassen, wobei die
Untersuchung in jedem Teil begrenzt wird. Q216A (in Paris 2010 zu erörtern) und Q216B (in
Hyderabad 2011 zu erörtern) werden jeweils bestimmte der zahlreichen Themen in diesem Bereich
berücksichtigen, um die Frage handhabbar zur halten. Durch Fortsetzung der Untersuchungen zum
Thema bei der Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses in Hyderabad 2011 hoffen wir, am
Ende dieses zweijährigen Zyklus eine vollständige Studie zu erhalten.
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Vorherige Arbeit der AIPPI
Q57 untersuchte den Schutz von Computerprogrammen und Software, und eine Entschließung
wurde in Bezug darauf verabschiedet, wann Patentschutz für softwarebezogene Erfindungen
erhältlich sein sollte und mit der Maßgabe, dass Computerprogramme Urheberrechtsschutz
genießen sollten.
Q182 untersuchte die verschiedenen Grade des Schutzes von Datenbanken auf nationaler
und internationaler Ebene und diskutierte die verschiedenen Einschränkungen und Ausnahmen
dieses Schutzes. Eine Entschließung wurde verabschiedet, welche ein sui generis oder anderes
Eigentumsrecht für den Schutz von Datenbanken empfiehlt, welche substanzielle Investition
erfordern, ungeachtet von irgendwelchem Urheberrechtsschutz. Einschränkungen sollten für private
Verwendung, wissenschaftliche Forschung, Bildungszwecke und öffentliche Sicherheit gelten.
Das AIPPI Forum Singapur 2007 diskutierte in Forumssitzung III Urheberrecht und digitale
Rechteverwaltung (Digital Rights Management): Bewegen sie sich über den Schutz hinaus?
Merkmale des Internet: allgemeiner und technischer Hintergrund
Internet Service Provider, Clients und Server
Typischerweise ist ein einzelner Benutzer mit dem Internet über einen Internet Service Provider
(ISP) verbunden. Computer, welche Daten zur Verwendung im Internet lagern, sind als Server
bekannt, und Computer, zu welchen die Daten geliefert werden, sind als Clients bekannt. Falls ein
Client-Computer auf Daten zugreifen möchte, die im Speicher eines entfernt gelegenen Servers
gehalten werden, muss er die elektronische Adresse (URL) des entfernten Servers kennen. Diese URL
wird zuerst zum Server des lokalen ISP gesendet, welcher dann den entfernten Server kontaktiert
und anfragt, die fraglichen Daten zu übertragen. Die Daten werden dann vom entfernten Server
zum ISP-Server übertragen, vielleicht durch Vermittler, und werden dann vom ISP-Server zum Client
geschickt.
Eines der Merkmale des Internets ist, dass Kommunikationen durch die Arbeitsspeicher (RAM) einer
Folge von Computern passieren, von denen jeder Computer eine Kopie des Materials macht, und
zwar nicht auf Veranlassung des Serverbesitzers, sondern des Client, welcher das Material zuerst
anforderte. Weil der gleiche Gegenstand wiederholt durch zahlreiche Clients angefordert werden
kann, ist es für ISP-Server alltäglich, automatisch eine Kopie des Gegenstands zu speichern, der
angefordert worden ist, und zwar für einen wesentlichen Zeitraum, für den Fall, dass er wieder
nachgefragt wird. Dies vermeidet die Notwendigkeit, ständig Anfragen an den gleichen entfernten
Server auszugeben. Diese Praxis ist als Caching bekannt. Wenn Material auf einer Webseite
gelesen wird, wird es durch den Benutzer praktisch herunter geladen. Damit dies passieren kann,
werden der Computer des Lesers und alle dazwischen liegenden Computer das Material in ihren
Speicher kopieren. Sie können es in den Cachespeicher aufnehmen oder auch nicht.
Hypertext-Links
Hypertext-Links, welche Webseiten miteinander verbinden, sind ein sehr gebräuchliches Merkmal
des Internets, das es dem Benutzer ermöglicht, bei der Suche nach Inhalt von Webseite zu Webseite
zu „springen“. Ein Hypertext-Link ist ein Verweis, welcher eine URL innerhalb seiner Definition
enthält, so dass ein Klick darauf den Benutzer zu der Adresse bewegt.
Suchmaschinen
Suchmaschinen (z.B. Google) sind geschaffen worden, um dem Internetbenutzer dabei zu helfen,
Seiten von Interesse zu finden. Die Suchmaschine arbeitet, indem sie das Web unter Verwendung
eines voll automatisierten Prozesses durchsucht.
„Spider“ (manchmal auch als Robots, Crawler oder Bots bezeichnet) durchstreifen das Internet auf
der Suche nach Schlüsselwörtern in den URLs und Metadaten hinter den Webseiten.
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Die Verwertung
Internet
von
musikalischen
Werken
und
Filmen
über
das
Es gibt zwei Hauptwege, musikalische Werke und Filme über das Internet zu kommunizieren. Der
erste ist Webcasting, was das Äquivalent von Broadcasting (Rundfunkübertragung) durch die Luft
oder über Kabel ist. Der zweite ist „on-demand“ (auf Verlangen) oder interaktive Dienstleistungen,
bei denen musikalische Werke und Filme der Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden. Damit Musik
auf Verlangen über Computernetzwerke kommuniziert werden kann, wird das musikalische Werk
oder seine akustische Welle in kurze Bits des binären Codes übersetzt und zeitlich zerschnitten.
Diese Umwandlung kann durch eine Vielfalt an Prozessen erreicht werden, aber der üblichste
ist das Musical Instrument Digital Interface, welches es dem musikalischen Werk ermöglicht, auf
Computern gespeichert zu werden. Das Werk in Form eines Sound-File wird dann auf einen
Computer-Host hochgeladen, um der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.
Von Nutzern erzeugter Inhalt
In den letzten Jahren hat es einen phänomenalen Anstieg bei der Nachfrage nach User Generated
Content (UGC) Diensten durch Nutzer weltweit gegeben. Insbesondere hat es einen Anstieg an
Dienstleistungen gegeben, welche durch Firmen (wie YouTube und MySpace) bereitgestellt werden,
welche Internetnutzer ermutigen, Videos und andere Inhalte auf ihren Seiten hochzuladen, was den
Inhalt für andere allgemein verfügbar macht. In der Praxis wird nicht nur Originalinhalt, sondern
werden auch viele Werke von Dritten, einschließlich ganzer Filme und Musikstücke oder Extrakte
davon, auf diesen Diensten hochgeladen.
Vorübergehende Kopien
Die Arbeit des Internets bezieht die ständige Erzeugung von mehr oder weniger temporären/
vorübergehenden Kopien ein, welche im Arbeitsspeicher (RAM) des Computers gehalten oder in den
Cachespeicher aufgenommen werden. Ein Urheberrechts-Regelwerk, welches die Zustimmung des
Inhabers des Urheberrechts für all solche Kopien erfordern würde, wäre wohl unausführbar. Dieses
Thema wird in der Europäischen Union behandelt, indem bestimmt wird, dass vorübergehende
oder beiläufige Kopien keine Urheberrechtsverletzung bilden, vorausgesetzt, dass sie integraler
und essentieller Teil eines technologischen Prozesses sind, keine „unabhängige wirtschaftliche
Signifikanz“ haben und entweder die Übertragung in einem Netzwerk zwischen Dritten durch eine
Zwischenstufe oder die rechtmäßige Nutzung des Werks ermöglichen.
Spezifische zu untersuchende Themen
Die Position von ISPs
Es ist nicht der ISP, der ein zu kopierendes Werk auswählt. Da ein Server viele Tausende von
Anfragen jeden Tag erhalten kann, gibt es kein praktisches Mittel für einen Menschen, für sofortige
Zensur der im Speicher gehaltenen Daten verantwortlich zu sein, obwohl sie anstößiges Material
löschen oder sogar Piratenseiten (das sind Seiten, die das Herunterladen von verletzendem Inhalt
umfassen oder erleichtern) blockieren könnten, wenn sie rechtzeitig benachrichtigt werden. Andere
Internetkommunikationen wie E-Mails gelangen in den Speicher von Servern, welche vielleicht
Kopien des Inhalts zurückhalten, aber jene, die die Server betreiben, haben wenig oder gar keine
Kontrolle über den Inhalt.
ISPs besitzen ein potenzielles Risiko für Urheberrechtsverletzungen in Bezug auf Kopien von
Material, welche gemacht werden, wenn es durch ihre Systeme passiert oder in einem Cache
gespeichert wird. Das Thema der ISPs, welche lediglich als Kanäle für Material fungieren, ist in
der Rechtsprechung und durch Gesetzgeber diskutiert worden. Zusätzlich können ISPs, welche
das Material von Dritten „verwalten“, indem sie die Plattform zum Anzeigen von Inhalten wie
einer Webseite vorsehen, einer Haftung für das Kopieren oder Kommunizieren dieses Materials
an die Öffentlichkeit ausgesetzt sein. In der Praxis kann Überwachung jedoch schwierig oder
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unmöglich sein (siehe oben). Die eBay-Fälle aus jüngerer Zeit sind ein gutes Beispiel für die Art
der Konflikte, welche zwischen Inhabern von Rechten des Geistigen Eigentums und ISPs entstehen
können. Obwohl eBay nicht als klassischer ISP angesehen werden kann, da er anders als viele
ISPs eine wesentliche Überwachung seiner Systeme bezüglich Fälschungen durchführt, findet diese
Überwachung größtenteils nach dem Ereignis statt und konzentrierte sich darauf, verletzendes
Material herunter zu nehmen. Inhaber von Rechten des Geistigen Eigentums argumentierten für
größere präventive Überwachung durch eBay.
In der Europäischen Union gibt es gegenwärtige keine generelle Verpflichtung für ISPs, den Inhalt
von Dritten als solchen zu überwachen. Die E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EC) versieht einen
ISP ebenfalls mit einer Ausnahme von der Haftung für Verletzung, wo er lediglich die Funktion
der Durchleitung übernimmt, oder wo Werke im Verlauf der Aufnahme in Cachespeicher oder
beim Hosting kopiert werden, vorausgesetzt, dass eine Reihe von Bedingungen erfüllt wird und
das verletzende Material prompt entfernt wird, sobald der ISP der Sache gewahr wird. Während
Inhaber von Rechten des Geistigen Eigentums häufig für eine Verpflichtung zur Überwachung
argumentieren, weisen viele Kommentatoren auch auf das Missbrauchspotenzial hin, falls der
ISP unter Druck steht, durch Inhaber von Rechten beanstandetes Material zu entfernen, ohne
ausreichenden Nachweis, dass dieses tatsächlich verletzt.
In einigen Ländern gründen Inhaber von Rechten des Geistigen Eigentum Systeme zur Zusammenarbeit
mit Service- (oder Zugangs-) Providern, um die Identifizierung und Meldung von Kunden, welche
an verletzenden Aktivitäten beteiligt sind, zu erleichtern. Es gibt einige Beispiele von wiederholt
verletzenden Kunden, deren Zugang beendet wurde.
Ein zusätzliches Thema ist das Ausmaß, bis zu welchem Service-Provider in der Lage sein sollten,
Verteidigungen zu nutzen, welche ISPs zur Verfügung stehen. Einige Kommentatoren argumentieren,
dass diese Ausnahmen für ISPs ursprünglich beabsichtigt waren, um für Aktivitäten von technischer,
automatischer und passiver Natur zu gelten, und nicht für Provider verfügbar sein sollten, die aktive
Provider einer Dienstleistung sind, wie eBay, FaceBook oder YouTube.
Digitalisierung und Übertragen von Daten in ein anderes Format
(Format-Shifting)
Digitalisierung umfasst das Umwandeln von Material in Daten, welche durch einen Computer gelesen
und zu anderen Computern übertragen werden können, zum Beispiel können ein gedrucktes Buch
oder ein analoger Film in eine digitale Form umgewandelt werden, um eine elektronische Darstellung
zu ermöglichen. Dies kann sehr wichtig sein, um Archivmaterial in einer Bibliothek zu konservieren
und es zu ermöglichen, dass es Lesern in einer zugänglicheren Form angeboten wird. Bezogen auf
die Konservierung von Werken sind es häufig Bibliotheken, Archive und Museen, die Werke in einem
haltbaren Format konservieren. Aber Privatpersonen sind ebenfalls an Digitalisierungsbemühungen
in großem Ausmaß beteiligt. Als ein Beispiel wurde 2005 das Google Book Search Projekt mit
dem Ziel ins Leben gerufen, den Inhalt von Büchern im Internet durchsuchbar zu machen. Verleger
experimentieren ebenfalls mit freiem Online-Zugang zu Teilen von, oder sogar vollständigen Texten
von Büchern. Digitalisierung und die nachfolgende Darstellung von Werken bezieht sowohl ihr
Reproduzieren als auch ihr potenzielles Kommunizieren an die Öffentlichkeit ein. Viele argumentieren,
dass Bibliotheken größere Freiheit eingeräumt werden sollte, ihre Materialien auf diese Weise zu
digitalisieren; die UK Regierung berät gegenwärtig zum Beispiel über einen Vorschlag, Bibliotheken
eine begrenzte Digitalisierungserlaubnis zu gewähren.
Format-Shifting bezieht Umwandeln von Material, welches in einem Medium verfügbar ist, in ein
anderes Medium ein, zum Beispiel Übertragen von Musik von einem CD-Player auf einen MP3-Player.
Bibliotheken müssen vielleicht Format-Shifting durchführen, um in veralteten Formaten vorliegendes
Material zu konservieren. Format-Shifting umfasst Reproduzieren des Werks und somit potenzielles
Verletzen des Urheberrechts. In vielen europäischen Ländern ist Format-Shifting zur persönlichen
Verwendung legal. Jedoch steht dies nach Maßgabe der EU Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EC)
unter der Bedingung von Modellen, die Autoren üblicherweise in Form von Urheberrechtsabgaben
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abfinden. Zum Beispiel müssen in Frankreich Hersteller von MP3-Playern oder CDs oder jeder
anderen Form von beschreibbaren Medien eine kleine Abgabe zahlen.
Verwaiste Werke
Ein verwaistes Werk ist ein Werk, für das es schwierig oder unmöglich ist, den Autor zu kontaktieren.
Dies kann es für eine Person, welche das Werk verwenden möchte, unmöglich machen, eine Erlaubnis
zu seiner Verwendung zu erhalten. Schwierigkeiten beim Freigeben von Rechten für verwaiste
Werke stellen ein erhebliches Problem für Bibliotheken und auch für andere kommerzielle Akteure
wie Google dar, die die Werke digitalisieren wollen. Ein Bericht der Carnegie Mellon University
Library beschreibt ausführlich eine systematische Untersuchung der Machbarkeit, die Erlaubnis zu
erlangen, ihre Sammlung zu digitalisieren und Web-basierten Zugang zu schaffen, während der
sie entdeckte, dass für 22 Prozent der in der Untersuchung enthaltenen Bücher die Verleger nicht
gefunden werden konnten. (Zitiert durch das jüngste UK Gowers Review im Rahmen des Geistigen
Eigentums). Internationale Abkommen scheinen gegenwärtig keine Ausnahmen von Urheberrecht
für verwaiste Werke als solche zu erlauben. Ideen zur Handhabung dieses Problems haben das
Erfordernis der Registrierung von Urheberrechten oder begrenzte Haftung für die Verwendung
solcher Werke eingeschlossen, so dass zum Beispiel eine Partei, welche ein verwaistes Werk nach
einer angemessenen Suche verwendet, nur für eine faire Lizenz haftbar sein könnte. Die Frage, was
eine „angemessene“ Suche ausmacht, könnte jedoch schwierig sein.
Angemessene Nutzung/Fair Use
Ausnahmen der angemessenen Nutzung („fair dealing“) erlauben Nutzung der ganzen
urheberrechtlich geschützten Werke oder eines Teils davon für einen begrenzten Zweck, zum
Beispiel für private Studien, für Kritik oder Besprechung von anderen urheberrechtlich geschützten
Werken oder für Nachrichtenberichterstattung. Ausnahmen nach dem Prinzip des „fair dealing“
werden häufig in Staaten des common law vorgefunden, jedoch glauben wir, dass ähnliche
Ausnahmen häufig in anderen Rechtsordnungen gelten, ohne dabei mit der Bezeichnung „fair
dealing“ versehen zu sein. Dies sollte nicht mit dem US-Konzept des „Fair Use“ (angemessene
Verwendung) verwechselt werden, was eine weitergehende Ausnahme bildet. Sie erlaubt die
Verwendung einer begrenzten Menge an urheberrechtlich geschütztem Material von Dritten
abhängig von einem Balancing-Test (Abwägungsprüfung), welcher unter anderem den Zweck der
Verwendung und die Wirkung, die sie auf den Wert des Werkes haben mag, berücksichtigt. Fair
Dealing /Fair Use kann für jede Dienstleistung relevant sein, welche sich mit Inhalten befasst. Die
Frage, ob eine Ausnahme gilt, wird von den besonderen Umständen abhängen, zum Beispiel ob
eine bestimmte Verwendung wirklich eine vernünftige Verwendung in Bezug etwa auf eine Kritik
oder Besprechung ist. Derartige Ausnahmen können in einigen Fällen eine besondere Relevanz für
Online-Dienstleistungen haben – zum Beispiel entschied 2002 der US Court of Appeal for the Ninth
Circuit, dass Verwendung von photographischen Abbildungen als „Thumbnails“ eine angemessene
Verwendung darstellt. Die Thumbnails wurden als Verweis zu Hypertext-Links verwendet (obwohl
andere Aspekte der Verwendung der Abbildungen nicht als angemessene Verwendung angesehen
wurden).
Normale Verwertung
Internationale Urheberrechtsschutzabkommen sehen vor, dass Ausnahmen und Begrenzungen von
Urheberrecht auf spezielle Fälle begrenzt sein müssen, die nicht mit einer normalen Verwertung des
Werks kollidieren und nicht unverhältnismäßig die legitimen Interessen des Autors beeinträchtigen.
Es ist wichtig, dass Ausnahmen und erlaubte Verwendungen bezogen auf den hochtechnologischen
und digitalen Sektor diese Markierung nicht überschreiten. Wir glauben, dass die Rechtsprechung
in verschiedenen Ländern diesen Vorbehalt auf verschiedenen Wegen behandelt.
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Erschöpfende Liste
Gegenwärtig sehen die internationalen Urheberrechtsschutzabkommen keine erschöpfende Liste
von möglichen urheberrechtlichen Ausnahmen vor. Im Gegensatz dazu sieht die European Digital
Copyright Direktive solche eine Liste vor. Mitgliedsstaaten sind nicht verpflichtet, irgendeine der
Ausnahmen und erlaubten Benutzungsformen dieser Liste zu implementieren (anders als die
Ausnahme in Bezug auf vorübergehendes Kopieren, auf welches oben verwiesen wurde). Aber es
ist ihnen nicht erlaubt, zusätzliche Ausnahmen außer unter sehr begrenzten Umständen einzuführen.
Das Ziel der Richtlinie ist es, Harmonisierung von Gesetzen zum Schutz des Urheberrechts in
Europa und Aktivitäten über Grenzen hinweg im Kontext eines zunehmend globalisierten digitalen
Sektors zu fördern.
Fragen
Das Ziel von Q216A ist es, Ausnahmen von Urheberrechtsschutz zu untersuchen, welche sich nicht
aus Sachverhalten der Schutzfähigkeit/der Qualifikation für Schutz, sondern aus verschiedenen
Ausnahmen, erlaubten Benutzungsformen oder Verteidigungseinwänden ergeben. Wie oben
angeführt ist dieser Zweck selbst extrem weitreichend. Insofern wird die Arbeit auf eine kleine
Anzahl der potenziellen Ausnahmen, erlaubten Benutzungsformen oder Verteidigungseinwände
begrenzt.
Fragen zu spezifischen Ausnahmen oder erlaubten Benutzungsformen,
welche in Ihrem Land/Ihrer Region bestehen
1.
Welche Ausnahmen oder erlaubten Benutzungsformen gelten in Bezug auf die Aktivitäten
eines ISP oder anderer Mittler? Gibt es Einschränkungen für diese Ausnahmen/
Benutzungsformen, zum Beispiel wenn der ISP von rechtswidrigem Inhalt in Kenntnis gesetzt
wird? Welche Arten von Service-Providern können von solchen Ausnahmen profitieren:
würden sie zum Beispiel für UGC-Seiten gelten, wie YouTube, oder für Seiten sozialer
Netzwerke wie FaceBook?
2.
Haben Service- oder Zugangsprovider eine Verpflichtung (in Zusammenarbeit mit den
Inhabern des Rechts des Geistigen Eigentums oder anderweitig), bezüglich ihrer Kunden,
welche verletzen, diese zu identifizieren, benachrichtigen oder Abhilfe zu schaffen
(einschließlich Beendigung des Zugangs)? Ist die Position anders, je nachdem, ob der
Kunde nur einmal verletzt hat oder wiederholte verletzende Aktivitäten durchgeführt
hat? Beeinflussen solche Verpflichtungen den Umfang der Ausnahmen oder erlaubten
Benutzungsformen, die für jene Service- oder Zugangsprovider gelten?
3.
Welche Ausnahmen gibt es für „Digitalisierung“, oder um Format-Shifting von
Tonaufnahmen, Filmen, Rundfunksendungen oder anderen Werken zu erlauben?
4.
Gibt es spezifische Ausnahmen, welche Bibliotheken Format-Shifting oder Anfertigen von
digitalen Kopien für Archivierung oder andere Zwecke erlauben?
5.
Gibt es Ausnahmen oder erlaubte Benutzungsformen, welche die Verwendung von
verwaisten Werken erlauben? Falls ja, in welchem Umfang?
6.
Welche Vorschriften, falls überhaupt, gelten für Fair Dealing/Fair Use? Gibt es Beispiele
für Vorschriften für Fair Dealing/Fair Use mit spezifischer Anwendung auf Bibliotheken/
Sucheinrichtungen wie Google Book Search?
7.
Wie versteht das Recht in Ihrem Land/Ihrer Region die Erfordernisse von internationalen
Abkommen, dass Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz nicht mit einer normalen Verwertung
des Werks kollidieren und die legitimen Interessen des Autors nicht unverhältnismäßig
beeinträchtigen dürfen?
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8.
Gibt es irgend welche anderen Ausnahmen oder erlaubte Benutzungsformen, welche Sie
als besonders relevant für den Hochtechnologie- und Digitaltechnologiesektor bezogen auf
ISPs, Digitalisierung und Format-Shifting oder verwaiste Werke ansehen?
Ihre Ansichten
(a)
Sind Ihrer Meinung nach die Ausnahmen von Urheberrechtsschutz für (i) die Aktivitäten eines
ISP (ii) Digitalisierung oder Format-Shifting; und (iii) verwaiste Werke und die Regelungen
für angemessene Verwendung (fair dealing/fair use), die für Bibliotheken/Sucheinrichtungen
in Ihrem Land/Ihrer Region gelten, geeignet, um das Interesse der Öffentlichkeit insgesamt
und des Urheberrechtsinhabers im Hochtechnologiesektor und Digitaltechnologiesektor im
Gleichgewicht zu halten?
(b)
Sind diese Ausnahmen und erlaubten Benutzungsformen der Technologie angemessen,
verständlich und realistisch? Tragen sie zu einer Situation bei, wo Urheberrecht in der Praxis
durchsetzbar ist?
(c)
Welche zusätzlichen Ausnahmen, falls überhaupt, würden Sie als relevant für dieser Bereiche
sehen wollen?
(d)
Ziehen Sie in Anbetracht der internationalen Natur der hochtechnologischen und digitalen
Bereiche in Erwägung, dass eine erschöpfende Liste von Ausnahmen und erlaubten
Benutzungsformen durch internationale Abkommen im Interesse von internationaler
Harmonisierung von Urheberrechtsschutz vorgeschrieben werden sollte? Würden Sie weiter
gehen und sagen, dass es eine vorgeschriebene Liste geben sollte? Falls ja, was würden Sie
einschließen?
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