Fachbereich Informations- und Kommunikationswesen: Medienrecht WS 2003/2004 Stephan Dreyer, Dr. Benjamin Korte Block E (Fr., 28.11.2003, 14:00 - 18:00 Uhr; Stephan Dreyer) Wettbewerbs- und Werberecht – Die wirtschaftliche Medienbetätigung A. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Bereich von Wettbewerbsund Werberecht - Schutz kommerzieller Aussagen durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG - Ausstrahlung auf wettbewerbsrechtliche Regelungen - Grundsatz der Trennung von Werbung und Programm - Exkurs: Dienstetypisierung und Abgrenzung der Regelungsbereiche (RStV/MdStV/TDG – TKG) o TKG: Regulierung technischer Aspekte + Sprachtelefonie o RStV/MdStV/TDG: Regulierung inhaltlicher Aspekte o Abgrenzung: TDG – MdStV § TDG: Individualkommunikation -/- MdStV: Massenkommunikation o Abgrenzung MdStV – RStV § MdStV: Angebote ohne Darbietungscharakter -/- RStV: Angebote mit Darbietungscharakter § Abgrenzungskriterien: Meinungsrelevanz, Breitenwirkung, Aktualität, Suggestivkraft B. Wettbewerbsrecht 1. Zielsetzung - Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG) dient der Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen und der Sicherung des freien Zugangs zum Wettbewerb - Schutzobjekt: Wettbewerber, Verbraucher und Allgemeinheit (aber: klagebefugt sind nur konkret Verletzte, Mitbewerber oder Verbände) - aktuell: umfassende Novellierung des UWG geplant; Hauptziel: Angleichung an EUVorgaben, insb. stärkerer Verbraucherschutz 2. Verbot sittenwidrigen Handels (§ 1 UWG) a) Tatbestandsvoraussetzungen - Wettbewerbsverhältnis: Wechselbeziehung zwischen den Vorteilen, die jemand für sein eigenes Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet - Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs: Zweckbestimmtes Marktverhalten, ausgerichtet auf Förderung oder Erhaltung eigenen oder fremden Wettbewerbs - Verstoß gegen die guten Sitten: „Sittenwidrig ... ist... ein Wettbewerbsverhalten, das dem Anstandsgefühl der beteiligten Verkehrskreise widerspricht oder von der Allgemeinheit missbilligt und für untragbar angesehen wird....“ (BGHZ 130, 5 (7)) o Begriff der guten Sitten ist funktionsbestimmt; er bezieht sich auf den Wettbewerb im Wirtschaftsleben. b) Haftung der Presse: - Anzeigen mit gesetzeswidrigem Inhalt sind unzulässig (UWG-Fallgruppe „Vorsprung durch Rechtsbruch“) - keine grundsätzliche Vermutung des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Presse; Einzelfallprüfung und -abwägung - Prüfungspflicht bei der Übernahme von Werbeanzeigen beschränkt sich in der Regel auf grobe und eindeutige, für einen Verleger oder Redakteur unschwer zu erkennende Wettbewerbsverstöße - Haftungsbeschränkungen der Presse im Hinblick auf irreführende Werbung (§ 3 UWG), für die der Verlag nur bei Vorsatz oder gesteigerter Fahrlässigkeit haftet (§ 13 Abs. 6 UWG). c) aktuelle Fälle und relevante Fallgruppen - Schockwerbung (Benetton) - Darstellung der Frau in der Werbung - Boykott - Unentgeltliche Abgabe von Presseleistungen - Vergleichende Werbung - Irreführende Werbung C. Werberecht der Medien 1. Werbebegriff - Klassischer (weiter) Werbebegriff: Werbung ist ein Verhalten, das darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistungen desjenigen in Anspruch zu nehmen, für den geworben wird (v.a. Rechtsprechung des BGH) - neuer Werbebegriff: „kommerzielle Kommunikation“ (vgl. etwa § 3 Nr. 5 MdStV): Kommerzielle Kommunikationen sind alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen oder dem Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt - Keine "kommerzielle Kommunikation": Angaben, die einen direkten Zugang zur Tätigkeit des Unternehmens bzw. der Organisation oder Person ermöglichen (etwa Domain oder E-Mail-Adresse; Angaben, die unabhängig und ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden) 2. Grundsatz der Trennung von Werbung und Programm - Gebot, redaktionelle Berichterstattung und Wirtschaftswerbung strikt zu trennen - Zielsetzung: o Bewahrung der Unabhängigkeit der Programmgestaltung u. Abwehr sachfremder Einflüsse Dritter auf die Programmgestaltung o Erhaltung der Objektivität und Neutralität des Mediums gegenüber dem Wettbewerb im Markt o Schutz des Rezipienten und der Allgemeinheit vor einer Täuschung über den werbenden Charakter eines Angebots - Möglichkeit der Rechtfertigung aus redaktionellen, dramaturgischen oder journalistischen Gründen - Niedergelegt in Presse-, Rundfunk- und Wettbewerbsrecht sowie in den Standesrichtlinien der Verleger, Journalisten und der Werbewirtschaft (Dt. Werberat) 3. Werbung in der Presse - Trennungsgrundsatz (§ 10 NPresseG) - Möglichkeiten der Kennzeichnung: o durch vom redaktionellen Teil deutlich abweichende Gestaltung; o bei redaktionell gestalteten Anzeigen nur durch Kennzeichnung mit dem Wort „Anzeige“ o Verstoß gegen Kennzeichnungspflicht stellt Ordnungswidrigkeit dar o Ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil: Verstoß gegen § 1 UWG – Unterlassung u. Schadensersatz - Grenzen der Zulässigkeit unentgeltlicher Hinweise – Abgrenzung zur Schleichwerbung o Schleichwerbung ist die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Warenzeichen oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen im redaktionellen Teil einer Zeitung, einer Zeitschrift oder eines Rundfunkprogramms, wenn sie absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. o Schleichwerbung ist unzulässig. (für die Presse: § 1 UWG; für den Rundfunk: § 7 Abs. 5 RStV [s.u.]) o Beispiele: § Herausstellung von Produkten eines einzelnen Herstellers in einem redaktionellen Beitrag in einseitiger über das durch eine sachliche Information bedingte Maß in werblicher Weise § Ungekennzeichnete Übernahme eines vom Inserenten erfassten, redaktionellen Beitrags über sein Unternehmen vom Zeitungsverleger (Problem bei Übernahme von PR-Material) – Erweckung des unrichtigen Eindrucks, einer fachkundigen Äußerung eines unbeteiligten Dritten o Bewertung nur aufgrund der Gesamtwürdigung von Anlass und Inhalt des einzelnen Berichts; mögliche Kriterien: § Ist die Erwähnung bestimmter Unternehmen oder Erzeugnisse durch die publizistische Informationsaufgabe veranlasst oder gerechtfertigt? § Gehen die Hinweise über das durch eine Information bedingte Maß hinaus? § Entgeltlichkeit: Entscheidend ist nicht, ob objektiv ein Entgelt gewährt wird, sondern ob die Veröffentlichung üblicherweise nur gegen Entgelt erfolgt. - Aktuelle Problemfelder o Anzeigenblätter o „Product Placement“ o Bandenwerbung bei Sportveranstaltungen o Gewinnspiele o Merchandising, Hinweise auf Begleitmaterial 4. Werbung im Rundfunk a) Rechtsquellen - EU-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“; Umsetzung in nationales Recht erforderlich - Rundfunkstaatsvertrag - u.U. Landesmediengesetze - Werberichtlinien der Landesmedienanstalten sowie von ARD und ZDF b) Werbeformen - Blockwerbung / Unterbrecherwerbung / Dauerwerbesendung - Sendungssponsoring / Titelsponsoring / Grafik-Sponsoring - Teleshopping - Splitscreen / Laufbandwerbung / Bannerwerbung - Virtuelle Werbung - Veranstaltungssponsoring / Trikot- und Bandenwerbung - Merchandising und Licensing - Product Placement - Preisauslobung - „Redaktionelle Werbung“ - Verlags-TV / Eigenwerbekanäle / Eigenwerbung des Fernsehveranstalters - Soziale Appelle - Hinweise auf Begleitmaterial zu Sendungen c) Inhalte von Werbesendungen - Alkoholwerbung: grundsätzlich gestattet; zu beachten sind die "Verhaltensregeln des deutschen Werberats über die Werbung für alkoholische Getränke" o Alkoholwerbung darf nicht zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke auffordern, ein solcher Konsum darf nicht als nachahmenswert dargestellt oder verharmlost werden o Keine Darstellung von trinkenden Jugendlichen, Leistungssportlern oder Kraftfahrern, keine Aufforderungen an diese Personen o Verbot von Aussagen, die auf die Verbessserung der psychischen Leistungsfähigkeit hindeuten oder den Eindruck erwecken, dass der Genuss alkoholischer Getränke den Erfolg fördere, dürfen nicht gemacht werden o Keine Hervorhebung der Höhe des Alkoholgehalts als positive Eigenschaft - Tabakwerbung: jede Form der Rundfunkwerbung für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse ist untersagt; § 22 Abs. 1 LMBG (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes) - Arzneimittelwerbung: in Grenzen erlaubt (iVm. den Vorschriften des HeilmittelWerbe-Gesetzes): o Verbot der irreführenden Werbung o Informationsauflagen: Name und Sitz der Firma, Bezeichnung des Arzneimittels, Anwendungsgebiete, Zusammensetzung, Gegenanzeigen, Nebenwirkungen usw.; Praxis: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker". o daneben weitere spezifische Verbote der Werbemittel bei Medikamenten - Werbung für Kinder und Jugendliche: grundsätzlich erlaubt. Grenze: o Werbung darf Jugendliche weder direkt zum Kauf animieren noch ihre Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen o Sendung darf Kindern weder körperlichen noch seelischen Schaden zufügen - Politische oder religiöse Werbung: nicht erlaubt.(§ 6 Abs. 7 RStV) o Ausnahme: Werbung für wohltätige Zwecke („social advertising“) und politische Wahlwerbung d) Dauer von Werbesendungen - Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: o Gesamtdauer der Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen beträgt werktags max. 20 Minuten (im Jahresdurchschnitt, § 15 RStV) o Keine Ausstrahlung von Werbesendungen nach 20.00 Uhr sowie ganztägig an Sonn- und Feiertagen in ARD und ZDF (Sponsoring ist auch darüber hinaus möglich); in den Dritten Programmen keine Werbung; Gesamtdauer im öffentlich-rechtlichen Hörfunk werktags bis zu 90 Minuten - Private Rundfunkveranstalter: o Werbedauer beträgt max. 20 % (§ 27 RfStV), die der Spotwerbung max. 15 % der täglichen Sendezeit o Spotwerbung darf 20 % einer Sendestunde nicht überschreiten (12 Min.) o Radio- und Teleshopping dürfen max. eine Stunde pro Tag gesendet werden e) Einfügung von Werbung - Allg. Grundsätze: o Gebot der Blockwerbung, einzeln gesendete Werbespots sollen die Ausnahme bilden o Werbung soll grundsätzlich zwischen den Sendungen eingefügt werden und ist vom Programm deutlich zu trennen o Klare Erkennbarkeit, eindeutige Trennung von den anderen Programmteilen durch optische oder akustische Mittel o Werbeunterbrechungen von Kindersendungen oder Gottesdiensten sind unzulässig - Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: o eine Werbeunterbrechung bei Fernsehsendungen > 45 Minuten o Sendungen mit Pausen dürfen nur in den Pausen Werbeunterbrechungen enthalten (bei Sportereignissen auch zwischen eigenständigen Teilen - Private Rundfunkveranstalter: o Werbeunterbrechungen von Dokumentations- und Nachrichtensendungen nur zulässig, falls Sendungen >30 Minuten o Sendungen mit Pausen darf die Werbung nur in den Pausen oder zwischen eigenständigen Teilen eingefügt werden o bei anderen Sendungen: § Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Unterbrechungen innerhalb einer Sendung muss mind. 20 Minuten betragen § Übertragung von Spielfilmen kann für jeden vollen Zeitraum von 45 Minuten einmal unterbrochen werden. Eine weitere Unterbrechung ist zulässig, wenn diese Sendungen mindestens 20 Minuten länger dauern als zwei oder mehrere volle 45-Minuten-Zeiträume 5. Werbung im Online-Bereich o Werberegelungen für Mediendienste nach dem MDStV o Werberegelungen für Teledienste nach dem TDG o Werberegeln im JMStV Materialien & Folien zum Kurs im Internet unter http://www.ikmrecht.de