BRAUCHTUM Ist Geiz wirklich GEIL ? Eine Betrachtung von Mag. Heide Kühnel, Marketingberaterin Kaum eine Werbebotschaft hat in den letzten Jahren so stark polarisiert wie "Geiz ist geil". Mit diesem Slogan hat die Elektromarktkette Saturn einen Volltreffer gelandet. Der Slogan zählt heute in Österreich und Deutschland zu den Top Ten der bekanntesten Werbeaussagen. Mehr noch, er ist zum geflügelten Wort geworden. Die Geiz-ist-geil-Welle hat genau den Nerv unserer Zeit getroffen. Sie ist zum Synonym für die Rabattschlachten der Einzelhändler und die "Schnäppchenjagd" der Kunden geworden. Die Menschen kaufen nicht mehr Produkte sondern nur noch Preise. Die Schnäppchenjagd ist zum "Volkssport Nr. 1" geworden. Quer durch alle Branchen Der Trend zu Billig-Produkten und TiefstPreisen zieht sich quer durch alle Branchen: Flugtickets ab 19 Euro, TextilDiscounter verkaufen Herrenhemden billiger als ein Paar Socken und Supermärkte bewerben das "billigste Gurkerl Österreichs". Noch vor zehn Jahren wäre eine derartige Entwicklung undenkbar gewesen: Konsumenten waren stolz, sich ein Produkt leisten zu können. Heute ist das Einkaufen beim Diskonter für viele kein Zeichen finanzieller Not, sondern gilt als clever. Die Folgen des Geizes Natürlich hat das billige Einkaufen auch seinen Preis. Denn meist läßt die Qualität der billig erworbenen Produkte stark zu wünschen übrig. Wenn Lebensmittel anstelle von wertvollen Inhaltstoffen nur mehr E-Nummern und Geschmacksverstärker beinhalten oder Fleisch und Fisch bereits verdorben sind, dann ist Geiz nicht mehr geil, sondern macht krank. Wirtschaftliche Auswirkungen Besonders der Fachhandel ist vom BilligTrend getroffen. Viele traditionsreiche Fachhändler können sich gegen den Konkurrenzdruck nicht mehr wehren. Leben im Salzkammergut Insolvenzen sind an der Tagesordnung. Die Nahversorgung bricht in manchen Gegenden völlig zusammen. Discounter und Großmärkte nutzen ihre Marktmacht gegenüber den Herstellern, um zu günstigeren Konditionen einzukaufen. Auf der anderen Seite sind aber auch die Produzenten durch den enormen Preisdruck des Handels kaum mehr überlebensfähig. Dramatische Folgen Der Preisverfall zwingt alle Beteiligten in diesem Prozess zur Kostensenkung und damit in eine Spirale nach unten. Dies führt meist zu Personalabbau, Auslagerungen der Produktion ins billige Ausland (z.B. Asien, Osteuropa) und letztendlich auch zu einem Rückgang im Steueraufkommen durch die veränderte Industrie- und Handelslandschaft. Ein Teufelskreis der Wertevernichtung für alle hat begonnen. Austauschbare Produkte oder Marken? Aus Sicht des Konsumenten sind viele Produkte austauschbar. Und bei austauschbaren Produkten ist natürlich der Preis das einzige Argument. Dabei geht es auch anders. Denken Sie nur an Marken wie BMW, Coca Cola oder Sony. Warum ist beim Autokauf oder bei DesignerMode, die Marke und nicht der Preis eines der wichtigsten Entscheidungskriterien? Marken stehen nicht für Produkte, sie stehen für Werte und Vertrauen. Coca Cola verkauft nicht Limonade, sondern Erfrischung. Markenbildung ist die Mag. Heide Kühnel, geboren in Gmünd/NÖ, lebt seit 6 Jahren im Salzkammergut. Nach dem Wirtschaftsstudium in Wien war Kühnel über 17 Jahre in leitenden Positionen im Marketing und in der Werbung tätig. Sie betreute u.a. große Marken wie QimiQ, Cremissimo, feh, Cappy, L`Oreal und Toni´s Freilandeier. Letztes Jahr gründete Frau Kühnel ihr eigenes Unternehmen und berät seither Firmen im Bereich Marketing und Werbung. Zusätzlich ist sie auch als Coach und Marketingtrainerin tätig. Mehr unter www.kuehnel-marketing.at Jedes Monat wird Mag. Kühnel nun in ihrer Kolumne interessante Themen aufgreifen und den einen oder anderen fachlichen Tipp geben. Kontaktadresse: Mag. Heide Kühnel 4802 Ebensee, Lahngasse 1 Tel.: 0664/280 52 42 [email protected] Strategie, die Wettbewerbsvorteil schafft. Denn ohne ein klares Marken-Image bleibt nur eine Differenzierung über den Preis. Es geht auch anders Geiz zur gesellschaftlichen Tugend zu erklären, ist der falsche Weg. Preisschlachten bieten keine Perspektiven – weder für Handel, Industrie noch Verbraucher. Das gemeinsame Ziel muss die Abkehr von diesem Trend hin zur Qualitäts- und Serviceorientierung sein. Anstatt Geld in Rabattschlachten zu investieren, die Image, Marke und Renditen beschädigen, sollte verstärktes Augenmerk auf die Produktentwicklung und die Markenbildung gelegt werden. 34