also weniger

Werbung
6.3 Folgen und Reihen
Folgen
sind nichts anderes als Funktionen f von der Menge
N0 = { 0, 1, 2, 3,... }
der natürlichen Zahlen oder von einem ihrer Endabschnitte
Nm = { m, m + 1, m + 2, ... }
in irgendeine Menge. Man schreibt in diesem Fall meist fn statt f n und nennt dies das n-te Glied der
Folge f = (fn). Etwas ungenau spricht man auch von der "Folge fn".
Für Folgen bedeutet unsere allgemeine Konvergenzdefinition von
lim f = c :
n/N n
Zu jeder Umgebung V von c gibt es ein n0, so daß fn für alle n > n0 in V liegt.
Im Falle einer endlichen Zahl c heißt dies: zu jedem > 0 gibt es ein n0 mit
fn Kc !
für alle n > n0 .
Bei beliebig vorgegebener Fehlerschranke weichen also fast alle Folgenglieder (d.h. alle bis auf endlich
viele) um weniger als von c ab. Hingegen besagt
lim f = N (bzw. n/
limN fn = KN ),
n/N n
daß bei beliebig vorgegebenem fast alle Folgenglieder oberhalb von (bzw. unterhalb von K) liegen.
Eine Folge, die keinen Grenzwert (auch nicht N oder KN) hat, nennt man divergent.
Das Konvergenzverhalten einer Folge hängt nicht von ihren Anfangsgliedern ab; d.h. bei Abändern
endlich vieler Glieder bleiben Konvergenz-Eigenschaften und Grenzwerte unverändert.
Beispiel 1: Geometrische Folgen
sind von der Form cn mit einer konstanten Zahl c , die reell oder komplex sein darf. Es gilt
lim cn = 0 , falls c ! 1,
n/N
1 , falls c = 1 ,
N , falls c reell und c > 1 ist.
In allen anderen Fällen ist die Folge cn divergent.
So divergiert beispielsweise die Folge K1 n, weil für keine Zahl x fast alle Folgenglieder in der
Umgebung U = K1 x liegen, also weniger als 1 von x abweichen: Entweder befinden sich unendlich
viele der Form 1 oder unendlich viele der Form -1 außerhalb U.
Zur Illustration des komplexen Falles zeichnen wir die gegen 0 konvergente Folge der Potenzen der Zahl
c = 0.9 e
i
10
= 0.9 cos
10
C0.9 sin
10
i.
Konvergenzkriterien
dienen dazu, von einer Folge erst einmal festzustellen, ob sie überhaupt konvergiert (ohne den
Grenzwert zu kennen). Eines davon bezieht sich auf monotone Folgen.
Monotonie
Eine reelle Funktion (speziell also eine reelle Folge) f heißt
monoton wachsend, falls x ! y stets f x % f y impliziert,
monoton fallend,
falls x ! y stets f y % f x impliziert,
monoton,
falls sie monoton wächst oder monoton fällt.
Von einer streng monoton wachsenden bzw. fallenden Funktion spricht man, wenn sie zusätzlich
injektiv ist, in den obigen Bedingungen also sogar < (echt kleiner) gilt.
Die Verknüpfung zweier monoton wachsender oder zweier monoton fallender Funktionen ist monoton
wachsend, während die Verknüpfung einer monoton wachsend und einer monoton fallenden Funktion
einen monoton fallende Funktion ergibt.
Beispiel 2: Verknüpfung monotoner Funktionen
Auf dem Intervall ]0.5,3] betrachten wir die Funktionen
1
f x =
, g x = x , h x = 1 C cos x .
x
3
2
h
f
g
1
0
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
f und h sind streng monoton fallend, g ist streng monoton wachsend. Deshalb sind f + g und g + h streng
monoton fallend, wogegen f + h und h + f streng monoton wachsen.
3
2
hof
foh
goh
1
fog
0
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
Für die Monotonie von Folgen reicht es, je zwei benachbarte Glieder zu testen: Eine Folge fn ist
monoton wachsend (bzw.fallend), falls stets fn % fn C 1 (bzw. fn C 1 % fn ) gilt,
streng monoton wachsend (bzw. fallend), falls stets fn ! fn C 1 (bzw. fn C 1 ! fn ) gilt.
Denn aus fn % fn C 1 folgt zum Beispiel mit Induktion:
fn % fn C k % fn C k C 1 , also fn % fm für alle n ! m .
Das Monotoniekriterium
Jede monoton wachsende Folge ist konvergent, und der Grenzwert ist genau dann endlich (d.h. nicht N),
wenn die Folge nach oben beschränkt ist. In diesem Fall ist der Grenzwert das Supremum der Folge, d.h.
die kleinste über allen Folgengliedern liegende Zahl.
Indem man die Vorzeichen wechselt, sieht man:
Jede monoton fallende Folge ist konvergent, und der Grenzwert ist genau dann endlich (d.h. nicht KN),
wenn die Folge nach unten beschränkt ist. In diesem Fall ist der Grenzwert das Infimum der Folge, d.h.
die größte unter allen Folgengliedern liegende Zahl.
Ein entsprechendes Monotoniekriterium gilt allgemein für Funktionen. Formulieren Sie es selbst!
Beispiel 3: Zwei streng monotone Folgen
1
1
Die Folge 1 K
ist streng monoton wachsend, da
und auch die Funktion 1 Kx streng monoton fällt.
n
n
1
konvergiert gegen 1.
Die Folge 1 K
n
1
1
Die Folge sin
ist streng monoton fallend, da
streng monoton fällt und die Sinusfunktion im
n
n
Intervall [0,1] streng monoton wächst. Diese Folge konvergiert gegen 0.
1,0
1-1/n
0,8
0,6
0,4
0,2
sin(1/n)
0
0
10
20
30
Nullfolgen
sind gegen 0 konvergente Folgen, also z.B.
1
1
1
, 2 oder ln 1 C
.
n
n
n
Reihen
Aus jeder Folge fn konstruiert man die zugehörige Reihe sn durch Summation der jeweils ersten n Glieder
(Partialsummen)
n
sn =
>f = f + f +...+f .
k= 0
k
0
1
n
Falls sn konvergiert, schreibt man
N
>f := lim
k= 0
k
s .
n/N n
Später werden wir uns mit solchen Reihen noch ausführlich befassen. Für den Augenblick möge es
genügen, ein paar Konvergenzkriterien für Reihen und einige Beispiele zu erwähnen.
Nullfolgenkriterium
Zunächst stellen wir fest, daß die Glieder fn eine Nullfolge bilden müssen, damit die zugehörige Reihe
gegen einen endlichen Wert konvergieren kann. Denn
lim s = c
n/N n
impliziert
limN sn C 1 Ksn = n/
limN sn C 1 Kc C n/
limN c Ksn = 0 .
lim f = n/
n/N n
Beispiel 4: Die geometrische Reihe
n
sn =
>c
k
k= 0
konvergiert für alle komplexen Zahlen c, deren Betrag kleiner als 1 ist. Der Grenzwert ist dann
N
>c = lim
k
k= 0
s =
n/N n
1
.
1 Kc
Denn für die Partialsummen ergibt sich mittels Induktion
n
n C1
>c = 1 Kc
1 Kc
k
,
k= 0
n C1
und c
geht gegen 0.
Für c = 1 konvergiert die Reihe gegen N. Für alle anderen c ist sie divergent; für c O 1 sieht man das
unmittelbar mit dem Nullfolgenkriterium. Was passiert bei c = 1?
Das Nullfolgenkriterium liefert leider nur eine notwendige Bedingung für die Konvergenz einer Reihe.
Daß die zu einer Nullfolge gehörige Reihe keineswegs gegen einen endlichen Wert zu konvergieren
braucht, zeigt
Beispiel 5: Die harmonische Reihe
n
sn =
>
k= 1
1
1
1
1
= 1 C C C...C
2
3
n
k
konvergiert gegen N, wie die folgende Abschätzung zeigt:
n
snO .
2
2
Diese bekommt man wieder induktiv:
1
1
n
1
n C1
s n C1 = s n C n
C...C n C 1 O
C2n$ n C 1 =
.
2
2
2
2
2 C1
2
2
Diese Reihe wächst allerdings sehr langsam, und zwar, wie wir später sehen werden, etwa so wie der
natürliche Logarithmus. Um die Zahl 14 zu überbieten, muß man fast eine Million Summanden bilden!
3
2
ln(x)
1
0
2
4
6
8
1000000
>
k= 1
10
12
14
16
18
20
1
= 14.39272672
k
(1)
Das Quotientenkriterium
liefert eine hinreichende (aber nicht notwendige) Bedingung für die Konvergenz einer reellen oder
komplexen Reihe
n
sn =
>f :
k= 0
k
Falls die Quotienten
fn C 1
fn
von einem n0 ab durch eine feste Zahl q ! 1 nach oben beschränkt sind, so konvergiert sn gegen einen
endlichen Wert; sind die Quotienten hingegen durch 1 nach unten beschränkt, so hat die Reihe den
uneigentlichen Grenzwert N oder ist divergent.
Der erste Teil ergibt sich durch einen Vergleich mit der geometrischen Reihe
n
>q
k
k= 0
und eine Anwendung der Dreiecksungleichung. Den zweiten Teil bekommt man mit einer ähnlichen
Überlegung.
Wie die harmonische Reihe zeigt, genügt es nicht, daß alle Quotienten kleiner als 1 sind! Andererseits
kann eine Reihe einen endlichen Grenzwert haben, obwohl das Quotientenkriterium verletzt ist:
Beispiel 6: Die reziproken Quadratsummen
n
sn =
>
k= 1
1
=1C
2
k
1
2
2
C
1
3
2
C...C
1
n
2
konvergieren gegen einen endlichen Wert, da sie monoton wachsen und durch 2 beschränkt sind:
n
1
1
1
1
=1C
C
C...C
1$2
2$3
n K1 n
k = 2 kK1 k
1
1
1
1
1
1
=2 K
C K
C...
K =2K .
2
2
3
n K1
n
n
sn %1+
>
Das Leibnizkriterium
ist häufig dann hilfreich, wenn die Reihe sn nicht monoton ist. Es besagt:
Ist fn eine monotone Nullfolge, so ist die alternierende Reihe
n
sn =
> K1
k= 0
k
fk
ebenfalls konvergent, und zwar liegt der Grenzwert zwischen je zwei Folgengliedern sn und sn C 1 .
Beispiel 7: Die Leibnizreihe
1
1
1
1K
+
K
...
3
5
7
deren Summanden die alternierenden ungeraden Stammbrüche sind, ist ebenso wie das obige Kriterium
nach dem Namenspatron unserer Universität benannt.Da die unegraden Stammbrüche monoton gegen
Null gehen, ist die Leibnizreihe konvergent. Wie wir später sehen werden, ist ihr Grenzwert
4
.
Das wußte Leibniz schon um 1670; er sah in dieser erstaunlich einfachen Formel ein Wunderwerk der
Schöpfung. Leider ist die Konvergenz sehr langsam und für praktische Zwecke ungeeignet.
Beispiel 8: Die Eulersche Zahl e
ist eine der wichtigsten Zahlen der gesamten Analysis und wird uns immer wieder begegnen. Man
berechnet sie, indem man die reziproken Fakultäten aufsummiert:
n
sn =
> k!1 .
k= 0
Auf diese Weise bekommt man eine monoton wachsende, durch 4 nach oben beschränkte Folge:
n
n
1
%
21 K k < 4 (geometrische Reihe!)
k = 0 k!
k= 0
>
>
Daher ist sn konvergent gegen eine Zahl
N
e=
> k!1 .
k= 0
Die Konvergenz ist wegen der großen Nenner der Summanden recht schnell:
s0 := 1.
s1 := 2.
s2 := 2.500000000
s3 := 2.666666667
s4 := 2.708333333
s5 := 2.716666667
s6 := 2.718055556
s7 := 2.718253968
s8 := 2.718278770
s9 := 2.718281526
s10 := 2.718281801
s11 := 2.718281826
s12 := 2.718281828
s13 := 2.718281828
s14 := 2.718281828
(2)
Das sieht sehr nach einem periodischen Dezimalbruch aus! Diese Hoffnung wird jedoch durch das
folgende Argument widerlegt: Wäre e ein Bruch mit dem Nenner n, so wäre
n
n! eK
> k!1
k= 0
eine von 0 verschiedene natürliche Zahl, da sich alle Nenner wegkürzen. Aber das widerspricht der
Ungleichung
n
1
n! eK
k = 0 k!
>
N
1
= n!
k = n C 1 k!
>
N
<
>
k= 1
1
n C1
k
=
1
(geometrische Reihe!)
n
Zugleich haben wir eine gute Abschätzung für die n-te Näherungssumme gefunden:
eKsn !
1
,
n! n
und das ist schon für n = 8 deutlich kleiner als 10K5.
n
Die Konvergenz der Reihe sn =
Quotienten
fn C 1
fn
=
> k!1
sieht man übrigens sofort mit dem Quotientenkriterium: Die
k= 0
n!
1
=
konvergieren gegen 0.
n C1 !
n C1
Anhang
Regelmäßige Vielecke und eine Näherungsfolge für die Kreiszahl
Die nachfolgend beschriebene Methode der näherungsweisen Berechnung von mit Hilfe von
regelmäßigen 2n-Ecken war schon Archimedes bekannt. Er hat damit (im 3. Jahrhundert vor Chr.!) die
auf drei Dezimalstellen genaue Abschätzung
223
22
! <
71
7
gefunden.
In der nachstehenden Skizze ist S die halbe Seite eines regelmäßigen n-Ecks und s die halbe Seite des
durch Winkelhalbierung entstehenden 2n-Ecks. Die zugehörigen Sektorwinkel sind bzw. .
s
S
s
C
S
Aus der Skizze liest man ab (bei normiertem Kreisradius 1):
S = sin
, C = cos
=
1 KS2 ,
=
2
,
S2 C 1 KC 2
1 KC
=
=
2
2
und erhält die Formel für den Sinus des halben Winkels:
s = sin
sin
=
1 Kcos
2
=
2
Damit kann man nun sn = sin
2n
1K
=
1 Ksin
2
1K
1 KS2
2
2
.
rekursiv bestimmen:
1 Ks2n
1K
s1 = sin
= 1 , sn C 1 =
2
Geometrisch beschreibt
2
.
un = 2n sn = 2n sin
2n
den halben Umfang des regelmäßigen 2n-Ecks, das dem Einheitskreis einbeschrieben ist.
Damit ist anschaulich klar, daß un gegen den halben Kreisumfang konvergiert.
Dies folgt auch aus der früher hergeleiteten Beziehung
sin x
lim
=1
x/0
x
durch Einsetzen von x =
lim
n/N
2n sin
2n
2n
und Multiplikation mit :
= .
Die obige Rekursionsformel führt beim Übergang von sn zu un auf die Gleichung
un C 1 = 2
n
2 K2
1K
2
un
2
,
n
und die ersten Glieder dieser Folge berechnet MAPLE exakt und genähert wie folgt:
u1 := 2
u2 := 2
2
2.828427124
u3 := 4
2K 2
3.061467460
u4 := 8
2K
2C 2
3.121445153
2K
u5 := 16
2C
2C 2
3.136548483
u6 := 32
2K
2C
2C
2C 2
3.140331213
2K
u7 := 64
2C
2C
2C
2C 2
3.141277519
u8 := 128
2K
2C
2C
2C
2C
2C 2
(3)
3.141514825
Das ist immerhin auf 4 Stellen genau, aber wegen der Wurzeln sehr unbequem zu rechnen. Außerdem
passiert wegen der Rundungsfehler bei weiteren Iterationen etwas gänzlich Unerwünschtes: Die Zahlen
bewegen sich langsam wieder von = 3.14159... weg!
3.141527862, 3.141527863, 3.140860234, 3.140860234, 3.151525324, 3.108645431
(4)
3,15
3,13
3,11
3,09
3,07
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
1,6
Später werden wir viel einfacher auszuwertende und besser konvergierende Folgen zur näherungsweisen
Berechnung von kennenlernen.
Herunterladen