{INHALT } Editorial / / / Gut, schlecht oder gar nicht? Was veranlasst Konsumenten (ehrliche?) Produktbeurteilungen zu verfassen? > Wendy W. Moe und David A. Schweidel / / / Nutzergenerierte Inhalte und Aktienkursentwicklung: Sind Kunden­Kommentare sogar für den Finanzmarkt relevant? > Seshadri Tirunillai und Gerard J. Tellis / / / Wie „virale Produkteigenschaften” die Verbreitung von Internet­Applikationen fördern > Sinan Aral und Dylan Walker / / / Markenkommunikation mit Marken­Apps: Erste Erkenntnisse zu Möglichkeiten und Grenzen / / / Das Zusammenspiel paralleler Vertriebskanäle: Klassische Läden trotz Onlineshopping? > Jill Avery, Thomas J. Steenburgh, John Deighton und Mary Caravella / / / Die Einkaufsstrategien von Konsumenten: Was abgesehen von Preisaktionen von Bedeutung ist > Els Gijsbrechts, Katia Campo und Patricia Nisol / / / Wenn du wechselst, geh ich mit… Soziale Einflüsse beim Kündigen einer Leistung > Irit Nitzan und Barack Libai / / / Welche KPIs sind wirklich relevant? Die Suche nach Kennzahlen über die tatsächlichen Treiber des Konsumentenverhaltens > Martin R. Lautman und Koen Pauwels / / / Vol. 5 / Nr. 2 / 2013 II GfK MIR / Vol. 5, No. 2, 2013 / MIR Mission Die GfK Marketing Intelligence Review (GfK MIR) ist ein Marketing Magazin für Marketing Manager und Marktforscher. In der GfK MIR finden Sie ... >> Die neuesten Ergebnisse und interessantesten Erkenntnisse von Marketingwissenschaftlern auf der ganzen Welt >> Zugang zu wissenschaftlichem Know­how ohne mühseliges Studium der wissenschaftlich formulierten Originalartikel >> Kompakte, ansprechend aufbereitete und relevante Inhalte, die die Weiterentwicklung der Marketingpraxis fördern >> Ideen, wie neue Marktforschungstechniken das Marketingmanagement bereichern können Ein hochkarätiger wissenschaftlicher Beirat wählt die interessantesten Beiträge aus über 30 internationalen Top­Marketingjournalen für MIR Leser aus und bereitet die Inhalte praxistauglich auf. GfK MIR – Das Marketing Magazin des GfK Vereins Auf unserer Website www.gfkmir.com erfahren Sie mehr über das Editorial Board www.gfk.verein.org Editorial / Vol. 5, No. 2, 2013 / GfK MIR Editorial Liebe Leser, Selten zuvor waren angesichts der vielen Veränderungen auf der Customer Journey so viele Marketing­Fragen ohne sichere Antwort wie heute. Viele, wenn nicht alle Marketing­ Gesetze müssen seit dem Aufkommen des Internets über­ prüft und nicht selten neu geschrieben werden. Das bedeu­ tet andererseits auch, dass die Marketingwissenschaft selten zuvor wichtigere Insights in die neuen Verhaltens­ weisen am Markt und das Funktionieren des Marktes liefern konnte als heute. Das vorliegende Heft bietet dafür acht äußerst spannende Beispiele, aus denen man lernen kann, wie mit den neuen Gegebenheiten im internetgetriebenen Marketing umzugehen ist. Eine erste Frage betrifft die „wisdom of the crowds“, die in Online-Produktbeurteilungen zum Ausdruck kommt – oder auch nicht, weil dort unter Umständen keine reprä­ sentative Auswahl der Meinungen abgebildet wird. Dass Online­Produkt­ und ­Servicebeurteilungen sogar die Akti­ enkurse deutlich treiben, zeigt unser zweiter Beitrag. Auch für die Nutzung dieser Zeitschrift wird das Internet immer attraktiver. Wir werden deshalb künftig die Inhalte für Abonnenten auch in digitaler Form zur Verfügung stel­ len. Außerdem werden die nächsten Hefte jeweils einem Themenschwerpunkt gewidmet und von darauf spezia­ lisierten Editoren betreut werden. Deshalb darf ich mich heute in meiner Funktion als Editor­in­Chief verabschieden. Ich hoffe, dass Ihnen die Lektüre dieser Zeitschrift ebenso viel Spaß gemacht hat, wie mir die Redaktionsarbeit. Ihr Hermann Diller Editor-in-Chief Nürnberg, September 2013 Eine weitere Studie zeigt, dass der Einbau viraler Elemente in Web-Applikationen deren Verbreitung massiv unterstützt. Soziale Netzwerke bergen aber auch Risiken. Freunde för­ dern nicht nur die Nutzung einer Leistung, sondern können auch die Kündigung von Verträgen bewirken. Immer mehr Markenartikler sind auch auf Smartphones prä­ sent und entwickeln „branded apps“. Diese Anwendungen bergen ein hohes Erfolgspotenzial, das jedoch nur unter bestimmten Bedingungen zu erschließen ist. Weitere Themen sind dem Spannungsfeld zwischen Onlinevertrieb und klassischen Läden, Einkaufsstrategien für Produkte des täglichen Bedarfs und dem Marketing-Controlling gewidmet. KONTAKT Sie erreichen uns unter [email protected] Telefon + 49 911 5302-214 Fax + 49 911 5302-210 Dr. Dr. h. c. H. Diller, GfK MIR, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, D-90403 Nürnberg, Deutschland III IV GfK MIR / Vol. 5, No. 2, 2013 / Deutsche Zusammenfassung Gut, schlecht oder gar nicht? Was veranlasst Konsumenten (ehrliche ?) Produktbeurteilungen zu verfassen? Wendy W. Moe und David A. Schweidel Von Konsumenten verfasste Produktbeurteilungen sind bei vielen Onlinehändlern oder neutralen Konsumenten­ portalen allgegenwärtig und werden von potentiellen Käu­ fern sehr gerne als Informationsquelle genutzt. Allerdings sollte der Tenor solcher Aussagen zu Produkten und Marken nicht als pure Wahrheit gewürdigt werden. Die Analyse von ca. 3.600 Produktbeurteilungen zeigte vielmehr, dass online abgegebene Bewertungen nicht unbedingt die Meinung aller Kunden repräsentieren. Zusätzlich kann sich im Laufe der Zeit eine gewisse Eigendynamik entwickeln, die einzelne Beurteilungstendenzen fördert oder hemmt. Die Mitte fehlt /// Es zeigte sich insbesondere, dass Kon­ sumenten eher Beurteilungen posten, wenn sie entweder sehr zufrieden oder sehr unzufrieden waren. Mittelmäßige Erfahrungen werden weniger häufig kommuniziert, deshalb ist der mittlere Bereich bei den Postings unterrepräsentiert. Die Eigendynamik von Postings /// Im Zeitverlauf wer­ den die abgegeben Beurteilungen tendenziell schlechter. Diese Dynamik entsteht, weil bei vielen Beurteilungen meis­ tens auch kontroverse Meinungen vorkommen. Diese reizen dann die Aktivisten, die im Regelfall kritischer sind als der Mainstream. Wenn von Anfang an schon eine polarisierte Meinung vorherrscht, geht der Beurteilungstrend schneller und stärker nach unten. Sowohl Konsumenten als auch Marketingmanager sind des­ halb gut beraten, die Informationen, die sie aus Kundenbe­ urteilungen gewinnen, vorsichtig zu interpretieren. Um ein vollständiges und objektiveres Bild der Markenbeurteilung zu erhalten, sollten noch zusätzliche Informationsquellen genützt werden. Außerdem äußern sich Kunden lieber in einem positiven Beurteilungsumfeld. Produkte, bei denen die negativen Kommentare überwiegen, sind für potenzielle Beurteiler weniger attraktiv und halten Kunden eher davon ab, sich selbst zu äußern. Aktive Poster sind kritischer /// Einen großen Unter­ schied gibt es im Verhalten von sehr aktiven Postern und solchen, die eher selten Beurteilungen verfassen. Letztere tendieren dazu, sich dem generellen Tenor anzuschließen. Die aktiven und engagierten Beurteiler sind eher daran interes­ siert, sich von der Mehrheitsmeinung zu differenzieren. Diese Tendenz verstärkt sich noch, wenn die abgegebenen Mei­ nungen stark variieren. Die besonders aktiven Beurteiler sind in so einem Umfeld besonders kritisch und versuchen, sich durch negativere Beurteilungen als Experten zu präsentieren. schlüsselbegriffe Online Social Media, Mundpropaganda, Produktbeurteilungen, Nutzergenerierte Inhalte Siehe Seite 8 Deutsche Zusammenfassung / Vol. 5, No. 2, 2013 / GfK MIR Nutzergenerierte Inhalte und Aktienkursentwicklung: Sind Kunden-Kommentare sogar für den Finanzmarkt relevant? Seshadri Tirunillai und Gerard J. Tellis Wenn Sie hin- und wieder nachlesen, wie andere Nutzer bestimmte Produkte beurteilen, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Immer mehr nutzergenerierte Inhalte sind online verfügbar und liefern interessante Informationen zusätzlich zu dem, was uns die Hersteller erzählen. Die Marketingprofessoren Tellis und Tirunillai beobachteten 15 Marken in sechs unterschiedlichen Branchen und fan­ den, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem, was Konsumenten im Internet veröffentlichen, und der Entwicklung der Aktienkurse der jeweiligen Unternehmen gibt. In einer aufwändigen Studie analysierten sie knapp 350.000 Bewertungen der wichtigsten Bewertungsportale (Amazon.com, Epinions.com, und Yahoo Shopping) und fan­ den die folgenden Zusammenhänge. (1) Nutzergenerierte Kommentare beeinflussen die Aktienkurse >Wenn Konsumenten viel über ein Produkt diskutierten, stiegen die jeweiligen Aktien nach wenigen Tagen und zwar auch dann, wenn man die Effekte anderer Einfluss­ faktoren (Aktienprognosen von Wertpapieranalysten, redaktionelle Berichte oder Werbung) berücksichtigte. >Die schiere „Lautstärke“, also die Menge an Kommentaren, hatte mehr Einfluss auf die Börsenkurse als die Tatsache, ob die Beurteilung positiv oder negativ war. (2) Negative Kommentare wirken stärker als positive >Positive Beurteilungen hatten keinen nachweislichen Ein­ fluss auf die Aktienkurse, dagegen bewirkten überwie­ gend negative Kritiken Rückschläge von durchschnittlich 8 %. Bereits einen Tag nach der Verbreitung der Negativ­ meldungen war ein direkter Effekt auf die Aktien nach­ weisbar. Innerhalb von vier Tagen verflüchtigte sich der Effekt dann wieder. >Auch verstärkte Kommentare über Konkurrenzprodukte zeigten Wirkung. Diskussionen über einen Mitbewerber erhöhten zwar auch die Anzahl der Beiträge zum eigenen Produkt, bewirkten aber einen Rückgang der Kurse: jeden­ falls wenn die Beurteilungen der Konkurrenzprodukte überwiegend positiv waren. Im Fall von überwiegend negativen Kommentaren über einen Mitbewerber wurde der eigene Aktienkurs dagegen positiv beeinflusst. Die absoluten Beträge, um die es bei diesen Verschiebungen geht, sind beeindruckend. In einer Simulation „investierten“ die Forscher 100 Millionen Dollar und kauften oder verkauf­ ten täglich Aktien entsprechend den Erkenntnissen aus ihrer Studie. Über den gesamten Studienzeitraum von 4 Jahren erwirtschafteten sie mit dieser Veranlagungsstrategie fiktiv jährlich durchschnittlich 7,9 Millionen Dollar und schlugen den S&P 500 Index um 8 %. (3) Nutzergenerierte Inhalte unterstützen Marketingund Finanzanlageentscheidungen Eine Analyse von Nutzerkommentaren nutzt das Konzept der so genannten Schwarmintelligenz („wisdom of the crowds“). Die Online-Äußerungen tragen dieses Wissen in sich und sind laut und deutlich. Marketingmanager sollten deshalb diese Informationsquelle nutzen, denn sie erhalten dadurch unmittelbar Feedback zu Chancen oder Fehlentwicklungen. Die Informationen ermöglichen schnelle Reaktionen auf Pro­ bleme und können unter Umständen helfen, bei negativen Entwicklungen frühzeitig gegenzusteuern. Auch für Wert­ papieranalysten halten Kundenkommentare Informationen bereit, die sonst kaum oder zumindest nicht so unmittelbar verfügbar sind. Wie die Simulation zeigt, kann es sich bezahlt machen, diese Informationen für Investment-Entscheidungen zu nutzen. schlüsselbegriffe Nutzergenerierte Inhalte, Online-Mundpropaganda, Schwarmintelligenz, Aktienerträge Siehe Seite 13 V VI GfK MIR / Vol. 5, No. 2, 2013 / Deutsche Zusammenfassung Wie „virale Produkteigenschaften” die Verbreitung von Internet-Applikationen fördern Sinan Aral und Dylan Walker Soziale Netzwerk und virales Marketing sind inzwischen fixe Bausteine im Kommunikationsmix vieler Unternehmen. Aber auch in diesen neuen Kanälen wird es immer schwieriger, potenzielle Interessenten zu erreichen und wahrgenommen zu werden. Diese Herausforderung betrachteten die Autoren aus dem Blickwinkel der Produktentwicklung. Sie testeten, wie sich die Verbreitung einer neuen Internet-Applikation veränderte, wenn man beim Produkt selbst bestimmte „virale Eigenschaften“ aktivierte oder deaktivierte. In einer Testgruppe wurde eine Applikation ins Rennen geschickt, die bei Inbetriebnahme automatisch alle Face­ book-Freunde über die Installation bei einem Nutzer infor­ mierte. Eine zweite Gruppe hatte die Möglichkeit, potenzielle Interessenten innerhalb des Freundeskreises zur Installation der Applikation mit einer persönlichen Nachricht einzuladen (Link). Die dritte (Kontroll-)Gruppe hatte keine der beiden Möglichkeiten in die Applikation integriert. Es zeigte sich, dass die Varianten mit den aktivierten viralen Eigenschaften deutlich höhere Verbreitungsraten für den jeweiligen Internet-Dienst erreichten. Durch die automa­ tische Benachrichtigung der Facebook-Freunde wurde die Akzeptanzrate um 450 % gesteigert, bei der Ermöglichung persönlicher Einladungen sogar um 750 % im Vergleich zur Kontroll­gruppe ohne virale Zusatzapplikation. Offenkundig nutzt man hier den theoretisch gut bekannten Imitations­ effekt für eine erfolgreiche Produktdiffusion. Menge schlägt Individualität /// In Summe betrachtet waren aber die automatisch verschickten Nachrichten erfolg­ reicher. Nur relativ wenige Nutzer machten sich nämlich die Mühe, persönliche Einladungen über den mitgelieferten Link zu verschicken, sodass die absolute Basis dieses Effektes sehr klein war. Trotz der hohen prozentualen Erfolgsquote war deshalb der absolute Gesamteffekt niedriger als bei den automatischen Nachrichten. Ihre vergleichsweise nied­ rigere Effektivität wurde durch die Menge der versendeten Nachrichten mehr als kompensiert. Eine Simulation über das unmittelbare Umfeld des Nutzers hinaus zeigte, dass die automatischen Nachrichten eine um 246 % gesteigerte Akzeptanzrate erreichten, während die personalisierten Nachrichten nur auf ein Plus von 98 % kamen. Auch einen Vergleich mit klassischen Online-Werbemaß­ nahmen, wie Banner-, Facebook- oder Suchmaschinen­ werbung, brauchten die viralen Zusatzfunktionen nicht zu scheuen. Sie erreichten durchweg höhere Erfolgsquoten als die klassischen Online-Werbeschaltungen. Außerdem sind die viralen Funktionen relativ kostengünstig. Es fällt nur ein einmaliger Programmieraufwand an im Gegensatz zu den mit der Anzahl der Abrufe steigenden Kosten der traditio­ nellen Onlinewerbung. schlüsselbegriffe Virales Marketing, Produktdiffusion, EmpfehlungsMarketing, soziale Netzwerke, virales Produktdesign Siehe Seite 18 Deutsche Zusammenfassung / Vol. 5, No. 2, 2013 / GfK MIR Markenkommunikation mit Marken-Apps: Erste Erkenntnisse zu Möglichkeiten und Grenzen GfK MIR Zusammenfassung Jeder hat eins, jeder braucht eins: Smartphones sind omni­ präsent und verändern die Art und Weise unseres Medien­ konsums. Mobile Mediennutzung ist für alle Werbetreibenden ein aktuelles Thema und wird immer häufiger im Kommuni­ kationsmix einzelner Marken berücksichtigt. Als fast schon traditionell gelten mobile Werbekampagnen, die mittels SMS funktionieren. In letzter Zeit rücken aber auch vermehrt soge­ nannte „branded apps“ ins Blickfeld. Solche markenbasierte Apps stellen eine zusätzliche Möglichkeit dar, Markenimages zu stärken oder mit nützlichen Dienstleistungen die Kunden­ bindung zu intensivieren. Marken­Apps inszenieren das Produkt in Spielen, entspre­ chenden Informationsangeboten oder z. B. Konfiguratoren im Automobilbereich. Logo und Markenname oder sonsti­ ge Markeninhalte sind in die Anwendung integriert. Solche Apps haben gegenüber anderen Werbeformen den Vorteil, dass sie vom Konsumenten nicht als Belästigung empfunden werden. Der Konsument arbeitet damit aktiv und findet sie nützlich oder unterhaltsam. Das höhere Engagement bei der Benutzung bedingt auch eine im Vergleich mit Massen­ medien aktivere Auseinandersetzung mit der Marke und den transportierten Inhalten. Das sollte dazu führen, dass die Markenbotschaften auch eine Wirkung zeigen. Die positive Wirkung stellte sich unabhängig davon ein, wie vertraut die Testperson mit der jeweiligen Produktkatego­ rie war. Zusätzlich wirkten die Apps unabhängig davon, ob die Anwendung selbst als relevant empfunden wurde. Es ergaben sich z. B. gleichermaßen positive Effekte bei Frau­ en, die sich mit Apps beschäftigten, die primär für Männer konzipiert waren und umgekehrt. Herausforderung im realen Umfeld /// In der realen Nutzung ist die Wirkung solcher Angebote allerdings mit eini­ gen Fragezeichen versehen. Zunächst muss die Anwendung erst einmal im Umfeld einer täglich wachsenden Anzahl von Apps in den jeweiligen Appstores aufgespürt werden, und auch das Herunterladen ist erst ein Anfangserfolg: Unter­ suchungen zeigen, dass nur ein kleiner Teil der auf einem Smartphone verfügbaren Apps auch tatsächlich regelmäßig genutzt wird. Das heißt, dass Marketingmanager noch einige Herausforderungen meistern müssen, um die positiven Effekte dieser neuen Form der Markenkommunikation auch tatsächlich realisieren zu können. Die Interaktion mit Apps stärkt die Markenbindung /// Ein Laborexperiment mit über 200 Teilnehmern und acht unterschiedlichen Marken­Apps (Target, Kraft, Gap, Lancôme, Gillette, BMW, Best By, Weber) bestätigte die positive Wirkung der App­Interaktion: > Die Beschäftigung mit der App steigerte nicht nur das Interesse an der Marke selbst, sondern jenes an der gesamten Produktkategorie. > Die Einstellung gegenüber der Marke verbesserte sich deutlich, die Kaufabsicht leicht. Die Kaufabsicht konnte durch informationsorientierte Apps deutlicher gesteigert werden als durch Spiele. schlüsselbegriffe Branded Apps, Mobiles Marketing, Mobile Kommunikation 24 und Praktikerstatements Siehe Seite (Drive Now, Allianz Deutschland und Maggi) dazu Seite 53 VII VIII GfK MIR / Vol. 5, No. 2, 2013 / Deutsche Zusammenfassung Das Zusammenspiel paralleler Vertriebskanäle: Klassische Läden trotz Onlineshopping? Jill Avery, Thomas J. Steenburgh, John Deighton und Mary Caravella Immer mehr Einzelhändler fahren im Vertrieb „mehrgleisig“ und bieten zusätzlich zu klassischen Läden auch Online­ shopping und Kataloghandel an. Die unterschiedlichen Kanäle sprechen zum Teil unterschiedliche Kundensegmente an, und im Idealfall ergeben sich Synergieeffekte. Diese stellen sich aber nicht automatisch ein. Die Wechselwirkun­ gen zwischen den einzelnen Kanälen sind oft unklar und eine optimale Gesamtsteuerung schwierig. Die vorliegende Fallstudie eines Mode- und Dekohändlers zeigt beispielhaft, wie sich die Eröffnung neuer Läden auf den Internet- und Katalogverkauf in den jeweiligen Gebieten auswirkt. Integriertes Channel-Management optimiert den Verkaufserfolg /// Die aufgezeigten Wechselwirkungen belegen, dass ein integriertes Channel-Management sinnvoll ist. Es ist deshalb ratsam, sowohl kurz- als auch längerfris­ tige Zusammenhänge und Effekte zu beobachten und das gesamte Vertriebssystem als Gesamtsystem zu steuern. Durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen und weitere Vertriebsaktivitäten können gewünschte Effekte verstärkt und weniger erwünschte abgefedert werden. Synergiepotenziale werden dadurch besser ausgenützt und ermöglichen ein schnelleres Wachstum. Kannibalisierung nur kurzfristig und gering /// Inner­ halb der ersten paar Monate nach Eröffnung der Läden war ein Rückgang bei den Katalogverkäufen, nicht aber bei den Onlineverkäufen zu beobachten. Längerfristig profitierten sowohl der Katalogverkauf als auch der Onlineverkauf. Der Katalogverkauf erreichte nach 79 Monaten wieder das Niveau von vor der Ladeneröffnung. Nach diesem Break-Even wuchs das Kataloggeschäft in der Region stärker als in einer vergleichbaren Kontrollregion ohne zusätzliches Ladenlokal. Auch der Internethandel profitierte von den Läden, und zwar noch deutlich stärker als der Katalogverkauf. Die neuen Läden nützen offenbar dem Markenimage des Händlers in der Region. Interessanterweise waren die Markeneffekte in Gebieten stärker, in denen es bereits vor der Eröffnung der Läden Geschäftslokale gab. Die Läden wirkten als Aus­ hängeschilder der Marke und erreichten gemeinsam eine bessere Imagewirkung. Die Kannibalisierung war in Regio­ nen mit bereits vorhandenen Läden ebenfalls geringer als in Regionen, in denen erstmals ein klassischer Laden der Marke eröffnet wurde. schlüsselbegriffe Handelsmarketing, Multi-Channeling, Vertriebsstrategie, Direktmarketing, E-Commerce Siehe Seite 28 Deutsche Zusammenfassung / Vol. 5, No. 2, 2013 / GfK MIR Die Einkaufsstrategien von Konsumenten: Was abgesehen von Preisaktionen von Bedeutung ist Els Gijsbrechts, Katia Campo und Patricia Nisol Nur noch wenige Kunden erledigen ihre Lebensmittel­ einkäufe bei einem einzigen Händler ihres Vertrauens. Der Trend geht ganz klar in eine andere Richtung: Immer mehr Kunden nutzen die Vielfalt an Standorten und Einzelhan­ delsformaten und besuchen regelmäßig mindestens zwei unterschiedliche Geschäftslokale. Rahmen einer einzigen Shoppingtour, sondern bei separaten Touren. Je nachdem, ob sich die einzelnen Formate in ihren Sortimenten ergänzten oder zum Beispiel im Preisniveau bei bestimmten Produktgruppen unterschieden, wurden sie entsprechend den individuellen Kosten-/Nutzenprofilen eingeplant. Häufig wird diese neue Mobilität mit Schnäppchenjägerei begründet: Kunden wechseln die Läden, um Sonderangebote zu kaufen und von Aktionen zu profitieren. Die vorliegende Studie zeigt aber, dass es darüber hinaus auch noch andere Motive und konstante Shoppinggewohnheiten gibt, die dazu führen, dass Kunden mehrere Standorte und unterschiedli­ che Handelsformen nutzen. Wettbewerbsstrategien sollten Motive und Gewohnheiten berücksichtigen /// Die Kenntnis der Einkaufs­ gewohnheiten und ihren zugrunde liegenden Motiven er­ möglicht es Einzelhändlern, ihre Wettbewerbsstrategien zu optimieren. Wenn nur ein Laden der jeweiligen Kategorie besucht wird, ist es besser die Loyalität von Kunden aktiv zu fördern. Wenn dagegen nur bestimmte Warengruppen gekauft werden und der Rest in einem anderen Laden, geht es weniger um Loyalität als darum, die Ausgaben (bzw. Erträge) im eigenen Laden zu steigern. Unter Umständen macht es sogar Sinn, mit Mitbewerbern zu kooperieren und ein attraktives Gesamtpaket über die einzelnen Läden hin­ weg darzustellen. So ist zum Beispiel ein Supermarkt mit einem nahegelegenen Discounter bei Kundengruppen, die regelmäßig beide Formate besuchen, attraktiver als ein eher abgelegener. Kosten und Nutzen eines Einkaufs sind individuell unterschiedlich /// Die Einkaufsgewohnheiten ergeben sich aus individuell unterschiedlichen Kosten-/Nutzenbilan­ zen. Auf der Kostenseite gibt es unterschiedlichste Arten von Kosten, die in Betracht gezogen werden. Manchen Kunden ist es wichtiger, möglichst wenig für die einzelnen Produkte zu zahlen. Andere minimieren die Vorräte zu Hause und ersparen sich dabei den damit verbundenen Lagerhaltungsaufwand. Wiederum andere versuchen, den Einkauf unter Zeitgesichts­ punkten (Wegzeiten zu den Läden, Warten an der Kasse) zu optimieren. Auch die mit dem Einkauf verbundenen Nutzenelemente werden unterschiedlich wahrgenommen. Während manche eher den Genuss bei der Konsumierung der Produkte im Auge hat und zum Beispiel größere Sortimente schätzt, be­ reitet anderen der Einkauf selbst großes Vergnügen. Diese Gruppe legt eher Wert auf ein entsprechendes Ambiente im Laden oder entsprechende Serviceangebote. Die Einkaufsgewohnheiten sind größtenteils sehr stabil /// Aus der Kombination von individuellen Kosten und Nutzen sowie den Vor- und Nachteilen der einzel­ nen Einzelhandelsformate entwickeln sich ziemlich stabile Einkaufsgewohnheiten. In der holländischen Studie war das Einkaufsverhalten von 83 % der Teilnehmer sehr stabil. Der überwiegende Teil besuchte unterschiedliche Läden nicht im schlüsselbegriffe Einkaufsverhalten, Ladenwahl, Einzelhandelsformate, regionaler Wettbewerb Siehe Seite 34 IX X GfK MIR / Vol. 5, No. 2, 2013 / Deutsche Zusammenfassung Wenn du wechselst, geh ich mit … Soziale Einflüsse beim Kündigen einer Leistung Irit Nitzan und Barack Libai Beim Kauf neuer Produkte lässt man sich gerne von Freun­ den und Bekannten inspirieren. Viele Studien bestätigen die große Bedeutung von sozialen Einflüssen bei der Ent­ scheidung für Innovationen. Die vorliegende Studie bestätigt nun, dass auch beim Aufkündigen einer Leistung das private Umfeld eine große Rolle spielt. Die Forscher untersuchten mit Hilfe der Ereigniszeitanalyse-Technik die Daten von über einer Million Mobilfunkkunden eines Mobilfunkbetreibers im Nahen Osten. Soziale Faktoren beeinflussen die Kündigung einer Leistung /// Die Analyse zeigte, dass die Wahrscheinlich­ keit für einen Wechsel des Anbieters bei Kunden deutlich höher war, wenn ein anderes Mitglied aus deren sozialen Netzwerken kündigte. Bereits bekannte Indikatoren einer Kundenabwanderung, wie eine reduzierte Nutzung der Leistung, zahlreiche Kontakte mit der Servicestelle oder ver­ stärkte Kontakte außerhalb des jeweiligen Netzes, wurden bestätigt. Wenn man zusätzlich noch in Betracht zog, ob es im sozialen Netzwerk des Kunden zu Kündigungen kam, konnte man weitere Vertragskündigungen aber noch deut­ lich besser prognostizieren. >Freunde, die sich der Kündigung anschlossen, reagierten meist recht schnell (innerhalb des gleichen Monats). Auf längere Sicht wurde der soziale Einfluss immer schwächer. >Mehr Werbung eignete sich nicht dazu, die sozial bedingte Abwanderung zu reduzieren. Manager sollten deshalb solche sozialen Aspekte im ChurnPrevention-Management im Auge behalten. Allein die Infor­ mation, ob es innerhalb eines Netzwerks zu Kündigungen kommt, ist ein wertvoller Hinweis um einer allfälligen weiteren Kündigung entgegenzuwirken. Aktivitäten von Seiten des Unternehmens sollten allerdings rasch umge­ setzt werden, da sozial bedingte Folgekündigungen meist sehr schnell erfolgen. Außerdem zeigte sich, dass bestimmte Mitglieder des sozia­ len Netzwerks einen stärkeren Einfluss auf die Entscheidung hatten, ebenfalls zu wechseln: >Je intensiver der Kontakt zwischen den jeweiligen Part­ nern war, desto stärker war der Einfluss. >Auch Netzwerk-Freunde mit einem ähnlichen sozialen Hintergrund (Alter, Geschlecht, Status) hatten mehr Ein­ fluss. > Dagegen war der Einfluss von Leuten mit überdurch­ schnittlich vielen Kontakten eher geringer, obwohl sie selbst mehr zu einem Wechsel des Anbieters neigten als weniger vernetzte Teilnehmer. >Auch loyale Kunden, charakterisiert durch eine intensive Nutzung der Leistung und eine langjährige Kundenbezie­ hung, wurden von einer Kündigung durch einen Freund weniger leicht mitgezogen. schlüsselbegriffe Kundenbindung, Churn Prevention, Kundenverluste, soziale Netzwerke Siehe Seite 40 Deutsche Zusammenfassung / Vol. 5, No. 2, 2013 / GfK MIR Welche KPIs sind wirklich relevant? Die Suche nach Kennzahlen über die tatsächlichen Treiber des Konsumentenverhaltens Martin R. Lautman und Koen Pauwels Es gibt viele Methoden, um relevante Indikatoren über das Verhalten von Konsumenten zu gewinnen. Der Bogen reicht von offenen Fragen über Ratings und Rankings einzelner Einflussgrößen bis zu indirekten statistischen Verfahren wie Regressionen, Korrelationen oder Conjoint­Techniken. Streng genommen lassen sich durch solche Analysen aber keine kau­ salen Beziehungen herstellen. Echte Kausalzusammenhänge ergeben sich nur aus experimentellen Untersuchungsdesigns bzw. der Analyse von Zeitreihen. Die Autoren zeigen in ihrem Artikel anhand zahlreicher Beispiele, wie mittels der Vektor­ Autoregression (VAR­Modellen) solche kausalen Zusammen­ hänge analysiert und tatsächliche Ursache­Wirkungsketten aufgespürt werden können. Dies schafft dann die Basis für die Auswahl „richtiger“ Key­Performance­Indikatoren (KPIs). Die VAR­Methode wird bei Marketinganwendungen immer beliebter, weil sie klare Ansatzpunkte für gezielte Aktivitäten liefert. zeigen darüber hinaus, welche Aktivitäten sich schnell in den Ergebnissen niederschlagen und wo ein verzögerter Effekt eintritt. Mit VAR­Modellen können ferner zusätzlich zur eigenen Marke auch Konkurrenzprodukte in die Analyse mit aufge­ nommen werden, soweit darüber Daten vorliegen. Dadurch wird deutlich, wie gut die Marken bezüglich einzelner Erfolgs­ faktoren im Konkurrenzumfeld aufgestellt sind. Man erkennt aber auch, ob einzelne Erfolgsfaktoren für die gesamte Pro­ duktkategorie relevant sind oder ob es auf Markenebene Unterschiede gibt. Ein Nachteil der VAR­Methode besteht darin, dass sie nicht theoriegeleitet vorgeht, sondern rein datengetrieben arbei­ tet. Das schafft bei unerfahrener Anwendung u. U. Fehler­ potentiale bei der Interpretation. Eine Anwendung für einen Hygieneartikel zeigte z. B. auf, dass die Werbung den Verkaufserfolg zehnmal so stark be­ einflusste wie die anderen untersuchten Einflussfaktoren. Die Methode zeigt zusätzlich auf, welche Werbeinhalte beson­ ders gut wirkten. Beide Hinweise waren für die Planung der Marketingaktivitäten sehr hilfreich und bei keiner anderen Methode so klar ersichtlich. Im pharmazeutischen Bereich lieferte der Einsatz von VAR­ Modellen klare Hinweise darauf, welche Symptomlinde­ rungen für die Konsumenten am relevantesten waren. Das Marketing für das Medikament konnte basierend auf den Ergebnissen entsprechend gestaltet werden. Unter allen Symptomen, gegen die das Medikament wirkte, konnten in der Kommunikation klare Prioritäten gesetzt werden. Vektor­autoregressiven Modellen gelingt es besser, die wichtigsten Erfolgsfaktoren zu identifizieren, weil sie Ent­ wicklungen im Zeitverlauf beobachten, die auf realen Zeilen basieren. Ihr Einfluss auf abhängige Variablen, wie zum Bei­ spiel Verkaufszahlen, kann genau quantifiziert werden. Dar­ über hinaus erhält man auch Aussagen darüber, wie schnell einzelne Maßnahmen Impact erzeugen. Die VAR­Ergebnisse schlüsselbegriffe KPIs, Konsumentenverhalten, Marketing-Controlling, Kennzahlensysteme, VAR-Modelle Siehe Seite 46 XI