Counterfactual Reasoning

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Counterfactual Reasoning
Elmar Diederichs
[email protected]
release 0.5
August 15, 2008
Abstract
What goes wrong for us if we get counterfactual reasoning wrong? In
fact we use counterfactuals in empirical inferences to conclusions about
what is actually the case. And we need to try to get them right, in order
to avoid, as much as possible, arriving at wrong conclusions about the
actual world.
Contents
1 Introduction
2 Indicative Conditionals
2.1 Material Implication . . . . . . . . . . . . .
2.2 Truth Conditions . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Bivalence and Negations . . . . . . .
2.2.2 Truth-functionality and Probability
2
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4
4
6
7
12
3 Counterfactuals
14
3.1 Non-Monotonics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3.2 Possible-Worlds-Semantics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4 Modal Reasoning
19
4.1 Modal Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4.2 Closeness as Explanation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5 Summary and Conclusions
26
Index
30
2
1
1
Introduction
Introduction
Die intuitive Aufgabe dieses papers besteht darin, die sprachliche Bedeutung
eines Konditionals im Konjunktiv ein Stück weit aufzuklären. Dafür wird eine
äquivalente Umformung, am besten eine Paraphrase gesucht, welche die verborgene Information zeigt, für die wir uns hier interessieren.
Definition 1. (counterfactual)
Unter kontrafaktischen Konditionalen sind Konditionale der Form
Wenn A der Fall wäre, dann wäre B der Fall.
zu verstehen. Der Konjunktiv bringt zum Ausdruck, daß sowohl A als auch B
falsch sind, gleichzeitig aber die Wahrheit des ganzen konjunktivien Konditionals beansprucht wird.
A und B sind in dieser Definition wie auch im kompletten folgenden Text als
Aussagekonstanten zu verstehen. Bedingungssätze oder Konditionale sind Aussagen der Form ”Wenn A, dann B.”.
A puzzling example: Wir argumentieren oft nach einem Schema, daß sich
wie folgt illustrieren läßt:
i) Hättest du das Streichholz angerissen, dann hätte es sich entzündet.
ii) Hättest du das Streichholz nicht angerissen, dann hätte es sich nicht
entzündet.
iii) Unter der Annahme, daß das Streicholz nicht naß war, und daß Sauerstoff
vorhanden war (und so weiter) und die physikalischen Eigenschaften von
Phosphor eben darauf hinaus laufen, daß sich heißer Posphor entzündet,
war das Anreißen den Streichholzes tatsächlich die Ursache der zu
beobachtenden Flamme und das Entflammen die Wirkung des Anreißens.
Wenn wir aber die indikativische Version
i’) Wenn du das Streichholz anreißt, dann entzündet es sich.
ii’) Wenn du das Streichholz nicht anreißt, dann entzündet es sich nicht.
iii’) Unter der Annahme, daß das Streicholz nicht naß ist, und daß Sauerstoff
vorhanden ist (und so weiter) und die physikalischen Eigenschaften von
Phosphor eben darauf hinaus laufen, daß sich heißer Posphor entzündet,
ist das Anreißen den Streichholzes tatsächlich die Ursache der Flamme zu
beobachtenden und das Entflammen die Wirkung des Anreißens.
davon zu hören bekommen, dann entgegen wir: ”Das muß sich erst noch
herausstellen.”.
Warum?
3
Starting the Formalization: Da entsprechende exellente Darstellungen
bereits existieren, ersparen wir uns hier die Einführung eines korrekten, extensionalen Prädikatenkalküls 1. Stufe mit Identität und legen hier nur die üblichen
Abkürzungen fest.
a,b,c
x,y,z
F ,G,H
φ,ψ,χ
A,B,C
α,β,γ
Individuenkonstanten
Individuenvariablen
Prädikatenkonstanten
Prädikalenvariablen
Aussagekonstanten
Aussagevariablen
Table 1.1: interpretierbare Zeichen
Die Interpretation dieser abkürzenden Zeichen erfolgt durch das Angeben von
Einsetzungsinstanzen. Die Menge der Einsetzungsinstanzen heißt Extension.
Prädikate werden auch als generelle Terme, Individuenkonstanten als singuläre
Terme bezeichnet.
∀
∃
∧
∨
¬
=
⇒
⇔
⊃
für alle
für mindestens ein
und
oder
nicht
Idenität
materiale Implikation
Äquivalenz
Konditional
kontrafaktisches Konditional
Table 1.2: logische Junktoren
Logische Junktoren können offenbar dazu benutzt werden, logisch komplexe
Aussagen zu bilden, i.e. Aussagen, in denen mehr als eine für sich allein
verständliche Aussage vorkommt.
w
f
u
wahr
falsch
unbestimmt
Table 1.3: Wahrheitswerte
4
2
Ω
ω
3
A |= B
Indicative Conditionals
Menge möglicher Welten
mögliche Welt
Es ist notwendig, daß
Es ist möglich, daß
A ist aus B logisch ableitbar.
Table 1.4: logische Operatoren
Im nächsten Kapitel betrachten wir zunächst Konditionale im Indikativ, was
uns in Kapitel 3 sehr beim Verständnis von Konditionalen im Konjunktiv helfen
wird.
2
Indicative Conditionals
Die erste Idee, die man haben könnte, besteht darin, Konditionale im Indikativ
durch die in der Prädikatenlogik gut verstandene materiale Implikation ’⇒’ zu
modellieren. Wir werden sehen, daß das gründlich falsch ist.
Die deduktive Korrektheit eines Argumentes ist eine Frage der logischen Form
der Sätze, die innerhalb eines Argumentes verknüpft werden, d.h. individuelle
Argumente sind gültig höchstens dann, wenn sie Beispiele gültiger Argumentformen sind. Ein Schluß oder auch ein Argument heißt deduktiv korrekt genau
dann, wenn der Schluß logisch folgt aus den Prämissen, i.e. wenn es aus der
Wahrheit der Prämissen allein die Wahrheit der Konklusion folgt. Entsprechend
besteht die Aufgabe der Logik darin, Techniken der Identifizierung und Unterscheidung von Argumentformen bereitzustellen und ihre deduktive Korrektheit
nachzuweisen. Das Kriterium der logischen Gültigkeit ist die Wahrheitwerterhaltung, ein Kriterium, das auch unseren argumentativen Intuitionen standhält.
Entsprechend sind Sätze logisch wahr genau dann, wenn sie wahr sind unter
jeder Interpretation der Satzbuchstaben ihrer Argumentformen.
2.1
Material Implication
Die übliche zweiwertige und extensionale Folgerungsbeziehung, die sich in den
formalisierten Sprachen als nützlich erwiesen hat, ist die materiale Implikation.
Definition 2. (materiale Implikation)
Unter einer wahrheitsfunktionalen Folgerungsbeziehung verstehen wir eine
durch ’⇒’ bezeichnete logische Beziehung zwischen Aussagen von Sätzen,
deren Wahrheitswert vollständig bestimmt wird durch die nachfolgende
Wahrheitswerttafel.
2.1
Material Implication
5
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
A⇒B
w
f
w
w
Table 2.5: Wahrheitstafel der materialen Implikation
Wir nennen bei der materialen Implikation und bei jedem anderen Konditional
das Vorderglied A das Antezedenz und das Hinterglied B das Konsequenz. Offenbar ist A hinreichend für B und B notwendig für A.
Die Frage ist, auf was wir uns einlassen, wenn wir die materiale Implikation
verwenden, was wir aussagen, was wir nicht aussagen, welche semantischen Unterschiede unserer natürlichen Sprache repräsentiert werden und welche nicht.
Zu diesem Zweck bezeichnen wir mit F (x) das formale Modell eines prädikativen
Satzes und argumentieren wir für die folgenden Theoreme:
Theorem 1. Die Folgerungsbeziehung im Sinne von Definition 2 ist konzipiert
worden, um indikativische Sätze der folgenden Form
Alle F (x) sind G(x)
(2.1)
semantisch korrekt darstellen zu können. Im Fall von (2.1) sprechen wir auch
von beschränkten Allsätzen.
Proof. Dafür muß man zeigen, daß ”⇒” der einzige Junktor ist, der die logischen Relationen in der Satzform (2.1) adäquat repräsentieren kann. Sei dafür
ι ein logischer Junktor. Dann muß die Formalisierung ∀x[F (x) ι G(x)] jeder
möglichen Einsetzungsinstanz von (2.1) genügen. Wir können den ersten und
den vierten Fall der Wahrheitstafel der materialen Implikation wie folgt bestimmen:
a) Angenommen, die durch F und G ausgedrücken Eigenschaften sind synonym. Dann können:
i) Ist (2.1) wahr, dann hat jedes x F , und folglich hat x dann auch G.
ii) Ist (2.1) falsch, dann hat jedes x ¬F , und folglich hat x auch ¬G.
b) Angenommen, F und G sind nicht synonym. Dann kann es passieren, daß
die Teilklasse all derjenigen x, die F sind, zu klein ist, um auch alle x, die
G sind enthalten zu können. Man kann daher zu diesem Fall wahre und
falsche Beispiele bilden:
(a) Wenn x einen verheirateten Bruder hat, dann ist x mit einer dritten
Person y verschwägert.
(b) Wenn x ein Fisch ist, dann ist x stumm.
6
2
Indicative Conditionals
Dieser Fall darf ebenfalls nicht ignoriert werden, daß da es bei einer
Formalisierung nicht darauf ankommt, Wahrheitswertinvarianzen zu
erzeugen. Andernfalls müßte man den Standpunkt vertreten, daß nur
diejenige Formalisierung dem natürlichen Sprachverständnis angemessen
ist, die nur wahre Folgerungen kennt. Was aber wäre ungewöhnlicher, als
eine Sprache, in der man sich aus logischen Gründen nicht irren kann?
Unabhängig davon, ob das ganze Konditional wahr oder falsch ist, sind
Fälle vom Typ (a), in denen Koextensionalität, i.e. Gleichheit der interpretierenden Einsetzungsinstanzen von F und G vorliegt, bereits mit der
ersten und vierten Zeile der Wahrheitstafel abgedeckt. Betrachten wir nun
das Beispiel
(1) Wenn F (x) ∧ G(x), dann G(x).
Es wäre inakzeptabel, zu behaupten, daß dieses Konditional falsch ist,
selbst wenn x nicht die Eigenschaft F hat. Und wir wissen bereits, daß die
Wahrheit dieses letzten Konditionals nicht davon abhängt, ob x die Eigenschaft G hat oder nicht. Damit haben wir die 3. Zeile der Wahrheitswerttable motiviert.
c) Im verbleibenden zweiten Fall muß der Wahrheitswert des Wenn-DannSatzes f sein, da andernfalls ι ein Tautologiejunktor wäre, obwohl uns
die Konstellation des wahren Antezedens und falschen Konsquenz in der
Form der Prüfung eines Satzes an Beispielen bekannt ist.
Also: Die Wahrheitswerttabelle ist eindeutig bestimmt und die materiale
Implikation als einzige Formalisierung beschränkter Allsätze semantisch motiviert.
2.2
Truth Conditions
Das die materiale Implikation einen Spezialfall eines indikativischen Konditionals darstellt, bestreitet niemand:
1. Die materiale Implikation erklärt Folgerungen für gültig, die wir intuitiv
für ungültig halten würden: In dem Satz
Es gibt mindestens zwei Dinge, die nicht identisch sind.
(2.2)
kommen nur logische Konstanten vor, die nicht bei der Interpretation ersetzt werden dürfen. Daher reduziert sich die Frage der logischen Wahrheit
dieses Satzes auf die seiner Wahrheit, obwohl dies eine rein empirische
Frage ist. Ganz analog erweisen sich nach der materialen Implikation Sätze
wie ”Es regenet, also gibt es 295 Dinge.” oder ”Es gibt zwei Dinge, also
gibt es 10 Dinge.” oder ”Wenn Rom die Hauptstadt von Griechenland ist,
dann gibt es in Irland keine Schlangen.” als gültige Argumente.
2. Insbesondere ist jedes Argument mit der Folgerung (2.2) gültig.
2.2
Truth Conditions
7
3. Gemäß der dritten Zeile der Wahrheitstafel kann aus einem beliebgen
falschen Satz ein beliebiger wahrer Satz deduktiv korrekt gefolgert werden
(ex falso quod libet).
Wenn wir uns aber für die Frage interessieren, wie wir aus einzelnen Fällen,
die wir beobachten oder protokollieren können, Argumente konstruieren,
um Begründungen für unsere Behauptungen zu generieren, dann reicht es
bei Weitem nicht aus, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die materiale
Implikation richten. Vielmehr müssen wir zusätzliche semantische Phänomene
berücksichtigen, wenn unser Modell der Verifikation von conditionals realistisch
sein soll.
Zu diesem Zweck schlagen wir das folgende, stark simplifizierte Verfikationsmodell eines prädikativen, indikativischen Satzes der Form F (x) vor:
(V1 ) Wenn der singuläre Term x neu in eine natürliche Sprache eingeführt
wird, dann wird mit ihm eine sprachliche Bedeutung verknüpft, die es
mindestens erlaubt, festzulegen, auf welche Sorte von Gegenständen sich
der Term beziehen, i.e. referieren darf: Es könnte sich z.B. um einen Eigennamen, ein Demonstrativpronom, ein Personalpronom oder einen Massenterm handeln. Wir behaupten nicht, daß diese sprachliche Bedeutung in
allen Fällen ausreicht, um festzulegen, worauf sich x bezieht. Ist x einmal
eingeführt, so kann es Verwendungen von x geben, die man nur verstehen kann, wenn man weiß, welcher Gegenstand auf x gleichsam getauft
wurde. Beides fassen wir unter der Bezeichnung der Identifikationsregel
des singulären Terms zusammen.
(V2 ) Prädikate werden in natürlichen Sprachen verwendet, um Gegenstände
zu klassifizieren und von anderen Gegenständen zu unterscheiden. Wir
sagen nun, daß es von jedem vorgegebenen Prädikat F eine Regel gibt,
die bestimmt, ob die Anwendung von F auf x korrekt war oder nicht.
War sie korrekt, dann sagen wir, daß F (x) wahr ist, falls x durch den korrekten Gebrauch eines singulären Term nach seiner Identifikationsregel
identifiziert wurde. Dasgleiche gilt von ¬F und wir sprechen von der Verifikationsregel von F bzw. ¬F .
Wir behaupten nicht, daß dies eine vernünftige semantische Analyse
prädikativer Sätze ist, sondern nur, daß dieses ausnehmend sparsame Modell
ausreicht, um zu verstehen, daß einige sprachliche Phänomene existieren, die
die Verifikation von conditionals schwierig machen. Und keinesfalls wollen wir
hier andeuten, daß Wahrheitsbedingungen nichts anderes als Verifikationsbedingungen sind.
2.2.1
Bivalence and Negations
Wir sind es gewohnt, die logische Formeln des tertium non datur
¬¬S ⇒ S
S ⇒ ¬¬S
8
2
Indicative Conditionals
für deduktiv korrekt zu halten und es gibt sicher formale Sprachen, die trotz
ihrer Verwendung des tertium non datur nützlich sind. Versuchen wir aber
unsere Argumentationen, soweit sie Konditionale benutzen, formal zu rekonstruieren, dann kommt es darauf an, was man unter einer Negation versteht.
Zunächst einmal definieren wir das
Definition 3. (Bivalenzprinzip)
Wenn ein Satz überhaupt eine Aussage macht, dann ist er auch wahrheitsfähig,
was besagt, daß er entweder den Wahrheitswert w oder den Wahrheitswert f
hat.
sowie die
Definition 4. (starke und schwache Negation)
Sei ∃xF (x) das Schema eines prädikativen Satzes. Dann formuliert
a) ¬∃xF (x) die schwache (nicht existenzbehauptende) Negation
b) ∃x¬F (x) die starke (existenzbehauptende) Negation
Wir werden nun dafür argumentieren, daß
i) das Bivalenzprinzip
ii) die tertium non datur-Prinzipien
iii) die direkte Kontrapositionsregel (¬S ⇒ ¬Q) ⇒ (Q ⇒ S)
nicht allgemein gültig sind.
Theorem 2. Das Bivalenzprinzip ist nicht allgemein gültig.
Proof. Angenommen es gilt das o.g. Verfikationsmodell.
i) Dann kann man z.B. den Satz ”Der gegenwärtige König von Frankreich ist
kahl.” zurückweisen, weil Frankreich im Moment eine Republik ist oder
weil der gegenwärtige König von Frankreich noch alle seine Haare hat.
Die Existenz, d.h. den Erfolg der semantischen Identifikationsregel eines
für x zu substituierenden sgl. Terms verneint man im Fall ¬∃xF (x). Über
die Verifiation des Prädikates wird nichts gesagt, so daß es gar nicht erst
zu einem wahrheitsfähigen Satz kommen kann.
ii) Betrachten wir den Satz: ”Der Marsmond ist nicht bewohnt.”. Nimmt
man an, daß hier die starke Negation vorliegt, dann gibt es verschiedene
Gründe, diesen Satz zu bestreiten z.B. könnte es mehrere Marsmode geben
und es gibt nur eine dreimal im Jahr für 2 Wochen besetzte Forschungsstation. Die Verifikationsregel liefert offenbar weder für ”bewohnt” noch für
”nicht bewohnt” ein klares Ergebnis. Beschränkt man sich jedoch auf die
schwache Negation, gilt dasselbe wie im Fall des gegenwärtigen Königs
von Frankreich: Hat der Mars keine Monde, weiß man nicht, was man
sagen soll.
2.2
Truth Conditions
9
In beiden Fällen hat ein prädikativer Satz unter diesen Umständen den
Wahrheitswert u. Also: Es gibt einfache Beispiele aus der Umgangssprache,
in denen das Bivalenzprinzip nicht erfüllt ist.
Theorem 3. Das Bivalenzprinzip und tertium non datur-Prinzip sind unverträglich.
Proof. Angenommen es gilt das o.g. Verfikationsmodell. Wir betrachten wir den
Satz
”Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahl.”
von der Form ∃xF (x). Wollen wir die Konsequenzen der Elimination von Negationszeichen herausfinden, so betrachten wir
aa) ¬¬∃xF (x)
bb) ∃x¬¬F (x)
Falls ”¬¬S ⇒ S” wahr ist, kann man für die Alternative bb) den falschen empirischen Schluß ziehen, daß es gegenwärtig einen König von Frankreich gibt
- sei er nun kahl oder nicht - falls man ebenfalls weiß, daß der Gegensatz von
S und ¬S kein konträrer, sondern ein kontradiktorischer ist. Letzteres wird
gerade durch das Bivalenzprinzip gesichert. Beschränkt man sich jedoch auf
die schwache Negation aa), müßte man im Fall S :=”Der Marsmond ist bewohnt.” unter allen Umständen eine eindeutige Antwort auf die Frage verlangen können, ob der Marsmond bewohnt ist. Wir haben jedoch bereits gesehen,
daß dieser Satz ohne die Existenzbehauptung nicht wahrheitsfähig ist. Also:
Bivalenzprinzp und tertium non datur unverträglich.
Damit bleibt im Prinzip noch die Option offen, ”¬¬S ⇒ S” zu verwenden,
wenn man das Bivalenzprinzip aufgibt, nur die schwache Negation verwendet
und drei Wahrheitswerte zuläßt. Doch das reicht nicht:
Theorem 4. Sei S eine Satzvariable. Dann ist ¬¬S ⇒ S keine erlaubte Deduktion, weil sie auf eine unbewiesene Aussage zurückgeführt werden kann.
Proof. Dafür werden die Nachkommastellen von π benutzt.
i) Berechne simultan die Dezimalstellen pk von π und die Glieder einer beliebigen Cauchyfolge, i.e. ∃n, m > n0 ∈ N, > 0 : kpn − pm k ≤ .
ii) Sei Fk ein geeignetes Prädikat, z.B. die Abkürzung für ”Die Dezimalstellen
pk−89 bis pk werden alle durch die Ziffer 9 gebildet.”.
iii) Definiere eine unendliche Folge an n∈N := a1 , a2 , a3 , . . . , an , . . . durch das
Bildungsgesetz ihrer Folgenglieder:
(
2−k
falls k ≤ n und Fk
an =
n
−n
(−1) · 2
falls k ≤ n und ¬Fk
10
2
Indicative Conditionals
mit k, n, ∈ N0 . Folglich ist die Folge an n∈N eine alternierende Cauchyfolge in R solange, bis 90 Neunen hintereinander in den Dezimalstellen
von π aufgetreten sind und ab dann konstant. Also liegt auf jeden Fall
Konvergenz vor gegen einen Grenzwert a, d.h.
lim an = a
n→∞
:⇔
lim kan − ak = 0
n→∞
iv) Das Vorzeichen von a aber ist unbekannt, weil man die Reihenfolge aller
Dezimalstellen von π nicht kennt, denn es ist π ∈ R. (Jede andere Aussage
Fk über die Dezimalstellen von π wäre daher genau so gut.) Daher gibt
es weder einen Beweis für a > 0, falls Fk für ein k erfüllt ist, noch für
a = 0, falls Fk für ein k erfüllt ist. Wenn aber a der Grenzwert ist, dann
kann a keine irrationale Zahl sein.
Denn wenn a eine irrationale Zahl,
d.h. a ∈ R wäre, dann hätte an n∈N nicht das o.g. Bildungsgesetz. Einen
Beweis dafür, daß a rational, d.h. a ∈ Q, ist, haben wir aber auch nicht,
weil wir die abzählbar unendlich vielen Dezimalstellen von π nicht alle
kennen können.
Also: Wir haben ein Gegenbeispiel für die Argumentform ¬¬S ⇒ S gefunden.
Theorem 5. Selbst wenn wir das Bivalenzprinzip aufgeben, ist das tertium non
datur-Prinzip in der Version
S ⇒ ¬¬S
(2.1)
kontraintuitiv.
Proof. Um das zu sehen, betrachten wir Sätze wie
”Berlin ist eine Weltstadt.” oder ”Der Täter ist zurechnungsfähig.”
Der Wahrheitswert dieser Sätze ist jeweils kontextabhängig: Berlin ist
gegenüber Augsburg sicher eine Weltstadt, aber gegenüber Paris, Rom, London
oder New York kann man schon ins Grübeln kommen. Gleiches gilt, wenn Neues
entsteht: ein Maultier, die Quantenmechanik, abstrakte Malerei. Insbesondere
bietet unsere Wahrnehmung z.B. bei Farben kontinuierliche Übergänge, wo die
Sprache mit Farbprädikaten Schnitte setzt. Außerdem kann der Fall vorkommen, daß sich die Frage nach einer Eigenschaft gar nicht erst stellt: In der Regel
haben Prädikate offenbar Neutralbereiche bzgl. ihrer Anwendung unabhängig
davon, wie man die Negation interpretiert. Also: Das tertium non datur-Prinzip
führt im allgemeinen nicht auf deduktiv korrekte Argumentformen.
Die Ablehnung des tertium non datur-Prinzips hat weitreichende Folgen für die
Rechtfertigung von Bedingungssätzen:
Theorem 6. Die Kontrapositionsregel
(¬S ⇒ ¬Q) ⇒ (Q ⇒ S)
(2.2)
2.2
Truth Conditions
11
führt anders als
(Q ⇒ S) ⇒ (¬S ⇒ ¬Q)
(2.3)
im allgemeinen nicht auf deduktiv korrekte Argumentformen.
Proof. Denn nur im ersten Fall setzt man voraus, daß S und ¬S sowie Q und
¬Q den Bereich der verhandelten Gegenstände vollständig zerlegen, was man
sich mittels der Unterscheidung konträr-kontradiktorisch sofort überlegen kann.
Also: Die materiale Implikation beschränkt die Verwendung der Kontraposition
in der normalen Sprache auf den uninteressanten Fall.
Summary: Für die Verifikation normalsprachlicher, indikativischer Konditionale gelten wenigstens die folgenden Beschränkungen:
1. Es muß eine dreiwertige Semantik verwendet werden.
2. Die Elimination
¬¬S ⇒ S
S ⇒ ¬¬S
von Negationszeichen ist im allgemeinen nicht möglich.
3. Die Kontraposition
(¬S ⇒ ¬Q) ⇒ (Q ⇒ S)
führt im Allgemeinen nicht auf korrekte Argumentationsformen.
4. Es muß zwischen starker und schwacher Negation unterschieden werden.
Offenbar sind unsere Argumente, soweit sie die Verifikation von indikativischen
Bedingungssätzen verlangen oder die Elimination von Verneinungen benutzen,
sehr viel anspruchsvoller als die materiale Implikation vermuten läßt:
Betrachten wir den Satz
”Wenn Paulus in China war, dann war er auch in Indien.”
Im Sinne der materialen Implikation ist dies auch dann wahr, wenn Paulus
zwar in Indien, nicht aber in China, ja sogar dann, wenn er nicht mal in
der Nähe dieser Länder war (Zeile 2 und 4 der Wahrheitstafel). In den
zuletzt gennanten Fällen würden wir den Beispiel-Wenn-Dann-Satz aber
auf jeden Fall verneinen. Viel- mehr zieht dieser Beispielsatz die Frage
nach sich, warum denn Paulus nicht über den Ural gekommen sein kann.
Von der Antwort auf diese Frage hängt der Wahrheitwert des normalsprachlichen Wenn-Dann-Satzes ab. Doch solche Probleme treten bei der materialen
Implikation selbstveständlich niemals auf.
Wir gehen nun von der materialen Implikation weg und sammeln einige Aussagen auf, die wir über indikativische Konditinale machen können.
12
2
2.2.2
Indicative Conditionals
Truth-functionality and Probability
Indikativische Konditionale, i.e. A ⊃ B, werden benutzt, um die Abhängigkeit
der Wahrheit der Konklusion von der Wahrheit der Prämissen wiederzugeben.
Was man daher wiedergeben möchte, läßt sich so ausdrücken:
Definition 5. (Deduktionstheorem)
Die Wahrheit von ”Wenn A, dann B.” ist gesichert durch die Wahrheit aller
Prämissen genau dann, wenn die Wahrheit von B gesichert wird durch die
Wahrheit aller Prämissen.
Es stellt sich als nächstes die Frage, ob der im Deduktionstheoriem ausgedrückte
innere Zusammenhang von A und B wenigstens approximiert werden kann, da
a) die Wahrheit von A rückwirken soll auf die Wahrheit von B unter der den
inneren Zusammenhang von A und B sichernden Prämissen
b) Bedingungssätze mit falschen A und wahrem B die bedingte Wahrscheinlichkeit PA (B) = 0 haben, d.h. sie sind falsch.
Mit P bezeichnen wir im Folgenden ein σ-additives, endliches Wahrscheinlichkeitsmaß. PA (B) bezeichnet die bedingte Wahrscheinlichkeit von B unter
der vorgegebenen Bedingung A.
Es gibt im Wesentlichen zwei Argumente gegen das Deduktionstheorem in
Bezug auf Konditionale A ⊃ B.
Theorem 7. Konditionale A ⊃ B sind nicht wahrheitsfunktional, d.h. die
Bedingungen der Zuordnung des Wahrheitswert lassen sich nicht durch eine
Wahrheitstafel angeben.
Proof. Mit If A, B bezeichnen wir nun ein normalsprachliches, indikativisches
Konditional. Wir nehmen hierfür an, daß es Wahrheitsbedingungen für das
Konditional If A, thenB gibt. Dann ist ein intuitiv einleuchtendes Beispiel für
solche Wahrheitsbedingungen, daß die folgenden Äquivalenz gilt:
i) If (A ∧ B), C
ii) If A then (If B, C)
Setzen wir jetzt eine beliebige Lesart von ”if .., then ..”, die wir untersuchen
wollen, fest. Dann gilt trivialerweise:
(A1) If (A ⇒ B) then (If A, B).
Nach der o.g. Äquivalenz kann dafür auch schreiben:
(A2) If ((A ⇒ B) ∧ A)) then B.
Das Konsequenz von (A2) kommt im Antecedenz von (A2) immer an zweiter
Stelle von ⇒ vor. Also ist (A2) aus logischen Gründen wahr und nach der o.g.
Äquivalenz muß das auch für (A1) gelten. Nehmen wir weiter an, daß für jede
Lesart von ”if” gilt, daß ”If A, B.” den Spezialfall (A ⇒ B) einschließt. Dann
impliziert (A1) die Behauptung
2.2
Truth Conditions
13
(A3) (A ⇒ B) ⇒ (If A, B).
Daher ist (A3) aus logischen Gründen wahr, was bedeutet, daß man kein
Beispiel finden kann, in dem das Antecedenz A ⇒ B wahr und das Konsequenz
”If A, B.” falsch ist. Wir wissen jedoch schon, daß die materiale Implikation
Sätze als wahr auszeichnet, die wir sofort als falsch erkennen. Also kann die o.g.
Äquivalenz nicht gültig sein. Sind Konditionale A ⊃ B aber wahrheitsfunktional, so sind verschiedene Wahrheitswerte der Konditionale nur möglich, falls
”if .., then ..” und If A, B sich in ihren Wahrheitswerttafel unterscheiden, so
daß ”if .., then ..” nicht If A, B formalisieren kann. Also: Indikativische Konditionale sind nicht im Sinne einer Wahrheitswerttafel wahrheitsfunktional.
Theorem 8. Die Wahrscheinlichkeit eines Konditionals P(A ⊃ B) 6= 0 ist
verschieden von der Wahrscheinlichkeit PA (B) 6= 0.
Proof. Sei C := A ⊃ B. Dann gilt nach der Definition der bedingten
Wahrscheinlichkeit
P(C) = P(C ∩ B) + P(C ∩ ¬B)
= PB (C)P(B) + P¬B (C)P(¬B)
Wir berechnen die einzelnen Summanden:
PB (C) = P(C) = PA (B)
P(A ∩ B)
PB (A ∩ B)
=
=
P(A)
PB (A)
=
P(A∩(A∩B))
P(B)
P(A∩B)
P(B)
=
P((B ∩ A) ∩ A)
P(B ∩ A)
= P(A∩B) (B)
Analog erhalten wir:
P¬B (C) = PA∩¬B (B)
Wegen P(A ∩ B ∩ ¬B) = 0 folgt daraus:
P(C) = P(A∩B) (B)P(B) + P(A∩¬B) (B)P(¬B)
P(B ∩ (A ∩ B))P(B) P(B ∩ (A ∩ ¬B))P(¬B)
+
P(A ∩ B)
P(A ∩ ¬B)
P(B ∩ A))P(B)
=
P(A ∩ B)
= P(B)
=
Folgerung: Falls P(C) = PA (B) gilt, dann ist
P(C) = PB (A) =
P(A)P(B)
= P(B)
P(A)
was nichts anderes bedeutet, als das unmöglich C := A ⊃ B gelten kann.
14
3
Counterfactuals
Der Grund hierfür besteht anschaulich darin, daß Wahrscheinlichkeiten nicht
ohne weiteres einer epistemischen Interpretation zugänglich sind, wie folgendes
Gegenbeispiel zeigt:
Angenommen, die Wahrscheinlichkeit, daß es auf dem Pluto Quecksilber
gibt, beträgt 0.4 und die, das es auf dem Pluto Zink gibt, gerade 0.6. Dann
ist die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses, daß es auf dem Pluto Quecksilber oder Zink gibt 1, da Wahrscheinlichkeiten unabhängiger Ereignisse
addiert werden. Würden wir diese Zahl 1 epistemisch interpretieren, dann
würden wir zu der vollkommen sicheren Behauptung kommen, daß es
tatsächlich auf dem Pluto wenigstens eines der beiden Metalle gibt, obwohl bisher noch keine Sonde von dort Bodenproben zur Erde gebracht
hat, so daß die eben erzeugte Unmöglichkeit einer falschen Behauptung
kaum vernünftig sein kann.
Summary: Die Ablehnung des Deduktionstheorem bedeutet, daß indikativischen Konditionalen A ⊃ B keine eigenen Aussagen mit diese Aussagen von
anderen unterscheidende Wahrheitsbedingungen zugeordnet sind. Das ändert
natürlich nichts an unserer Intuition, nach der für jede vernünftige semantische
Theorie der conditionals die folgenden Adäquatheitsbedingungen gelten sollten:
(∗) (A ∧ B) ⊃ If A, B.
(∗∗) (A ∧ ¬B) ⊃ ¬(If A, B).
Wir unter Berücksichtigung der bisherigen Theoreme in der Hand haben, ist im
Rahmen einer zweiwertigen Logik an dieser Stelle daher nicht mehr als
Definition 6. (indicative truth conditions)
Das indikativische Konditional A ⊃ B ist (deterministisch) wahr genau dann,
wenn es für die Wahrheit von ¬(A∧¬B) bessere Belege gibt als für die Wahrheit
von ¬(A ∧ B).
Dabei müssen wir hier völlig offen lassen, wie man Belege vergleicht und was
Belege eigentlich sein sollen. Erweiterungen auf eine dreiwertige Logik können
an späterer Stelle diskutiert werden.
Das nächste Kapitel wendet sich den Konditionalen im Konjunktiv zu. Wir
schlagen vor, die Ergebnisse dieses Kapitels dabei für spätere Zwecke im Kopf
zu behalten.
3
Counterfactuals
Ein harmloses Beispiel eines Konditionalsatzes im Konjunktiv ist:
(2) ”Wenn dieser Vogel ein Kanarienvogel wäre, dann würde er gelb, orange
oder auch blau-grün sein.”
3.1
Non-Monotonics
15
Wir sprechen alternativ auch von kontrafaktischen Konditionalen oder counterfactuals. Würden counterfactuals daher durch die materiale Implikation
interpretiert, wäre (2) absurderweise schon aus logischen Gründen wahr, weil
in counterfactuals per definition das Antezedenz falsch ist. Also: Die materiale
Implikation hilft uns nicht beim Verständnis von counterfactuals.
Ein anderes Beispiel für counterfactuals, die wir vernachlässigen wollen, und
daß weniger handlich ist, besteht in der folgenden Geschichte:
Angenommen eine Lawine verursacht nacheinander den Einsturz zweier
Häuser. Dann könnte man auf die Idee kommen zu formulieren
(3) ”Wäre das erste Haus nicht eingestürzt, dann wäre ceteris paribus
das zweite Haus nicht eingestürzt.”
obwohl beide Ereignisse nach Voraussetzung eine gemeinsame Ursache
haben und zwischen den Einstürzen keine kausale Beziehung besteht. Daher wäre es scheinbar das Beste, das Konditional zu verneinen. Tut man
das aber, so müßte aus der Annahme, daß das erste Haus doch nicht
eingestürzt ist, geschlossen werden, daß es keine Lawine gegeben hat und
daraus würde folgen, daß auch das zweite Haus nicht eingestürzt wäre.
Solche Fälle kann man durch Zurückweisung solcher backtracking counterfactuals, nämlich den Schluß von einem nicht eingestürzten Haus auf das NichtStattfinden der Lawine, vermeiden. Würde man backtracking counterfactuals
nicht verbieten, so könnte man das kleineste Stück Gegenwart nicht ändern,
ohne im Prinzip die zeitlich unbeschränkte kausale Vorgeschichte der Ursache
ändern zu müssen.
3.1
Non-Monotonics
Die logische Form von Sätzen wie unter (2) oder (3) bezeichnen wir mit A B. Im Vergleich zu A ⊃ B nehmen die Beschränkungen, A B in gültigen
Argumentformen zu verwenden, weiter zu:
1) Verstärkungen des Antecedenz sind bei A B nicht mehr zugelassen:
Betrachte nun die in der Prädikatenlogik 1. Stufe gültige Argumentform
i) A ⇒ B
ii) Also: (A ∧ C) ⇒ B
Denn man kann im Fall der Ersetzung von ⇒ durch das folgende Gegenbeispiel bilden:
(4) Wenn die Partei X an der letzten Wahl teilgenommen hätte, dann
hätte sie nach den Umfragewerten die Wahl gewonnen. Also: Wenn
die Partei X an der letzten Wahl teilgenommen hätte und die Partei
Z 50% der Stimmen bekommen hätte, dann hätte die Partei X nach
den Umfragewerten die Wahl gewonnen.
16
3
Counterfactuals
Dies ist offensichtlich bei Wahlen, die durch einfache Mehrheit entschieden
werden, rechnerisch unmöglich.
2) Transitivität ist bei A B nicht mehr zugelassen: Betrachte dafür die in
der Prädikatenlogik 1. Stufe gültige Argumentform
i) (A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)
ii) Also: A ⇒ C
Denn man kann im Fall der Ersetzung von ⇒ durch das folgende Gegenbeispiel mit J.E. Hoover (FBI-Chef in den 60ern) bilden:
(5.1) Wenn J. Edgar Hoover in Russland geboren worden wäre, dann wäre
er ein Kommunist geworden.
(5.2) Wenn J. Edgar Hoover ein Kommunist geworden wäre, dann hätte
er sich zum Verräter entwickelt.
(5.3) Also: Wenn J. Edgar Hoover in Russland geboren worden wäre, dann
hätte er sich zum Verräter entwickelt.
Es gibt jedoch keinen Grund, warum J. Edgar Hoover nicht in Russland
hätte geboren und in den USA FBI-Chef werden können, ohne Russland
zu verraten - z.B. aus Patriotismus oder weil er dies für seine Familie als
eine Schande angesehen hätte oder einem anderen Grund.
3) Die Kontraposition (A B) ⇒ (¬B ¬A) ist bei A B nicht mehr
zugelassen. Wieder geben wir eine in der Prädikatenlogik 1. Stufe gültige
Argumentform an:
i) A ⇒ B
ii) Also: ¬B ⇒ ¬A
Das benötigte Gegenbeispiel lautet:
(6) Wenn Boris ins Haus gezogen wäre, dann wäre Olga nicht ausgezogen. Also: Wenn Olga aus dem Haus ausgezogen wäre, dann wäre
Boris nicht ins Haus eingezogen.
Aber: Angenommen Olga möchte unbedingt im selben Haus leben wie
Boris, der aber diese überschwenglichen Gefühle nicht erwidert. Wäre daher Boris in das Haus gezogen, in dem Olga bereits lebt, hätte Olga keinen
Grund gehabt, auszuziehen. Boris aber zieht es grundsätzlich vor, ins Haus
zu ziehen, weil es gerade renoviert wurde, und nur Olga’s Anwesendheit
hält ihn davon ab.
Etwas allgemeiner kann man das so formulieren: Die klassische Prädikatenlogik
1.Stufe, welche auf den o.g. Junktoren aufbaut, ist offenbar monoton. Unter
Monotonie verstehen wir in diesem Fall:
Definition 7. (monotonic logic)
3.2
Possible-Worlds-Semantics
17
i) Wenn A |= B und A, B |= C, dann A |= C
ii) Wenn A |= B und C ⇒ A, dann C |= B
Jedes axiomatische System, daß diese Bedingungen erfüllt, heißt monoton.
Die o.g. Beschränkungen der Verwendung von A B kann man daher wie folgt
zusammenfassen:
Theorem 9. Jede adäquate Logik von counterfactuals muß nicht-monoton sein.
3.2
Possible-Worlds-Semantics
Nach unserem Verifikationsmodell könnte man sagen, daß die sprachliche
Bedeutung von indikativischen Konditionalen durch ihre logische Stärke
aufgedeckt wird, durch die Folgerungsmuster, in die diese Sätze gleichsam
hineinpassen. Man könnte daher auf die Idee kommen, daß der Sinn eines indikativischen Konditionals darin besteht, daß er gewisse Zusammenhänge von
Sätzen erlaubt. Doch dieses Konzept versagt völlig bei Konditionalsätzen im
Konjunktiv, weil bereits jetzt die folgenden Argumentformen nicht gültig sind:
i) ¬¬A A und A ¬¬A
ii) (A B) ⇒ (¬B ¬A) und (¬B ¬A) ⇒ (A B)
iii) (A B) ⇒ ((A ∧ C) B)
iv) Monotonie
Darüberhinaus sind counterfactuals keine Wahrheitsfunktionen ihrer Teilsätze,
da die materiale Implikation bei ihrer Analyse nur hinderlich ist, so daß sie
keine logisch komplexe Aussage ausdrücken können. Zusätzlich verlangen wir
als Adäquatheitsbedingung, daß jedes semantische Modell von counterfactuals
erklären können muß, wie es zu den Gegenbeispielen (4)-(6) zu unseren
gewohnten Argumentformen kommt.
Eine semantische Standardanalsye von counterfactuals, die erklärt, wie counterfactuals zu ihren Wahrheitsbedingungen kommen, steht unseres Wissens
gegenwärtig nicht zu Verfügung. Ein simples Modell, daß die Verteilung der
Wahrheitswerte von nicht allzu exotischen counterfactuals simuliert, ist jedoch
mit Hilfe der sog. mögliche-Welten-Semantik formulierbar. Wir referieren hier
die wesentlichen Definitionen, ohne uns allzu sehr um technische Details zu
kümmern.
Definition 8. (counterfactual truth conditions)
Das counterfactual A B ist wahr in der Welt ω genau dann, wenn
i) in keiner Welt ω 0 6= ω mit ω 0 ∈ Sω A wahr ist oder
ii) es gibt mindestens eine Welt ω 0 6= ω mit ω 0 ∈ Sω , in der neben A auch B
wahr ist und die zu ω näher an jeder Welt ω 00 ∈ Sω liegt, in der A wahr
und B falsch ist.
18
3
Counterfactuals
Dabei bezeichnet Sω ⊆ Ω die Menge der von ω aus epistemisch zugänglichen
Welten. Jede mögliche Welt repräsentiert eine Weise, wie die aktuelle, die wirkliche Welt hätte sein können.
Definition 9. (possible world)
Eine mögliche Welt ω bzgl. einer vorgegebenen Aussagenmenge wird festgelegt
durch die Zuordnung von Wahrheitswerten zu den einzelnen Aussagen dieser
Aussagenmenge.
Daher ist eine mögliche Welt kein fernes, vielleicht mit dem Fernrohr zu entdeckendes Land, sondern mögliche Welten werden aufgrund der von allen möglichen
Welten geteilen Semantik gegeben durch die deskriptiven Bedingungen, die wir
mit solchen möglichen Welten verbinden. Eine Welt ist, salopp formuliert, eine
Situation in der bestimmte Aussagen wahr und andere falsch sind. Diese Semanik wird in unserem Fall durch das o.g. Verifikationsmodell skizziert: Wir
können uns nicht vorstellen, was wir nicht beschreiben oder auf das wir nicht
referieren können und wir können uns nichts vorstellen, dessen Wahrheitsbedingungen wir nicht anzugeben in der Lage sind. Dadurch wird die Menge Ω
der möglicher Welten begrenzt. Wir können daher sagen:
i) Die wirkliche Welt ist eine mögliche Welt.
ii) Jede mögliche Welt besteht aus einer höchstens abzählbar unendlichen
Menge von Individuen.
iii) Die Individuen und Ereignisse jeder möglichen Welt stehen in gewissen Relationen zueinander und deren Bestand oder Nichtbestehen legt
den durch assertorische Sätze beschreibaren zeitabhängigen Zustand jeder
möglichen Welt fest.
In diesem Stadium der Entwicklung ist jedes ω folglich einfach eine Menge von
Aussagesätzen, in denen referiert wird auf Dinge, Ereignisse oder Tatsache.
Da es sich nur um ein Modell von counterfactuals handelt, bleibt die Relation
der Nähe im Moment unexpliziert und wir testen zunächst, ob dieses Modell
die Gegenbeispiele (4)-(6) erklären kann.
1) (Verstärkung des Antecedenz): Die Wahrheit von (A B) verlangt, daß
die zu ω nächst gelegene A-Welt ω 0 ∈ Sω eine B-Welt ist. Im allgemeinen
muß die nächst gelegene A-Welt aber keine C-Welt sein. Insbesondere muß
die nächst gelegene A-Welt, die auch eine and C-Welt ist, keine B-Welt
sein.
2) (Transitivität): Die Wahrheit von (A B) verlangt, daß die zu ω nächst
gelegene A-Welt ω 0 ∈ Sω eine B-Welt ist. Die Wahrheit von (B C)
verlangt, daß die zu ω nächst gelegene B-Welt ω 0 ∈ Sω eine C-Welt ist.
Beide Forderung sind verträglich mit der Annahme, daß die nächst gelegene B-Welt zu ω näher ist, als die nächst gelegene A-Welt. Und wenn
das so ist, dann muß die nächst gelegene A-Welt keine C-Welt sein.
19
3) (Kontraposition): Die Wahrheit von (A B) verlangt, daß die zu ω nächst
gelegene A-Welt ω 0 ∈ Sω eine B-Welt ist. Wenn die nächst gelegene BWelt näher zu ω ist als die nächst gelegene A-Welt, dann würde folgen,
daß ¬B ¬A. Es könnte aber sein, daß die nächst gelegene ¬B-Welt
weniger nah zu ω ist als die nächst gelegene A-Welt). Dann würde aber
nicht folgen, daß so eine Welt auch eine ¬A-Welt sein muß.
Damit hat sich Definition 8 zusammen mit Definition 9 als akzeptables wenn
auch noch unvollständiges Modell erwiesen.
Die mögliche-Welten-Semantik eines counterfactuals erlaubt es auch
zu verstehen, worauf die zeitliche Asymmetrie zurückzuführen ist, die
mit einem counterfactual verknüpft ist. Ereignisse, d.h. raum-zeitlich
lokalisierte Veränderungen, sind überbestimmt durch Ereignisse, die
später geschehen, nicht aber durch solche, die früher geschehen. Folgerung:
Es gibt normalerweise keine kontrafaktische Abhängigkeit von vergangenen von gegenwärtigen oder zukünftigen Ereignissen. Es war also völlig
richtig, backward counterfactuals zu vernachlässigen.
Offenbar führt den bisherigen Definitionen zu Folge die Wahrheit von A B
in ω dazu, daß A ⊃ B in ω 0 wahr ist. Doch das besagt nicht, daß A ⊃ B selbst
mittels einer mögliche-Welten-Analyse zugänglich ist. Dafür betrachten wir die
folgende Verschwörungstheorie:
Nehmen wir an, daß sich nach eingehender Untersuchung herausstellt, daß
das Zeug in den Flüssen und Ozeanen, daß wir normalerweise ’Wasser’
nennen, kein Molekül, sondern ein atomarer Stoff ist - eine Tatsache, die
die Regierung jahrzehntelang zugunsten der Mineralwasserproduzenten
geheimgehalten hat. Dann könnten wir sagen:
(7) Wenn die Verschwörungstheorie recht hat, dann ist Wasser ein atomarer Stoff.
Das scheint zu stimmen. Nach einer mögliche-Welten-Analyse aber müßte
man sagen, daß die Verschwörungstheorie wahr ist in mindestens einer
anderen als der tatsächlichen Welt, Wasser aber nach Definition 1 eines
counterfactual in jeder anderen Welt als der tatsächlichen nicht-atomar
ist, so daß (7) falsch ist.
Solange ungeklärt ist, wie man mit solchen semantischen Selbstbezüglichkeiten
fertig werden kann, verbietet sich eine mögliche-Welten-Analyse von A ⊃ B.
Die Kapitel 2 und 3 werden uns im Folgenden Kapitel genug Argumente an die
Hand geben, um ein vorläufiges Model des Gebrauch von counterfactuals zu
formulieren und einzusehen, weshalb wir nicht aus sie verzichten können.
4
Modal Reasoning
Das einführende Beispiel dieses papers demonstriert, daß wir uns manchmal sehr
eingehend fragen, warum die Welt so ist, wie wir sie vorfinden oder genau for-
20
4
Modal Reasoning
muliert, in welcher Welt wir uns eigentlich befinden. Wenn wir das tun, nehmen
wir an, das sich die Welt anders hätte entwickeln können, als es tatsächlich der
Fall war: Wir denken nach über das, was in der tatsächlichen Welt möglich bzw.
unmöglich ist oder war. Wir fragen uns daher, was wirklich geschehen ist oder
geschehen kann und erwarten, daß kontrafaktisches Argumentieren eine zentrale Rolle spielt für das Verständnis von Rationalität sowie für das Auffinden
kausaler Abhängigkeiten von Ereignissen in der vorgegebenen, aktuellen Welt.
Wir definieren noch:
Definition 10. (counterfactual dependence)
Ein Ereignis x ist kontrafaktisch abhängig von dem Ereignis y genau dann,
wenn gilt: x wäre nicht geschehen, wenn y nicht geschehen wäre.
Gäbe es keine mögliche Welten und damit nicht verschiedene Weisen, wie die
aktuelle Welt hätte sein oder sich entwickeln können, dann müßten wir uns
von Modalaussagen verabschieden. Damit würden den Naturwissenschaften
aber unverzichtbare Bestandteile fehlen: den Physikern die Wahrscheinlichkeitsrechnung, den Chemikern Dispositionsbegriffe wie ”wasserlöslich” oder
”bindungsfähig” und sogar Psychologen Begriffe wie ”aggressiv” oder ”introvertiert”.
4.1
Modal Experiments
Nehmen wir dennoch unsere bisherigen Ergebnisse ernst, dann gibt es vieles,
was man mit counterfactuals nicht machen darf. Betrachten wir wieder einige
Beispiele:
(8) Ein Internist könnte z.B. seinem Patienten seine Diagnose wie folgt
erläutern: ”Es ist nicht Ihre Leber, da die Blutwerte normal sind. Wäre
es die Leber, so hätten Sie erhöhte χ-Werte.”.
Völlig normal und alltäglich ist daher eine modale Argumentation der folgenden
Form:
(9) A, weil B. Und wenn es nicht A wäre, dann könnte nicht B vorliegen.
Gemäß Definition 8 bedeutet das salopp formuliert, daß die zur tatsächlichen
Welt ω nächst gelegene A-Welt ω 0 auch eine B-Welt ist. Und gemäß Definition 9 ist eine Welt eine Menge von Sätzen, die nach in unserem Verifikationsmodell festgelegten Verfahren alle entweder den Wahrheitswert w oder
u aufweisen. Wenn aber alles auf die Wahl von ω 0 ankommt, wieviel darf man
dann vom tatsächlichen Verlauf der Dinge abweichen, damit es überhaupt einen
Erklärungswert von counterfactuals gibt und wieviel darf man höchstens abweichen, damit es überhaupt noch einen gibt? Wir werden diese Fragen letztlich
erst im nächsten Abschnitt beantworten.
Klarerweise wollen wir in (9) darauf schließen, wie die Vergangenheit hätte
aussehen müssen, damit die Gegenwart in bestimmter Weise anders wäre,
als sie es ist. Was wir ändern, wenn wir von ω zu einen glaubhaften Kandidaten ω 0 übergehen, ist also in der Regel eine dynamische Folge von
4.1
Modal Experiments
21
Ereignissen, und nur in Ausnahmefällen ein einzelner Gegenstand oder
eine Tatsache, deren Fortfallen keinerlei sonstige Folgen hat. Aus diesem
Grund müssen wir uns darauf einstellen, daß wir für (9) eigentlich Sequenzen von counterfactuals in Anschlag bringen.
Mehrere counterfactuals zu betrachten, bringt wiederum neue Stolpersteine mit
sich. Schon in einfachsten Fällen kann etwas schief gehen:
(10) Wären Bizet und Verdi Landsleute gewesen, dann wäre Bizet Italiener
gewesen. Und wären Bizet und Verdi Landsleute gewesen, dann wäre Verdi
Franzose gewesen.
Beide counterfactuals zugleich können nicht wahr sein, so daß man nicht alle
Sachverhalte variieren darf, wenn man noch wahrheitsfähige counterfactuals
bekommen will.
Das aber kann nur eines heißen: Wer counterfactuals verwendet, weiß etwas
über die Abhängigkeiten in der Vergangenheit von ω und er legt sich auf eine
Menge alternativer Entwicklungsmöglichkeiten fest. Die Ablehnung des Deduktionstheorems ist ein Argument für diese These.
Ein counterfactual sagt also auch etwas darüber aus, wie die aktuelle
Welt sich tatsächlich entwickelt hat, nicht aber darüber, daß sie sich nicht
anders hätte entwicklen können. Beispiel: ”Hätte sich der Kurzschluß nicht
ereignet, wäre das Feuer nicht ausgebrochen.” sagt nichts daüber aus,
daß dasselbe Feuer nicht ohne den Kurzschluß hätte ausbrechen können,
weil eben Feuer über seine raumzeitlichen Koordinaten, nicht über seine
Ursache individuiert wird.
Dieser Sachverhalt läßt sich formal viel einfacher handhaben: Sei ω die
tatsächliche Welt. Alle unsere bisherigen Fragen in diesem Abschnitt werden
mit der Wahl von Sω aus Definition 8 beantwortet. Wir verlangen daher:
i) Wollen wir Sequenzen von counterfactuals betrachten, so ist Sω = Sω (θ, t).
θ ist ein Parameter, der Sω an jedes counterfactual anpaßt. Man könnte
sagen, daß θ den modalen Horizont des counterfactual reasoning determiniert. Die explizite Zeitvariable t wird benötigt, um träge Prozeße
berücksichtigen zu können.
ii) Sω (θ, t) ist die Menge derjenigen Welten, die man durch Angabe einer
begründeten Beschreibung der Entwicklung von ω 0 nach ω 00 erreichen
kann. Diese Bedingung wird motiviert durch Fälle, in denen wir im
Grunde nicht wissen, was wir sagen sollen, wie z.B. zu der Annahme, daß
wir alle nur Gehirne sind, die in einem Tank mit Nährflüssigkeit schwimmen, während wir durch elektrische Reizung unserer Synapsen von teuflischen Wissenschaftlern unsere Sinneseindrücke nur vorgegaukelt bekommen. Wir haben in der Tat keine Ahnung, was wir annehmen müssen,
damit sich unsere Welt von einem Punkt in der Vergangenheit zu einen
Tank mit Nährflüssigkeit entwickelt.
22
4
Modal Reasoning
iii) Da nach Definition 9 zu jedem ω eine Menge wahrer Sätze gehört, verlangen wir noch, daß diese Menge von Aussagen konsistent sein soll.
Dies gibt uns kein Verfahren an die Hand, für ein vorgegebenes Problem die
richtige Menge Sω (θ, t) zu bestimmen, wohl aber liefert es Hinweise auf mögliche
Fallstricke bei modalen Experimenten.
Some facts about counterfactuals: Verwendet man ein counterfactual A B, so legt man sich nach den bisherigen Argumenten fest auf:
i) eine Referenzmenge Sω (θ, t) möglicher Welten und damit auf eine große
Menge empirischen Wissens über ω. Das counterfactuals nicht-monoton
sind, deutet darauf hin, daß dieses Wissen von intensionalen Sätzen
gebildet wird.
ii) eine Vorschift zur Verifikation von A B. Der modale Horizont in Sequenzen von counterfactuals wird dabei auf das nachfolgende counterfactual
übertragen. Offenbar gilt:
\\
Sω∗ :=
Sω (θ, t)
θ
t
ist die zulässige Menge möglicher Welten für eine Folge von counterfactuals. Was Nähe von Welten besagt, sollte daher im Einzelfall festgelegt
werden, nachdem man Sω∗ bestimmt hat.
iii) ein Verifikationsmodell prädikativer Sätze.
iv) eine bisher noch unbekannte Definition der Relation ”ω 0 liegt näher an ω
als ω 00 .”.
Hat man ein counterfactual verifiziert, so gilt:
v) Es kann nicht in Kontrapositionen verwendet werden.
vi) Negationszeichen können nicht eliminert werden.
vii) Counterfactuals bilden keine gültigen transitiven oder monotonen Argumentformen.
Fragt man sich nun weiter, was schiefgehen kann, wenn ein counterfactual A B falsch ist oder nicht unter Beachtung der o.g. Beschränkungen geprüft wird,
so fällt unsere Antwort recht nüchtern aus:
viii) Die Tatsache, daß x die Eigenschaft F hat, liefert Informationen darüber,
of y die Eigenschaft G hat genau dann, wenn das counterfactual ”Wäre y
nicht G, dann wäre x nicht F .” nicht-trivial wahr ist.
Mit anderen Worten: Die Verwendung eines counterfactuals vom Typ (9) oder
(2) testet unsere Vermutungen über einzelne Ereignisse der tatsächlichen,
gegenwärtig vorliegenden Welt ω gegen unser empirisches Wissen über ω,
daß wir bei anderen Gelegenheiten in der Vergangenheit induktiv gesammelt
4.2
Closeness as Explanation
23
haben, in einem modalen, i.e. mit mehreren Welten ω operierenden Argument.
Das nächste Unterkapitel entwickelt unser Verständnis von counterfactuals ein
kleines Stückchen weiter und wird uns letztlich erlauben, die Resultate aus
Kapitel 2 wiederzuverwenden.
4.2
Closeness as Explanation
Wir haben uns bisher nur damit beschäftigt, Wahrheitsbedingungen von
counterfactuals herzuleiten, die einer Menge bisher bekannter Beispiele
genügt. Deren Folgen für unserer Verständnis von counterfactuals haben
wir im letzten Abschnitt diskutiert. Aber Definition 8 ist für praktische
Zwecke noch vollkommen unbrauchbar, solange wir nicht wissen, was es heißt,
daß eine Welt ω näher zu einer Welt ω 0 liegt als eine davon verschiedene Welt ω 00 .
Wir wenden uns nun dieser Frage zu, ohne zugleich ein Verfahren zu beabsichtigen, Sω (θ, t) festzulegen, betrachten wieder das counterfactuals A B und, um
die nun folgende Diskussion transparenter zu machen, legen einige Abkürzungen
fest:
i) Jede Welt ω in der A wahr ist, nennen wir eine A-Welt. Wir reden auch von
der Antezedenzwelt ωA , wenn wir eine ganz bestimmte A-Welt meinen.
ii) Die aktuelle Welt bezeichnen wir von nun an durchgängig mit ω.
iii) Ist ω 0 näher zu ω gelegen als ω 00 , so schreiben wir kurz (ω − ω 0 ) (ω − ω 00 ).
Der nächste Abschnitt wird uns mit einigen Hinweisen versorgen, wie die
Aussage (ω − ω 0 ) (ω − ω 00 ) verifiziert bzw. falsifiziert werden kann.
Intuitiv möchten wir mit der Behauptung (ω − ω 0 ) (ω − ω 00 ) eine
Ähnlichkeitsaussage von Welten zu ω ausdrücken. Welten ω, ω 0 ∈ Ω sind
ähnlich zu einander, wenn ihre Unterschiede klein sind. Doch leider ist alles
andere als klar, was wieviel zur Relation zu dieser Ähnlichkeit beiträgt.
Um dieser Frage nachzugehen, betrachten wir ab jetzt nur noch besonders einfache Welten, deren Inventar auf Dinge, Lebewesen und Ereignisse beschränkt
ist. Zusätzlich führen wir die folgende Behauptung ein, die wir vorsichtshalber
unter die Voraussetzungen der Argumentation in diesem papers aufnehmen.
(10) Angenommen L ist ein (stochastisches oder deterministisches) Naturgesetz in ω und E eine Folge von Ereignissen, die L instantiiert. Dann
ist die Tatsache, daß L ein Gesetz ist, einer der Faktoren, die E erklären
und sie erklärt, warum L durch Folgen der Art E in ω wahr gemacht wird.
Mit Hilfe von (10) kann man nun wie folgt argumentieren:
a) Man könnte auf die Idee kommen, daß dasjenige ω 0 zu ω am ähnlichsten
ist und damit am nächsten an ω liegt, in dem alle Gesetzmäßiglickeit
aus ω beliebiger Provenienz auch in ω 0 ∈ Ω gelten. Die Gleichheit von
24
4
Modal Reasoning
Tatsachen sowie Ereignissen spiele nur eine untergeordnete Rolle. Doch
das ist falsch. Dafür betrachten wir das Beispiel
(11) Wäre A in ω 0 mit seinem Auto schneller als das Licht, so könnte er
in weniger als einer Minute von Moskau nach New York reisen.
In ω kann keine Materie die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. Und es
spricht dennoch nichts dagegen, daß ω 0 in jeder anderen Weise ω auf’s
Haar gleicht, während A in keiner anderen Welt ω 00 ∈ Ω lebt und damit
sicher unähnlicher zu ω ist als ω 0 zu ω, insofern damit auch jeder andere
Einfluß von A auf ω 00 wegfällt.
b) Doch auch für die umgekehrte Behauptung gibt es ein Gegenbeispiel:
(12) Eine Welt ω 0 ∈ Ω, die fast dieselben Tatsachen und Ereignisse enthalten würde wie ω, aber nach anderen Gesetzmäßigkeiten funktionieren würde, ohne daß sich diese Unterschiede jemals realisieren,
wäre ähnlicher zu ω als ω 00 ∈ Ω in der dieselben Gesetze gelten, in
der aber mangels Gegenständen überhaupt nichts passiert, insofern
ω 00 nämlich leer ist.
c) Die nächstliegende Behauptung bestünde möglicherweise darin, daß der
Grad der Abweichung von den bestehenden Gesetzen beliebiger Provenienz in ω das maßgebliche Ähnlichkeitskriterium ist. Doch auch das ist
falsch, denn niemand würde der Aussage
(13) Wäre das allgemeine Gravitationsgesetz F (r) = G m1r2m1 falsch in
ω 0 , würden sich die Planeten des Sonnensystems in ω 0 dennoch fast
genauso bewegen wie in ω.
zustimmen und zwar um so weniger, je geringer die beobachtete von der erwarteten Abweichung wäre. Denn in ω ist der einzige Grund dafür, warum
Ereignisse einer Regelmäßigkeit genügen, der, daß diese Regelmäßigkeit
ein Gesetz. Die Planetenbewegung ist damit gemäß einem Gesetz erklärt
in ω, jedoch nicht in in ω 0 , so daß die Tatsache der Minimalität der Bahnabweichung in ω irrelevant für die Frage der Ähnlichkeit von ω 0 zu ω ist.
Es bleibt nach diesen Überlegungen die Frage, ob die Tatsache, daß sich in ω
dieselbe Geschichte ereignet wie in ω 0 , ausreicht, um zu schließen, daß für jedes
ω 00 6= ω 0 gilt: (ω − ω 0 ) (ω − ω 00 ).
Zu diesem Zweck modifizieren wir (13), indem wir annehmen, daß ω und ω 0
nur aus unserem Sonnensystem bestehen und nichts sonst. Die Planeten sind
unbelebte Kugeln, weitere Dinge gibt es nicht. Wir betrachten damit:
(14) Wäre das allgemeine Gravitationsgesetz F (r) = G m1r2m1 falsch in ω 0 ∈
Ω, würden sich die Planeten des Sonnensystems in ω 0 dennoch genauso
bewegen wie in ω.
Die Gretchenfrage an dieser Stelle lautet: ”Ereignet sich unter diesen Annahme
in ω 0 dasselbe wie in ω, spult sich dieselbe Geschichte ab?”
4.2
Closeness as Explanation
25
i) Angenommen es gibt in ω 0 überhaupt keine naturwissenschaftliche
Erklärung für die Abfolge der Phänomene, sondern wir würden
stattdessen eine Geschichte erzählen, in der z.B. ein dämonisches Wesen
mit den Planeten Mobile spielt. Dann wäre diese Welt ω 0 ∈ Ω unähnlicher
zu ω als eine Welt ω 00 ∈ Ω, in der die Folge der Phänomene nur fast gleich
ist, aber aufgrund eines modifizierten Gravitationsgesetzes.
ii) Angenommen es gibt in ω 0 eine naturwissenschaftliche Erklärung für die
Abfolge der Phänomene, aber sie schließt aus, daß das o.g. Gravitationsgesetz gilt. Dann könnte man eine Welt ω 00 6= ω konstruieren zu der ω 0
ähnlicher wäre als zu ω wie folgt: Wenn wir annehmen, daß die Planeten
in ω 00 ∈ Ω ihre Bahnen wechseln und daß es in ω 00 im Vergleich zu ω
einen Planeten zusätzlich gibt, dann ist sicher ω 00 6= ω. Die o.g. naturwissenschaftliche Erklärung möge auch den Bahnwechsel erklären, der in
ω 0 aber nie vorkommt, weil in ω 0 im Unterschied zu ω 00 ein Planet fehlt,
dessen Wechselwirkung mit dem Rest von ω 00 den Bahnwechsel auslöst.
Wenn aber (ω 0 − ω 00 ) (ω 0 − ω), dann kann die Geschichte in ω 0 nicht die
aus ω sein.
Das Argument zeigt, daß die Frage, welche Geschichte sich in ω ereignet, davon
abhängt, wie die Folge der Ereignisse erklärt wird. Und jedes andere Ergebnis wäre auch unverträglich mit unserer Argumentation zu (13). Es spielt für
diese Argumentation auch keine Rolle, was unter einer naturwissenschaftlichen
Erklärung verstanden wird. Lassen wir daher in ω wieder jede Tatsache zu,
erlaubt uns dies mit (10) allgemeiner festzulegen:
(C) Liegt eine Tatsache T in zwei verschiedenen Welten ω ∈ Ω und ω 0 ∈ Ω
vor, dann trägt dies zur Nähe von ω und ω 0 ∈ bei genau dann, wenn T in
ω und ω 0 dieselbe Erklärung hat.
Folglich haben Erklärungen gegenüber Tatsachen für die Frage der Ähnlichkeit
von ω und ω 0 das größere Gewicht. Man beachte, daß es ebenfalls eine
Tatsache ist, wenn im Inventar von ω bzw. ω 0 bestimmte Dinge oder Ereignisse
vorkommen. Damit ist die Relation ”” metrisch und mit weniger können wir
an dieser Stelle auch nicht zufrieden sein.
Damit steht uns eine grundsätzliche Strategie zur Verfügung, Aussagen der
Form A B zu verifizieren:
i) Lege die Folge der Sω (θ, t) fest.
ii) Bestimme unter allen A-Welten gemäß (C) die Welt ωA , so daß für jedes
ω 0 ∈ Sω∗ gilt: (ω − ωA ) (ω − ω 0 ).
iii) Verifiziere oder falsifiziere A B gemäß Definition 8.
Das Ergebnis (C) hat Folgen für die Frage, was wir unter einem Naturgesetz L
verstehen wollen. Erinnern wir uns zunächst an (10) und nehmen wir an, daß
L ein deterministisches Naturgesetz ist. Häufig hören wir die Behauptung:
26
5
Summary and Conclusions
(15) L kann in irgendeiner möglichen Welt ω 0 ∈ Ω kein Naturgesetz sein, wenn
L in ω 0 Ausnahmen hat.
Angenommen (15) wäre wahr. Dann müßte in irgendeiner A-Welt, in der L
durch ein Ereignis E zum Zeitpunkt t0 verletzt ist, stattdessen mindestens ein
anderes Gesetz L0 gelten, wenn das Gegenbeispiel nach (10) eine Erklärung hat.
Dann aber haben wir nach unserer Argumentation aus dem letzten Abschnitt
die Wahl zwischen den folgenden beiden counterfactuals:
(16) Hätte E zum Zeitpunkt t0 nicht stattgefunden, wäre die Geschichte von
ω 0 in der Zeit bis t0 anders verlaufen.
(17) Hätte E zum Zeitpunkt t0 nicht stattgefunden, wären die Naturgesetze
in ω 0 in der Zeit bis t0 andere gewesen.
In beiden Fällen gehen wir davon aus, daß ω 0 und ω unähnlich sind derart, daß
es zu ω ähnlichere Welten gibt. Beide counterfactuals aber sind inakzeptabel:
Um (16) und (17) nachzuprüfen, betrachten wir die nicht-leere Menge M ⊂ Ω
der zu ω nächsten A-Welten ω 0 , ω 00 , . . . .
i) Betrachten wir (16). Angenommen in der A-Welt ω 0 ∈ M haben vor
t0 viele Ereignisse E aus ω nicht stattgefunden, die in ω aber innerhalb
von Erklärungen anderer Ereignisse E 0 vor, zu oder nach t0 eine Rolle
spielen. Selbst wenn daher alle E 0 in ω 0 auftreten, müssen sie in ω 0 andere Erklärungen haben, so daß wegen (C) kein E 0 für die Ähnlichkeit
von ω und ω 0 relevant ist. Folglich könnte es andere A-Welten ω 00 ∈ M
geben in der E 0 zu t0 zwar nicht vorkommt, die aber gemäß (C) dieselben
ähnlichkeitsrelevanten Tatsachen enthält wie ω 0 . Nehmen wir aber oBdA
an, daß ω 00 die ähnlichste Welt zu ω ist, gibt es keinen Grund, warum
für ω 0 etwas anderes gelten sollte - im Widerspruch zur Annahme der
Unähnlichkeit von ω 0 und ω.
ii) Betrachten wir (17). Nach Voraussetzung spielt L in ω für viele
Erklärungen von Ereignissen E eine Rolle. In ω 0 aus (17) kann das hingegen nicht gelten, so daß dieselben E zu t0 in ω 0 wegen (C) nichts zur
Ähnlichkeit von ω 0 zu ω beitragen. Folglich könnte es andere A-Welten
ω 00 ∈ M geben in der E zu t0 zwar nicht vorkommt, die aber gemäß (C)
dieselben ähnlichkeitsrelevanten Tatsachen enthält wie ω 0 . Nehmen wir
aber oBdA an, daß ω 00 die ähnlichste Welt zu ω ist, gibt es keinen Grund,
warum für ω 0 etwas anderes gelten sollte - im Widerspruch zur Annahme
der Unähnlichkeit von ω 0 und ω.
Folglich gehört es unter der Bedingung (C) nicht zum Verständnis von (deterministischen oder statistischen) Gesetzen oder gesetzesartigen Erklärungen, daß
es für in ω gültige L keine Ausnahmen in ω gibt.
5
Summary and Conclusions
Wir fassen nun die Einzelresultate aus den verschiedenen Kapiteln zusammen,
um eine vorläufige Darstellung des counterfactuals reasoning zu geben.
27
Summary: In Kapitel 1 haben wir uns für die Frage interessiert, was durch
die Verwendung eines Konditionals im Konjunktiv zu verstehen gegeben wird.
1) Kapitel 2 zeigte, daß indikativische Konditionale A ⊃ B vernünftigerweise
nicht als materiale Implikation A ⇒ B analysiert werden können und
für erstere weder das Bivalenzprinzip, i.e. die Beschränkung auf zwei
Wahrheitswerte wahr und falsch, noch das Prinzip des ausgeschlossenen
Dritten oder die Elimination der doppelten Negation, noch die Kontrapositionsregeln gültig sind.
2) Weiter konnte in Kapitel 2 argumentiert werden, daß A ⊃ B
weder wahrheitsfunktional ist, i.e. sich ihr Wahrheitswert aus einer
Wahrheitswertetabelle ablesen läßt, noch die Wahrheit des Konsequenz
B von der Wahrheit des Antezedenz A in einer Weise abhängt, die durch
ein Wahrscheinlichkeitsmaß wiedergegeben werden kann. A ⊃ B scheint
überhaupt keine Aussage sui generis zu entsprechen, sondern A ⊃ B ist
einfach dann wahr in der Welt ω ∈ Ω, wenn es für ¬(A ∧ ¬B) in der Welt
ω bessere Belege gibt, als für ¬(A ∧ B).
3) Während man folglich für die Analyse von A ⊃ B mit einer Welt ω ∈ Ω
auskommt, benötigt man schon für die einfachste Rekonstruktion von
counterfactuals A B in Kapitel 3 mindestens zwei mögliche Welten
ω, ω 0 ∈ Ω: Neben einer möglichen Welt ω 0 , in der A und B wahr sind, die
aktuelle Welt ω, in der sie falsch sind, so daß die Wahrheitswertverteilung
von A B nicht auf die Wahrheitswertverteilung von A ⊃ B in ω 0
zurückgeführt werden kann: A B ist gegenüber A ⊃ B eine völlig
eigenständige Aussage. Dies gilt unabhängig von der Tatsache, daß A B
eine nicht-monotone Aussage ist, für die Kontrapositionsregeln, Transitivität und Elimination der doppelten Negation keine gültigen Argumentformen darstellen.
4) Salopp formuliert ist A B wahr in ω genau dann, wenn B in jeder
möglichen Welt ω 0 6= ω wahr ist, die näher an ω liegt, als eine Welt
ω 00 6= ω, in der A falsch ist.
5) In Kapitel 4 fanden wir, daß eine Welt ω näher zu einer anderen Welt ω 0
liegt als eine Welt ω 00 6 ω 0 genau dann, wenn es in ω mehr Tatsachen gibt,
die durch wahre Erklärungen aus ω 0 erklärt werden, als dies in ω 00 der Fall
ist. Gleiche Gesetze jedweder Provenienz in verschiedenen Welten sind
für die Ähnlichkeit verschiedener Welten wichtiger als gleiche Tatsachen.
Die überraschende Folge ist, daß Gesetze oder gesetzesartige Erklärungen
in jedem ω ihren Gesetzesstatus und damit ihre Erklärungsleistung nicht
durch die Existenz von Ausnahmen in ω verlieren.
Unter der Forderung, daß keine Analyse von counterfactuals ein Verständnis
von counterfactuals voraussetzen darf, können wir die bisherigen Resultate zu
einer vorläufigen Analyse von counterfactuals zusammenfassen:
Theorem 10. (analysis of counterfactuals)
Das kontrafaktische Konditional Wäre A, dann wäre B ist wahr in der wirklichen Welt ω0 genau dann, wenn
28
5
Summary and Conclusions
i) ω0 ist weder eine A-Welt noch eine B-Welt.
ii) In Bezug auf die von ω0 aus epistemisch zugängliche Menge Sω0 (θ, t)
möglicher Welten, gibt es eine Welt ωA,B für die gilt:
ωA,B ist eine A-Welt und eine B-Welt.
0
0
Für alle A-Welten ωA,¬B
∈ Sω0 (θ, t) mit ωA,B 6= ωA,¬B
, die
0
¬B-Welten sind, kann man zeigen, daß gilt: (ω0 −ωA,B )(ω0 −ωA,¬B
)
iii) Diese Ähnlichkeitsrelation bezieht sich auf alle durch wahre Aussagen
angebbare Tatsachen T , die sowohl in ωA,B als auch in ωA,¬B vorliegen
und gleich durch L erklärt werden. T wird in ωA,B oder ωA,¬B auch dann
erklärt, wenn L Ausnahmen oder adhoc-Einschränkungen enthält.
Und natürlich muß jede solche Tatsache T , die ωA,B zu ω0 ähnlicher macht
0
als ωA,¬B
auch in ω0 vorliegen: Ähnlichkeit selbst ist hier natürlich transitiv.
M.a.W.: Nur die Verwendung eines counterfactuals in ω und nicht die eines
anderen Konditionals testet unsere Vermutung über die Erklärung oder Entstehung einzelner Ereignisse oder Tatsachen der tatsächlichen, gegenwärtig vorliegenden Welt ω0 gegen unser sonstiges empirisches Wissen über ω0 in Form
von erklärten Tatsachen T , daß wir bei anderen Gelegenheiten in der Vergangenheit induktiv gesammelt haben.
Conclusions: Wenn wir uns fragen, warum die aktuelle Welt so beschaffen
ist, wie wir sie vorfinden, dann - so lautet das Ergebnis dieses papers - fragen wir
uns im Grunde, in welcher Welt wir uns eigentlich befinden. Denn da die Nähe
zweier Welten ω und ω 0 mittels erklärter Tatsachen entschieden wird und jede
Welt ω trivialerweise zu sich selbst die Ähnlichste ist, hängt die Identität der
aktuellen Welt und damit die Frage, welche Entwicklungsgeschichte wir mit der
aktuellen Welt verbinden sollen, primär von den Erklärungen ab, die wir für alle
Welten, die sich von einem bestimmten Zeitpunkt t < t0 aus einen Zustand der
Wirklichkeit hätten entwickeln können und zu denen wir einen epistemischen
Zugang haben, bereit zu halten in der Lage sind.
Ein wahres counterfactual sagt damit etwas darüber aus, welche Welt
als Abfolge erklärter Tatsachenmengen tatsächlich vorliegt, nicht aber
darüber, daß sie sich nicht anders hätte entwickeln können: Wo ich bin,
weiß ich nur, wenn ich verstehe, welche Erklärung mir wahrerweise darlegt, was ich erfassen kann. Doch solche Erklärungen sind mit Ausnahmen belastet, ohne deshalb unbrauchbar zu werden, so daß wir von ihnen
niemals die Versicherung bekommen können, daß es nicht anders kommen
konnte. Jede Erklärung aber, die auch Auskunft gibt über einen Zustand,
der gegenwärtig nicht vorliegt, und beansprucht wahr zu sein, wird daher
eine Rolle für die Frage spielen, in welcher Welt wir uns befinden. Offenbar
sind nicht alle Erklärungen solcher Art wie z.B. genetische Erklärungen.
Dieses Resultat gilt schon deshalb, weil und immer wenn wir wahre counterfactuals bilden und wir konnten an dieser Stelle offenlassen, ob wir mit ”Welt”
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den Teil der Wirklichkeit meinen, für den sich die Physik interessiert oder den,
für den sich Psychologen zuständig fühlen. Verstehen wir daher nicht, wie counterfactual reasoning tatsächlich funktioniert, werden wir unsere Zweifel an dem,
was der Fall zu sein scheint, niemals bremsen können. Denn wirklich ist, was
wahr ist.
Index
Ähnlichkeit, 23
Äquivalenz, 12
Abkürzungen, 3
Adäquatheitsbedingungen, 14
Allsätze, 5
Antezedenz, 5
Argumentform, 4
Ausnahmen, 26
axiomatisches System, 17
backtracking counterfactuals, 15
backward counterfactuals, 19
bedingte Wahrscheinlichkeit, 12, 13
Bivalenzprinzip, 8–10
Cauchyfolge, 10
counterfactual reasoning, 20, 25, 26
counterfactuals, 2, 15
Deduktion, 9
Deduktionstheorem, 12, 14, 21
deduktiv korrekt, 4, 8
Demonstrativpronomen, 7
dreiwertige Logik, 14
dreiwertige Semantik, 11
Eigennamen, 7
Einsetzungsinstanzen, 3
epistemische Interpretation, 14
epistemischer Zugang, 18, 28
Erklärung, 25
ex falso quod libet, 7
Existenz, 8
Extension, 3
extensional, 3
Farbprädikate, 10
Geschichte, 24–26
Gesetzmäßiglickeit, 24
Gravitationsgesetz, 24
Grenzwert, 10
hinreichende Bedingung, 5
Identifikationsregel, 7, 8
Identität, 3
Indikativ, 2
indikativische Konditionale, 12
Interpretation, 6
interpretierbare Zeichen, 3
Inventar, 25
Junktor, 3, 5, 16
kausale Beziehung, 15
Kausalität, 20
klassifizieren, 7
Konditional, 2
Konjunktiv, 2
Konsequenz, 5
kontextabhängig, 10
konträr-kontradiktorisch, 11
kontrafaktische Abhängigkeit, 19, 20
Kontraposition, 8, 11, 16
Konvergenz, 10
korrekt, 7
logisch wahr, 4
logische Gültigkeit, 4
logische Operatoren, 4
mögliche Welt, 18
mögliche-Welten-Semantik, 17
Massenterme, 7
materiale Implikation, 4, 7, 11, 15
Modalaussagen, 20
Monotonie, 16
Naturgesetze, 23, 26
Negation, 8
Neutralbereiche, 10
notwendige Bedingung, 5
Paraphrase, 2
Personalpronomen, 7
Prädikate, 3, 7
Prädikatenkalkül, 3
Prädikatenlogik, 4
prädikativer Satz, 5, 7
Prämissen, 12
30
Index
Referenz, 7
Regel, 7
Regelmäßigkeit, 24
Relation der Nähe, 18
semantische Analyse, 7
Sequenzen, 21
singuläre Terme, 3, 7
sprachliche Bedeutung, 7, 17
starke und schwache Negation, 9
Strategie, 25
Tautologie, 6
tertium non datur, 7–10
Transitivität, 16, 18
unterscheiden, 7
Ursache, 15
Verifikation, 7
Verifikationsbedingungen, 7
Verifikationsmodell, 17, 20
Verifikationsregel, 7, 8
Verschwörungstheorie, 19
wahr, 7
Wahrheitsbedingungen, 7, 14
wahrheitsfähig, 8
wahrheitsfunktional, 12, 13, 17
Wahrheitswerttafel, 4, 6
Wahrscheinlichkeit, 13
Wahrscheinlichkeitsmaß, 12
Welt, 17, 18, 20, 27, 28
zeitliche Asymmetrie, 19
31
32
References
References
[1] Jonathan Bennett: A Philosophical Guide to Conditionals, Oxford 2003
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[13] J.Robert G. Williams: Chances, Counterfactuals and Similarity, preprint
12/2007
[14] Timothy Williamson: Philosophical Knowledge and Knowledge of Counterfactuals, in: Grazer Philosophische Studien 2007
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