Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 1/11 Einleitung Auf eine Frage oder unvollständige Aussage folgen vier Antworten oder Ergänzungen. Beurteilen Sie bei jeder davon, ob sie richtig oder falsch ist, und bezeichnen Sie sie entsprechend mit (+) oder (-). Unabhängig davon, ob die Frage grammatikalisch im Singular oder Plural formuliert ist, können 1, 2, 3, 4 oder auch gar keine der Antworten richtig sein. (+) bedeutet, die Aussage trifft zu / ist richtig. (-) bedeutet, die Aussage trifft nicht zu / ist falsch. Bewertung 1 Punkt für 4 richtige, 1/2 Punkt für 3 richtige, 0 Punkte für weniger als 3 richtige Beurteilungen. Fragen 1. Welche der nachfolgenden Aussagen bezüglich des Krankheitsbildes der Schizophrenie sind zutreffend? + - A 6 Das Erkrankungsrisiko während der Lebenszeit liegt bei ca. 15%. B 6 Schizophrenien kommen weltweit in ähnlicher Häufigkeit vor. C 6 Imperative Stimmen sind ein wichtiger Risikofaktor für Delinquenz bei schizophrenen Patienten. D 6 Schizophrene Patienten weisen fast nie einen missbräuchlichen Konsum von psychotropen Substanzen (Alkohol, (illegale) Drogen) auf. 2. Welche Aussagen treffen auf die Psychopathologie zu? + - A 6 Die Psychopathologie ist ein Teilgebiet der Psychiatrie. B 6 Die Psychopathologie ist die Lehre von gesunden seelischen Erscheinungen. C 6 Die Diagnose ist genaue Zuordnung von psychopathologischen Befunden (Symptomen) zu einem Krankheitsbegriff. D 6 Die Psychopathologie beschreibt das (krankhaft) veränderte Gefühlsleben und Verhalten eines Menschen in seinen seelischen, sozialen und biologischen Bezügen. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 2/11 3. Welche der folgenden Aussagen treffen auf den Zusammenhang zwischen Schizophrenie und Delinquenz zu? + - A 6 Schizophrenie ist kein Risikofaktor für Delinquenz. B 6 Schizophrene Straftäter werden weniger häufig rückfällig als persönlichkeitsgestörte Straftäter. C 6 Jeder zweite Gewalt- oder Sexualstraftäter erfüllt die diagnostischen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung. D 6 Schizophrene Straftäter sind in der Regel unbehandelbar. 4. Welche der folgenden Aussagen treffen auf den familiären Hintergrund von Gewalt- und Sexualstraftätern zu? + - A 6 75% der Straftäter stammen aus Familien mit kriminellem Hintergrund. B 6 Die Mehrheit der Gewalt- oder Sexualstraftäter sind bei ihren Eltern (und nicht im Heim) aufgewachsen. C 6 Sexualstraftäter zeichnen sich in der Regel durch eine sehr konflikthafte Beziehung zur Mutter aus. D 6 Die meisten Gewaltstraftäter wurden von ihren Geschwistern misshandelt. 5. Welche der folgenden Aussagen treffen auf den Zivilstand von Gewalt- und Sexualstraftätern zu? + - A 6 Verheiratete Straftäter werden weniger häufig rückfällig. B 6 Gewalt- und Sexualstraftäter sind weniger häufig verheiratet als die Normalbevölkerung. C 6 Jeder Vierte Straftäter war zum Deliktzeitpunkt verwitwet. D 6 Gewalt- oder Sexualstraftäter weisen bezüglich Zivilstand keine Besonderheiten gegenüber der Normalbevölkerung auf. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 3/11 6. Welche der folgenden Aussagen treffen auf die Erwerbstätigkeit von Gewalt- und Sexualstraftätern zu? + - A 6 Im Vergleich zur Normalbevölkerung, unterscheidet sich der Anteil der Erwerbstätigen nicht. B 6 Der Anteil der IV-Bezüger ist in der Population der Gewalt- oder Sexualstraftäter auffallend hoch. C 6 Jeder Dritte Gewalt- oder Sexualstraftäter ist zum Deliktzeitpunkt arbeitslos gemeldet. D 6 Die Mehrheit der Gewalt- oder Sexualstraftäter beziehen Sozialhilfe. 7. Welche der folgenden Aussagen treffen auf Risk-Assessment zu? + - A 6 Empirische Studien haben gezeigt, dass erfahrene Psychiater auf die Anwendung eines standardisierten Risk-Assessment Instrumentes verzichten können, um zu einer genauen Risiko-Einschätzung zu kommen. B 6 Risk-Assessment Instrumente braucht man nur bei Sexualstraftätern. C 6 Unter einer „intuitiven Methode“ versteht man ein möglichst spontanes, wenig verzerrtes Statement zum Rückfallrisiko. D 6 Aktuarische Risk-Assessment Instrumente schneiden in den meisten Validierungsstudien am besten ab. 8. Unter einem validen Risk-Assessment versteht man: + - A 6 Dass man das, was der Test zu messen vorgibt, auch misst. B 6 Dass ein Test besonders messgenau ist. C 6 Dass ein Test auf verschieden Populationen übertragen werden kann. D 6 Dass man Normwerte aus der Normalbevölkerung für die Bestimmung des Rückfallrisikos zur Verfügung hat. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 4/11 9. Welche der folgenden Aussagen treffen auf den VRAG zu? + - A 6 Der VRAG wurde insbesondere zur Schätzung des Rückfallrisikos von Eingentumsdelinquenten entwickelt. B 6 Der VRAG-Summenwert kann nach einer logarithmischen Transformation in Risikokategorien überführt werden. C 6 Der VRAG darf bei Sexualstraftätern angewendet werden. D 6 Der VRAG berücksichtigt unter anderem Informationen zur Psychopathie. 10. Welche der folgenden Aussagen treffen auf die Psychopathie zu? + - A 6 Das Ausmass der Psychopathie wird mit der PCL-R gemessen. B 6 Psychopathie ist eine psychiatrische Diagnose und wird in den einschlägigen Klassifikationssystemen (z.B. ICD-10) als Persönlichkeitsstörung aufgeführt. C 6 Die Psychopathie ist medikamentös gut behandelbar. D 6 Hohe Ausprägungen von psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften finden sich nur bei Gewalt- und Sexualstraftätern. 11. Welche der folgenden Aussagen treffen auf die PCL-R zu? + - A 6 In der Schweiz haben Gewalt- und Sexualstraftäter in der Regel einen PCLR Score von über 35. B 6 Die PCL-R gilt als valides Risk-Assessment Instrument. C 6 Oberflächlicher Charme ist ein Item der PCL-R. D 6 Der PCL-R score ist bei Pädosexuellen besonders hoch. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 5/11 12. Psychische Störungen: + - A 6 Das Risiko von Gewaltstraftaten durch schizophrene Patienten ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht. B 6 Das Risiko von Gewaltdelikten ist bei jungen Erwachsenen höher als bei 50jährigen. C 6 Männer und Frauen begehen in etwa gleich häufig Gewaltstraftaten. D 6 Psychische Störungen sind in ihrer Allgemeinheit nicht mit einem erhöhten Delinquenzrisiko verbunden. 13. Einsichtsfähigkeit + - A 6 Einsichtsfähigkeit bedeutet, dass der Täter zum Zeitpunkt der Tat in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen. B 6 Liegt eine hirnorganische Erkrankung vor, so ist die Einsichtsfähigkeit stets herabgesetzt. C 6 Wahnsymptome können die Einsichtsfähigkeit aufheben. D 6 Wenn ein Täter nicht einsieht, dass er falsch gehandelt hat, ist die Einsichtsfähigkeit vermindert. 14. Schuldfähigkeit + - A 6 Wenn eine schwerwiegende psychische Störung vorliegt, muss der Zusammenhang zwischen Diagnose und Tat nicht mehr abgeklärt werden. B 6 Merkmale wie die Ankündigung der Tat oder ein komplexer Tatablauf in Etappen sprechen gegen eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. C 6 Wenn sich der Täter nicht an das Delikt erinnern kann, ist die Schuldfähigkeit vermindert. D 6 Es ist Aufgabe des Gutachters, die Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit des Angeschuldigten zu überprüfen. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 6/11 15. Alkohol + - A 6 Wenn der Täter bei Tatbegehung einen Alkoholspiegel von über 2 Promille aufgewiesen hat, besteht automatisch eingeschränkte Steuerungsfähigkeit. B 6 Die Alkoholtoleranz eines Menschen ist u.a. davon abhängig, wie viel er zu trinken gewohnt ist. C 6 Der Schweregrad eines Alkoholrauschs kann anhand von Zeugenaussagen zu neurologischen Symptome (Gang-, Standschwierigkeiten, lallen) beurteilt werden. D 6 Der Schweregrad eines Rauschzustands lässt sich nur anhand der Angaben des Täters verlässlich rekonstruieren. 16. Nach dem Schweizerischen Jugendstrafrecht … + - A 6 werden überwiegend männliche Jugendliche abgeurteilt. B 6 kommen überwiegend Bagatelldelikte zur Aburteilung. C 6 werden die Strafverfolgung, die Verurteilung und der Strafvollzug bei minderschweren Delikten nur durch eine Instanz vollzogen. D 6 kommen der Rückfallsvermeidung und der Integration des straffälligen Jugendlichen in unserer Gesellschaft eine primäre Rolle zu. 17. Die forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie … + - A 6 ist zuständig für die Ausarbeitung von Abklärungen und Gutachten im Rahmen von Strafverfahren. B 6 versorgt konsiliarärztlich die Institutionen der Justiz. C 6 bietet Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen des Massnahmevollzugs an. D 6 sorgt dafür, dass kinder- und jugendpsychiatrisches/-psychologisches Wissen in der Strafverfolgung und im Strafmassnahmenvollzug Berücksichtigung findet. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 7/11 18. Eine Beobachtung und Begutachtung gemäss Artikel 9 JStG wird in Auftrag gegeben, … + - A 6 wenn es Probleme in der Schule gibt. B 6 wenn eine Unterbringung zur Behandlung einer psychischen Störung in einer offenen Einrichtung angezeigt erscheint C 6 wenn ernsthafter Anlass besteht, an der physischen Gesundheit des straffällig gewordenen Jugendlichen zu zweifeln. D 6 wenn eine Unterbringung in eine geschlossene Einrichtung angezeigt erscheint. 19. Bei einer strafrechtlichen Begutachtung … + - A 6 kann auf eine Aktenanalyse verzichtet werden. B 6 muss immer eine Persönlichkeitsabklärung des Täters durchgeführt werden. C 6 muss mit dem familiären Umfeld Kontakt aufgenommen werden. D 6 geht es nicht um die Analyse der Tatumstände und der Straftat. 20. Für die Prognose minderjähriger Gewalttäter … + - A 6 sind biologische Faktoren irrelevant. B 6 ist die Anzahl der Risikofaktoren wichtiger als deren Art. C 6 spielen der Hergang, die Motive und der Ablauf der Tat eine untergeordnete Rolle. D 6 ist die Analyse der Motive, die zur Straftat führten, wesentlich. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 8/11 21. Inhaftierte Jugendliche haben im Vergleich zu Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung … + - A 6 häufiger eine psychiatrische Störung. B 6 ein niedrigeres Risiko für Selbstmord und selbstverletzendes Verhalten C 6 höhere Raten an Verhaltensstörungen, aber auch depressiven und Angststörungen. D 6 häufiger traumatische Ereignisse, Missbrauch und Vernachlässigung in ihrer Biographie. 22. Optimale forensisch - jugendpsychiatrische Versorgung im Gefängnis bietet den Jugendlichen … + - A 6 Unterstützung in vollzugsrelevanten Alltagsproblemen. B 6 Psychoedukation zu Störungen und damit einhergehenden Verhaltensauffälligkeiten. C 6 psychopharmakologische Behandlung. D 6 deliktorientierte Therapie. 23. Der Jugendstrafvollzug in der Schweiz … + - A 6 dauert maximal bis zum 25. Lebensjahr an. B 6 ist kantonsübergreifend einheitlich geregelt. C 6 ist grundsätzlich auf Schutz und Erziehung, unter besonderer Beachtung der Lebens- und Familienverhältnisse und der Entwicklung der Persönlichkeit, ausgerichtet. D 6 wird in den Gefängnissen vollzogen. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 9/11 24. Bei forensischen Therapien werden folgende Prinzipien betreffend Effektivität verfolgt… + - A 6 das Risikoprinzip (risk principle). B 6 das Gefährlichkeitsprinzip (danger principle). C 6 das Bedürfnisprinzip (needs principle). D 6 das Ansprechbarkeitsprinzip (responsivity principle). 25. Zu Beginn einer jeden deliktorientierten Therapie mit Minderjährigen steht … + - A 6 die Festlegung der Faktoren, die zur Anlasstat (Tat, weswegen der Klient in Therapie ist) geführt haben. B 6 die Bestimmung deliktrelevanter äusserer Faktoren (Tatörtlichkeit, Tatzeit, involvierte Personen, usw.). C 6 der Einbezug der Eltern. D 6 das Training sozialer Kompetenzen. 26. In einer deliktorientierten Therapie ist die Festlegung und Diskussion von Risikosituationen/-konstellationen von zentraler Bedeutung. Diese … + - A 6 sind für jeden Tatverdächtigen individuell zu definieren. B 6 sind innerhalb von Deliktskategorien (Sexual-, Vermögens, Körperverletzung usw.) für alle Tatverdächtigen gleich. C 6 beinhalten ausschliesslich äussere Aspekte (Tatörtlichkeit, Tatzeit, involvierte Personen, usw.). D 6 sind wichtig, damit der Klient lernt zu erkennen, wann er in Gefahr ist, ein Delikt zu begehen. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 10/11 27. In Bezug auf die Entwicklung von Aggression und Gewalt … + - A 6 wird von einem Zusammenspiel von biologischen und Umweltfaktoren ausgegangen. B 6 werden nach Terrie E. Moffitt ein persistierender und ein jugendphasischer Delinquenztyp unterschieden. C 6 sind hyperaktive Kinder mehr gefährdet. D 6 spielen protektive Faktoren nie eine Rolle. 28. In der Diagnostik von jugendlichen Gewaltstraftätern … + - A 6 müssen Tathergang und Motive des Jugendlichen analysiert werden. B 6 müssen dessen Einstellungen gegenüber gesellschaftlichen Werten und Normen exploriert werden. C 6 werden die Eltern in der Regel miteinbezogen. D 6 braucht es die Kenntnis der jugendanwaltschaftlichen Akten nicht 29. Die Zürcher Studie zeigt, dass Minderjährige, welche Sexualdelikte begangen haben, … + - A 6 in ca. 40% der Fälle erneut mit einem Sexualdelikt rückfällig werden. B 6 bei der Tatbegehung im Durchschnitt älter als jugendliche Straftäter ohne Sexualdelikte sind. C 6 zu mehr als 30% in der Vergangenheit auch nicht-sexuelle Delikte begangen haben. D 6 sich bezüglich der Tat- und Opfermerkmalen nur geringfügig voneinander unterscheiden. Prüfung Forensische Psychiatrie Musterlösung 14. Januar 2011 Seite 11/11 30. Gutachten über minderjährige Sexualstraftäter zeigen, dass … + - A 6 20-30% der Minderjährigen pädophile oder andere sexuelle deviante Neigungen aufweisen. B 6 im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen vermehrt soziale Probleme oder soziale Reifungsdefizite vorkommen. C 6 im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen vermehrt Aufmerksamkeitsstörungen und Störungen des Sozialverhaltens vorkommen. D 6 50% der Jugendlichen als nicht behandelbar eingeschätzt werden.