Pragmatik statt Paradigma – Diskurs über die

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| Pragmatik statt Paradigma – Diskurs über die zeitgeistige Evolution des Marketing |
Pragmatik statt Paradigma – Diskurs über
die zeitgeistige Evolution des Marketing
Das klassische Marketing ist vom interaktiven Community Marketing nicht überholt worden. Der scheinbare Methodenstreit zwischen „alter“ und „neuer“ Schule ist keine wirklich spannende ParadigmenDiskussion. Die Praxis sollte weitergehen und Evolution statt Revolution proklamieren, das Beste aus
mehreren Welten machen und insbesondere in schwierigen Zeiten dynamisch und intelligent von
anderen Märkten und Methoden lernen.
CARY STEINMANN
D
ie Ära des Community Marketing ist zu unübersichtlich und zu
wenig erforscht, um bereits einen Paradigmenwechsel verkünden zu können. Im Gegenteil ist es keineswegs sicher, dass ein
solcher überhaupt stattfinden soll oder kann.
Was wir aktuell erleben, sind Verschiebungen in Prioritäten, taktische Maßnahmen und insbesondere technisch getriebene Lösungen. Die „Neuen Medien“ (Ratzke, 1982) und insbesondere das
Internet bieten Vorteile in der Erreichbarkeit, der Geschwindigkeit
und vor allem der Interaktivität.
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6 | 2009
Nähe und Distanz
Das Mitmach-Web rund um YouTube, Flickr oder Facebook ist zu
einer Art Übermedium gereift, das Konsumieren und Produzieren in „Prosumieren“ vereint. Dieser radikale und rapide soziale
Wandel kann als „Kundenrevolution“ oder etwas weniger kategorisch als „Neue Konsumenten-Demokratie“ interpretiert werden.
Marshall McLuhans faszinierende Feststellung, nach der das
Medium die Botschaft sei (McLuhan, 1969), erhält durch das Web
2.0 eine neue Qualität. Jedes Medium hat medienhistorisch nicht
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nur seine eigene Berechtigung, sondern erweitert das Spektrum
der Medien additiv statt alternativ. So hat das Fernsehen keineswegs das Radio verdrängt, im Gegenteil verfügen wir heute über
mehr Radiostationen denn je. Im Falle des Internets und insbesondere des Web 2.0 nehmen wir heute eine multimediale Integration
wahr: Der Buchdruck wird zum Blog, jedermann kann sich als
Autor verstehen und Inhalte produzieren und multiplizieren; Zeitungen verlieren immer mehr „Share of Mind“ und sogar „Share
of Heart“ gegenüber dem World Wide Web. Vorteile sind, neben
der Aktualität, die vielen Talkbacks, Kommentar- und Dialogmöglichkeiten seitens der Konsumenten. Jüngstes, aber sicher
nicht letztes Kind der interaktiven Angebote im Netz, ist der
Micro-Blogging-Dienst „Twitter“. Es ist bemerkenswert, wie
schnell sich solche Dienste zu postmodernen Markenartikeln entwickeln, Markenartikel ohne Werbekampagne, mit wenig PR, in
der Hauptsache durch Word-of-Mouth-(WOM)Communication
(Mund-zu-Mund-Propaganda) und durch den typischerweise sehr
schnell operierenden Hype, der viral im WWW entstehen kann.
Angebote bzw. „Marken“ wie Twitter werden dann zum MustHave der „Exposure Culture“ (Tim Wu 2005). Die Form, also das
Mitmachen, wird wichtiger als der Inhalt. Internet-Radio und
Web-basiertes Fernsehen sind auf dem Vormarsch und lösen alte
Formate ab, selbst Kino wird auf entsprechenden Plattformen
Web-basiert und herunterladbar. Das Mitmach-Web bietet Nähe
und Distanz zugleich, was soziologisch und psychologisch einer
der zentralen Erfolgsfaktoren darstellt. Kein anderes Medium fordert rigoroser zu Allmachtsphantasien auf. Anschläge können
angekündigt werden (der geplante Amoklauf [sic]), ShootingSpiele können vernetzt gespielt werden oder der totale Rückzug in
eine individuell definierte Realität von Spiel, Unterhaltung, Konsum und Nachrichten etc. ist möglich. Man kann völlig alleine sein
und dennoch mit Allem verbunden.
Citius, altius, fortius
Die Umschichtung der medialen Welt ist in vollem Gange, das ehemalige Nischen-Medium WWW wandelt sich zu einem Hauptmedium – und dieses geschieht insbesondere in einem Tempo, das
tatsächlich bisweilen berauschend wirken mag. Und dass ganz
aktuell, aus klassischen ökonomischen Prinzipien, angesichts der
weltweiten finanziellen und wirtschaftlichen Probleme, große
intermediale Umschichtungen vollzogen werden, beschleunigt den
Wandel noch zusehends, begleitet von technischen Entwicklungen, die exponenziell verlaufen (vgl. Moore’s Law: Verdoppelung
der Rechenleistungen alle 18 Monate bzw. Gilder’s Law: Verdreifachung der Bandbreiten alle 12 Monate, in: Hehl 2008, S. 19 und
S. 28). Alte Medien werden aber nicht durch neue verdrängt, sondern in funktionsübergreifende neue Zusammenhänge gebracht
(Bolz 2008, S. 252).
Revolution oder Evolution
Zurück zur Ausgangssituation: Gibt es aufgrund der beschriebenen Umschichtungen und radikaldemokratischen Veränderungen ein „altes“ Marketing (Unternehmen agieren Richtung
Kunden) und ein „neues“ Marketing (Schaffung eines Mehrwerts
durch die Kunden-Integration) (vgl. Esch/Stenger 2008, S. 289ff;
Von Loewenfeld 2006, S. 18ff)? Und welche Rolle füllt Commu-
Abb. 1 Strategisches Rahmenmodell für das Community Marketing
Art der Kompetenzen
Führungsstile
Quelle der Kompetenzen
primär unternehmensinterne Kompetenzen
Kompetenzverteilung
zwischen Unternehmen
und Community
primär Communityinterne Kompetenzen
Kundenakquisition
Kundenbindung Leistungsinnovation Leistungspflege
Kernaufgaben
Quelle: Kaul 2008
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nity Marketing aus? Revolution oder Evolution? Wenn wir die systeminhärente Lust an Revolutionen überwinden, erkennen wir,
dass sich Vieles im Web 2.0 als reine technische Weiterentwicklung
von Bestehendem verstehen lässt, wenngleich die entwicklungstechnische Dynamik beeindrucken kann.
Ein zentraler Grundgedanke des Marketing lautet: Verbraucher
wählen diejenigen Produkte oder Leistungen, deren wahrgenommene Eigenschaften ihren (Nutzen-)Erwartungen am besten entsprechen. Und nur wenn das Markenversprechen den Bedürfnissen und Wünschen der Verbraucher auch gerecht wird, ist die
Marke erfolgreich. Dabei gibt es zwei Faktoren, die den Erfolg ausmachen: Authentizität und Vertrauen. Aufgrund der technischen
Kommunikationsmöglichkeiten der Verbraucher untereinander
werden diese zwei Faktoren in der Markenführung immer wichtiger. Markenführung wird komplexer, die neue Kontrollinstanz
» Vieles im Web 2.0 lässt sich als
reine technische Weiterentwicklung von
Bestehendem verstehen. «
der Marke ist die Gemeinschaft: Interessengruppen, BusinessNetzwerke, kommentierte Blog-Leserschaften oder die Community eines Special Interest Podcasts. Sie alle kontrollieren, was
ihnen eine Marke verspricht und was sie letztendlich hält. Marken
jedoch, welche ihr Markenversprechen authentisch und vertrauensvoll umsetzen, können von den Kundenreaktionen profitieren.
Solche Brands schaffen es oft, eine engagierte, bisweilen auch
begeisterte Community um sich zu scharen. Die Verbraucher werden zu eigentlichen ideologischen Markenmissionaren. Beispiele
dafür sind Apple, Nike und Mini (siehe Abbildung 1).
Divide et impera
Zu welchem Zwecke formiert sich eine Community? Es gibt viele
Funktionen, die eine Community zu erfüllen hat oder erfüllen
kann. Zwei zentrale sind: Ich bewege mich unter Gleichgesinnten.
Oder: Hier bin ich der Experte, der „Peer Group Leader“. Diese
Beobachtung hängt mit der oben angeführten Demokratisierung
durch das Internet zusammen und belegt, wie „elastisch“ es jede
Form von Bedürfnis assimiliert. Deshalb bietet es sich als ideales
Medium für eine neue Form von Marketingkonzepten an:
Ausschlusskonzepte (passwortgeschützte Bereiche für klar definierte Gruppe von Nutzern, sogenannte „Closed User Groups“),
Verbindungskonzepte (Bildung und Unterhaltung sozialer Kontaktnetzwerke, z. B. „Facebook“) und Führungskonzepte (Peer
Group Leader PGL – in Anlehnung an die Freshmen-Rituale USamerikanischer Colleges: Forming – Norming – Storming – Performing – Mourning, d. h. Neumitglieder einer Community werden von den PGL geformt, genormt, in gewisser Weise unter Druck
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gesetzt und so zur Mitmach-Leistung motiviert und bei einem
eventuellen Ausscheiden aus der Community „betrauert“).
Diese drei Konzepte (Ausschluß, Verbindung, Führung) sollen
stellvertretend stehen für eine neue Methodik, wie im Internet
Marken und Produkte neu „verpackt“ werden. Die Kraft des Mediums und dessen Ausdrucksformen erlauben es, dass sich die Information selbst zur eigentlichen Ware, zum Produkt transformiert.
Jeder Marke ihre Community?
Es besteht der Unterschied zwischen (mehr oder weniger) treuer,
aber amorpher Kundschaft und aktiver und integrierter Community aus der Wirkung der zwei Kraftfelder „communityfreundliche Marke“ (Zulassung, Unterstützung, Weiterentwicklung) und
„markenfreundliche Community“ (Community-Struktur i. w. S.,
Kommunikationsmittel, Rituale, Insignien, Identitäten etc.). Marke
und Community verhalten sich zueinander wie klassische politische Regierungsformen. Eine Marke kann autoritär oder gar diktatorisch geführt werden, etwa wie viele Mode-Labels, bei denen
die absolute Entscheidungsbefugnis und Kompetenz im Zentrum
der Marke liegt, oftmals gebunden an einzelne Persönlichkeiten
wie Designer oder Namensgeber. Die Community ist hier die kaufende Fangemeinde der Marke, die öffentlich gerne als Werbeträger auftritt. Eine Marke kann sodann aristokratisch im Sinne einer
Eliteherrschaft geführt werden, oder sie kann demokratisch in
einer Form von Volksherrschaft mit autonomen Selbstregulationsmechanismen geführt werden. Im Falle von YouTube wird die
Community zum produzierenden Konsumenten, zum Prosumer.
Das Medium ist die (Nutzen-)Botschaft. Die YouTube-Prosumer
gestalten das „Programm“ – YouTube wird zum reinen Transportund Speichermedium. Die Botschaft wird zum Medium und das
Medium zur Botschaft. Mittels Prosumer schließt sich die Quadratur des medialen Kreises im Sinne McLuhans.
Das „alte“ Marketing kann vom „neuen“ Marketing insofern
profitieren, als dass es nicht nur versucht, altes Denken mit neuer
Technik zu beschleunigen, sondern eine neue Perspektive einnimmt, basierend auf den High-Tech-Märkten und ihren Erfolgsfaktoren.
Was sind die Erfolgsfaktoren des Marktes für Computer und
später und insbesondere für Personal Computer gewesen? Die
damaligen Key Player der Märkte sahen die Potenziale vollkommen
falsch, der Weltmarktführer bei den Großrechnern erkannte gerade
mal einen Markt für 5.000 PCs. Die technischen Lösungen wurden physisch kleiner, schneller und günstiger – aber vom individuellen Nutzen her betrachtet intelligenter, persönlicher und
flexibler. Die ersten PCs haben das Zeitalter des uneingeschränkten
Individualismus beeindruckend antizipiert und später durch die
Vernetzung der individuellen Systeme in Gruppen hochsynergetische Leistungsnetzwerke produziert. Die weitere Entwicklung der
Geschichte ist bekannt.
Die Weisheit vieler Designer und Architekten „Form follows
Function“ (Louis Sullivan 1979) lässt sich auch in den technischen
Lösungen der Neuzeit und ihren funktionalen Nutzen erkennen.
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Twitter ist erfolgreich, weil es den Verbraucher zur zeitgeistigen
Reduktion der Einträge/Kommentare auf maximal 140 Zeichen
zwingt, 20 weniger als der SMS-Telekommunikationsdienst. Wäre
Twitter „nur“ ein klassischer Blog, würde innerhalb der Community höchstwahrscheinlich viel weniger „gezwitschert“. Die
moderne Communication Community bewegt sich auf Hochgeschwindigkeits-Datenautobahnen mit möglichst vielen Verbindungsoptionen – aber mit leichtem Gepäck.
Verbindung und Bindung
Eine „Community“ beschreibt die Zusammenfassung von Individuen zu Gemeinschaften mittels unterschiedlich starker emotionaler Bindung, einem sogenannten „Wir-Gefühl“. Die Unterschiedlichkeit der Bindung impliziert eine unterschiedliche Ausprägung von Adhäsion (Haftkraft, Anziehungskraft) und einen
unterschiedlichen Grad der Interaktion, des wechselseitigen aufeinander Einwirkens von Akteuren oder Systemen. Es gilt also
durchaus zu unterscheiden, wie intensiv, engagiert und emotional
die Community-Adhäsion innerhalb der Community ist und wie
stark die Bindung der Community an die Marke ist.
» Die moderne Communication
Community bewegt sich auf Hochgeschwindigkeits-Datenautobahnen
mit möglichst vielen Verbindungsoptionen – aber mit leichtem Gepäck. «
Es lassen sich eine Intra-Community-Kraft (ICK) und eine
Marken-Community-Kraft (MCK) definieren. Bei der in diesen
Zusammenhängen oft zitierten Kultmarke Harley-Davidson ist
die MCK sehr hoch einzuschätzen, denn die Bindung und Verbindung der Mitglieder der HOGs (Harley-Davidson Owner
Groups) zur Marke ist sehr intensiv; die Marke erreicht einen
parareligiösen Stellenwert. Dagegen ist die ICK relativ bescheiden. Mit Ausnahme von einzelnen organisierten Gruppierungen
und Clubs lebt die Marke sehr stark über den Markenwert Individualisierung, der neben Unabhängigkeit und Freiheit und
einer – mittlerweile gesitteten – Prise Rebellion das Lebensgefühl
des Brand widerspiegelt.
Im Gegensatz dazu ist die Community eines Vielflieger-Programms nur mäßig stark an eine Marke gebunden, denn je nach
Bedürfnis (Verfügbarkeit, Reisezeit, Umsteigeflughäfen, Kosten)
wird situativ auf eine andere Marke gewechselt. Es zeigt sich, dass
Marke und Community eine dynamische und variable Verbindung
eingehen können, deren jeweilige Ausprägungen unter Umständen zeitlich und situativ variieren. Als Regel gilt: Je stärker MCK
und ICK, desto stabiler die Einheit Marke und Community.
Copy-Paste
Das klassische Marketing soll vom „neuen“ Marketing insofern
profitieren, als dass neue Geschäftsmodelle und deren Erfolgsfaktoren in traditionelle Märkte übertragen werden sollten. Beispielsweise hat der Markt der mobilen Telefonie zu neuen Perspektiven
bezüglich der Bedeutung von Hardware (Endgeräte) und Software
(Datenübertragung) geführt. Das Endgerät erhält eine Transmissionsaufgabe im Bereich Kundenbindung und Kundenakquisition
und wird von den Telekommunikationsanbietern strategisch eingesetzt. Die Kunden mit High-End-Geräten wie zum Beispiel dem
iPhone von Apple werden mit Hilfe von ausgeklügelten Verträgen
und Abrechnungsmodellen mittel- bis langfristig (2 Jahre oder
mehr) mit innovativen Pauschaltarifen (Flatrates) akquiriert und
an den Telco-Anbieter gebunden. Im Falle des iPhones findet eine
Community-Bildung dual statt, einmal unterstützt durch die
anbietenden Telekommunikations-Dienstleister, die auf ihren
Internetplattformen entsprechende Foren einrichten und aktiv
Ebene 3:
Markenpermanenz
Ebene 2:
Markenpräferenz
Ebene 1:
Markenpräsenz
Wechselbereitschaft
Ebene 4:
Markenprominenz
Community-Potenzial
Abb. 2 Community-Potenzial und Markenbindung
Quelle: Ramseier / Steinmann 2008
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Interaktion unterstützen, und zum anderen durch die anbieterunterstützte Community rund um die Marke Apple.
In solchen zeitgeistigen, stark am Konsumentennutzen orientierten Modellen (multioptionale Preismodelle, variable Kundenbindung, diverses Community-Potenzial) lassen sich postmoderne
Ansätze und Thesen für klassische Märkte erkennen. Eine Mineralölfirma liefert nicht Treibstoff zum durchschnittlichen Marktpreis, sondern sie verkauft Mobilität, genau so wie die Telekommunikationsfirma nicht abstrakt Gespräche bzw. Kommunikation
anbietet, sondern interaktiv-kommunikative Gesamtlösungen
durch Smartphones, die einen modernen und mobilen Lebensstil
(aus Kundenbedürfnis wird Kundennutzen) unterstützen. Die
Mobilität, welche eine Mineralölfirma anbietet, umfasst die Hardware, zum Beispiel einen Kleinwagen wie Smart oder Toyota iQ,
der stark vergünstigt in Verbindung mit einem Abonnement (z. B.
3-Jahres-Vertrag, monatliche Fixkosten oder Flatrate etc.) angeboten wird, bei jeweils exklusiver und vertraglich gebundener Nutzung des Tankstellennetzes von der Mineralölfirma.
» Die Bildung von markenaffinen
Communities ist keine Revolution des
Marketing, sondern eine technisch
bedingte evolutive Entwicklung. «
Drei Faktoren sind bei einem solchen Modell relevant: Das Kundenakquisitionselement der subventionierten und für den Konsumenten preislich äußerst interessanten Hardware in Form eines
modernen Kleinwagens, das Kundenbindungselement Abonnement mit variablen, anpassungsfähigen Tarifen und der Leistungspflege in Form der Exklusivität der Nutzung des Tankstellennetzes
seitens des Verbrauchers. Selbstverständlich antizipiert der jeweilige Tarif die Diskontierung des Fahrzeuges, der Kilometerleistung
etc., so wie es heute schon im Leasinggeschäft Standard ist. Es geht
im Vorliegenden nicht um die genaue technische Ausgestaltung
(z. B. Exklusivität, Sicherheitssysteme, Datenerfassung) eines solchen strategischen Gedankens, sondern um die Frage: Welche
innovativen Ansätze birgt das Community Marketing für das sogenannte klassische Marketing? Es bieten sich pragmatische Lösungen
an, wie aufgezeigt, zum Beispiel in der Übertragung finanztechnischer und tariflicher Lösungen für gestandene Märkte, die sich
in neuen Märkten bereits bewährt haben.
Wenn dieses Potenzial in der finanziellen und tariflichen Planung einmal realisiert ist, beginnt die strategische Phase des Community-Aufbaus, lanciert und unterstützt durch den Anbieter, in
unserem Beispiel die Mineralölfirma. Idealiter sind die vergünstigten Fahrzeuge kommunikativ als Werbeträger eines neuen
Mobilitätskonzeptes gestaltet, das ermöglicht Identifikation als
Konzept für den Betrachter und Identifikation mit der Strategie
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für den Benutzer (bei gleichzeitigem Rabatt weil Werbeträger). Ein
derartiges Kundenbindungsmodell entwickelt ein großes Potenzial zur Community (Mind-Sharing und Lebensstil), der Anbieter
und die Mitglieder interagieren untereinander (Erfahrungsaustausch, Insights, Ratschläge zum Thema postmoderne Mobilität)
und entwickeln gemeinsam weitere Produkte und Leistungen. Im
obigen Beispiel könnte das die Vernetzung mit weiteren Mobilitätsanbietern bedeuten (Bahnhöfe, Flughäfen, Parkhäuser).
Fazit
Die Bildung von markenaffinen Gruppierungen durch Konsumenten im Sinne der beschriebenen Communities ist keine
Revolution des Marketing, sondern eine insbesondere technisch
bedingte evolutive Entwicklung. Das Internet ist dazu eine hinreichende aber nicht notwendige Bedingung. Die CommunityBildung und der Aufbau von Communities bedingt aber ein neues
Denken, insbesondere in sogenannt „klassischen“ Märkten, in
denen vordergründig kein Community-Potenzial vorhanden zu
sein scheint. Durch die Antizipation von Geschäftsmodellen der
neuen Märkte können die „alten“ Märkte innovative Potenziale
erreichen und ausbauen.
Literaturverzeichnis
Bolz, N. (2008): Linking Value – der Mehrwert des 21. Jahrhunderts, in:
Kaul, H./Steinmann, C. (Hrsg.): Community Marketing, Stuttgart.
Esch, F.-R./Stenger, D. (2008): Marken als Interaktionsobjekt, in: Belz, Ch./
Schögel, M./Arndt, O./Walter, V. (Hrsg.): Interaktives Marketing, Wiesbaden.
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Kaul, H. (2008): Integriertes Community Marketing – Kunden- und Leistungspotenziale erfolgreich verknüpfen, in: Kaul, H./Steinmann, C. (Hrsg.): Community Marketing, Stuttgart.
Marshall McLuhan, H. (1969): Das Medium ist Massage, Frankfurt/M.-BerlinWien.
Ramseier, T./Steinmann, C. (2008): Die Bedeutung von Communities im
postmodernen Markenmanagement, in: Kaul, H./Steinmann, C. (Hrsg.):
Community Marketing, Stuttgart.
Ratzke, D. (1982): Handbuch der neuen Medien: Information und Kommunikation, Fernsehen und Hörfunk, Presse und Audiovision heute und
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Sullivan, L. (1979): Kindergarten Chats and Other Writings, New York City.
Von Loewenfeld, F. (2006): Brand Communities, Wiesbaden.
Wu, T. (2005): Leggo My Ego. Google Print and the other culture war. Online
(18.08.2009): http://www.slate.com/id/2128094
Der Autor
Dr. Cary Steinmann
Dozent für Marketing im Schwerpunkt Branding &
Communications, ZHAW Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften, School of Management
and Law
E-Mail: [email protected]
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