Druckansicht: Kultur: Oper für Kinder wie funktioniert das? | SÜDKURIER Online 12.01.14 15:12 Kultur Oper für Kinder – wie funktioniert das? 08.01.2014 Von Elisabeth Schwind Die Häuser in Zürich, Stuttgart und Freiburg haben Kompositionen in Auftrag gegeben. Wir haben sie auf Kindertauglichkeit abgeklopft Musikvermittlung lautet das Zauberwort. Kein Orchester, kein Opernhaus, das in den letzten Jahren seine Arbeit mit dem und für den Nachwuchs nicht intensiviert hätte. Kinder und Jugendliche dürften inzwischen zu der am stärksten umworbenen Zuschauergruppe gehören. Denn wer den Nachwuchs rechtzeitig an sich bindet, sichert langfristig auch den eigenen Bestand. Das Angebot geht dabei über das Familienkonzert, in denen Kinderklassiker wie „Peter und der Wolf“ oder „Bilder einer Ausstellung“ gespielt werden, weit hinaus. Vielerorts setzt man auf aktive Einbeziehung von Kindern. Das in dem Film „Rhythm is it“ dokumentierte Projekt, in dem Berliner Problemschüler zu Strawinskys „Sacre du Printemps“ tanzen, ist dabei nur eine besonders bekannt gewordene von zahllosen ähnlich gelagerten Aktivitäten. Auch die sogenannte „Neue Musik“, die als besonders schwierig, weil „dissonant“, gilt, ist von den Vermittlungsbestrebungen nicht ausgenommen. Die Bundeskulturstiftung hatte gar mit dem „Netzwerk Neue Musik“ ein vierjähriges bundesweites Projekt initiiert, das in Baden-Württemberg besonders im Großraum Stuttgart und in Freiburg etliche Früchte getragen hat. Da Kinder unkonventionellen Klangwelten oft sehr viel unvoreingenommener begegnen als Erwachsene, bietet sich gerade hier ein spielerischer und kreativer Umgang mit dem Thema an. Da ist es kein Wunder, dass ausgerechnet die Opernhäuser in Stuttgart und Freiburg mit „Peter Pan“ und „Oscar und die Dame in Rosa“ in jüngster Zeit neue Werke in Auftrag gegeben haben. Hinzu kommt mit „Das Gespenst von Canterville“ eine Uraufführung am Opernhaus Zürich. Keine „Zauberflöte für Kinder“, sondern ein brandneues Werk soll die Herzen der Kinder erobern. Doch wie macht man ein Stück kindgerecht? Wir haben uns die neuen Opern http://www.suedkurier.de/nachrichten/kultur/themensk/Oper-fuer-Kinder-8211-wie-funktioniert-das;art410935,6590785,PRINT?_FRAME=64 Seite 1 von 3 Druckansicht: Kultur: Oper für Kinder wie funktioniert das? | SÜDKURIER Online 12.01.14 15:12 angeschaut und auf Kindertauglichkeit abgeklopft. Der Stoff Für Zürich haben Marius Felix Lange (Musik) und Michael Frowin (Text) Oscar Wildes Erzählung „Das Gespenst von Canterville“ ausgewählt. Ein Stoff mit Potenzial – zeigt die Story doch, wie sich die Angst vor Gespenstern am besten überwinden lässt. Nämlich indem man die gruseligen Geschöpfe erst gar nicht so ernst nimmt. Die Oper richtet sich an Kinder ab sechs Jahren. In Stuttgart entführt Peter Pan die Kinder ins Nimmerland. Kaum verwunderlich, dass sich mit Richard Ayres (Musik) und Lavinia Greenlaw (Text) ein britisches Duo den Romanklassiker von James M. Barries vorgenommen hat, aber ein Junge, der fliegen kann und Abenteuer erlebt, ist überall spannend. Die „Familienoper“ richtet sich an Kinder ab 8 Jahren. Ernst, aber dennoch optimistisch geht es in Freiburg zu. In „Oscar und die Dame in Rosa“ nach der Erzählung von EricEmmanuel Schmitt geht es um den zehnjährigen todkranken Oscar. Er weiß, dass er sterben wird, was ihm aber niemand sagen möchte. Erst die resolute Oma Rosa findet einen Zugang zu dem Jungen und rät ihm, jeden Tag wie zehn Jahre eines Lebens zu nehmen und diese in Briefen an den lieben Gott zu dokumentieren. Ein nachdenkliches Stück, das der Freiburger Generalmusikdirektor Fabrice Bollon (Musik) und Clemens Bechtel (Libretto) zur Oper geformt haben. Sie richtet sich an alle ab 12 Jahren. Die Musik Alle drei Komponisten bemühen sich um Farbigkeit und stilistische Vielfalt, um dem Kinderohr möglichst viele Anknüpfungspunkte zu bieten. Am besten gelingt dies dem Peter-Pan-Komponisten Richard Ayres. Seine Musik ist einerseits avancierter als die der anderen, aber sie ist bunt, abwechslungsreich, sehr fasslich und dadurch kindgerecht. Da gibt es traumhafte Sequenzen, sphärische Flugmusik, aber auch schroff-lärmige oder skurille Momente – je nach Szene. Marius Felix Langes Partitur für das „Gespenst von Canterville“ ist stärker filmmusikalisch ausgerichtet – und ermüdet am Schluss jedoch durch ein gefühltes Dauerforte. Lange macht außerdem den Fehler, die Gesangsstimmen im weiträumigen Zickzack zu führen, was die Textverständlichkeit enorm erschwert. Zwar ist die Oper (wie auch die anderen beiden) übertitelt, doch welches sechsjährige Kind liest Übertitel?Das Problem der Textverständlichkeit hingegen ist in Freiburg vorbildlich gelöst – hier zahlt sich die Erfahrung des Theaterpraktikers Fabrice Bollon aus. Er führt die Gesangsstimmen meist kleinräumig und überfrachtet sie nicht mit unnötigem Orchesterballast. Stilistisch greift er immer wieder auf Jazziges zurück, setzt gerne Bläserriffs ein, schafft mit Vibrafon-Klängen Atmosphäre und baut hier und da Zitate und Allusionen ein (Tschaikowskys „Schneeflockenwalzer“ oder Koloraturen aus der Arie der „Königin der Nacht“). Auch einem Kinderchor räumt er viel Platz ein. Alles in allem hält sich Bollons Musik aber höflich im Hintergrund – fast zu höflich. Die eine oder andere Szene hätte sicherlich einen musikalischen Ausbau vertragen. Da ist der GMD eher vorsichtig an die Komposition seiner ersten Oper gegangen. Aber sie ist sachdienlich – und ein starkes Vorbild für Kinderfreundlichkeit. Die szenische Umsetzung Ausgiebige Flugszenen mit Peter Pan in Stuttgart und ein schwebender Geist in Zürich sorgen für Effekt und Kinderstaunen. Vor allem Zürich setzt auf Ausstattung. Da gibt es selbsttätig sich bewegende Ritterrüstungen oder eine Ratte mit leuchtenden Augen. Wirklich gruselig wird es aber nicht. Im Gegenteil gelingt es der Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic (auch in Konstanz keine Unbekannte) nicht, die Textunverständlichkeit durch szenische Überraschungsmomente auszugleichen. In Stuttgart findet Regisseur Frank Hilbrich zu poetischen Nimmerland-Bildern mit weißen seifenblasenartigen Kugeln. Insgesamt jedoch würde man sich mehr szenische Deutlichkeit in der Darstellung der Handlungsabläufe wünschen.Mit Spektakel und Bühnenzauber hält sich Regisseur Clemens Bechtel in Freiburg zurück – und doch gelingt ihm eine überaus kindgerechte Umsetzung der „Oscar“-Geschichte. Kleine Kunstgriffe wie der, die Erwachsenen auf Stelzen laufen zu lassen, um sie größer (und auch komischer) als Oscar und die anderen Kinder aussehen zu lassen, haben eine große Wirkung und verdeutlichen die Perspektive, aus der das Stück erzählt wird. Und dass Oscar von einer Frau (einer http://www.suedkurier.de/nachrichten/kultur/themensk/Oper-fuer-Kinder-8211-wie-funktioniert-das;art410935,6590785,PRINT?_FRAME=64 Seite 2 von 3 Druckansicht: Kultur: Oper für Kinder wie funktioniert das? | SÜDKURIER Online 12.01.14 15:12 Mezzosopranistin) und Oma Rosa von einem Mann (einem Countertenor) gespielt werden, wirkt ertaunlicherweise völlig natürlich. http://www.suedkurier.de/nachrichten/kultur/themensk/Oper-fuer-Kinder-8211-wie-funktioniert-das;art410935,6590785,PRINT?_FRAME=64 Seite 3 von 3