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Kultur
Oper für Kinder – wie funktioniert das?
08.01.2014
Von Elisabeth Schwind
Die Häuser in Zürich, Stuttgart und Freiburg haben Kompositionen in
Auftrag gegeben. Wir haben sie auf Kindertauglichkeit abgeklopft
Musikvermittlung lautet das Zauberwort. Kein Orchester, kein Opernhaus, das
in den letzten Jahren seine Arbeit mit dem und für den Nachwuchs nicht
intensiviert hätte. Kinder und Jugendliche dürften inzwischen zu der am
stärksten umworbenen Zuschauergruppe gehören. Denn wer den Nachwuchs
rechtzeitig an sich bindet, sichert langfristig auch den eigenen Bestand. Das
Angebot geht dabei über das Familienkonzert, in denen Kinderklassiker wie
„Peter und der Wolf“ oder „Bilder einer Ausstellung“ gespielt werden, weit
hinaus. Vielerorts setzt man auf aktive Einbeziehung von Kindern. Das in dem
Film „Rhythm is it“ dokumentierte Projekt, in dem Berliner Problemschüler zu
Strawinskys „Sacre du Printemps“ tanzen, ist dabei nur eine besonders
bekannt gewordene von zahllosen ähnlich gelagerten Aktivitäten.
Auch die sogenannte „Neue Musik“, die als besonders schwierig, weil
„dissonant“, gilt, ist von den Vermittlungsbestrebungen nicht ausgenommen.
Die Bundeskulturstiftung hatte gar mit dem „Netzwerk Neue Musik“ ein
vierjähriges bundesweites Projekt initiiert, das in Baden-Württemberg
besonders im Großraum Stuttgart und in Freiburg etliche Früchte getragen hat.
Da Kinder unkonventionellen Klangwelten oft sehr viel unvoreingenommener
begegnen als Erwachsene, bietet sich gerade hier ein spielerischer und
kreativer Umgang mit dem Thema an.
Da ist es kein Wunder, dass ausgerechnet die Opernhäuser in Stuttgart und
Freiburg mit „Peter Pan“ und „Oscar und die Dame in Rosa“ in jüngster Zeit
neue Werke in Auftrag gegeben haben. Hinzu kommt mit „Das Gespenst von
Canterville“ eine Uraufführung am Opernhaus Zürich. Keine „Zauberflöte für
Kinder“, sondern ein brandneues Werk soll die Herzen der Kinder erobern.
Doch wie macht man ein Stück kindgerecht? Wir haben uns die neuen Opern
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angeschaut und auf Kindertauglichkeit abgeklopft.
Der Stoff
Für Zürich haben Marius Felix Lange (Musik) und Michael Frowin (Text) Oscar
Wildes Erzählung „Das Gespenst von Canterville“ ausgewählt. Ein Stoff mit
Potenzial – zeigt die Story doch, wie sich die Angst vor Gespenstern am besten
überwinden lässt. Nämlich indem man die gruseligen Geschöpfe erst gar nicht
so ernst nimmt. Die Oper richtet sich an Kinder ab sechs Jahren. In Stuttgart
entführt Peter Pan die Kinder ins Nimmerland. Kaum verwunderlich, dass sich
mit Richard Ayres (Musik) und Lavinia Greenlaw (Text) ein britisches Duo den
Romanklassiker von James M. Barries vorgenommen hat, aber ein Junge, der
fliegen kann und Abenteuer erlebt, ist überall spannend. Die „Familienoper“
richtet sich an Kinder ab 8 Jahren. Ernst, aber dennoch optimistisch geht es in
Freiburg zu. In „Oscar und die Dame in Rosa“ nach der Erzählung von EricEmmanuel Schmitt geht es um den zehnjährigen todkranken Oscar. Er weiß,
dass er sterben wird, was ihm aber niemand sagen möchte. Erst die resolute
Oma Rosa findet einen Zugang zu dem Jungen und rät ihm, jeden Tag wie
zehn Jahre eines Lebens zu nehmen und diese in Briefen an den lieben Gott
zu dokumentieren. Ein nachdenkliches Stück, das der Freiburger
Generalmusikdirektor Fabrice Bollon (Musik) und Clemens Bechtel (Libretto)
zur Oper geformt haben. Sie richtet sich an alle ab 12 Jahren.
Die Musik
Alle drei Komponisten bemühen sich um Farbigkeit und stilistische Vielfalt, um
dem Kinderohr möglichst viele Anknüpfungspunkte zu bieten. Am besten
gelingt dies dem Peter-Pan-Komponisten Richard Ayres. Seine Musik ist
einerseits avancierter als die der anderen, aber sie ist bunt,
abwechslungsreich, sehr fasslich und dadurch kindgerecht. Da gibt es
traumhafte Sequenzen, sphärische Flugmusik, aber auch schroff-lärmige oder
skurille Momente – je nach Szene. Marius Felix Langes Partitur für das
„Gespenst von Canterville“ ist stärker filmmusikalisch ausgerichtet – und
ermüdet am Schluss jedoch durch ein gefühltes Dauerforte. Lange macht
außerdem den Fehler, die Gesangsstimmen im weiträumigen Zickzack zu
führen, was die Textverständlichkeit enorm erschwert. Zwar ist die Oper (wie
auch die anderen beiden) übertitelt, doch welches sechsjährige Kind liest
Übertitel?Das Problem der Textverständlichkeit hingegen ist in Freiburg
vorbildlich gelöst – hier zahlt sich die Erfahrung des Theaterpraktikers Fabrice
Bollon aus. Er führt die Gesangsstimmen meist kleinräumig und überfrachtet
sie nicht mit unnötigem Orchesterballast. Stilistisch greift er immer wieder auf
Jazziges zurück, setzt gerne Bläserriffs ein, schafft mit Vibrafon-Klängen
Atmosphäre und baut hier und da Zitate und Allusionen ein (Tschaikowskys
„Schneeflockenwalzer“ oder Koloraturen aus der Arie der „Königin der Nacht“).
Auch einem Kinderchor räumt er viel Platz ein. Alles in allem hält sich Bollons
Musik aber höflich im Hintergrund – fast zu höflich. Die eine oder andere Szene
hätte sicherlich einen musikalischen Ausbau vertragen. Da ist der GMD eher
vorsichtig an die Komposition seiner ersten Oper gegangen. Aber sie ist
sachdienlich – und ein starkes Vorbild für Kinderfreundlichkeit.
Die szenische Umsetzung
Ausgiebige Flugszenen mit Peter Pan in Stuttgart und ein schwebender Geist
in Zürich sorgen für Effekt und Kinderstaunen. Vor allem Zürich setzt auf
Ausstattung. Da gibt es selbsttätig sich bewegende Ritterrüstungen oder eine
Ratte mit leuchtenden Augen. Wirklich gruselig wird es aber nicht. Im Gegenteil
gelingt es der Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic (auch in Konstanz keine
Unbekannte) nicht, die Textunverständlichkeit durch szenische
Überraschungsmomente auszugleichen. In Stuttgart findet Regisseur Frank
Hilbrich zu poetischen Nimmerland-Bildern mit weißen seifenblasenartigen
Kugeln. Insgesamt jedoch würde man sich mehr szenische Deutlichkeit in der
Darstellung der Handlungsabläufe wünschen.Mit Spektakel und Bühnenzauber
hält sich Regisseur Clemens Bechtel in Freiburg zurück – und doch gelingt ihm
eine überaus kindgerechte Umsetzung der „Oscar“-Geschichte. Kleine
Kunstgriffe wie der, die Erwachsenen auf Stelzen laufen zu lassen, um sie
größer (und auch komischer) als Oscar und die anderen Kinder aussehen zu
lassen, haben eine große Wirkung und verdeutlichen die Perspektive, aus der
das Stück erzählt wird. Und dass Oscar von einer Frau (einer
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Mezzosopranistin) und Oma Rosa von einem Mann (einem Countertenor)
gespielt werden, wirkt ertaunlicherweise völlig natürlich.
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