Mikrobiologie in der Pharmaindustrie Kassel Keimidentifizierung mit dem VITEK MS im pharmazeutischen Umfeld – Erfahrungen eines Dienstleistungslabors Frank Kugler Labor L+S AG DAS LABOR, DAS MITDENKT Bad Bocklet | Germany | [email protected] | +49 (0)97 08/91 00-340 | www.Labor-LS.de 25.04.2017 1 Seit der Ausbildung 1983 bei der Labor L+S AG beschäftigt. Referentenvorstellung Mitglied der Operativen Geschäftsleitung und Leiter des Geschäftsfeldes „Mikrobiologische Dienstleistungen: • • • • • • • • Keimidentifizierung Stammhaltung Betriebshygiene Nährmedienherstellung und –prüfung Molekularbiologie Desinfektionsmittelprüfung Sonderprüfungen Probenmanagement Zusätzlich Ausbilder und Sicherheitsfachkraft. 2 Kennzahlen der Identifizierung bei L+S • Durchschnittl. 200 Identifizierungen pro Tag/11 Mitarbeiter • Identifizierung von Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen • Identifizierungssysteme: VITEK® MS VITEK® 2 compact und API/ATB MicroSEQ® 3 Keimidentifizierung mit dem VITEK MS im pharmazeutischen Umfeld Inhalte VITEK MS • • • Methode Durchführung Ergebnisdarstellung Erfahrungen eines Dienstleistungslabors • • • • Studie mit Hygienemonitoring-Keimen Ergebnisse Vor- und Nachteile Datenbank-Update V3.1 4 Einleitung Herausforderungen der Keimidentifizierung in einem Dienstleistungslabor für die pharmazeutische Industrie Schnelle, zuverlässige Ergebnisse (→ freigaberelevante Prozesse) Umweltisolate Gesetzliche Anforderungen an computergestützte Systeme (→ CFR 21 part 11) Ressourcen schonen (Umweltmanagement) Kosten Speziell für L+S: hohes Probenaufkommen 5 Einleitung Die MALDI TOF Massenspektrometrie hält seit mehreren Jahren Einzug in die Keimidentifizierung für die pharmazeutischen Industrie und ist mittlerweile aus der Laborroutine nicht mehr wegzudenken (seit 2011 in der Laborroutine bei L+S eingesetzt SARAMIS; 2013: Einführung der Myla-Software; seit 2015 Einsatz im kompletten GMP-Bereich). • Wie steht es aktuell um die MALDI TOF Methode (VITEK MS)? • Kann sie mit den traditionellen Identifizierungssystemen mithalten oder diese gar ersetzen? • Wo liegen die Stärken und Schwächen des Systems? 6 Wofür steht MALDI TOF MS? Matrix Assisted Laser Desorption/Ionisation Matrix unterstützte Laser Desorption/Ionisation Time Of Flight Mass Spectrometry Flugzeit Massenspektrometrie 7 Woraus besteht das VITEK MS-System? • Massenspektrometer • Software-Programme Eingabe der Probeninformation Steuerung des Gerätes Auswertung, Datenbank Quelle: bioMerieux 8 Prinzip der Methode • Bei MALDI ionisiert man den Analyten mittels Laserbeschuss über eine Matrix, in welche die eigentlichen Analyten eingebettet sind. Dazu wird der zu untersuchende Analyt und die Matrix auf einem metallischen Träger cokristallisiert. • Durch Laserbeschuss verdampft die Matrix explosionsartig und die zu untersuchenden AnalytMoleküle werden mitgerissen. 9 Prinzip der Methode • Dabei findet üblicherweise gleichzeitig eine Ionisierung des Analyten statt. Die entstandenen Ionen werden in einem elektrischen Feld beschleunigt. • Ein Ionendetektor wandelt die ankommenden Ionen in ein elektrisches Signal um. • Messung der Ribosomenproteine in Abhängigkeit von der Flugzeit (m/z = 2.000 bis 20.000 Da) 10 Prinzip der Methode Spektrum Detektion Auftrennung Beschleunigung Ionisation Desorption Quelle: bioMerieux 11 Mikroorganismen unterscheiden sich in ihren Massenspektren Quelle: bioMerieux 12 Praktische Durchführung Foto: Labor L+S AG 13 • gleicher Probenansatz für alle Bakterien → Auftragen der Bakterienkultur auf eine Position auf dem Target mittels Schmiermethode (L+S Doppelansatz) → Hefen: Aufschluss mit 0,5µl 25%iger Ameisensäure → Zugabe von 1µl Matrix (Alpha-cyano) Fotos: Labor L+S AG 14 • Eingeben der Targets in das Gerät Foto: Labor L+S AG 15 • Automatische Messung der Proben ► Durchschnittlich 500 Laserschüsse pro Probe ► 100 Einzelspektren zur Erfüllung der Qualitätskriterien nötig ► daraus ergibt sich ein Summenspektrum („Roh-Spektrum“) ► Qualitätskontrolle des Spektrums (Rauschen entfernen, usw.) • Abgleich des Spektrums gegen die Datenbank • Anzeigen des Ergebnisses innerhalb von Minuten Quelle: ClipArt 16 Ergebnisdarstellung Konfidenzlevel Symbol Anzahl der Nennungen % Wahrscheinlichkeit Bemerkung Gut 1 60 – 99,9 - Geringe Selektivität 2 bis 4 Summe = 100 Weitere Trennung durch zusätzliche Tests Keine ID >4 Summe < 100 Nicht eindeutige Identifizierung Kein Ergebnis - - 17 Plausibilitätskontrolle bei L+S • Bakterien: ein Grampräparat und eine Subkultur auf MacConkeyAgar werden angelegt, deren Ergebnis Hilfestellung bei nicht eindeutigem Gramverhalten leisten kann. • Beurteilung der Kulturmorphologie Fotos: Labor L+S AG 18 Plausibilitätskontrolle • Das Identifizierungsergebnis wird zusammen mit den Ergebnissen der dokumentierten zusätzlichen Untersuchungen auf Plausibilität überprüft Mikrobiologisches Know-How notwendig! 19 Wo steht MALDI TOF MS im Vergleich zu biochemischen und molekularbiologischen Methoden? L+S-interne Studie (publiziert in der Pharm. Ind. 77, Nr. 4, 550-561 (2015)): Es wurden 849 Proben aus dem Hygienemonitoring, die über ein Jahr gesammelt wurden, mittels VITEK MS (V2.0), VITEK 2 compact und MicroSEQ identifiziert und die Ergebnisse verglichen. 20 Identifizierung von Mikroorganismen im Vergleich VITEK 2 compact MicroSEQ 2,1 0,7 1,4 VITEK MS 5,1 0,5 93,5 97,2 Spezies Gattung 6,7 92,8 kein Ergebnis (Quelle: Pharm. Ind. 77, Nr. 4, 550-561 (2015) 21 Resultate der Studie allgemein: • 78,4 % der Isolate konnten mit allen drei Methoden bis auf SpeziesEbene gleich identifiziert werden. • Mit MicroSEQ konnten die meisten zuverlässigen Ergebnisse bis Spezies bestimmt werden (→ „Goldener Standard“). • Die biochemische Methode weist die höchste Fehlerrate auf (30 nicht plausible Ergebnisse). • MALDI TOF MS mit den meisten „No-ID“-Resultaten. 22 Welche Keime identifiziert VITEK MS zuverlässig? • • • • • Staphylokokken Mikrokokken Pseudomonaden (Ausnahme: Wasserkeime) Enterobakterien einige coryneforme Bakterien (besser als VITEK 2 compact) Voraussetzung: Datenbank-Eintrag!!! 23 Wo besteht Handlungsbedarf? • fehlende Datenbank-Einträge führten zu Fehlidentifizierung, z. B. Kocuria sp.: K. rhizophila → identifiziert als Rothia mucilaginosa K. palustris → identifiziert als Lactobacillus jensenii / Propionibacterium propionicum / Citrobacter farmeri Beide Spezies in V3.1 hinterlegt! 24 Wo besteht Handlungsbedarf? • z.B. Microbacterium sp. → wurde oft falsch identifiziert als Paenibacillus sp. nach Update mit V3.1 noch nicht vorgekommen • Schwierige Bakterien aufgrund von besonderen Wachstumseigenschaften (z.B. schleimig, wässrige Bazillen; feine Corynebakterien) 25 Fazit der Studie MALDI TOF MS ist durch Schnelligkeit der Ergebnisgenerierung, Einfachheit der Anwendung und bei weiterer Expansion der Datenbank durch Umwelt- und Wasserkeime System „erster Wahl“! Effektivste Herangehensweise in Zukunft: Initiale Identifizierung mittels VITEK MS → wenn kein/kein plausibles Ergebnis: Sequenzierung → weitere Differenzierung von ähnlichen Keimen, die mit der MALDI TOFMethode schwer zu unterscheiden sind, z. B. mittels biochemischen Zusatztests 26 Vorteile + schnelle Identifizierung → ein einzelnes Identifizierungsergebnis liegt innerhalb von Minuten vor (Vorbereitung und Messen eines ganzen Targets dauert ca. 1,5h) → keine Verdachtsdiagnose nötig, da gleicher Probenansatz (ABER begrenzt: da z. B. bei Hefen zusätzlicher Aufschluss + Datenbankauswahl notwendig; Nachteil: Mitarbeiter beschäftigt sich vorher nicht mit der Kultur!) → wenige Bearbeitungsschritte → bis zu 192 Proben (d.h. 4 Targets) pro Lauf möglich 27 Vorteile + Benutzerfreundliche Software → Einfache Anwendung → zügige Qualifizierung von neuen Mitarbeitern + CFR 21 part 11 kompatibel (Usermanagement, Audittrail, geschlossene DB) + wenig Verbrauchs- und Verpackungsmaterial → 3 Kalibrationsspots pro Target → wiederverwendbar, wenn freie Acquisition groups → alle 48 spots können für Proben genutzt werden 28 Vorteile + Medienunabhängig und unabhängig vom Alter der Kultur z. B. E. coli: Medien: Columbia Blutagar, Caso-Agar, MacConkey-Agar Zeit: 24h, 48h, 72h → bei älteren Kulturen dauert die Messung länger + Datenbank mit Hauskeimen erweiterbar → VITEK MS Plus (Myla + SARAMIS) 29 Nachteile Anschaffungs- und Wartungskosten Regelmäßiges Finetuning notwendig → sonst keine/schlechte Ergebnisse Trennen der Datenbank in Bakterien und Pilze Erkennt keine Mischkulturen 30 Nachteile Begrenzte Leistungsfähigkeit des Servers → ab 60.000 gespeicherten Ergebnissen/Spektren (bei L+S = 30.000 Isolate!) → Myla arbeitet langsam, Programm „hängt“ sich auf → gleichzeitiges Nutzen von Acquisition- und Myla-Software auf einem Rechner führt zu Abbruch der Messung VITEK MS Plus → zwei Messungen notwendig zur Identifizierung eines Isolates mit beiden Datenbanken 31 Datenbank-Update (V3.1) seit Ende März 2017 bei L+S Einträge Datenbank V2.0 V3.1 Bakterien 649 (576*) 965 (862*) Hefen/Schimmelpilze 111 (109*) 198 (191*) Gesamt 760 (685*) 1163 (1053*) * Letztendlich mögliche Identifizierungsergebnisse, da auch Keime zu Gruppen zusammengefasst und lediglich zur Information enthalten sind, z. B. Acinetobacter baumannii complex, Bacillus cereus group, Brevibacillus spp., u.a.) 32 Datenbank-Update (V3.1) seit Ende März 2017 bei L+S Erste Erfahrungen/Eindrücke: - Verbesserung der Quote von plausiblen Identifizierungsergebnissen mittels VITEK MS Datenbank-Eintrag essentiell für plausible Identifizierungsergebnisse! Beseitigung von Diskrepanzen zw. VITEK MS und Vitek 2 compact-DB (z. B. Kocuria sp./Micrococcus sp.) - Weitere Datenbank-Einträge notwendig regelmäßige Updates! 33 Datenbank-Update (V3.1) seit Ende März 2017 bei L+S Weiteres Potential durch Schimmelpilz-Identifikation Zusätzliche Schimmelpilz-Einträge in der Datenbank und spezielles Aufschluss-Verfahren bieten Grundlage für weiteres Potential der MALDI-TOF-Methode! 34 Fazit: VITEK MS – Identifizierungen zuverlässig, wenn Keim in der Datenbank hinterlegt ist! Wünschenswert jährlich ein Datenbank-Update! Quelle: ClipArt 35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Quelle: ClipArt 36 Frank Kugler Operative Geschäftsleitung Geschäftsfeld Mikrobiologie [email protected] +49 (0)97 08/91 00-340 www.labor-ls.de 37