transfer 2_2009.qxd 02/2009 | 10.06.2009 11:11 Uhr Seite 19 transferWerbeforschung & Praxis FORSCHUNG Eingereicht: 12.11.2008, akzeptiert: 12.03.2009 Wer lacht über humorvolle Werbung? – Der Einfluss von Kultur und Geschlecht Dipl.-Kffr. Uta Schwarz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing an der TU Dresden. [email protected] Dr. Stefan Hoffmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing an der TU Dresden. [email protected] Schlagworte: 1. Die vorliegende Studie untersucht am Beispiel von Deutschland und Russland, inwieweit es von Geschlecht und kultureller Prägung der Umworbenen abhängt, ob diese an widersprüchlichem Humor Gefallen finden. Ein OnlineExperiment zeigt, dass humorvolle Werbeanzeigen unabhängig vom Geschlecht in beiden Märkten besser wirken als humorlose Werbung, wobei dieser Effekt in Deutschland stärker ist als in Russland. Die Untersuchung impliziert, dass Marketingexperten den deutschen und den russischen Markt mit widersprüchlich-humorvollen Anzeigen standardisiert bearbeiten können. Humorlose Anzeigen werden in Deutschland hingegen deutlich schlechter beurteilt als in Russland. Humor Humorwirkung Kultur Werbung Einleitung Weltweit gilt Humor als ein erfolgversprechendes Instrument der Werbemittelgestaltung. Dies belegt u. a. die jährliche Prämierung humorvoller Kampagnen bei den International CLIO Awards oder der Cannes Rolle. Die große Popularität dieses Stilmittels lässt sich damit erklären, dass ihm mehrere positive Effekte zugeschrieben werden: Humorvoll gestaltete Werbeappelle gelten als geeignet, die Aufmerksamkeit der Umworbenen auf die Werbemaßnahme zu lenken (Weinberger et al. 1995), den Bekanntheitsgrad einer Marke zu steigern sowie eine positive Einstellung gegenüber der Werbemaßnahme und der beworbenen Marke zu erzeugen (Chung/Zhao 2003). Bislang noch nicht ausreichend erforscht ist jedoch die Frage, unter welchen Bedingungen Humor in der Werbung wirkt. Ungeklärt ist insbesondere, welche Zielgruppen sich durch humorvolle Werbung überzeugen lassen. Untersuchungen zum Einfluss des Geschlechts auf die persuasive Wirkung von Humor lieferten widersprüchliche Ergebnisse (Eisend 2007). Der Einfluss der Landeskultur auf die Wirkung humorvoller Werbung war bisher nur in einer empirischen Studie Forschungsgegenstand (Unger 1995). In der vorliegenden Untersuchung soll deshalb am Beispiel von weiblichen und männlichen Probanden aus Deutschland und Russland experimentell geprüft werden, inwieweit die kulturelle Prägung und das Geschlecht der Umworbenen den wahrgenommenen Humorgehalt und die Einstellung zur Werbeanzeige positiv beeinflussen. 2. Humor als Gegenstand der Forschung Mit der Frage, wie und warum Humor wirkt, haben sich seit der Antike Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen eingehend auseinander gesetzt (Eisend/Kuß 2009). Das heutige Begriffsverständnis umfasst eine subjekt- und eine objektbezogene Sichtweise. Subjektorientierte Ansätze definieren Humor als die Fähigkeit eines Menschen, selbst komisch zu sein bzw. lustige Inhalte wahrnehmen zu können (Marhenke 2003, S. 25). Im Mittelpunkt der objektbezogenen Ansätze steht die Frage, wie ein Stimulus gestaltet sein muss, damit Menschen über ihn lachen (Horn 1988, S. 195). Um darauf Antwort geben zu können, werden verschiedene Arten von Humor unterschieden. 2.1 Arten von Humor Über die Systematisierbarkeit der einzelnen Humorarten bestehen in der Humorforschung unterschiedliche Auffassun- 19 transfer 2_2009.qxd 20 10.06.2009 11:11 Uhr Seite 20 transferWerbeforschung & Praxis gen. Technisch-orientierte Klassifikationen (Kelly/ Solomon 1975, S. 32) unterteilen Humor anhand der verwendeten Witztechniken (z. B. Wortspiele und Übertreibungen). Theoretisch-orientierte Klassifikationen gehen auf eine Systematisierung von Freud (1921) zurück, welcher zwischen tendenziösen und nicht-tendenziösen Witzen unterscheidet. Zu den tendenziösen Witzen zählt er aggressiven und sexuellen Humor, während nicht-tendenziöse Witze auf dem Prinzip der Inkongruenz-Auflösung (= widersprüchlicher Humor) beruhen. Goldstein/McGhee (1972) schlagen als Ergebnis einer Literaturanalyse zur Humorforschung ebenfalls eine Unterteilung in widersprüchlichen, aggressiven und sexuellen Humor vor. Die umfangreichste Klassifikation entwickelte Speck (1990, S. 11ff.). Er grenzte fünf verschiedene Arten von Humor voneinander ab: „comic wit“, „satire“, „sentimental humor“, „sentimental comedy“, „full comedy“. In einer anschließenden inhaltsanalytischen Untersuchung von 335 amerikanischen TV-Spots fand der Autor heraus, dass der auf Inkongruenzen basierende „comic wit“ am häufigsten eingesetzt wurde. Gegenstand des empirischen Teils der Arbeit ist die Wirkung von widersprüchlichem Humor, da diese Humorart auch in der Werbepraxis am weitesten verbreitet ist (McCullough/Taylor 1993). Widersprüchlicher Humor basiert darauf, dass die Botschaft bei dem Umworbenen Inkongruenzen erzeugt, die gemäß der Inkongruitäts-Auflösungstheorie nach Auflösung verlangen (Shultz 1972; Suls 1972). Dies wiederum setzt die bewusste gedankliche Auseinandersetzung des Rezipienten mit der Werbebotschaft voraus. Sobald der Umworbene die Ursache für den Widerspruch erkennt, löst sich die aufgebaute innere Spannung mit einem „befreienden Lachen“ auf (Speck 1990, S. 7f.). So wurden die Vitamintabletten der Marke Centrum im angelsächsischen Raum einst mit dem Slogan „Beta than ever“ beworben. Das Wortspiel erzeugt einen Widerspruch zwischen dem, was wir lesen, und dem, was wir erwarten („Better than ever“). Sobald die Umworbenen erkennen, dass die Anzeige für die positive Wirkung des Zusatzstoffes Beta-Carotin wirbt, können die widersprüchlichen Informationen entschlüsselt und die Anspannung aufgelöst werden, was an einem erleichterten Lachen erkennbar ist. 2.2 Wirkung humorvoller Werbung Ob und wie Humor als Stilmittel wirkt, darüber diskutiert die klassische Werbewirkungsforschung bereits seit Jahrzehnten. Sternthal/Craig (1973) leiteten aus einem Literaturüberblick erstmals die Annahme ab, dass Humor ein geeignetes Mittel ist, um Aufmerksamkeit zu wecken. Knapp 20 Jahre FORSCHUNG | 02/2009 später konnten Weinberger/Gulas (1992) meta-analytisch die aufmerksamkeitssteigernde Wirkung humorvoller Werbung bestätigen. Die zentrale Frage allerdings, ob Humor persuasiv wirkt, d. h. geeignet ist, um Einstellungen zu beeinflussen und Kaufabsichten zu wecken, fand hingegen widersprüchliche Antworten. Chattopadhyay/Basu (1990, S. 467) schlugen deshalb verschiedene Moderatorvariablen vor, um erklären zu können, unter welchen Bedingungen humorvolle Werbung wirkt. Eine aktuelle Meta-Analyse Eisend (2009) offenbart, dass Merkmale des Produktes (Low- vs. High-Involvement Produkte, hedonistische vs. utilitaristische Produkte), die Platzierung im Medien- und Programmumfeld (audiovisuelle Medien vs. Printmedien) sowie die Art der Werbung (reale vs. fiktive Werbung) die Wirksamkeit humorvoller Werbung beeinflussen. Die Frage, inwieweit die Humorwirkung von Merkmalen der Zielgruppe abhängt, konnte hingegen bislang nicht hinreichend beantwortet werden. Da bislang nur eine empirische Studie die Wirkung von Humor kulturvergleichend untersucht hat (Unger 1995) und zum Einfluss des Geschlechts widersprüchliche Befunde vorliegen (Madden/ Weinberger 1982; Lammers et al. 1983), sollen beide Einflussgrößen in der vorliegenden Studie näher betrachtet werden. 3. Kultur und Geschlecht als zielgruppenspezifische Moderatoren der Humorwirkung 3.1 Kultur 3.1.1 Stand der Forschung Aus Sicht der kulturvergleichenden Wissenschaften zählt Humor zu den „cultural universals“, d. h. zu den Ausdrucksmitteln, die weltweit in vergleichbarer Weise der zwischenmenschlichen Verständigung dienen (Nevo et al. 2001, S. 144). Dies bedeutet jedoch nicht, dass humorvolle Werbebotschaften international standardisiert eingesetzt werden können (Ziv 1988): Zwar lachen Menschen weltweit über lustige Inhalte und besitzen selbst die Fähigkeit, humorvoll zu sein. Die Art und Weise, wie Humor eingesetzt und verstanden wird, hängt jedoch in starkem Maße von unterschiedlichen Kulturstandards (z. B. Sprache, Wertvorstellungen) ab. So nehmen Angehörige anderer Kulturen den nordamerikanischen Humor als banal, den britischen Humor als ironisch und den ostasiatischen Humor als naiv wahr (Schugk 2004, S. 287). Deshalb ist es Aufgabe der Forschung zu klären, welche kommunikativen Wirkungen verschiede- transfer 2_2009.qxd 22 10.06.2009 11:11 Uhr Seite 22 transferWerbeforschung & Praxis ne Arten von Humor in unterschiedlichen Kulturkreisen erzielen können. In der kulturvergleichenden Humorforschung dominieren bislang jedoch deskriptive Untersuchungen. Weinberger/Spotts (1989) und Toncar (2001) untersuchten den Einsatz humorvoller Werbung in Großbritannien und den USA. Sie zeigten, dass in amerikanischen TV-Spots direkter, unvermittelter Humor vorherrschte, während in der britischen Fernsehwerbung bevorzugt subtiler, unterschwelliger Humor eingesetzt wurde. Biswas et al. (1992) verglichen 279 amerikanische mit 259 französischen Printanzeigen und stellten fest, dass französische Werber häufiger humorvolle Werbebotschaften einsetzen als amerikanische (23 % vs. 11 %), wobei in Frankreich signifikant häufiger mit ironischem und widersprüchlichem Humor geworben wird als in den USA. McCullough/Taylor (1993) analysierten amerikanische, britische und deutsche Werbeanzeigen. Sie stellten dabei fest, dass in allen drei Ländern widersprüchlicher Humor im Vergleich zu warmherzigem, aggressivem und sexuellem Humor besonders verbreitet ist. Aus kulturvergleichender Sicht weisen die bisher genannten Studien einen bedeutsamen Bias auf: Fast alle Untersuchungen berücksichtigen nur den westlichen Kulturraum. Die einzige Ausnahme verkörpert die Arbeit von Alden et al. (1993), die in den kollektivistischen Ländern Thailand und Südkorea sowie in den individualistischen Ländern USA und Deutschland ausgestrahlte TV-Spots miteinander verglichen hat. Die Autoren stellten fest, dass in allen Ländern der Großteil der TV-Spots widersprüchliche Elemente enthielt (Südkorea: 57 %, Thailand: 82 %, Deutschland: 92 %, USA: 69 %). Die Werbewirkung von Humor untersuchte bislang nur Unger (1995). Sie zeigte pfadanalytisch, dass humorvolle Werbeanzeigen sowohl bei US-amerikanischen als auch bei finnischen Probanden die Einstellung zur Werbung sowie die Einstellung zur Marke positiv beeinflussen. Diese Studie vergleicht mit Finnland und den USA jedoch zwei westlich geprägte, individualistische Länder, deren Landeskulturen sich nur auf der Kulturdimension Gleichberechtigung („gender egalitarism“) (House et al. 2006) wesentlich unterscheiden. Zusammenfassend wird deutlich, dass in der kulturvergleichenden Humorforschung weiterer Forschungsbedarf besteht. Neben der weitgehenden Beschränkung auf individualistische Länder (Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien und USA), verkörpert die Konzentration auf inhaltsanalytische Methoden die bedeutsamste Restriktion FORSCHUNG | 02/2009 dieses Forschungsfeldes. Mit Ausnahme von Unger (1995) setzte sich die Forschung bislang lediglich mit der Frage auseinander, wie häufig Humor in der Werbung in verschiedenen Ländern eingesetzt wird und inwiefern die Art des eingesetzten Humors variiert. Da in dieser Studie die untersuchten Länder jedoch nicht nach kulturwissenschaftlichen Überlegungen (z. B. GLOBE-, Hofstede-Kulturmodell), sondern „pragmatisch“ als Convenience-Stichprobe ausgewählt wurden, liegt zum derzeitigen Zeitpunkt keine Studie vor, welche die Wirkung von Humor systematisch kulturvergleichend prüft. 3.1.2 Hypothese Die vorliegende Untersuchung stützt sich auf das Forschungsprogramm „Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness“ (House et al. 2006), um zu überprüfen, ob kulturelle Unterschiede das Humorverständnis und die damit verbundene Werbewirkung beeinflussen. Die sogenannte GLOBE-Studie hat verschiedene Kulturkonzeptionen, insbesondere den Ansatz von Hofstede (2001), zu einem neun-dimensionalen Kulturmodell weiterentwickelt. Die Dimension Ingroup-Kollektivismus hat sich in zahlreichen empirischen Untersuchungen als besonders bedeutungsmächtig herausgestellt (Gelfand et al. 2006, S. 437) und erscheint, wie im Folgenden gezeigt wird, als geeignet, um kulturelle Unterschiede in der Humorwirkung erklären zu können. Ingroup-Kollektivismus erfasst die Art der Beziehung, die zwischen Individuen in einer Gesellschaft herrscht. Für den Typus der individualistischen Landeskultur ist ein ausgeprägtes Kognitionsbedürfnis charakteristisch. Angehörige individualistischer Länder sind es gewohnt, Erklärungen für ungewohnte Vorgänge zu suchen, während Mitglieder kollektivistischer Kulturen ihre Umwelt vorzugsweise in Gestalt ganzheitlicher Ereignisse wahrnehmen (Miller 1984). Widersprüchlicher Humor beruht auf den in der Werbebotschaft enthaltenen Inkongruenzen. Um diese aufzulösen, müssen sich die Umworbenen gedanklich mit dem Widerspruch auseinandersetzen und hierfür Erklärungen suchen. Mitglieder individualistischer Gesellschaften (geringe Werte auf der Dimension Ingroup-Kollektivismus) können aufgrund ihres kulturspezifischen Attributionsstils widersprüchliche Botschaften schneller entschlüsseln. Deshalb sollte ihnen diese Art von Humor besser gefallen als Angehörigen aus dem kollektivistischen Kulturkreis (hohe Werte auf der Dimension Ingroup-Kollektivismus). H1a/b: In individualistischen Ländern sozialisierte Personen transfer 2_2009.qxd 02/2009 | 10.06.2009 11:12 Uhr Seite 23 FORSCHUNG a) nehmen die Anzeige mit widersprüchlichem Humor als humorvoller war und b) entwickeln eine positivere Einstellung zur Anzeige mit widersprüchlichem Humor als in kollektivistischen Ländern sozialisierte Personen. 3.2 Geschlecht 3.2.1 Stand der Forschung Zahlreiche Forscher vermuten, dass die Art und Weise, wie verschiedene Humorarten verstanden werden, vom Geschlecht abhängt (Knieper/Schenk 2002, S. 2; McCullough/Taylor 1993, S. 19). In diesem Zusammenhang wurde zum einen untersucht, inwieweit Männer und Frauen in unterschiedlichem Ausmaß selbst komisch sind. Zum anderen hat sich die Forschung mit der Frage auseinandergesetzt, ob Geschlechterunterschiede in der Akzeptanz humorvoller Botschaften bestehen. Fasst man die Ergebnisse bisheriger Studien zusammen, zeigt sich, dass Männer über ein größeres Repertoire an Witzen verfügen und häufiger Witze erzählen als Frauen (Nevo et al. 2001, S. 145). Dies belegt u. a. eine Untersuchung von Middleton/Moland (1959), bei der mehr als 200 amerikanische Collegestudenten gebeten wurden, alle Witze zu dokumentieren, die sie im Laufe einer Woche hörten. Zusätzlich sollten die Probanden notieren, ob der Witz von einem Mann oder einer Frau erzählt wurde. Insgesamt wurden 604 Witze gesammelt, wobei deutlich mehr Witze von Männern (60 %) als von Frauen (40 %) stammten. Die Frage, ob Frauen und Männer über verschiedene Arten von Humor lachen, konnte bislang nicht eindeutig beantwortet werden. Whipple/Courtney (1981) verglichen die Humorpräferenzen zwischen Männern und Frauen hinsichtlich widersprüchlich-humorvoller Werbung, aggressiv-humorvoller Werbung sowie sexuell-humorvoller Werbung. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer eher über aggressiven und sexuellen Humor lachen, während Frauen widersprüchlichen Humor bevorzugen. Einer Untersuchung von Lammers et al. (1983) zufolge, ließen sich Frauen weniger von einem humorvollen Radio-Spot für ein Industriegüterprodukt beeinflussen als männliche Rezipienten. Im Gegensatz zu diesen Befunden, wonach Humor bei Männern besser wirkt als bei Frauen, fanden Madden/Weinberger (1982) keine signifikanten Geschlechterunterschiede in der Aufmerksamkeitswirkung widersprüchlicher-humorvoller Werbeanzeigen. transferWerbeforschung & Praxis 3.2.2 Hypothese Ursachen für die aufgeführten Unterschiede finden sich in der Sozialisation von Männern und Frauen. Humor ermöglicht es einem Individuum, Normen zu brechen und ungewöhnliche Perspektiven auf bestimmte Personen, Institutionen oder Alltagsvorgänge zu schaffen. Auf diesem Wege ist es möglich, Spannungen abzubauen und sich Erleichterung zu verschaffen. Die Möglichkeit, die Realität zu hinterfragen und mit Ängsten und Bedürfnissen offensiv umzugehen, wurde Frauen in der Vergangenheit jedoch weniger zugestanden als Männern. Zudem wird der Begriff der Weiblichkeit kulturübergreifend schon seit Jahrhunderten durch die Vermeidung von Aggressivität symbolisiert, wogegen die Fähigkeit zum physischen und sprachlichen Kämpfen und Zurückschlagen mit Männlichkeit assoziiert wird (Kotthoff 2004). In den letzten 20 Jahren sind die althergebrachten Geschlechterverhältnisse in Komik und Humor im Zuge des Feminismus und der Forderung nach Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ins Wanken geraten. Carroll (1989) und Vitulli/Barbin (1991) postulieren in der „egalitarian hypothesis“, dass sich Männer und Frauen im Zuge einer Annäherung der Geschlechterrollen zunehmend auch in ihren Humorpräferenzen angleichen werden. Dies äußert sich bspw. darin, dass beide Geschlechter Witze bevorzugen, die zu Lasten des jeweils anderen Geschlechts gehen (Wiseman 2008, S. 30). Kotthoff (2004) weist zudem darauf hin, dass sowohl Männer als auch Frauen Humorarten präferieren, bei denen geneckt und kritisiert wird, ohne dabei zu aggressiv zu sein. Dies scheint insbesondere auf den widersprüchlichen Humor zuzutreffen. Aus diesem Grund postuliert die vorliegende Untersuchung, dass zwischen Frauen und Männer keine Unterschiede in der Bewertung des wahrgenommenen Humorgehalts und der Einstellung zur Anzeige einer widersprüchlich-humorvollen Werbung bestehen. H2a/b: Frauen und Männer unterscheiden sich nicht a) in der Beurteilung des wahrgenommenen Humorgehaltes der Anzeige mit widersprüchlichem Humor und b) in der Einstellung zur Anzeige mit widersprüchlichem Humor. 4. Design 4.1 Auswahl der Länder Die GLOBE-Studie ermittelte die Mittelwerte (Praktiken auf Gesellschaftsebene) für 61 Länder auf einer siebenstufigen 23 transfer 2_2009.qxd 24 10.06.2009 11:12 Uhr Seite 24 transferWerbeforschung & Praxis Skala (1 = niedriger Kollektivismus bis 7 = hoher Kollektivismus). Die arithmetischen Mittel in der Stichprobe reichen von 3,53 (Dänemark) bis 6,36 (Philippinen). Das arithmetische Mittel aller 61 Länder beträgt 5,13. Der Einfluss der Dimension Ingroup-Kollektivismus auf die Werbewirkung humorvoller Anzeigen soll in der vorliegenden Untersuchung am Beispiel von Deutschland und Russland analysiert werden. Hierfür sind zwei Gründe maßgeblich: Zum einen sind Deutschland (m = 4,27) und Russland (m = 5,63) auf der relevanten Kulturdimension Ingroup-Kollektivismus sehr unterschiedlich positioniert (Gelfand et al. 2006, S. 469). Zum anderen ist Russland ein bedeutsamer Wirtschaftspartner von Deutschland, der seit vielen Jahren Erdöl und -gas liefert. Die deutsche Wirtschaft exportiert vor allem in Bereichen wie Kraftfahrzeuge, Maschinen und Anlagen, Baumaterial, Möbel, Konsumgüter sowie landwirtschaftliche Produkte. Es ist zu erwarten, dass Russland auch auf absehbare Zeit ein wichtiger Exportmarkt für Deutschland bleiben wird. Umgekehrt wächst das Interesse russischer Unternehmen an Investitionen in Deutschland (Föderaler Statistikdienst der russischen Föderation, 2009). 4.2 Stichprobe Sowohl russische als auch deutsche Studenten wurden eingeladen, an einem Online-Experiment teilzunehmen. Insgesamt 125 Studenten der Wirtschaftswissenschaften an der TU Dresden (n = 65) sowie der St. Petersburg School of Management (n = 60) folgten dem Aufruf. 50,8 % der deutschen Probanden und 53,3 % der russischen Probanden sind weiblich. 4.3 Treatment Speziell für die Zwecke der Untersuchung wurden eine humorlose und eine widersprüchlich-humorvolle Printanzeige für einen fiktiven Zahnpflege-Kaugummi entworfen. Das Bildmotiv der humorlosen Anzeige zeigt eine attraktive, junge Frau mit einem schönen Lächeln und gepflegten Zähnen. Im Mittelpunkt der Variante mit widersprüchlicher Werbung steht ein junges Paar, das sich küsst. Der Slogan „Zum Tauschen und Sammeln“ steht im Widerspruch zum Bildmotiv. Diese Inkongruenz überwindet der Umworbene, wenn er erkennt, dass beim Küssen auch ein Kaugummi ausgetauscht werden kann. Durch den Verzicht auf den Einsatz von realen Anzeigen konnte gewährleistet werden, dass die Befragten das Stimulusmaterial nicht kennen und damit unvoreingenommen antworten. In der Online-Umfrage sah jeder Proband nacheinander die beiden Anzeigen. Auf diesem Wege kann der Einfluss in- FORSCHUNG | 02/2009 terpersoneller Differenzen im Humorempfinden minimiert werden. Um Reihenfolgeeffekte auszuschließen, wurde die Abfolge, in der die Anzeigen präsentiert werden, randomisiert. 64 Probanden sahen zunächst die widersprüchlich-humorvolle Anzeige. Bei 61 Probanden wählte der Zufallsgenerator die humorlose Anzeige als erstes aus. Um die nachfolgenden Analysen durchführen zu können, galt es zunächst auszuschließen, dass von der Reihenfolge der Exposition eine verzerrende Wirkung ausgeht. T-Tests für unabhängige Stichproben bestätigen bei zweiseitiger Testung, dass sich die Bewertung der Probanden, welche eine Anzeige im ersten Durchlauf gesehen haben, nicht statistisch signifikant von der Bewertung derjenigen unterscheidet, welche die Anzeige im zweiten Durchlauf gesehen haben. Dies gilt sowohl für die Beurteilung des Humorgehalts der humorlosen Anzeige (arithmetisches Mittel bei Darbietung im ersten Durchlauf: m1 = 2,16; bei Darbietung im zweiten Durchlauf: m2 = 2,14; t[df = 123] = 0,10; p = 0,92), die Einstellung zur humorlosen Anzeige (m1 = 2,79; m2 = 2,84; t[df = 123] = 0,20; p = 0,84), die Beurteilung des Humorgehalts der widersprüchlich-humorvollen Anzeige (m1 = 3,62; m2 = 3,81; t[df = 123] = 0,60; p = 0,55) und die Einstellung zur widersprüchlich-humorvollen Anzeige (m1 = 3,97; m2 = 4,22; t[df = 123] = 0,93; p = 0,35). Es liegen somit keine Konditionierungseffekte durch die mehrfache Darbietung vor. 4.4 Operationalisierung der abhängigen Variablen Nach jeder Anzeige wurden die Befragten gebeten anzugeben, für wie humorvoll sie die dargebotene Werbung empfinden (wahrgenommener Humorgehalt) und wie sehr ihnen die Werbung gefällt (Einstellung zur Anzeige). Hierbei kamen siebenstufige Ratingskalen zum Einsatz. Der wahrgenommene Humorgehalt wurde mit Hilfe von vier von Zhang/Zinkhan (2006) und Cline et al. (2003) adaptierten Items gemessen. Die Messung der Einstellung zur Anzeige orientiert sich an Unger (1995). Die verwendeten Items sind im Anhang dargestellt. 4.5 Güte der Operationalisierung Um ein interkulturell äquivalentes Messinstrument zu entwickeln, bietet sich die Methode der Rückübersetzung an (Brislin 1970). Dazu wurde der Fragebogen zunächst von einer Dolmetscherin vom Deutschen ins Russische übersetzt. Eine zweite unabhängige Übersetzerin übersetzte die russische Version wieder zurück ins Deutsche, ohne den ursprünglichen Fragebogen zu kennen. So konnten sprachliche Mängel aufgedeckt und die semantische Äquivalenz des rus- transfer 2_2009.qxd 02/2009 | 10.06.2009 11:12 Uhr Seite 25 transferWerbeforschung & Praxis FORSCHUNG sischen und des deutschen Fragebogens gesichert werden (Müller/Gelbrich 2004, S. 255ff.). Explorative Faktorenanalysen zeigen, dass die abhängigen Variablen wahrgenommener Humorgehalt und Einstellung zur Anzeige sowohl in der deutschen als auch in der russischen Teilstichprobe die gängigen Gütekriterien erfüllen. Cronbach’s Alpha liegt jeweils über dem geforderten Wert von α ≥ 0,7 (Nunnally 1978). Zudem wird häufig verlangt, dass ein Faktor mindestens 50 % der Varianz aller Indikatoren erklären sollte (Bagozzi/Yi 1988, S. 82), was in der vorliegenden Untersuchung für beide Teilstichprobe, für beide Anzeigentypen und für beide abhängigen Variablen erfüllt ist (vgl. Tabelle 1). In der vorliegenden Untersuchung sollen Mittelwertvergleiche zwischen Probanden aus zwei Ländern durchgeführt werden. Deshalb gilt es nach Steenkamp/Baumgartner (1998) zu zeigen, dass konfigurale Invarianz, metrische Invarianz und skalare Invarianz vorherrscht. Hierzu kommt eine konfirmatorische Faktorenanalyse zum Einsatz (berechnet mit AMOS 16.0; Maximum-Likelihood-Schätzung), wobei genestete Mehrgruppen-Modelle über die Konstrukte wahrgenommener Humorgehalt und Einstellung zur Anzeige für beide Anzeigen verglichen werden. Konfigurale Invarianz liegt vor, wenn in beiden Untersuchungsländern dasselbe Muster salienter (d. h. signifikant von Null abweichender) und nichtsalienter Ladungen nachgewiesen werden kann. Diese Annahme lässt sich für alle Konstrukte nachweisen. Der comparative Fit Index von CFI = 0,933, der Tucker-Lewis-Index von TLI = 0,914 und der Root Mean Square of Error Approximation von RMSEA = 0,073 bestätigen eine akzeptable Anpassung des Modells an die empirischen Daten. Zusätzlich weist der Test nach Fornell-Larcker (1981) in beiden Ländern die Diskriminanzvalidität aller Faktoren nach. Von metri- scher Invarianz spricht man, wenn die Skalierung in beiden Untersuchungsländern äquidistant ist. Die globale Güte des Messmodells verschlechtert sich nicht statistisch signifikant, wenn die Skalierung (d. h. die Faktorladungen) in beiden Ländern auf denselben Wert restringiert wird (Δχ² = 16,45; Δdf = 10; p = 0,09). Das Kriterium skalare Invarianz fordert schließlich, dass interkulturelle Mittelwertunterschiede der Indikatorvariablen auf interkulturelle Unterschiede der latenten Konstrukte zurückzuführen sind. Diese Annahme muss zunächst widerlegt werden, da bei einer Restringierung aller Regressionskonstanten eine signifikante Verschlechterung des Modellfits in Kauf genommen werden muss (Δχ² = 67,74; Δdf = 20; p ≤ 0,001). Steenkamp/Baumgartner (1998, S. 81) weisen jedoch darauf hin, dass für valide interkulturelle Mittelwertsvergleiche eine partielle skalare Invarianz hinreichend ist. Nachdem die Restringierung der vier Regressionskonstanten aufgegeben wurde, lässt sich konfigurale, metrische und partiell-skalare Invarianz nachweisen (Δχ² = 24,09; Δdf = 16; p < 0,05). Ein valider interkultureller Mittelwertvergleich ist somit möglich. 5. Untersuchungsergebnisse Im Folgenden gilt es zu prüfen, inwiefern die Beurteilung des Humorgehalts und die Einstellung zur Werbung bei humorlosen und widersprüchlich-humorvollen Anzeigen von kultureller Prägung (H1a/b) und Geschlecht (H2a/b) des Rezipienten abhängen. Tabelle 2 zeigt zunächst deskriptiv die Mittelwerte der Variablen wahrgenommener Humorgehalt und Einstellung zur Anzeige für alle untersuchten Gruppen. Eine Varianzanalyse mit Messwiederholung zeigt, dass die Probanden die beiden Anzeigentypen hinsichtlich der abhängigen Variablen signifikant unterschiedlich beurteilen (Haupteffekt der Humorart; wahrgenommener Humorgehalt: Tabelle 1: Gütemaße im Überblick Deutschland Cronbach’s Alpha Russland Erklärte Varianz (in %) Cronbach’s Alpha Erklärte Varianz (in %) Widersprüchliche Anzeige wahrgenommener Humorgehalt 0,94 85,79 0,90 76,88 Einstellung zur Werbung 0,93 87,14 0,95 90,85 wahrgenommener Humorgehalt 0,92 74,08 0,88 74,54 Einstellung zur Werbung 0,90 71,90 0,91 85,00 Humorlose Anzeige 25 transfer 2_2009.qxd 26 10.06.2009 11:12 Uhr Seite 26 transferWerbeforschung & Praxis FORSCHUNG | 02/2009 Tabelle 2: Einfluss von Kultur und Geschlecht auf die Werbewirkung Humorlose Anzeige Widersprüchlich-humorvolle Anzeige Wahrgenommener Humorgehalt Mittelwert (Standardabweichung) Einstellung zur Anzeige Mittelwert (Standardabweichung) Wahrgenommener Humorgehalt Mittelwert (Standardabweichung) Einstellung zur Anzeige Mittelwert (Standardabweichung) männlich 1,98 (1,12) 2,66 (1,12) 4,04 (1,77) 4,43 (1,49) weiblich 1,66 (0,97) 2,51 (1,07) 3,68 (1,68) 3,86 (1,52) männlich 2,37 (1,29) 3,08 (1,60) 3,55 (1,83) 4,28 (1,94) weiblich 2,71 (1,55) 3,10 (1,67) 3,55 (1,66) 3,69 (1,98) Deutschland Russland F = 75,02; p ≤ 0,001; Einstellung zur Anzeige: F = 48,20; p ≤ 0,001; vgl. Tabelle 3). Sowohl für den wahrgenommenen Humorgehalt (F = 10,86; p ≤ 0,001) als auch für die Einstellung zur Anzeige (F = 5,02; p ≤ 0,05) kann ein Interaktionseffekt von Humorart (widersprüchlich vs. humorlos) und Kultur (Deutschland vs. Russland) nachgewiesen werden. Wie in Hypothese H2a/b angenommen, bestehen keine geschlechtsspezifischen Besonderheiten in der Wirkung der widersprüchlich-humorvollen und der humorlosen Anzeige (wahrgenommener Humorgehalt: F = 0,27; p = 0,60; Einstellung zur Anzeige: F = 2,27; p = 0,14). Auch der Interaktionseffekt von Humorart, Kultur und Geschlecht ist für beide abhängigen Variablen nicht signifikant (wahrgenommener Humorgehalt: F = 0,15; p = 0,70; Einstellung zur Anzeige: F = 0,07; p = 0,72). Da zwischen Männern und Frauen kein signifikanter Unterschied in der Humorbewertung besteht, werden im Folgenden nur die Mittelwertunterschiede zwischen russischen und deutschen Befragten tiefer gehend untersucht. T-Tests für unabhängige Stichproben zeigen, dass sich die Beurteilung der humorlosen Anzeige zwischen den beiden Ländern signifikant unterscheidet (vgl. Abbildung 1). Dies gilt sowohl für den wahrgenommenen Humorgehalt (t[df = 123] = 3,03; p ≤ 0,01; η² = 0,08) als auch für die Einstellung zur Anzeige (t[df = 123] = 2,04; p ≤ 0,05; η² = 0,03). Die Beurteilung der widersprüchlichen Anzeige unterscheidet sich hingegen nicht zwischen den beiden Ländern. Dies gilt für die Beurteilung des wahrgenommenen Humorgehalts (t[df = 123] = 1,00; p = 0,32) und die Einstellung zur Anzeige (t[df = 123] = 0,45; p = 0,65). Die Bewertung der humorlosen Anzeige ist somit in Russland signifikant positiver als in Deutschland, während die widersprüchliche Anzeige in beiden Ländern gleich gut angenommen wird. Hypothese H1a/b, in der postuliert wurde, dass Angehörige aus individualistischen Kulturen (z. B. Deutschland) widersprüchlich-humorvolle Werbung besser gefällt als Angehörigen aus kollektivistischen Kulturen (z. B. Russland), lässt sich daher nicht bestätigen. Follow-Up-Paarvergleiche sollen aufdecken, inwiefern sich die Wirkung der beiden Humorarten in den beiden Ländern Tabelle 3: Einfluss von Kultur und Geschlecht auf die Werbewirkung (ANOVA) Wahrgenommener Humorgehalt Einstellung zur Anzeige df F p df F p Humorart 1 75,02 0,000 1 48,20 0,000 Humorart x Kultur 1 10,86 0,001 1 5,02 0,027 Humorart x Geschlecht 1 0,27 0,602 1 2,27 0,135 Humorart x Kultur x Geschlecht 1 0,15 0,697 1 0,07 0,720 transfer 2_2009.qxd 28 10.06.2009 11:12 Uhr Seite 28 transferWerbeforschung & Praxis FORSCHUNG | 02/2009 Abb. 1: Kommunikationswirkungen in Deutschland und Russland wahrgenommener Humorgehalt Einstellung zur Anzeige 5 5 4,15 3,86 4 4 3,92 3,10 3,46 3 3 2,54 2,58 1,82 2 2 1 humorlose Werbung* Legende: widersprüchlicher Humor deutsche Probanden humorlose Werbung* russische Probanden unterscheidet. Zunächst gilt es zu prüfen, ob der Haupteffekt der Humorart auch für jede der beiden Teilstichproben individuell besteht. T-Tests für abhängige Stichproben zeigen, dass in beiden Ländern signifikante Unterschiede in der Beurteilung der beiden Anzeigen bestehen. Dies gilt sowohl für die Beurteilung des Humorgehalts in Deutschland (t[df = 64] = 8,23; p ≤ 0,001), die Einstellung zur Anzeige in Deutschland (t[df = 64] = 7,14; p ≤ 0,001), die Beurteilung des Humorgehalts in Russland (t[df = 56] = 4,38; p ≤ 0,001) und die Einstellung zur Anzeige in Russland (t[df = 56] = 3,46; p ≤ 0,01). Die widersprüchlich-humorvolle Anzeige wird somit in beiden Ländern als humorvoller eingestuft als die humorlose Anzeige und in beiden Ländern ist die Einstellung zur widersprüchlichen Anzeige signifikant höher als die Einstellung zur humorlosen Anzeige. Der Effekt ist in Deutschland (wahrgenommener Humorgehalt: η² = 0,52; Einstellung zur Anzeige: η² = 0,44) jedoch deutlich stärker als in Russland (wahrgenommener Humorgehalt: η² = 0,26; Einstellung zur Anzeige: η² = 0,18). 6. 1 Zusammenfassung der Ergebnisse und Implikationen für Forschung und Praxis Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass zwischen Männern und Frauen keine signifikanten Unterschiede in der widersprüchlicher Humor * signifikanter Unterschied (p ≤ 0,05) Bewertung der humorvollen Anzeige bestehen, während die kulturelle Prägung der Umworbenen die Humorwirkung signifikant beeinflusst. Zwar präferieren Rezipienten in beiden Ländern die humorvolle Werbung gegenüber der humorlosen Anzeige. Der Unterschied in der Werbewirkung zwischen der humorlosen und der humorvollen Anzeige fällt in Deutschland jedoch deutlich stärker aus als in Russland. Entgegen den Erwartungen der vorliegenden Untersuchung besteht der Unterschied zwischen Probanden der beiden Untersuchungsländer nicht in der Beurteilung der widersprüchlich-humorvollen Anzeige. Sie wurde sowohl von den deutschen als auch von den russischen Befragten positiv angenommen. Eine Differenz konnte vielmehr mit Blick auf die humorlose Anzeige identifiziert werden. Diese wird in Deutschland signifikant schlechter beurteilt als in Russland. Möglicherweise hat die hierzulande vergleichsweise längere Auseinandersetzung mit Werbemaßnahmen die Akzeptanz für „uninteressante“ Werbemaßnahmen schwinden lassen. Daher wird also nicht die ansprechende Anzeige belohnt, sondern eher die schlechte Maßnahme bestraft. Die vorliegende Studie hat einige Limitationen: In der Untersuchung wurde auf studentische Stichproben zurückgegriffen. Da Studenten nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit der russischen bzw. deutschen Bevölkerung sind, transfer 2_2009.qxd 02/2009 | 10.06.2009 11:12 Uhr Seite 29 FORSCHUNG sollten in Folgeuntersuchungen auch ältere Konsumenten befragt werden. Sowohl deutsche als auch russische Studenten unterzogen die fiktiven Werbeanzeigen während der Entwicklungsphase einer qualitativen Bewertung. Es wurde jedoch kein Manipulation Check durchgeführt, um zu prüfen, ob die humorvolle Werbung tatsächlich als widersprüchlich wahrgenommen wird. Durch die Darbietung eines sich küssenden Paares kann eine Konfundierung mit der Kategorie sexueller Humor deshalb nicht ausgeschlossen werden. Ferner mag das Austauschen von Kaugummi beim Küssen auf einige Probanden, insbesondere in der russischen Gesellschaft, abstoßend und befremdlich wirken. Bei derartig gestalteten Treatments sollte deshalb vorab geprüft werden, inwieweit die Gestaltung des Anzeigenmotives möglicherweise Irritationen auslöst. In der vorliegenden Studie wurde nur eine humorvolle Anzeige getestet, die durch den Kaugummitausch sehr speziell war. Zukünftige Studien sollten weitere widersprüchlich-humorvolle Anzeigen testen sowie die Wirkung verschiedener Humorarten (z. B. sexueller, aggressiver und warmherziger Humor) im interkulturellen Vergleich untersuchen. Das Untersuchungsdesign sollte weiterhin auf andere Kulturkreise (z. B. südostasiatisch) ausgeweitet werden. Weiterhin gilt es, im interkulturellen Vergleich die Interaktion verschiedener Humorarten mit verschiedenen Produktarten (z. B. High- vs. Low-Involvement) zu testen. Aus der vorliegenden Studie leiten sich Implikationen für die interkulturelle Werbepraxis ab. So scheinen sowohl im russischen Markt als auch im deutschen Markt humorvolle Anzeigen bessere Erfolgsaussichten zu haben als humorlose Anzeigen. Unternehmen, die den deutschen und den russischen Markt bearbeiten möchten, können folglich humorvolle Werbeanzeigen standardisiert einsetzen. Sie sollten die kommunikative Wirkung der Werbeanzeigen zuvor jedoch in einem Pretest überprüfen, da Werbung, die widersprüchliche Elemente enthält, von den Umworbenen als verwirrend empfunden werden kann. Literatur Alden, D. L.; Hoyer, W. D.; Lee, C. (1993): Identifiying Global and Culture Specific Dimensions of Humor in Advertising. A Multinational Analysis, in: Journal of Marketing, Vol. 57, No. 2, pp. 64-76. transferWerbeforschung & Praxis Carroll, J. L. (1989): Changes in Humor Appreciation of College Students in the Last 25 Years, in: Psychological Reports, Vol. 65, December, pp. 863866. Chattopadhyay, A.; Basu, K. (1990): Humor in Advertising: The Role of Prior Brand Evaluation, in: Journal of Marketing Research, Vol. 27, No. 11, pp. 466-476. Chung, H.; Zhao, X. (2003): Humour Effect on Memory and Attitude: Moderating Role of Product Involvement, in: International Journal of Advertising, Vol. 22, No. 1, pp. 117-144. Cline, T. W.; Altsech, M. B.; Kellaris, J. J. 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Anhang: Operationalisierung der abhängigen Variablen (Item-to-Total Korrelationen) widersprüchlicher Humor Wahrgenommener Humorgehalt 1 Einstellung zur Anzeige 2 humorlose Werbung Deutschland Russland Deutschland Russland Ich habe mich über diese Anzeige amüsiert. 0,92 0,79 0,92 0,89 Die Anzeige ist humorvoll. 0,95 0,90 0,81 0,82 Die Anzeige ist lustig. 0,92 0,93 0,90 0,86 Ich musste lachen, als ich die Anzeige sah. 0,91 0,88 0,80 0,89 Die Anzeige gefällt mir. 0,94 0,95 0,90 0,95 Es würde mir Spaß machen, die Anzeige nochmals anzusehen. 0,92 0,96 0,81 0,93 Die Werbung ist sympathisch. 0,95 0,95 0,84 0,89 Adaptiert von: 1 Zhang/Zinkhan (2006); Cline/Altsech/Kellaris (2003), 2 Unger (1995)