1 Übersicht Für Unternehmen aller Branchen stellt sich die Schwierigkeit, dass sich Kundenwünsche und Forderungen an Produkte immer schneller ändern und zwischen einzelnen Marktsegmenten stark variieren. Der rasante technologische Fortschritt, die steigende Produktkomplexität sowie der sich stetig verschärfende Innovationsdruck stellen nur schlaglichtartig die wachsenden Forderungen an Unternehmen dar. QFD soll dazu beitragen, dass die Transformation der Kundenforderungen in die unternehmensspezifischen Fähigkeiten effektiv und effizient erfolgt. Die Methode QFD kann überall dort eingesetzt werden, wo es gilt Kundenforderungen (interner oder externer Kunden) in die firmenspezifischen Fähigkeiten wie Entwicklung, Produktion oder Logistik zu transformieren. Dieser Band wendet sich an alle, die sich für den Transformationsprozess interessieren. Zum Verständnis der Philosophie von QFD ist Grundwissen im Qualitätsmanagement eine Voraussetzung. Neueinsteigern in die Methode QFD soll es ermöglicht werden, auf der Grundlage der Aussagen des Bandes die Entscheidungen zu treffen, ob und wo QFD eingeführt wird und was eine erfolgversprechende Vorgehensweise ist. Personen, die bereits Erfahrung mit der Anwendung von QFD gesammelt haben, soll der Band einen zusammenhängenden Überblick geben. Die kombinierte Darstellung von Konzepten und Grundlagen sowie Fallbeispielen fördert das Verständnis für die Methodik und verdeutlicht, dass QFD branchenübergreifend in Konsumgüter-, Investitionsgüterindustrie aber auch in der Dienstleistungsbranche eingesetzt werden kann. Es wird jedoch empfohlen, dass ein Pilotprojekt mit Unterstützung eines erfahrenen Moderators durchgeführt wird, um die erfolgreiche Anwendung zu sichern. Im Hauptabschnitt 2 „Einleitung“ werden die Philosophie von QFD und die Grundzüge der Methode dargestellt. Dabei wird verdeutlicht, dass QFD keine Einschränkung bezüglich der Darstellung der gewonnenen Informationen mit sich bringt. Im Hauptabschnitt 3 „Darstellung der Methoden“ werden die unterschiedlichen Ansätze von QFD anhand ihrer historischen Entwicklung aufgezeigt. Ein Schwerpunkt bildet dabei die Kostenbetrachtung im Rahmen von QFD. Der Hauptabschnitt 4 „Einführung und Anwendung“ geht dann im Detail auf die Methode und ihre Umsetzung und die Grenzen des Anwendungsgebietes von QFD ein. Die Voraussetzungen und Grundlagen der QFD Anwendung werden herausgearbeitet. Hier wird deutlich, dass QFD nur dann erfolgreich eingesetzt werden kann, wenn alle Funktionsbereiche beteiligt werden und gleichzeitig die Unterstützung durch die Unternehmensleitung erfolgt. 7 Hauptabschnitt 5 „Beispiele“ verdeutlicht die Anwendung von QFD anhand von ausgesuchten Beispielen (Produkt, Dienstleistung und Prozess) aus der Praxis. Zusätzlich wird im Hauptabschnitt 6 noch eine weitere Anwendung (Policy Deployment) aufgezeigt. In den Hauptabschnitten 7 „Literatur“, 8 „Begriffe“ und 9 „Stichworte“ weist der Band noch auf weiterführende Literatur hin und bietet ein Glossar sowie ein Stichwortverzeichnis. Bitte mitmachen Die Veröffentlichungen der DGQ-Schriftenreihe unterliegen – auch bedingt durch Veränderungen der technischen Regelwerke (z. B. ISO 9000-Familie) – einer Weiterentwicklung. Die DGQ bittet um Rückmeldungen und Anregungen mit Beispielen, um den Konsens der Fachleute zu den vorgestellten Sachfragen herstellen zu können. Ihre Meinung ist uns wichtig, Ihre Einschätzung ausdrücklich erwünscht! Bitte verwenden Sie für Ihre Rückmeldung den Vordruck auf Seite 103 8 2 Einleitung Die Wurzeln von QFD liegen in Japan. Bereits 1966 wurde das erste QFD-Konzept von Yoji Akao vorgestellt. Der Durchbruch gelang 1972 auf den Schiffswerften der Mitsubishi Heavy Industries im japanischen Kobe. Im Jahr 1974 begann Toyota mit der erfolgreichen Anwendung und Weiterentwicklung von QFD. 1978 erschien Akaos Buch „Quality Function Deployment“ in Japan. Erst 1990 erfolgte die Übersetzung ins Englische und 1992 erschien die erste deutschsprachige Ausgabe (Literatur zu diesem Thema s. a. Hauptabschnitt 7). Der Begriff QFD – Quality Function Deployment“ hat sich in der Fachwelt etabliert. QFD kann sinngemäß übersetzt werden als Instrument zur Planung und Entwicklung von Qualitätsfunktionen entsprechend der vom Kunden geforderten Qualitätseigenschaften. Der militärische Begriff deployment beschreibt mit „Aufstellen der Truppen“ oder „in Stellung bringen“ eine Seite des QFD. Übertragen ist das der Aspekt des Zusammenführens aller am Gesamtprozess der Produktentstehung beteiligten Fachbereiche zu gemeinsamer Arbeit. Ein anderer Aspekt des deployment beleuchtet in Verbindung mit Quality die Zielrichtung des QFD: Qualitätsentwicklung von Anfang an bis zur Nutzung der Leistung (Produkte oder Dienstleistungen) durch die Kunden. Es geht darum, die Produkte oder Dienstleistungen so zu definieren, zu entwickeln, zu konstruieren, zu produzieren, zu liefern, zu installieren und bei Bedarf zu warten, dass nicht nur die Bedürfnisse der Kunden voll erfüllt, sondern ihn begeistern werden (siehe Kano-Modell, Bild 2-2). QFD steht nicht als Begriff für eine einzelne Methode. QFD ist als Leitfaden für einen Arbeitsstil zu verstehen, der die volle Kundenzufriedenheit als Ziel im Visier hat und das Wissen und Können aller Mitarbeiter in die Strategien und Maßnahmen zur Erfüllung dieses Zieles einbinden will. QFD bietet hierzu Vorgehensempfehlungen (siehe Hauptabschnitt 4), deren Anwendung am Ende des QFD-Prozesses zu dem Ziel jeder unternehmerischen Tätigkeit führt: 웇 Kunden zu gewinnen, zu halten und zufriedenzustellen 웇 Sowie Gewinn zu erwirtschaften Nur wer den ständigen Wandel in seiner Kultur bewusst akzeptiert und daraus intelligente Handlungen ableitet, hat Chancen im Wettbewerb zu überleben. Unternehmen müssen heute Methoden und Verfahren einsetzen, die sicherstellen, dass sie am Kundenbedürfnis orientiert entwickeln und planen. QFD als Qualitätsentwicklungssystem fragt nach dem Kunden und bindet die Führungsebene, wie Bild 2-1 zeigt, in den Prozess der Kundenorientierung ein. Kundenorientierung ist heute für alle Unternehmen überlebenswichtig. Es ergibt sich jedoch für die Unternehmen aller Branchen die Schwierigkeit, dass sich Kundenbedürfnisse an Produkten immer schneller ändern und deren Ausprägungen bei unterschiedlichen Zielgruppen stark variieren. 9 Kunden Mitarbeiter Abteilungsleiter Bereichsleiter Richtung des Dienens Geschäftsführer Richtungen des Denkens und Entscheidens Bild 2-1: Die kundenorientierte Aufbauorganisation [Saa97] Je besser es dem Unternehmen gelingt, ein innovatives Produkt marktgerecht zu planen und zu gestalten, desto höher sind die Umsätze und Gewinne vor allem in neuen, aber auch in bestehenden Märkten. Die Erfüllung ausgesprochener und unausgesprochener Kundenbedürfnisse von differenzierten Zielgruppen ist einer der bedeutendsten Faktoren für den Markterfolg [Kan84]. Empirischen Forschungsergebnissen zufolge liegen die Gründe für fehlgeschlagene Produkte vor allem in einer unzureichenden Messung der Kundenbedürfnisse. Die Nutzung des Wissens von Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten stellt die exakte Identifizierung der Kundenbedürfnisse sicher. Die Kundenbedürfnisse werden im Kano-Modell (Bild 2-2) drei Zufriedenheitsfaktoren zugeordnet: 웇 Basisfaktoren 웇 Leistungsfaktoren und 웇 begeisternde Faktoren 10 Zufriedenheit des Kunden Unausgesprochene Kundenwünsche Der Kunde erwartet die Eigenschaften nicht. Da es sich aber um Verbesserungen handelt ist er erfreut. Erfüllen der Forderungen an die Begeisterung lösen unmittelbare Begeisterung aus. Grad der Erfüllung Ausgesprochene Kundenwünsche Unausgesprochene Kundenforderungen Durch den Kunden klar formulierte und erwartete Zielvorstellungen zu einem Angebot. Das Erfüllen der Forderungen an die Funktionalität führt mit zunehmenden Grad zur Kundenzufriedenheit. Erwartungen, die ein Kunde nicht in Worten ausdrückt, weil er sie für selbstverständlich hält. Basisanforderungen müssen befriedigt werden. Bild 2-2: Differenzierungen von Kundenforderungen – das Kano-Modell [Kan84] Die Basisfaktoren und die spezifizierten Leistungsfaktoren sind über dem Grad ihrer Erfüllung und dem Grad des daraus resultierenden Zufriedenheitsniveau aufgetragen. Die Erfüllung der Basisfaktoren leistet keinen maßgeblichen Beitrag zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit, sie sind selbstverständlich. Dagegen ist die Erfassung der begeisternden Faktoren von großer Bedeutung für den QFD-Prozess. Die Zusammensetzung der QFD-Arbeitsgruppen Phase 0 Kundeninformation Marketing – Verkauf Kundendienst 0 Wie Was 1 In allen Phasen: Qualitätsvorausplanung Phase 1 Konzept-/Qualitätsentwicklung Marketing – Entwicklung Verkauf – Kundendienst Wie Was 2 Phase 2 Teile-/Konstruktionsplanung Konstruktion – Entwicklung Produktion – Beschaffung (EK) Wie Was 3 Phase 3 Produktionsplanung Produktion – Einkauf Logistik Wie Was 4 Phase 4 Verfahrensplanung Produktion-Dokument. Schulung – Verkauf Kundend. – Logistik Ingenieurbüro Saatweber Consulting Bild 2-3: Arbeitsgruppen im QFD-Prozess [Saa97] 11 QFD fragt: „Was will der Kunde?“ und setzt dann seine Bedürfnisse in Produkt- oder Dienstleistungsmerkmale um. In diesem Prozess sind im Hause des Lieferanten abteilungsübergreifende Aktivitäten erforderlich. Marketing, Entwicklung, Konstruktion, Kundendienst, Vertrieb, Einkauf, Produktion, Logistik, Distribution und Service überlegen gemeinsam, wie sie die Kundenbedürfnisse in kürzester Zeit umsetzen können (siehe Bild 2-3). QFD wird bei konsequenter und unternehmensweiter Anwendung zum Kommunikations- und Informationsvehikel, zur Überwindung des häufig beklagten Defizits an Informationen und Zusammenarbeit in den Firmen. QFD verlangt geradezu nach interdisziplinärer Gestaltung, weil es nicht als Begriff für eine einzelne Methode steht. In der Phase 0, die der Konzeptentwicklung der Phase I vorgeschaltet ist, treffen die Mitarbeiter aller kunden nahen Bereiche wie Marketing, Vertrieb, Kundendienst, Reklamationsmanagement zusammen. Die Erhebung der Daten verlangt sehr sorgfältiges Arbeiten, weil etwaige Unzulänglichkeiten das gesamte Quality Function Deployment scheitern lassen können. Mit besonderer Umsicht sind daher durchzuführen: 웇 Marktsegementierung, Portfolio-Diagramme (Wen will ich befragen?), 웇 Sample (Wieviel will ich befragen?) 웇 Ermittlung des latenten Bedürfnisses (begeisternde Faktoren nach Kano, siehe Bild 2-2) unter Berücksichtigung des sich wandelnden Zeitgeschmackes und Konkurrenzbeobachtungen (Was will der Kunde wirklich?). Die eingeholten Informationen müssen repräsentativ sein, wenn das QFD-Projekt zum Erfolg führen soll. Das Ergebnis der Produkt- und Dienstleistungsplanung mittels QFD kann nur so gut sein wie der „Input“ von Marketing und Vertrieb. Nur durch eine vollständige Ermittlung, systematische Erfassung und exakte Auswertung der Kundenbedürfnisse kann die „Stimme des Kunden“ im gesamten Unternehmen gehört werden. Nach der Erhebung beginnt die Auswertung der aktuellen Mark- und Wettbewerbsdaten und die Strukturierung der „Stimme des Kunden“. Diese systematische Arbeitsweise des QFD wird im folgenden Bild 2-4 verdeutlicht: 1. Ermittlung der Kunden- und Marktbedürfnisse und des Kundennutzens 2. Übersetzen der Kundenbedürfnisse in technische Forderungen an das Produkt oder Qualitätsmerkmale 3. Erarbeiten von Lösungen auf der Basis der Forderungen 12 Wünsche, Bedürfnisse des Kunden Ableitung Vorgaben Zufriedenheit Funktionserfüllung Forderungen an Lösung Vorgaben Qualitätsmerkmale Spezifikation Erfüllung Lösung Teile, Elemente Erfüllung Spezifikationen Bild 2-4: Philosophie zum Entwickeln von kundenorientierten Lösungen [Eg95] Das Ergebnis bildet den Eingang des ersten QFD-Hauses (siehe Bild 2-5). Im House of Quality (HoQ) werden die Denk- und Planungsergebnisse aller am QFD-Prozess Beteiligten gut nachvollziehbar dokumentiert. QFD Wechselwirkungen der WIE’s „House of Quality“ Phase 1 WIE unterstützen und bewerten wir die Forderungen? WAS Eingang wollen die Kunden? Beziehungsmatrix: Unterstützungsgrad der WIE’s zu den WAS’s Entscheidung: Wichtige und kritische WIE’s Warum wir verbessern Ausgang Vergleich mit Wettbewerb Die Stimmen der Kunden Wieviel wollen wir zu den WIE’s erreichen? Phase 2 QFD „House of Quality“ Phase 2 Bild 2-5: Die WAS-WIE-Übersetzung [Saa97] 13 Nachdem die Lösungen erarbeitet sind, werden die Ergebnisse auf den Erfüllungsgrad hin geprüft: 웇 Erfüllen die Lösungen wirklich die Forderungen? 웇 Erfüllen die geplanten Lösungen die Forderungen aus den Kundenbedürfnissen? Das Resultat ist eine konkrete Entwicklungsvorgabe durch die Übersetzung der Kundenbedürfnisse in Forderungen für den Entwicklungsingenieur, die dann im Lasten- bzw. Pflichtenheft definiert sind. Im QFD-Prozess ist es wesentlich, dass die vollständige Übernahme der Argumente der vorhergehenden Ebene in die darauffolgende erfolgt, damit die Kundenbedürfnisse in jeder Ebene berücksichtigt werden. Durch diese Vorgehensweise wird ein systematischer Weg zum Entwickeln einer Lösung ermöglicht. Denn, in der Praxis wird viel über Lösungen diskutiert, relativ wenig aber darüber, welchen Nutzen sie dem Kunden bringen und welche Forderungen überhaupt erfüllt werden müssen. Oft ist man zufrieden, schnell eine Lösung gefunden zu haben und denkt, dass diese schnelle Entscheidung auch kostengünstiger sei. QFD kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn die Methode nicht unreflektiert verordnet, sondern von allen Beteiligten gewollt ist. Das formalisierte Vorgehen in der HoQ-Matrix dient lediglich dem Betrachten der Eingangsgrößen (Was) und der Suche nach Lösungensansätzen (Wie). Auf diese Weise können Wechselwirkungen untersucht werden, wobei der Formalismus selbst eine untergeordnete Rolle spielt. Das numerische Ergebnis im HoQ sollte nicht isoliert als Einzelstehender absoluter Wert, sondern stets im Zusammenhang mit anderen Ergebnissen des QFD-Prozesses (Daten, Werte; Struktur der Matrix) gesehen werden. Es sollte also immer das komplette Haus interpretiert werden. Dazu gehört, dass Zusammenhänge gesucht werden und dass verdeutlicht wird, warum ein bestimmtes Qualitätsmerkmal ausgesucht und ein bestimmter Weg gewählt wird. QFD geht alle am Produkt- bzw. Dienstleistungsentstehungsprozess Beteiligten an und muss deshalb heraus aus der „Qualitätsecke“ und den Qualitätsabteilungen. QFD ist ein kundenorientiertes Planungs- und Entwicklungsverfahren für Produkte und Dienstleistungen, das die Kreativität initiiert und fördert, sowie Mitarbeiter mit unterschiedlichen Erfahrungen und Know-How zusammenführt. Zu welchem Ergebnis die Umsetzung der Kundenforderungen führt, hängt immer von der fachlichen Kompetenz und Kooperationsbereitschaft der beteiligten Personen ab. Insbesondere die Führungskräfte sollten sich aktiv am Entwicklungsprozess beteiligen, denn der längerfristige Unternehmenserfolg ist in erheblichem Maße vom Markterfolg des neu entwickelten Produktes bzw. der Dienstleistung abhängig. 14