W.A. Mozarts Zauberflöte, Klarinettenkonzert und Freimaurerkantate

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W.A. Mozarts Zauberflöte, Klarinettenkonzert
und Freimaurerkantate im Spiegel
der Freimaurertradition
Diplomarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Vorgelegt von
JOHANNES THALER, BA
Diese Arbeit wurde im Rahmen der Studienrichtung Lehramt Musikerziehung
am Institut für Musikgeschichte, Dirigieren und Musiktheorie
unter der Betreuung von
Ao.Univ.Prof. Mag.phil. Dr.phil. Ernst Hötzl
verfasst.
Graz, Juni 2016
Vorwort
Die Idee, mich im Rahmen einer Diplomarbeit näher mit Mozart im Kontext der
Freimaurerei zu beschäftigen, entstand aus meinem Interesse für geheime Gesellschaften
einerseits und auf Grund seiner musikalischen Schöpfungen andererseits. Durch mein
Klarinettenstudium an der Kunstuniversität Graz kam ich ganz unmittelbar mit
verschiedenen Werken Mozarts in Berührung, an deren Spitze natürlich die
Auseinandersetzung mit seinem Konzert für Klarinette und Orchester KV 622 steht.
Dieses übte und spielte ich bei Vorspielstunden, bei einem Meisterkurs und bei
Probespielen und vertiefte mich somit sehr stark in die Klangwelt Mozarts, um seine
Beschäftigung mit dem Instrument, sowie musikwissenschaftliche Hintergründe des
Werkes genauer in Erfahrung bringen zu können.
Dieser Zugang erscheint mir immer sehr wichtig, denn als Solist muss man meiner
Meinung nach die Wurzeln der Komposition kennen und die daraus resultierenden
Ergebnisse individuell in die eigene Interpretation miteinfließen lassen. Aus diesen
Gründen war es mir sehr wichtig das Klarinettenkonzert in irgendeiner Weise in den
Kontext dieser Arbeit zu stellen, um noch mehr Details erfahren zu können und
geschichtliche sowie gesellschaftliche Verbindungen in Zusammenhang zu setzen. Im
Laufe dieser Auseinandersetzung kam mir die Idee, die vorliegende Arbeit mit meinem
Geschichtestudium zu verbinden und die Lebenszeit Mozarts in den Kontext der
Aufklärung und der Freimaurerei zu stellen. Dies gelang einerseits durch biographische
Aspekte und kulturhistorische Verbindungslinien, andererseits durch die Dreiheit der
Werke Zauberflöte – Klarinettenkonzert – Freimaurerkantate. Somit entstand ein schöner
Bogen über die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, immer im Lichte Mozarts und seiner
freimaurerischen Aktivitäten. Infolgedessen konnte ich meine persönlichen Interessen
und Spezialgebiete vereinen: Musik – Geschichte – Klarinette. Aus diesem dreifachen
Beschäftigungsfeld entstand die vorliegende Arbeit, welche mir unheimlich viele
facettenreiche, interessante und spannende Fakten und Zugänge eröffnete und erfahrbar
machte.
Doch nicht nur die tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema und seiner
Sekundärliteratur brachte mir neue Sichtweisen, sondern auch die unkomplizierte und
äußerst kompetente Unterstützung meines Betreuers Ao.Univ.Prof. Mag.phil. Dr.phil.
Ernst Hötzl. Seine hilfreichen Tipps, die informativen Gespräche und die professionelle
Betreuung ermöglichten einen unkomplizierten und zielorientierten Arbeitsprozess.
Dafür möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken und zum Ausdruck
bringen, dass mir die Zusammenarbeit der letzten Monate unheimlich viel Spaß gemacht
hat und äußerst produktiv war.
Die vergangene Zeit war, wie schon erwähnt, sehr arbeitsintensiv und ließ wenig Freizeit
zu. Deshalb möchte ich mich sehr herzlich bei meiner Freundin Bettina Dokter bedanken,
die diese Realität bedingungslos zur Kenntnis nahm, mir immer hilfreich zur Seite stand,
mich ständig motivierte und durch ihre wohltuenden Worte meinen Ehrgeiz immer
wieder aufs Neue anfachte. Vielen Dank für deine Hilfe.
Zuletzt gilt ein großer Dank meinen Eltern. Sie haben mir ein Studium in Graz ermöglicht,
sind mir stets unterstützend zur Seite gestanden, waren immer für mich da und haben
immer an mich geglaubt. Ihre vielen Ratschläge habe ich gerne aufgenommen, die
unzähligen konstruktiven Gespräche prägten mich nachhaltig und ihre großzügige
Unterstützung vereinfachte meinen Studienalltag sehr. Ich weiß, dass dies keine
Selbstverständlichkeit ist. Aus diesen Gründen widme ich meinen Eltern die vorliegende
Arbeit aus tiefer Dankbarkeit.
Abstract
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Komponisten Wolfgang Amadeus
Mozart, seiner Mitgliedschaft in freimaurerischen Sozietäten und dem daraus
resultierenden Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen. Dadurch entsteht ein
musikgeschichtliches Blickfeld, welches die Aufklärung und das Zeitalter Maria
Theresias und Josephs II. als historischen Überbau hat. Diese bildet den kultur- und
gesellschaftshistorischen Rahmen der Arbeit und das geschichtswissenschaftliche
Fundament. Die Biographie Mozarts und seine Aktivitäten in freimaurerischen Zirkeln
stehen immer im Kontext zu seinem künstlerischen Schaffensprozess und machen
dadurch verschiedene Einflüsse deutlich. Diese werden im letzten Teil der Arbeit an Hand
von drei repräsentativen Kompositionen sicht- und erfahrbar und stehen stellvertretend
für sein freimaurerisches Oeuvre. Dieser Arbeitsprozess bietet einen Blick hinter die
Kulissen und an Hand verschiedener Quellenbelege wird die Sicht des Künstlers
freigelegt und für die Leserin, den Leser zugänglich gemacht. Die Problemstellung einer
nicht immer möglichen wissenschaftlichen Eindeutigkeit der Aussagen wird hier ebenso
thematisiert wie verschiedene Thesen der Fachliteratur. Trotz aller Problemstellungen
steht die Arbeit immer im Kontext der verschiedenen Verbindungslinien zwischen
Mozart und der Freimaurerei.
This diploma thesis deals with the composer Wolfgang Amadeus Mozart, his
participation in Freemasonic societies and, as a result, the impact on his artistic creations.
The result is a historical field of vision of the Age of Enlightenment, as well as of the age
of Maria Theresa and Joseph II, which forms the cultural and socio-historical framework
and historically scientific basis. Mozart’s biography and his activities in freemasonic
circles are put in context to the process of artistic creations and thus, demonstrate various
influences. In the last part of this thesis, these mentioned influences are made visible and
accessible by three compositions, which are representational for his Freemasonic oeuvre.
This process of work provides a look behind the scenes and furthermore, it exposes
Mozart’s point of view for the reader. The fact that the assertions (statements) may not
always be scientifically explicit will be an issue, as well as different theses of specialist
literature. Despite these issues, connecting lines between Mozart and Freemasonry will
always be the focus of this whole thesis.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .................................................................................................. 1
2 Historischer Überblick des 18. Jahrhunderts ....................................... 5
2.1 Europa im Zeitalter der Vernunft – Die Aufklärung .............................................. 5
2.2 Das Zeitalter Maria Theresias und Josephs II. ....................................................... 8
2.3 Aufklärung in der Monarchie Habsburg-Lothringen............................................ 11
2.4 Theoretischer Exkurs – Begriffserklärung ........................................................... 14
2.4.1 Aufgeklärter Absolutismus ............................................................................ 14
2.4.2 Josephinismus ................................................................................................ 16
2.5 Das Freimaurerpatent ........................................................................................... 18
3 Die Freimaurerei .................................................................................... 21
3.1 Ihre Entstehung und historische Entwicklung ...................................................... 21
3.2 Traditionen, Symbole und Rituale ........................................................................ 24
3.2.1 Exkurs – „Das Wiener Ritual“ ...................................................................... 25
3.3 Anfänge und erste Logen der österreichischen Freimaurerei im 18. Jahrhundert 26
3.3.1 Überblick und Entstehung erster Geheimbünde ............................................ 26
3.3.2 Eliteloge der Wissenschaft – „Zur wahren Eintracht“................................... 30
3.4 Freimaurerei in den Künsten des 18. Jahrhunderts............................................... 34
4 W. A. Mozart und die Freimaurerei .................................................... 38
4.1 Prolog - W.A. Mozarts erste Jahre in Wien.......................................................... 38
4.2 Die Loge „Zur Wohltätigkeit“ .............................................................................. 45
4.3 W.A. Mozart wird Freimaurer .............................................................................. 48
4.4 Mozarts Zeit als Freimaurer im Überblick ........................................................... 50
4.5 Zusammenfassung – Mozarts Freimaurerkompositionen .................................... 57
4.6 Epilog - Ausgewählte Freunde und Weggefährte................................................. 60
4.6.1 Carl Alois Lichnowsky .................................................................................. 60
4.6.2 Anton Stadler ................................................................................................. 61
4.6.3 Emmanuel Schikaneder ................................................................................. 63
5 Drei repräsentative Werke in der Einzelbetrachtung ........................ 67
5.1 Exkurs - Freimaurerische Musik .......................................................................... 67
5.2 Die Zauberflöte (KV 620) .................................................................................... 68
5.2.1 Ein Überblick ihrer Entstehungsgeschichte ................................................... 68
5.2.2 Die Zusammenarbeit zwischen Mozart und Schikaneder ............................. 71
5.2.3 Quellen und Hintergründe des Opernstoffes ................................................. 74
5.2.4 Eine Freimaureroper? .................................................................................... 76
5.3 Konzert für Klarinette und Orchester (KV 622) ................................................... 82
5.3.1 Mozart und die Klarinette .............................................................................. 82
5.3.2 Hintergründe und Entstehungsgeschichte des Klarinettenkonzerts............... 86
5.3.3 Exkurs: Das Bassetthorn im Kontext der Freimaurerei ................................. 91
5.3.4 Aufbau, Kennzeichen und Symbolik des Konzerts ....................................... 93
5.4 Eine kleine Freimaurer-Kantate (KV 623) ........................................................... 96
5.4.1 Hintergründe und Entstehungsgeschichte ..................................................... 96
5.4.2 Charakteristik und Symbolik der Kantate ..................................................... 99
5.4.3 Einordnung in Mozarts Freimaurerkompositionen...................................... 101
6 Resümee und Schlussbetrachtung ...................................................... 106
7 Literaturverzeichnis ............................................................................. 108
7.1 Quellenverzeichnis ............................................................................................. 108
7.2 Sekundärliteratur ................................................................................................ 109
7.3 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 115
Für Renate und Leopold
(Privates Foto – Stadtpark Graz 4.Juni 2016)
1 Einleitung
„[…] und ich danke meinem Gott, daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit
zu verschaffen, ihn (den Tod) als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit
kennen zu lernen.“1
Dieses Zitat aus einem Brief Mozarts an seinen Vater Leopold aus dem Jahr 1787 soll am
Beginn der Einleitung zur vorliegenden Arbeit stehen und Mozarts Sichtweise und
Auseinandersetzung mit dem Tod als Teil des Lebens symbolisieren. Dieser Brief vom
4. April war die letzte Korrespondenz der beiden, Leopold Mozart starb Ende Mai
desselben Jahres in Salzburg. Das Schriftstück rundet einerseits die Beziehung zwischen
Vater und Sohn, welche nicht immer einfach war, ab und gibt der Nachwelt andererseits
einen tiefen Einblick in Mozarts Gedanken zu Leben und Tod. Diese sind nachhaltig von
aufklärerischen und freimaurerischen Gedanken geprägt und Wolfgang Amadé
bezeichnet den Tod als den wahren Endzweck unseres Lebens. Doch nicht nur seine
Gedanken und individuellen Auseinandersetzungen mit dieser Thematik stehen im
Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit, sondern vielmehr die letzte Lebensdekade Mozarts,
in der sich durch mehrfache gesellschaftliche, kulturhistorische und künstlerisch –
musikalische Einflüsse ein stilpluralistischer Komponist formt, der im Zeitalter des
Josephinismus seinen Beruf in genialer Art und Weise ausführt und der Nachwelt Werke
von ungeheurer Meisterschaft hinterließ. So thematisiert die vorliegende Diplomarbeit
Wolfgang Amadeus Mozart als Mitglied der Freimaurerei des ausgehenden 18.
Jahrhunderts und versucht an Hand von drei repräsentativen Werken die verschiedenen
Einflüsse sicht- und erfahrbar zu machen.
Die Arbeit ist grundsätzlich in drei Teile gegliedert, welche immer tiefer in das Werk
Mozarts vordringen und strukturell logisch miteinander verbunden sind. Im ersten
Abschnitt wird dem Leser, der Leserin eine historische Einführung in das 18. Jahrhundert
gegeben, welche im Fokus der Aufklärung, des Zeitalters Maria Theresias und Josephs
II. steht. Zu Beginn stehen Ausführungen über das Zeitalter der Aufklärung im
Allgemeinen, die sich nach und nach auf das Territorium der Habsburgermonarchie
1
Internationale Stiftung Mozarteum (Hg.), Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe Band
IV: 1787 – 1857, Kassel 1963, S. 41.
1
verlagern und die Einflüsse dieser geistigen Bewegung auf das Innenleben der
Donaumonarchie in das Blickfeld nehmen. Der Reformkomplex des Kaisers Josephs II.,
seine vielen Dekrete und Patente leiten im letzten Abschnitt zur Freimaurerei über. Hier
wird zum Abschluss sein im Jahre 1785 erlassenes Freimaurerpatent als kontextuelle
Überleitung zur folgenden Thematik verwendet. Die Ausführungen über die Freimaurerei
beginnen wiederum etwas allgemeiner und verdichten sich gegen Abschluss des Kapitels
hinsichtlich des Logenlebens von Wien. Dem Leser, der Leserin werden hier die
verschiedenen Rituale und Symbole der Bruderschaften näher erklärt, ein Überblick über
ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert gegeben und am Schluss des Abschnitts das
exemplarische Beispiel der Loge „Zur wahren Eintracht“ tiefgehender beschrieben. Das
Bindeglied zum zweiten Abschnitt stellt die Thematik der Freimaurerei in den Künsten
dar, welche die Brücke zu Wolfgang Amadeus Mozart bildet.
Der Mittelteil der vorliegenden Diplomarbeit beschäftigt sich eingehend mit Mozarts
Biographie, seinen Wiener Jahren und seiner Zeit als Mitglied der freimaurerischen
Bauhütte. Dabei stehen biographische Details und Aspekte immer im Kontext zur
Freimaurertradition. Diese werden mit verschiedenen Quellenbelegen wissenschaftlich
fundiert und bieten so dem Leser, der Leserin einen lebhaften und tiefgehenden Einblick
in das gesellschaftliche sowie kulturelle Umfeld Mozarts. Dabei soll augenscheinlich
werden, wie Wolfgang Amadé soziologisch und musikhistorisch eingebettet war und
welche verschiedenen Einflüsse auf ihn einwirkten. Die aus dieser Energie entstandenen
freimaurerischen Kompositionen werden ebenso näher diskutiert wie auch seine
persönlichen Bezüge und Gedanken zu Idealen der Freimaurerei und der Aufklärung.
Nach einer nochmaligen Zusammenfassung seines freimaurerischen Oeuvres werden am
Schluss des Mittelteils noch Weggefährte und Freunde des Komponisten näher
beleuchtet. Die drei ausgewählten Personen haben einerseits mehrere wichtige
Gemeinsamkeiten mit Mozart und stellen andererseits Bindeglieder zu den drei
repräsentativen Werken im Schlussteil der Arbeit dar. Sie bilden somit die Brücke zum
letzten Abschnitt.
Wie schon erwähnt bilden drei Schlüsselwerke den Schlussteil der vorliegenden
Diplomarbeit und runden Mozarts Bezüge zur Freimaurerei musikalisch ab. In der
Hinführung zum Thema wird dem Leser, der Leserin eine Einführung in das Wesen der
freimaurerischen Musik gegeben, um die folgenden Werkbesprechungen besser
verstehen zu können und damit die hier angeführte Einordnung nachvollziehbar werden
zu lassen. Die erste Komposition im Fokus eines musikalisch freimaurerischen Zugangs
2
bildet Mozarts Zauberflöte KV 620. Dieses Werk ist nicht nur auf Grund seiner
unheimlichen Popularität vielfach diskutiert und wissenschaftlich besprochen worden,
sondern auch im Hinblick der multiplen Einflüsse, Hintergründe und Ideen. Die
vorliegende Diplomarbeit grenzt sich stark von inhaltlichen Ausführungen ab, verweist
auf die Fülle von Sekundärliteratur zur vertiefenden Lektüre und steht nie im Kontext des
Anspruchs der Vollkommenheit. Vielmehr werden verschiedene Hintergründe zur
Entstehungsgeschichte
diskutiert,
die
Zusammenarbeit
zwischen
Mozart
und
Schikaneder in das Blickfeld gerückt und die Quellen des Opernstoffes freigelegt. Dabei
werden verschiedene wissenschaftliche Widersprüche dargelegt und versucht, an Hand
von Quellenbelegen und Aufzeichnungen haltbare Aussagen anzuführen, um Legenden
oder Hypothesen zu korrigieren. Den Schlusspunkt der Ausführungen zur Zauberflöte
bildet die Frage, ob das Werk als eine Oper der Freimaurerei bezeichnet werden kann und
welche Aspekte dafür oder dagegen sprechen. Auch hier werden klare Aussagen getroffen
und die verschiedenen Spekulationen mittels Quellen und neueren Forschungsarbeiten
widerlegt. Das zweite Werk im Kontext der Freimaurerei ist ebenfalls eines aus Mozarts
Spätwerk und gleichzeitig sein letztes Instrumentalkonzert. Das Klarinettenkonzert und
seine unheimlich schwierige musikwissenschaftliche Rekonstruktion stehen im
Mittelpunkt der Ausführungen. Daneben werden Informationen zu den Instrumenten
Klarinette und Bassetthorn geliefert und ihre Einsätze im Dienste der Freimaurerei
erläutert. Ein weiterer Bezugspunkt zur Freimaurertradition ist die Zusammenarbeit und
Freundschaft zwischen Mozart und Anton Stadler. Diese wird im vorhergehenden
Abschnitt schon näher diskutiert, erfährt hier aber neuerlich eine wichtige Bedeutung für
die vorliegende Arbeit. Den Abschluss der Ausführungen zum Konzert für Klarinette und
Orchester KV 622 bilden dessen Aufbau, seine Kennzeichen und die Symbolik des
Konzertes. Dabei wird auf die einzelnen Sätze näher eingegangen und auf Mozarts
musiktheoretische Neuerungen hingewiesen. Den Schlusspunkt der vorliegenden
Diplomarbeit
und
die
gleichzeitige
Abrundung
der
wissenschaftlichen
Auseinandersetzung zur Person Mozarts im Spiegel der Freimaurertradition bildet sein
letztes gänzlich vollendetes Werk „Freimaurerkantate“ KV 623. An Hand von diesem
werden seine Bezüge zur Sozietät noch einmal deutlich und stehen in persönlicher Nähe
zu seinem baldigen Ableben. Dabei werden die verschiedenen Hintergründe zur
Entstehung des Stückes angeführt und auf die Charakteristik bzw. Symbolik der Kantate
eingegangen. Im Zentrum des Diskurses steht hier die Ambivalenz zwischen
Jubelstimmung und Feierlichkeit einerseits und dem schon müden, kranken und am Ende
3
seiner Kräfte befindlichen Mozart andererseits. Ein ständiges Hin und Her zwischen
Optimismus und Lebensfreude und Kraftlosigkeit bzw. Todesnähe begleiten die
Ausführungen zur Kantate. Am Schluss wird das Werk in Mozarts freimaurerisches
Oeuvre eingeordnet, Merkmale herausgearbeitet und eine Deutung des hinzugefügten
neuen Schlusses am Ende des dritten Satzes versucht. Die Nähe des Todes und Mozarts
Gedanke zu dieser Thematik beenden in Verbindung mit seinem Schlusswort „Finis“ an
der Partitur der Freimaurerkantate die vorliegende Diplomarbeit.
Vordringliches Ziel dieser Arbeit ist die immerwährende Verbindung zwischen Musik
und Geschichte an Hand des Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Dabei sollen
seine Bezüge zur Freimaurerei im Mittelpunkt der Betrachtung stehen und die daraus
resultierenden Einflüsse auf das Werk mittels drei repräsentativen Kompositionen
erläutert
werden.
Die
ständige
Wechselwirkung
zwischen
biographischen,
musikhistorischen und kulturgeschichtlichen Aspekten stellt die Fundamentalenergie
dieser Arbeit dar. Es gilt herauszufinden in wie weit diese Prozesse Mozarts Schaffen
beeinflusst haben und wie stark dies Werkimmanent sicht- und erfahrbar für die Nachwelt
ist. Ein weiteres Primärziel ist die Kontextualisierung der Musik der Freimaurerei als ein
Produkt der Bauhütten und die Nähe der angeführten Werke zu dieser Stilrichtung. Dabei
stellt sich die Frage nach verschiedenen Ansatzpunkten und Verbindungslinien zwischen
Komponist – Werk – Gattung. Diese gilt es herauszuarbeiten und mittels Quellenbelegen
und wissenschaftlicher Fachliteratur nachvollziehbar zu diskutieren, um verschiedene
Legenden und Hypothesen zu widerlegen. Durchdringender Kontext der vorliegenden
Diplomarbeit soll dabei immer die Person Mozart im Spiegel der Freimaurertradition und
dessen
gesellschaftspolitische
Hintergründe
im
Fokus
des
musikalischen
Schaffensprozesses sein. Diese Wechselwirkungen und Verbindungslinien sollen die
Bedeutung der Freimaurerei auf die Person einerseits und auf den künstlerisch tätigen
Komponisten Mozart andererseits unterstreichen und dadurch für den Leser, die Leserin
erkennbar, nachvollziehbar und sichtbar werden.
4
2 Historischer Überblick des 18. Jahrhunderts
2.1 Europa im Zeitalter der Vernunft – Die Aufklärung
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung
eines anderen zu bedienen. [...] Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen
ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“2
Wer kennt sie nicht, die wohl berühmteste Formulierung dessen, was Aufklärung heißt.
In dem berühmten Essay mit dem Titel „Was ist Aufklärung“ aus dem Jahr 1784 legt
Kant seine grundlegenden Thesen und Gedanken dar. Dabei geht es in erster Linie nicht
um eine zeitliche Epoche. Im Mittelpunkt der Betrachtungsweise steht vielmehr ein
Prozess, der sich im Laufe der Geschichte immer wieder ereignet und in bestimmten
Epochen intensiver zum Vorschein kommt. Aspekte dieser, sich immer erneuernden
geistigen Bewegung, sind die Loslösung von Vorurteilen, Dekonstruktion von Mythen,
der Wille zur Befreiung gesellschaftlicher Fesseln und eine emanzipatorisch-vernünftige
Bildung und Erziehung zur Humanität.3
Trotz aller Wichtigkeit des Prozesshaften als Teil der Definition soll im Zuge dieses
Kapitels der Epochenbegriff im Mittelpunkt der Ausführungen stehen. Mit der
Einführung von zeitlichen Einteilungen im historischen Längsschnitt kommt man nicht
umher, Grenzen zwischen verschiedenen Entwicklungsphasen zu ziehen. Diese führen
oftmals zu kontroversen Debatten und Diskussionen in der wissenschaftlichen
Auseinandersetzung.
In
dieser
Arbeit
soll
betont
sein,
dass
historische
Entwicklungslinien immer fließend fortschreiten und ineinander übergehen, trotzdem
sollen, zum besseren Verständnis, Ereignisse erwähnt werden, die als Epochengrenzen
dienen. Die „Glorious Revolution“ in Großbritannien im Jahre 1698 oder die beginnende
Auseinandersetzung um die Spanische Erbfolge 1705 werden oft als Beginn für das
Zeitalter der Aufklärung angeführt. Als Epochenende sind die Französische Revolution
1789, die Napoleonischen Kriege oder der Wiener Kongress 1815 zu nennen. Bei dieser
Auflistung mehrerer Ereignisse unterschiedlicher Jahre, wird die Oben erwähnte
2
Gerald Rainer, Norbert Kern, Eva Rainer, Stichwort Literatur. Geschichte der deutschsprachigen
Literatur, Linz 2002, S. 70.
3
Peter Delius (Hg.), Geschichte der Philosophie. Von der Antike bis Heute, Köln 2000, S. 62.
5
Problematik sichtbar. Zur Erleichterung ist fortan das 18. Jahrhundert gemeint, wenn vom
Zeitalter der Aufklärung als Epochenbegriff geschrieben wird.4
Die Aufklärung ist eine gesamteuropäische Bewegung, die sich in den verschiedenen
Kulturräumen des Kontinents unterschiedlich entwickelt. Ein Prozess, der in Westeuropa
seinen Ursprung hat und sich zeitlich verschoben nach Osten ausbreitet. Diese Ära wird
oft als Gründungsepoche für die europäische Moderne bezeichnet, in welcher
Denkweisen, Wertvorstellungen und Weltanschauungen radikal und von Grund auf neu
bestimmt und bewertet wurden. Kaum eine wissenschaftliche Disziplin ist von dieser
Revolution des Wissens verschont geblieben, das christlich-humanistische Weltbild
wurde in seinen Grundfesten erschüttert.5 Den Mittelpunkt der aufgeklärten Denkweise
bildet der Mensch, der seinen Blick auf das Diesseits richtet und sich nicht mehr auf das
Jenseits vertrösten lässt. Die Epoche ist geprägt von einer Säkularisierung und
Emanzipation von der Kirche und von der Abkehr fragloser bzw. bedingungsloser
Bejahung kirchlicher Denkmuster.6
Doch wo liegen die Wurzeln dieser Wissensrevolution und was sind ihre Quellen? Prof.
Günther Lottes nennt in seinem Fachartikel drei Aspekte, aus denen die Aufklärung ihre
Energie bezog. Dabei muss, logischer Weise, ein Blick in die Zeit vor das 18. Jahrhundert
geworfen werden. Die Glaubenskriege des 17. Jahrhunderts, die Gegenreformation und
die Religionsverfolgungen rüttelten stark an der Glaubwürdigkeit des christlichen
Weltbildes. Ausgehend von Martin Luther und der Reformation wurde die Berechtigung
der Kirche als Heilsvermittlungsinstanz radikal in Frage gestellt. Gerade im
protestantischen Prinzip der personellen Heilsverantwortung, in welcher der Mensch im
Mittelpunkt der religiösen Auseinandersetzung steht, erscheinen Dogmen und Regeln
kaum mehr als Willen Gottes.7 Charakteristisch für diese theologische Diskussion ist die
Formulierung einer natürlichen Religion als gemeinsamer Kern aller Religionen.
Ausgeprägt in der Strömung des Deismus, welche in ihren religionsphilosophischen
Denkmustern die Ansicht vertritt, dass Gott seine Schöpfung ihren Entwicklungsgesetzen
überlässt, ohne durch Wunder oder Offenbarung einzugreifen.8
4
Judith Sophie Wagner, Joseph Friedrich Freiherr von Retzer. Eine kontroverse Figur der
österreichischen Aufklärung und ihr Netzwerk, Dipl.Arb., Wien 2011, S. 12.
5
Günther Lottes, Die Geburt der europäischen Moderne aus dem Geist der Aufklärung, in: Staatliche
Museen zu Berlin (Hg.), Die Kunst der Aufklärung. Ausstellungskatalog, Berlin – Peking 2011, S.1.
6
Vgl.: Wagner, S. 12 – 13.
7
Vgl.: Lottes, S. 1 – 2.
8
Manfred Kinder, Werner Hilgemann, Manfred Hergt, dtv-Atlas Weltgeschichte. Von den Anfängen bis
zur Gegenwart, München 2010, S. 257.
6
Ein weiterer Aspekt im Entwicklungsprozess der Aufklärung, ist die grundlegende
Veränderung in der Wissenschaft. Die Zweifel in den Antworten des bisherigen
wissenschaftlichen Diskurses konnten nie ausgeräumt werden, die Wahrheitsbeweise
christlicher Autoren waren widersprüchlich und Seriosität vermisste man gänzlich. Im
Zuge der Aufklärung mussten alle Aussagen dem universellen Geltungsanspruch der
Naturgesetze, dem Kausalitätsprinzip und den Regeln der Wahrscheinlichkeit genügen.
Die Elemente der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit standen im Mittelpunkt des
Wahrheitsanspruches der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. In Folge dessen kam
es zur Konfrontation des christlich humanistischen und des rationalistisch analytischen
Denkens, wobei letzteres die Grundlage für das kritische Urteilsvermögen einerseits und
die Durchschlagskraft der neuen Wissensordnung andererseits, bildete. Das letzte
Erdbeben für das überkommene Weltbild des christlichen Abendlandes stellte die Fülle
des Wissens dar, welches im Zuge der Entdeckungen und der Kolonisation neuer Erdteile,
nach Zentral- und Westeuropa strömte. Dies warf neue Fragen auf, deren Beantwortung
das traditionelle Wissensmaterial nur ungenügend Folge leisten konnte. Die Forderung
nach einem neuen Denksystem zur Erklärung der Welt mittels natur- und
geisteswissenschaftlicher Disziplinen, löste alte traditionelle Denkmuster ab. Nichts blieb
im Jahrhundert der Aufklärung unangetastet. Literatur, Naturwissenschaften, Kunst,
Wissenschaftsgeschichte,
Ökonomie,
Jus,
Pädagogik,
Kulturwissenschaft
und
Ethnologie, Sprache und Staatstheorien stellen nur einen Auszug der Beschäftigung
dieser Epoche dar. Ein Beispiel für die neue Systematisierung des Wissens, basierend auf
einer neutralen lexikalen Auflistung, ist die „Encyclopédie“ aus den Jahren 1751 – 1780.9
Dies ist eines der wichtigsten und zugleich berühmtesten Werke der französischen
Aufklärung, herausgegeben von Diderot und d’Alembert. Inhalt dieses Sammelbandes ist
das gesamte Wissen der damaligen Zeit, in systematischer Form dargestellt. Bezeichnend
für die Zeit ist auch das Titelblatt mit der Abbildung des Kupferstiches des Heiligtums
der Wahrheit. Die Allegorie auf die Künste und Wissenschaften bringt die Stimmung der
Zeit
graphisch
sehr
präzise
auf
den
Punkt.
10
Neben
diesem
universal
wissenschaftsgeschichtlichen Lexikonunternehmen, das die aufgeklärte Intelligenz
Frankreichs fundamentierte bzw. positionierte, ist noch das Werk „De l’esprit des lois“
Montesquieus zu nennen. Dieses, mit dem Titel „Vom Geist der Gesetze“, bildet die
9
Vgl.: Lottes, S. 2 – 3.
Vgl.: Delius (Hg.), S. 65.
10
7
Grundlage für die staatstheoretischen Gedanken der Aufklärung.
11
In seiner
Untersuchung analysiert Montesquieu zivile und politische Gesetzestypen in ihrer
Abhängigkeit von Gesellschaft und Zeit. Seine These von der Gewaltenteilung als
Grundbedingung für politische Freiheit war sehr einflussreich und hatte Folgewirkung.12
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass diese geistige Bewegung auf verschiedenen
philosophischen und naturwissenschaftlichen Weltbildern des 17. Jahrhunderts aufbaut
und deren Ergebnisse im Folgejahrhundert zur allgemeinen Weltanschauung erweitert
wurden. In der Gesellschaft kommt es ebenfalls zu einem Paradigmenwechsel. Die
zentrale Vermittlerrolle der aufklärerischen Ideen nimmt das Bürgertum ein. Die Bildung
und Erziehung zur Humanität und Freiheit soll ein kosmopolitisches Weltbürgertum
fördern und zur Wohlfahrt aller beitragen.13
2.2 Das Zeitalter Maria Theresias und Josephs II.
Nachdem die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts im Reich der Habsburger noch von einem
weitgehend barocken Lebensstil geprägt war, setzte mit dem Herrschaftsantritt Maria
Theresias 1740 ein grundlegender Wandel ein. In Bereichen der Politik, Wirtschaft, des
Geisteslebens und der katholischen Kirche machten sich Reformen bemerkbar, die
zaghaft als Weg in die Moderne bezeichnet werden können. Bei genauerem Hinsehen
kann man erkennen, dass größtenteils außenpolitische Ereignisse die Regierung Maria
Theresias zu diesen, meist aus praktischer Bedeutung notwendigen Reformen,
zwangen.14
Den Beginn der Regentschaft Maria Theresias markieren einerseits die Kriege um
Schlesien und andererseits der Österreichische Erbfolgekrieg. Ersterer konnte nach
zweimaligem Ausbruch 1745 vorläufig im Frieden von Dresden beendet werden.
Infolgedessen wurde die Abtretung Schlesiens an Preußen bestätigt, andererseits
erkannten die bayrischen Wittelsbacher Franz Stephan von Lothringen als Nachfolger
von Karl VII. und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches an. Im Frieden von Aachen
1748 endet schlussendlich der Österreichische Erbfolgekrieg mit der Rückgabe der
11
Vgl.: Lottes, S. 3.
Vgl.: Delius (Hg.), S. 62.
13
Vgl.: Kinder, Hilgemann, Hergt, S. 257.
14
Karl Vocelka, Österreichische Geschichte, München 2014, S. 60.
12
8
österreichischen Niederlande durch Frankreich, welches mit Preußen verbündet war.15
Die aufkommende Rivalität zwischen Österreich und Preußen führte im Reich zu einem
unüberbrückbaren Gegensatz in Fragen der Staatssouveränität und Reichsverfassung.
Diese Dynamik sollte sich im Wettkampf um die Vormachtstellung im weiteren Verlauf
des Jahrhunderts intensivieren und im Schmieden neuer Bündnisse mit Russland sichtbar
werden. Beide Reiche stützten sich dabei sehr stark auf territoriale Räume im Osten, die
nie Teil des Heiligen Römischen Reiches waren und versuchten so ihre
Hegemonialbestrebungen
zu
verdeutlichen.
16
Gründe
für
diesen
massiven
Zusammenprall von Österreich und Preußen liegen einerseits in der schwierigen
Nachfolgefrage der sogenannten Pragmatischen Sanktion Kaiser Karls VI. und
andererseits in der jungen, ehrgeizigen und aufstrebenden Regierung Friedrich des II. von
Preußen. Durch den Krieg mit Preußen und der schmerzhaften Abtretung der sehr reichen
und fortschrittlich entwickelten Provinz Schlesien musste Maria Theresia eine Offensive
an staatlichen Reformmaßnahmen im Inneren der Monarchie in Angriff nehmen. Die
Kriege mit Preußen zeigten ganz offensichtliche Schwächen des kaiserlichen Heeres auf,
aber auch die Rückständigkeit der längst überholten feudal-ständischen Staatsstruktur.17
Im Grafen Haugwitz fand Maria Theresia einen Staatsmann, der einerseits preußische
Verwaltungsmethoden kannte und andererseits Maßnahmen zu einem zentral verwalteten
Staat einleitete. Bedingt durch die vielen Kriege, wurde als erste Tätigkeit ein
Staatsbudget aufgestellt, das allen Hofstellen voran stand und Einnahmen sowie
Ausgaben protokollarisch festhielt. Zu Beginn der 1750er Jahre folgten tiefgreifende
Reformen in den Bereichen Verwaltung, Bildung bzw. Unterricht und im Rechtswesen.18
Mit der Aufstellung des Staatsbudgets kam es zu einer grundlegenden Veränderung der
Besteuerung, indem die Regierung den Ständen die Steuereinhebung entzog, ein Kataster
anlegte und auch den Adel sowie den Klerus für ihre selbstbewirtschafteten Güter mit
Steuern belegte. Die Entwicklungen hatten einerseits eine beginnende Entmachtung der
Stände zur Folge, andererseits eine umfassende Staatsreform, die auf die Zentralisierung
der Macht abzielte. Letztere brauchte zur nachhaltigen Umsetzung eine einheitliche
Rechtsgrundlage. Die Constitutio Criminalis Maria Theresiana sollte eine erste
gesammelte Niederschrift des bestehenden Rechts darstellen und als Grundlage für
15
Vgl.: Kinder, S. 281.
Eduard Winter, Barock, Absolutismus und Aufklärung in der Donaumonarchie, Wien 1971, S. 155.
17
Vgl.: Vocelka, S. 61.
18
Vgl.: Winter, S. 156.
16
9
weitere Rechtsreformen, vor allem unter Joseph II., dienen. Kernstück der Reformpolitik
Maria Theresias ist die Bildungsreform. Die Einführung der Schulpflicht, die
Organisation des Schulwesens und die Reformation der Universitäten sind nur
ausgewählte Aspekte, die in diese Zeit fallen. Parallel zu diesen tiefgreifenden, aber
absolut notwendigen Veränderungen im Inneren der Monarchie, kam es außenpolitisch
erneut zu mehreren Auseinandersetzungen mit Preußen, die außer der Abtretung
Schlesiens und dem Zugewinn von Galizien, Lodomerien und der Bukowina keine
nennenswerten Territorialveränderungen brachten.19
Die umfangreiche Reformtätigkeit Maria Theresias führte schlussendlich zu einem
Wandel von einer föderativen Monarchie hin zu einem zentralistischen Einheitsstaat.
Diese Entwicklung im politischen System, hinauslaufend auf eine Zentralverwaltung des
Reiches führte zur Gründung des Staatsbeamtentums und der Bürokratie. Diese zwei
Säulen des Einheitsstaates bildeten die Grundlage für das überstürzt-radikale
Reformwerk Josephs II. Ohne Rücksicht und mit einer nahezu unübersehbaren Fülle von
politischen und sozialen Veränderungen versuchte er das Reich zu einem Einheitsstaat
mit rechtlich gleichgestellten Untertanen, umzuwandeln. Seine Radikalität in der
Umsetzung und seine Rücksichtslosigkeit hinsichtlich national gewachsener Bindungen
oder Traditionen formierten Widerstand und Ablehnung in der Zivilbevölkerung. 20 Vor
allem die tiefgreifenden Eingriffe in kirchliche Strukturen und Organisation machten den
Kaiser zum Feindbild des Klerus und der katholischen Kirche. Seine Zurückdrängung des
barocken Prunks, neue Diözesanregelungen, die Aufhebung kontemplativer Orden und
die Einziehung kirchlicher Vermögen sorgte für eine tiefgreifende Verstimmung im
Verhältnis zum Katholizismus. Die Priesterausbildung, die Seelsorge und das Pfarrnetz
unterstanden staatlicher Kontrolle, Priester mussten staatliche Funktionen übernehmen.
In seinen Toleranzpatenten der Jahre 1781/82 wurden Juden, Orthodoxe und Protestanten
in allen Teilen der Monarchie toleriert, konfessionell aber nicht gleichgestellt. In diesem
Sinne war seine Herrschaftsidee einerseits vom Gedankengut der Aufklärung geprägt,
andererseits aber auch stark von utilitaristischen und praktischen Gesichtspunkten. „Der
Staat erlebte also eine Modernisierung durch Toleranz.“21 Abseits der Toleranz brachte
dem Kaiser die Aufhebung der Leibeigenschaft den Beinamen „Joseph der
Vgl.: Vocelka, S. 62 – 64.
Helmut Reinalter, Joseph II. Reformer auf dem Kaiserthron, München 2011, S. 25 – 27.
21
Vgl.: Vocelka, S. 64.
19
20
10
Bauernbefreier“.22 Neben den eben erwähnten Toleranz- und Untertanenpatenten führte
er das eingeleitete Reformwerk Maria Theresias fort. Die Niederschrift eines
Bürgerlichen Gesetzbuches konnte in seiner Regentschaft halb fertig gestellt werden, die
Abschaffung der Todesstrafe, ein allgemeines Strafgesetzbuch und das Prinzip der
Gleichheit vor dem Gesetz fielen ebenfalls in seine Regierungsjahre. Parallel zur Reform
des Rechtswesens kam es zur Etablierung einer staatlichen Wohltätigkeit. Im Zuge dieser
wurden Kranken- und Waisenhäuser errichtet, Alters- und Armenheime gebaut und in die
Ausbildung von Ärzten und Chirurgen investiert. Die Charakterisierung der Termini
Aufgeklärter Absolutismus und „Josephinismus“ und sein Verhältnis zur Freimaurerei
werden zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher thematisiert.
Was bleibt vom Zeitalter dieser Reformen? Die breite Masse des Volkes konnte nie von
den Vorhaben überzeugt werden, Inhalte und vor allem die Kompromisslosigkeit ihrer
Ausführung sorgten für erbitterten Widerstand in der Zivilbevölkerung.
23
Die
Verständnislosigkeit und die Nichteinbeziehung des Volkes gipfelten am Ende seiner
Regentschaft in lokalen Unruhen und Aufständen. Viele seiner Reformen wurden noch
zu Lebzeiten des Kaisers zurückgenommen oder von seinem Nachfolger, Leopold II.,
entschärft. Der Kern der kurzen, aber doch intensiven Zeit des Aufgeklärten
Absolutismus in der Habsburgermonarchie blieb letztendlich bis ins 19. Jahrhundert
hinein wirksam.24
2.3 Aufklärung in der Monarchie Habsburg-Lothringen
Die Aufklärung als Wegbereiter der Moderne, als Epochenbegriff, wiederkehrender
Prozess und Zeitalter des Lichtes - dieser geistigen Bewegung werden viele Attribute
angehaftet. Im folgenden Kapitel soll kurz auf die Situation der Aufklärung in der
Donaumonarchie eingegangen werden. Es handelt sich dabei, nicht wie oft behauptet um
ein Jahrhundert der Aufklärung, sondern bei kritischer Betrachtung nur um wenige Jahre.
Doch warum ist dies so und wieso lässt sich ein eigenständig österreichischer Weg aus
den Entwicklungslinien der Geschichte herauslesen.25
Vgl.: Ebda. S. 64 – 66.
Vgl.: Reinalter, Joseph II., S. 26 – 32.
24
Vgl.: Vocelka, S. 66.
25
Vgl.: Ebda., S. 60.
22
23
11
Die Situation in der Monarchie Habsburg-Lothringen war noch sehr stark von den
Auswirkungen der Gegenreformation, von traditionell feudal-kirchlichen Strukturen und
politisch von einem feudal-absolutistischen Staatsaufbau geprägt. Diese Hemmungen
bewirkten Hierzulande einen verspätend einsetzenden Transformationsprozess hin zu
einer umfassenden Reform des Staates. Dieser gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale,
kulturelle und politische Wandel setzte Mitte des 18. Jahrhunderts ein, es entwickelte sich
die Form des sogenannten aufgeklärten Absolutismus. Die längst notwendige
Durchführung dieser Maßnahmen hatte nicht die Philosophie der Aufklärung
herbeigerufen, sondern hatte, wie schon erwähnt, praktische Gründe. Die Praxis der
Aufklärung und die vielen Einflüsse der Strömung wirkten in die Ausführung der
Reformen nachhaltig mithinein. Der aufgeklärte Absolutismus basiert in der
Donaumonarchie auf einem „Kompromiss zwischen traditionellen Kräften, den weiter
bestehenden feudalen und kirchlichen Einrichtungen, und einer modernen bürgerlichen
Entwicklung.“26 Letzteres entwickelte sich, beeinflusst von den Ideen der Aufklärung, nur
zaghaft und ebenfalls verspätet. 27 Das moderne Bürgertum konnte sich aber weder
wirtschaftlich, noch politisch stark genug emanzipieren. Aufgrund dieser fehlenden
Profilierung und Positionierung konnte ein Wandel vom feudalabsolutistischen Staat hin
zu einer konstitutionellen Monarchie nicht herbeigeführt werden.
28
Trotz dieser
fehlenden Stärke entfaltete sich das Bürgertum auf dem Gebiet der Donaumonarchie, vor
allem im Staatsbeamtentum und der Bürokratie. So wurde dieser Stand Hauptträger, der
von Joseph II. staatlich verordneten Aufklärung. Die Folge war eine stärkere Anregung
zur politischen Partizipation am Beginn der Alleinherrschaft 1780 und ein breites
Engagement in politischen, kulturellen und intellektuellen Aktivitäten. Die zunehmende
Politisierung hatte folglich, beeinflusst von den philosophischen und literarischen Ideen
der französischen Aufklärung, einen großen Anteil an der Herausbildung eines kritisch
politischen Bewusstseins, das als Grundlage für die Entstehung einer Jakobinerbewegung
in der Donaumonarchie gesehen werden kann. Im Zuge dieses Entwicklungsprozesses
kam es auch zu einer stärkeren Moralisierung der Aufklärung. Die Unterscheidung
zwischen „wahrer“ und „falscher“ Aufklärung brachte einerseits eine Distanzierung zur
Französischen Revolution, andererseits mussten eigene Prinzipien nicht verworfen
26
Vgl.: Reinalter, S. 21.
Vgl.: Ebda., S. 20 – 21.
28
Helmut Reinalter, Ignaz von Born – Persönlichkeit und Wirkung, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Die
Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit, Frankfurt am Main 1991, S. 11.
27
12
werden. Doch auch abseits der Politisierung kam es zu Einflüssen der Aufklärung. 29 In
Bereichen der Wissenschaft, Literatur, Kunst und Journalistik sind diese gut
nachvollziehbar. Die Fortschritte in der Wissenschaft sah man als Voraussetzung für die
Entwicklung der Wirtschaft und der Technik. Aufbauend auf theoretischen Erkenntnissen
der frühen Aufklärung, vor allem auf Leibniz, versuchten Wissenschaftler an den
Universitäten des Reichs Reformen und Impulse für die neue naturwissenschaftliche
Auslegung zu fundieren. In diese Zeit fallen Namen wie Gottfried van Swieten, Ignaz von
Born und die erste Wiener Medizinische Schule. In den Bereichen der Literatur und des
Journalismus findet man ebenfalls Einflüsse der Aufklärung. Sonnenfels gab ab 1765 die
einflussreiche Wochenzeitschrift „Mann ohne Vorurteil“ heraus, welche einen
katholisch-österreichisch aufgeklärten Patriotismus formulierte. Das bürgerliche
Literatentum fand in Sonnenfels seinen Hauptvertreter. Eine weitere Ausprägung dieser
Zeit war die „Realzeitung der Wissenschaften, Künste und Kommerzien“, die
verschiedene Schriftsteller und Herausgeber publizierten. In dieser formulierten sie eine
radikale Aufklärung, von bürgerlicher Prägung und stark antiklerikaler Haltung. Ignaz
von Born, Mitarbeiter dieser Zeitung war nebenbei auch für die Bildung eines Journals
„von und für Freimaurer“ verantwortlich. Die Geheiminstitution der Freimaurer war ein
wichtiger Mittelpunkt der fortgeschrittenen Aufklärung in der Donaumonarchie, welche
bis zum Freimaurerpatent des Jahres 1785 rund 80% der hohen Bürokratie als Mitglieder
aufweisen konnte.30 Bis zum eben erwähnten Datum stellten die Zirkel der Freimaurer
eine aufklärerisch-liberale Position dar, frei von höfischen und religiösen Bindungen und
nach dem Prinzip der Freiheit und Gleichheit von Menschen unter Menschen. Diese
Institution, die vor allem auf das Bürgertum Interesse und Faszination ausübte, wird in
einem eigenen Kapitel näher beleuchtet.31
Über das Freimaurertum in der Donaumonarchie lässt sich, gerade während der
Regentschaft Joseph II., eine Brücke zur Kunst schlagen. Joseph Haydn und W.A. Mozart
waren nachweislich Logenbrüder in Wien, letzterer komponierte einige Werke im
Einfluss der Freimaurerei. Doch abseits der Musik waren die Künste im Allgemeinen von
29
Helmut Reinalter, Josephinismus, Geheimgesellschaften und Jakobinismus. Zur radikalen
Spätaufklärung in der Habsburgermonarchie, in: Anna M. Drabek, Richard G. Plaschka, Adam
Wandruszka (Hg.), Ungarn und Österreich unter Maria Theresia und Joseph II. Neue Aspekte im
Verhältnis der beiden Länder. Texte des 2. Österreichisch – Ungarischen Historikertreffens, Wien 1982,
S. 56 – 59.
30
Vgl.: Winter, S. 177 – 191.
31
Vgl.: Reinalter, Josephinismus, Geheimgesellschaften und Jakobinismus. Zur radikalen Spätaufklärung
in der Habsburgermonarchie, S. 62 – 63.
13
den Ideen der Aufklärung beeinflusst und Träger dieser geistigen Bewegung. Gottsched,
Lessing oder Klopstock waren nur drei unter vielen, die mit ihren literarischen Werken
der Aufklärungsbewegung in der Donaumonarchie Vorbilder waren. In der Kunst
entfaltete sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts der Stil des Klassizismus. Das
Streben nach Klarheit, Einfachheit und Übersichtlichkeit sind nur ausgewählte Aspekte
des Kunststils, der ebenfalls nachhaltig vom Vorbild der Aufklärung geprägt wurde. So
ist diese habsburgische Spezialform des aufgeklärten Absolutismus, welche Joseph der
II. zum finalen Höhepunkt bringt, in den verschiedenen Bereichen doch auch von Ideen
und Programmen der geistigen Bewegung der Aufklärung beeinflusst und mitgetragen.
Der Kern der einzelnen Einflüsse und Ausprägungen mag zeitlich begrenzt und
überschaubar sein, ist jedoch in vielen Strömungen nachweisbar und tritt in seiner kurzen
Dauer sehr intensiv und eigenständig auf. Eine typisch Österreichische Variante.32
2.4 Theoretischer Exkurs – Begriffserklärung
2.4.1 Aufgeklärter Absolutismus
Dieser Ausflug zur Annäherung einer Begriffsdefinition des Terminus „Aufgeklärter
Absolutismus“ ist an dieser Stelle längst notwendig, da dieser Begriff schon mehrmals in
der Arbeit verwendet wurde. Doch nicht nur das oftmalige Aufscheinen des Begriffs
zwingen zu seiner Annäherung. Die Wortkombination an sich ist interessant, wurde im
Laufe der Geschichtswissenschaft oft in Frage gestellt und kontrovers diskutiert. Trotz
aller widersprüchlichen Interpretationsansätze ist er im Sprachgebrauch und als
Epochenbezeichnung ein fest verankerter Begriff.33
Die Grundbedingung für die historisch gerechtfertigte Verwendung des Begriffs setzt
eine Verbindung von aufgeklärtem Gedankengut mit einer Herrschaftspolitik voraus,
welche deutlich absolutistische Züge aufweist. In weiterer Folge kann der Begriff des
aufgeklärten Absolutismus in zweifacher Ausformung zur Anwendung kommen.
Einerseits sind es die Ideen der Aufklärung, die einen elementaren Fortschritt einleiten
bzw. fördern, andererseits können diese aber auch zu einer erneuernden Stärkung des
absolutistischen Systems beitragen. Als Ideen oder Konzepte der Aufklärung müssen
Vgl.: Winter, S. 189 – 193.
Martin Fuhrmann, Diethelm Klippel, Der Staat und die Staatstheorie des aufgeklärten Absolutismus, in:
Helmut Reinalter, Harm Klueting (Hg.), Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, WienKöln-Weimar 2002, S. 223.
32
33
14
nicht nur die Ideale der französischen „philosophie des lumières“ 34 im Vordergrund
stehen, sondern auch jene, die zeitgleich aus anderen Quellen stammen und ebenfalls
Einfluss nehmen. Vor allem für die Habsburgische Version des aufgeklärten
Absolutismus waren praktische, aus Erfahrung stammende Erwägungen und Mittel
maßgeblich in den Reformbestrebungen involviert.35 Schon die eben erwähnten Zugänge
und Grundbedingungen machen die tiefsitzende Ambivalenz des Terminus sichtbar. Ein
weiteres Problem ist die Aufklärung an sich, welche in zunehmendem Maße, genauer
gesagt ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, zunehmend Einfluss auf Regierende und
Herrscher in Europa ausübte. Ihr offen formuliertes Ziel eines selbstbestimmenden
vernunftorientierten Menschen, welcher Verantwortung trägt und an der Politik
partizipiert, stand in einem unüberwindbaren Gegensatz zur damaligen Herrschaftskultur.
Folglich waren die Ideale der Aufklärung mit dem System der alles bestimmenden und
allein herrschenden absolutistischen Herrschaftsidee nicht zu Verbinden.
36
Der
Absolutismus verhindert jegliche Ansprüche der Aufklärung und setzt dem aufgeklärten
Absolutismus
unüberwindbare
Grenzen.
Letztlich
ging
es
nur
mehr
„um
Systemstabilisierung als um Überwindung der tradierten politischen Ordnung.“37 Genau
in
dieser Ambivalenz
ist
das
Reformwerk Joseph II. einzuordnen. Seine
Instrumentalisierung aufklärerischer Ideen zu Staatszwecken war immer geprägt von der
Ideologie der Machterhaltung bzw. Erweiterung. Sein Regierungsstil und sein
Reformwerk machen dies deutlich. Vor allem in seiner Innenpolitik konnte er politische
Ziele durch Integration und Partizipation erreichen, indem er die alten feudal ständischen
Institutionen in den Rang staatlich konzessionierter Organe hob.38
Gerade dieser Reformkomplex ist zugleich auch ein Paradebeispiel für das Scheitern des
aufgeklärten Absolutismus. Durch die stete Ambivalenz zwischen Absolutismus und
Aufklärung einerseits und die Radikalität in der Ausführung andererseits, scheiterte das
Reformunternehmen am Widerstand der Bevölkerung, der Bauern, der Studenten und des
Klerus. Durch diese breite Ablehnung musste Joseph II. am Ende seiner Regierungszeit
34
Harald Heppner, Aufgeklärter Absolutismus und Südosteuropa, in: Helmut Reinalter, Harm Klueting
(Hg.), Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, Wien-Köln-Weimar 2002, S. 208.
35
Vgl.: Ebda., S. 207 – 208.
36
Karl Otmar Freiherr von Aretin, Europa im Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Absolutismus, in:
Helmut Reinalter, Harm Klueting (Hg.), Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, WienKöln-Weimar 2002, S. 24 – 25.
37
Helmut Reinalter, Der Josephinismus als Variante des aufgeklärten Absolutismus und seine
Reformkomplexe, in: Helmut Reinalter (Hg.), Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus, Wien-KölnWeimar 2008, S. 14.
38
Vgl.: Reinalter, Joseph II., S.23 – 25.
15
einen Großteil seiner Reformen zurücknehmen. Die Zeit der Alleinregierung Josephs und
des umfangreichen Maßnahmenkatalogs, der Josephinismus, wird im folgenden
Abschnitt charakterisiert, da im engeren Sinne eine Abgrenzung zum aufgeklärten
Absolutismus notwendig ist.39
2.4.2 Josephinismus
Nach der tiefen Widersprüchlichkeit im Begriff des aufgeklärten Absolutismus ist der
Terminus
des
Josephinismus
ebenfalls
von
langen
Kontroversen
innerhalb
verschiedenster Historiker/Innengenerationen geprägt. Vor allem Eduard Winter und
Ferdinand Maaß vertraten diametral gegenüberstehende Thesen in der JosephinismusDebatte und konzentrierten sich vor allem auf staatskirchliche Aspekte. Andere
WissenschaftlerInnen versuchen hingegen die Eigenart der Geistesströmung zu
untersuchen und ihn als Sonderform einer deutschen Aufklärung zu positionieren. Im
Laufe der Entwicklungen kann man heutzutage von einem vielfältigen Konglomerat
verschiedenster geistiger Anschauungen des 18. Jahrhunderts sprechen, welche die
Ausformung des Josephinismus nachhaltig beeinflusst haben. Dieser gilt im heutigen
Standpunkt als eine Art Chiffre, die den gesamten und umfangreichen Reformkomplex
des ausgehenden 18. Jahrhunderts in der Donaumonarchie umschreibt. Nicht nur
staatskirchliche Aspekte sind Kern dieser Strömung, sondern ganz wesentlich auch die
Maßnahmen in Bereichen der Verwaltung, des Justizwesens, der Wirtschafts- und
Sozialpolitik, der Agrarverfassung, des Bildungswesens und der Toleranzgesetzgebung.40
Bevor die einzelnen Reformen im Mittelpunkt des Diskurses stehen, soll zunächst auf
den Ursprung des Begriffes eingegangen werden. Die Wurzeln liegen, entgegen früherer
Behauptungen, nicht schon im ausgehenden 18. Jahrhundert, sondern erst in der
Regierungszeit Kaiser Franz I. von Österreich. Faktum ist, dass das Wort des
Josephinismus in einem Brief Metternichs erwähnt wird, der im Jahre 1840 verfasst
wurde. Metternichs Gebrauch des Wortes legt nahe, dass der Terminus im Deutschen
existierte und in Verwendung war. Verblüffend ist jedoch nicht nur der Gebrauch,
sondern die Tatsache, dass die Wirkung des Josephinismus bis in die letzten
Regierungsjahre des Kaisers Franz II./I. hineinreicht. Dieses Phänomen bewirkte ein
39
Andreas Gestrich, Die Grenzen des aufgeklärten Absolutismus, in: Helmut Reinalter, Harm Klueting
(Hg.), Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, Wien-Köln-Weimar 2002, S. 278 – 279.
40
Rudolf Pranzl, Das Verhältnis von Staat und Kirche/Religion im theresianisch-josephinischen Zeitalter,
in: Helmut Reinalter (Hg.), Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus, Wien-Köln-Weimar 2008, S.
18 – 21.
16
Fortdauern einiger Gesetzgebungen und Einstellungen Josephs II. bis in die erste Hälfte
des 19. Jahrhunderts.41
Doch zurück zum Inhalt der Reformtätigkeit Josephs II. Wie schon erwähnt, wurden
schon während der Regentschaft Maria Theresias Maßnahmen zum Umbau der
Verwaltung und des Staatsapparats getätigt. Beeinflusst von Zielen und Ideen des
aufgeklärten Absolutismus wurden diese verfolgt und während der Alleinregierung
Josephs II. erweitert und systematisiert. Der Staat fungiert dabei als oberste Instanz, dem
alles untergeordnet werden muss und dem sich ein jeder/eine jede zum Wohl der
Gesamtheit widmen soll. Zentralismus, Staatsbeamtentum und Bürokratie entstanden, im
Fokus des Kaisers lag die radikale Vereinheitlichung und Verschmelzung der
verschiedenen Erbländer. Auf national gewachsene Strukturen und Traditionen wurde
keinerlei Rücksicht genommen. Dieses Faktum bildet einen Aspekt für das Scheitern der
Reformtätigkeit. Die fast unüberblickbare Fülle an Maßnahmen und Verordnungen sollen
hier nicht einzeln erwähnt werden, sondern nur als Kategorien beleuchtet werden. Am
Anfang seiner Alleinregierung sind als wichtige politische Reformkomplexe das
Toleranz- und das Untertanenpatent zu nennen. Ersteres ermöglichte den Protestanten
und Griechisch-Orthodoxen Gläubigen Bürgerrechte und eingeschränkte Kultuspraxis,
das Zweite hatte die Aufhebung der Leibeigenschaft in den böhmischen Ländern zur
Folge und wurde per Dekret auch für andere Erbländer verordnet. Den Mittelpunkt des
Josephinismus bildet neben allen Reformen und Verordnungen das Verhältnis zwischen
Staat und Kirche. Die Kirchenpolitik Josephs II. war ausgelegt, die Nachwirkungen der
Gegenreformation und die Monopolstellung des Jesuitenordens endgültig zu beseitigen
und eine vom Staat unabhängige Kirche zu schaffen. Nicht nur beim einfachen Volk,
sondern auch beim Klerus und im späteren reaktionären Katholizismus rief diese Politik
heftige Reaktionen hervor. Der tiefe Eingriff des Staates in Glaubensangelegenheiten,
Strukturen und Organisationsabläufe der katholischen Kirche sind nur Teilaspekte dieser
Auseinandersetzung.
42
Die radikalste Maßnahme erwies sich in der Auflösung
kontemplativer Klöster und die Einziehung ihrer Vermögen. Um die damals schon
hitzigen Debatten in der Öffentlichkeit für seine Reformen zu beeinflussen, lockerte
Joseph II. anfänglich die Zensur, ließ neueste Ideen der Aufklärung verbreiten und
41
Derek Beales, Joseph II. und der Josephinismus, in: Helmut Reinalter, Harm Klueting (Hg.), Der
aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, Wien-Köln-Weimar 2002, S. 37 – 40.
42
Vgl.: Reinalter, Der Josephinismus als Variante des aufgeklärten Absolutismus und seine
Reformkomplexe, S. 10 – 13.
17
versuchte mittels Broschüren gezielt die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die
massive und tiefsitzende Unzufriedenheit, der Widerstand und die Kritik in der
Zivilbevölkerung verstummten dadurch keineswegs, sondern entfalteten sich auf Grund
der Kompromisslosigkeit und Rigorosität in der Umsetzung der Reformen immer stärker.
Die Kluft wurde immer tiefer, Unruhen und Krisensituationen spitzten sich zu. Die daraus
resultierenden Folgen waren eine Neuordnung der Polizei, Abänderung vieler
Verordnungen und weitreichende Konzessionen an die Stände. „Damit leitete Joseph
selbst die Abkehr von den Reformen des aufgeklärten Absolutismus ein.“43
2.5 Das Freimaurerpatent
So widersprüchlich, kontrovers und ambivalent das Reformwerk Josephs II. und seine
gesamte Regierungszeit sind, so gespalten ist auch sein Verhältnis zur Freimaurerei.
Seine Reformen machen die enge Verbindung zwischen der Freimaurerei und den
Veränderungen in Staat, Gesellschaft und Kirche augenscheinlich, führten aber in letzter
Konsequenz zur Spaltung und zum Niedergang der Bauhütten in den habsburgischen
Landen. Im folgenden Kapitel sollen die Verbindungslinien zwischen Joseph II. und der
Freimaurerei, sein kaiserlicher Erlass und dessen Folgen veranschaulicht werden.44
Im Jahre 1784 kam es in der Donaumonarchie zu einer organisatorischen Um- bzw.
Neustrukturierung unter den verschiedenen Logen. Ziel der letzten Verhandlungen war
die Bildung einer großen Landesloge von Österreich, welche wiederum in
Provinziallogen aufgeteilt war. In diesem Neuordnungsprozess spielte der Einfluss der
Loge „Zur wahren Eintracht“ unter ihrem Meister Ignaz von Born eine wesentliche
Rolle.
45
Parallel zum einsetzenden Reformdrang Josephs II. kam es zu einem
Aufschwung in den verschiedenen Logen. Der Aufstieg der Freimaurerei in den ersten
Jahren der Alleinregierung des Kaisers ging Hand in Hand mit der Broschürenflut zur
Werbung für sein Reformwerk. Auch die Sozietäten bedienten sich sehr häufig der Presse,
Zeitungen und Zeitschriften, um ihre Ideen zu verbreiten und sich eine Einflussbasis in
Vgl.: Reinalter, Joseph II., 29 – 34.
Vgl.: Ebda., S. 30 – 31.
45
Helmut Reinalter, Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion. Zur
gesellschaftlichen Rolle und zum indirekt politischen Einfluss der Geheimbünde im 18. Jahrhundert, in:
Helmut Reinalter (Hg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt am
Main 1983, S. 47.
43
44
18
der Öffentlichkeit zu verschaffen.46 Zur Verdeutlichung des Aufschwungs sind nackte
Zahlen die anschaulichste Kategorie. Im Jahr 1782 verzeichnete die Loge zur „Wahren
Eintracht“ 36 Mitglieder, ein Jahr später bereits rund 72 und zur Zeit ihres Höhepunkts
im Jahr 1785 hatte sie 176 Mitglieder.47 Angesichtes der Ausmaße des Aufschwungs und
der breiten Popularitätsbasis scheint es beim ersten Anblick unverständlich, dass Kaiser
Joseph II. per Erlass alle Logen unter Polizeiaufsicht stellte, eine Spaltung herbeiführte
und
dadurch
den
Niedergang
der
Freimaurerei
einleitete.
Das
sogenannte
Freimaurerpatent vom 11. Dezember 1785 stand einerseits in engem Zusammenhang mit
der ebenerwähnten Initiierung der Großloge, andererseits trugen persönliche Ansichten
und vor allem politische Absichten zu dieser Entscheidung bei. Erstens konnte der Kaiser
das Wirken der Freimaurerei aus rein ideologischen Gründen nicht tolerieren, standen
diese doch im krassen Gegensatz zu den Grundsätzen des Absolutismus. Joseph II. als
aufgeklärter Monarch konnte „die geheime Tätigkeit einer so einflussreichen
Organisation, auf die er selbst keinen Einfluss hatte, in seinen Ländern auf die Dauer
nicht dulden.“ 48 Nach der Unterstützung der freimaurerischen Tätigkeit im Zuge der
Propaganda für die Reformen der ersten Regierungsjahre, sollte diese von nun an unter
staatliche Kontrolle kommen und das gesamte Feld der Freimaurerei unter den Schutz
des Staates gestellt werden. Zweitens spielte die Hohe Politik eine maßgebliche Rolle für
den Erlass des kaiserlichen Handbillets. Joseph II. wollte, schon in der Zeit seiner
Mitregentschaft, das österreichische Belgien gegen Bayern eintauschen. Diesen Plan
nahm er in der Zeit seiner Alleinherrschaft erneut auf und versuchte mittels Unterstützung
des Illuminaten-Ordens eine erfolgreiche Umsetzung herbeizuführen. Das Tauschprojekt
scheiterte auf ganzer Linie, die Konspiration der Illuminaten hatte sich als wenig
zufriedenstellend herausgestellt. Folglich hatte der Kaiser keinen Grund, die Aktivitäten
der verschiedenen Logen weiterhin ohne staatliche Kontrolle zu erlauben. 49 Neuere
Erkenntnisse über die Gründe des Freimaurerpatents liefern verschiedene Briefwechsel,
die ebenfalls auf politische Absichten hinweisen. Dieser aufschlussreiche Briefverkehr
bestand einerseits zwischen Wien und Mailand, andererseits zwischen Wien und
Galizien. Aus Letztem ist zu entnehmen, dass Freimaurerversammlungen in Ungarn als
46
Helmut Reinalter, Die Gründung der großen Landesloge 1784 und das Freimaurerpatent Josephs II., in:
Museumsverein Schloss Rosenau (Hg.), 250 Jahre Freimaurerei in Österreich, Wien 1992, S. 26 – 27.
47
Edith Rosenstrauch-Königsberg, Eine freimaurerische Akademie der Wissenschaften in Wien, in:
Gunnar Hering (Hg.), Zirkel und Zentren. Aufsätze zur Aufklärung in Österreich am Ende des 18.
Jahrhunderts, Wien 1979 (= Jahr der Erstveröffentlichung), S. 75.
48
Vgl.: Ebda., S. 83.
49
Vgl.: Reinalter, Ignaz von Born, S. 52 – 54.
19
Vorwand für geheime Treffen oppositioneller Gruppierungen gebraucht wurden. In
diesen Zusammenkünften diskutierte man Wiedersetzungsmaßnahmen gegen Reformen
des Kaisers. Doch nicht nur außenpolitische Aspekte sind Gründe für die Abfassung des
Dekrets. Die wachsende Opposition innerhalb der Freimaurer und in der Innenpolitik sind
ebenfalls nicht zu verachtende Tatsachen. Spannungsfelder, Richtungskämpfe und
verschiedene Ansichten in der Arbeit innerhalb der einzelnen Logen sind Teile dieser
komplexen Problematik.50
Die Folgen des kaiserlichen Patents waren Enttäuschung, Erschütterung der Institutionen
und der Niedergang der verschiedenen Logen. Die staatliche Kontrolle durch Polizei und
Spitzel führte zur Spaltung und zu Widerstand mittels Pamphleten. Am Schluss sei
nochmals auf die „Wahre Eintracht“ verwiesen, welche in den Tagen vor Weihnachten
1785 ihre Arbeit einstellte. Am 19. Dezember fand noch eine Versammlung statt, bei der
auch W.A. Mozart zu Gast war. Im Forum dieser wurde über die zukünftigen
Verhandlungen debattiert, die das Schicksal der Loge endgültig besiegeln sollten.51
Zusammengefasst trifft es G.E. Lessing im folgenden Zitat sehr pointiert: „Es ist immer
das Kennzeichen einer gesunden Staatsregierung wenn sich die Freimaurerei neben ihr
blicken lässt, so wie es noch jetzt das Merkmal eines schwachen und furchtsamen Staates
ist, wenn er sie nicht dulden will.“52
50
Vgl.: Reinalter, Die Gründung der großen Landesloge 1784 und das Freimaurerpatent Josephs II., S. 27
– 28.
51
Dolf Lindner, Ignaz von Born Meister der Wahren Eintracht. Wiener Freimaurerei im 18. Jahrhundert,
Wien 1986, S. 162 – 163.
52
Ludwig Lewis, Geschichte der Freimaurerei in Österreich und Ungarn, Leipzig 1872, S. 3.
20
3 Die Freimaurerei
3.1 Ihre Entstehung und historische Entwicklung
Als Einstieg in das Thema der Freimaurerei soll ein Ausschnitt aus den Alten Pflichten
der Bruderschaft zitiert werden, der uns auch einen Definitionszugang liefert.
„Die Freimaurerei, eine alte und ehrbare Einrichtung: alt ohne Zweifel, da sie seit
unvordenklichen Zeiten besteht, und ehrbar muß sie sein, da sie die Neigung hat,
diejenigen, die ihre Vorschriften befolgen, ehrbar zu machen.“53
Dieser kurze Auszug beinhaltet zwei wesentliche Komponenten, einerseits die lange
Geschichte und andererseits die Ehre der Menschen, der Mitglieder – das Moralsystem
der Bruderschaften. In diesem Kapitel steht die Entstehungsgeschichte der Freimaurerei
im Mittelpunkt der Betrachtung.
Mythen, Legenden und verschiedenste Theorien ranken sich um die Entstehung dieser
geheimen
Gesellschaft.
Ihre
alte
Historiographie
erwähnt
immer
wieder
Verbindungslinien zwischen den Bauhütten und antiken Mysterienbünden. Kulte der
Brahmanen, die Osiris Legende oder der Mithras Kult sind in diesem Zusammenhang zu
nennen. In wie weit diese mystischen Theorien für die europäische Freimaurerei
bestimmend waren, lässt sich kaum festmachen. Wesentlich konkreter im Hinblick auf
Vorstufen sind berufliche Zusammenschlüsse der Handwerker mit Ritter- bzw.
Templerorden. Diese handwerklichen Bruderschaften und deren Brauchtum bilden die
eigentlichen Vorläufer der Freimaurerei. Diese Zusammenschlüsse entstanden im
Mittelalter überall dort, wo Dome und Kathedralen gebaut wurden. Die Gilden bestanden
hauptsächlich aus Mitgliedern des Steinmetzstandes, später gesellten sich Decker und
Maurer hinzu. Im Begriff „freemason“ tauchten diese qualifiziert ausgebildeten
Berufsstände zum ersten Mal in einer Londoner Urkunde des Jahres 1376 auf. Den
Niedergang dieser Bauhütten in Mitteleuropa leiteten ökonomische Auswirkungen der
Kriege (Hundertjähriger Krieg) und die Reformation ein. Letztere unterstellte den Gilden
geheime Treffen und die Missachtung kirchlicher sowie weltlicher Gesetze. Nach der
einsetzenden Auflösung auf dem europäischen Festland kam es in England zu einer
Entwicklung, welche maßgeblich zur Wiederbelebung der Freimaurerei beitragen sollte.
Es vollzog sich ein Prozess, in dem durch die Aufnahme von Nicht-Werkmaurern eine
spekulative Freimaurerei entstand. Durch diese Neuformierung verschiedenster
53
Paul Naudon, Geschichte der Freimaurerei, Frankfurt am Main 1982, S. 12.
21
Berufsgruppen, kam es, so schreibt es die Literatur, am Johannestag (24. Juni) des Jahres
1717 in London zur Gründung einer Großloge. 54 Dieser Dachverband bestand aus
Kleinbürgern und sie pflegten eine rituell geregelte Geselligkeit. Der rasche
gesellschaftliche Aufschwung führte dazu, dass im Jahr 1723 ein freimaurerisches
Grundgesetz formuliert wurde, die eingangs zitierten Alten Pflichten. Im Zusammenhang
mit diesem Konstitutionenbuch sei der Name John Theophilus Desaguliers erwähnt. Der
nach England emigrierte Großmeister der Loge war maßgeblich an der Arbeit der
Regelschrift beteiligt. Eine weitere Folge dieses Aufschwungs stellte der Zustrom
aristokratischer Männer dar. Vertreter mehrerer europäischer Herrscherhäuser, Franz
Stephan von Lothringen, Friedrich von Preußen oder Frederick Prinz von Wales, wurden
in freimaurerische Gesellschaften aufgenommen.55
Die Sozietät der Freimaurerei setzte fortan an nach Frankreich über und breitete sich nach
Osten über ganz Mitteleuropa aus. Die Gesellschaft und Logen der Brüder wurden Mode,
ihre
Gebräuche
interessant.
Doch
gerade
diese,
für
die
damalige
Zeit,
geheimnisumwobenen Rituale erregten Misstrauen. Nur im Verborgenen konnten die
Mitglieder zur Zeit des Absolutismus Ideale der Aufklärung, Ideen der Wissenschaft und
neue Theorien der politischen Partizipation diskutieren. Vor allem das gewerbetreibende
Bürgertum war Träger dieser neuartigen „Modeerscheinung“.56
Die Ausbreitung des Freimaurerbunds in Zentraleuropa erfolgte über mehrere Etappen
und gelang über Preußen in die Habsburgermonarchie, genauer gesagt von Berlin nach
Wien. In der Hauptstadt der Donaumonarchie bestand die Loge „Aux Trois Canons“ nur
kurz, vom September 1742 bis März 1743. Erst einige Jahrzehnte später sollte es wieder
zu einem starken Aufstieg der Freimaurerei in den habsburgischen Landen kommen. Die
Entwicklungen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts waren in den verschiedenen Ländern
Europas verschieden, das Bekenntnis zur Aufklärung war aber allen Gesellschaften
gemeinsam. Der Aufschwung der Freimaurerei und die Gründung von neuen Logen
geschahen dort am stärksten, wo Interessen nicht mehr von Verbindlichkeiten ständischer
Lebensgestaltung abhängig waren. Dieser gesellschaftliche Transformationsprozess
verband zum ersten Mal Ideen geistiger und naturwissenschaftlicher Bewegungen und
überwand dabei konfessionelle, staatliche und ständische Grenzen. Die verschiedenen
Logen und Zirkel vereinigten Mitglieder gehobener Bürgerschichten mit den Zielen, die
Helmut Reinalter, Die Freimaurerei, München 2010, S. 8 – 12.
Dieter Anton Binder, Die Freimaurer. Geschichte, Mythos und Symbole, Wiesbaden 2015, S. 9 – 10.
56
Alexander Giese, Die Freimaurer. Eine Einführung, Wien-Köln-Weimar 1997, S. 51 – 53.
54
55
22
Wissenschaften zu fördern, das eigene Wissen zu erweitern und soziale Aktivitäten
gemeinsam durchzuführen. Daneben entstanden im Laufe des 18. Jahrhunderts andere
Bruderschaften, Rosenkreuzer und Illuminaten, um nur zwei zu nennen. Gerade in den
Jahren vor der Französischen Revolution und maßgeblich von Ideen der Aufklärung
geprägt, entwickelte die Freimaurerei demokratische Formen der Willensbildung. In
ihren Sitzungen und Versammlungen trat das Mehrheitsprinzip in Erscheinung und im
Aufbau der Bruderschaften lassen sich Abbilder republikanischer Verwaltungssysteme
herauslesen. Dieses politische Verständnis gepaart mit den unzähligen anderen
fortschrittlichen Gedanken der Freimaurer brachte diese Gruppe unweigerlich in die Nähe
der Frühphase der Französischen Revolution. Dies markante historische Ereignis und die
daraus resultierenden Folgen brachten eine Spaltung der gesamtgesellschaftlichen
Ordnung mit sich. Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war gekennzeichnet von
revolutionären, reformativen und reaktionären Spannungen und Tendenzen. Spätestens
ab dem Wiener Kongress des Jahres 1815 traten Rahmenbedingungen in Erscheinung,
welche die folgenden Jahrzehnte prägen sollten und sich in der Revolution von 1848
entluden. Die Entwicklungen der Bruderschaften in Österreich und Deutschland waren
im Verlauf des langen 19. Jahrhunderts sehr verschieden und von verschiedenen
historischen Strömungen beeinflusst. Fehlende Zukunftsperspektiven und Ideen führten
zu einer weitgehenden Stagnation in den Bünden der Freimaurerei, welche auf ihrer,
durch die Geschichte abgeleitete Legitimation, verharrten. Dieser Aspekt führte am
Beginn
des
20.
Jahrhunderts
zu
einer
Anfälligkeit
für
verschiedenste
Verschwörungstheorien einerseits, zu starken Angriffen seitens des Faschismus und
Nationalsozialismus andererseits. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die
Freimaurerei in Europa wiederformieren und Stellung zu aktuellen Problemen beziehen.
Den Herausforderungen und Strömungen der Gegenwart ausgesetzt, strebt die
Freimaurerei nach wie vor, Menschen ohne dogmatische Festlegungen und Konzepte zu
beurteilen.57
57
Vgl.: Reinalter, Freimaurerei, S. 12 – 31.
23
3.2 Traditionen, Symbole und Rituale
Symbole und Rituale in der Freimaurerei stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung
in den Treffen der Bruderschaften und in deren Tätigkeiten. Um Goethe zu zitieren, „nur
der Tätige erfahre, was an ihm sei, wer er sei.“58 Rituale und ihre korrekte Ausführung
wurden über Jahrhunderte lang gepflegt und an die nächsten Generationen
weitergegeben. Durch den Umstand, dass das ganze Werk der Freimaurerei auf das Bauen
zurückgeht,
lassen
sich
alle
Symbole
und
Rituale
auf
Traditionen
des
Steinmetzhandwerks zurückführen. Uralte Baulegenden sind die Basis dafür.59
In der gesamten Auseinandersetzung mit der Freimaurerei spielt der Wert der Symbole
eine entscheidende Rolle, man ist fast dazu hingerissen zu sagen, Freimaurerei ist
Symbolik. Im folgenden Absatz wird nun das symbolische Innenleben näher beleuchtet.
Die verschiedenen Symbole des freimaurerischen Lebens lassen sich auf drei
grundsätzliche Themen herunterbrechen. Wer bin ich? Das Individuum in Mitten seiner
Lebenswelt und der eigene Tod. Auf diese Überlegungen aufbauend, wird der
Symbolbegriff in Symbole des engeren und weiteren Sinns gespalten. Letztere sind alle
Ausdrucksformen, die in enger Verknüpfung mit dem Bauhandwerk stehen, Symbole für
alle Grade und der verschiedenen Logen und Embleme, die vielfach aus kunsthistorischen
Epochen kommen (z.B.: Barocke Emblematik). „Grundsätzlich muss daher festgehalten
werden, dass nahezu die meisten angeführten Symbole auch außerhalb freimaurerischer
Konnotation Verwendung finden.“60 Symbole, die Prof. Helmut Reinalter als eine des
engeren Sinns bezeichnet, sind einfache Zeichen, Darstellungen, Objekte oder
Handlungen. Für die Internationalität und Zeitlosigkeit der Freimaurerei sind diese von
großer Bedeutung. Das Verständnis für die Unabhängigkeit von religiösen Strömungen
und deren Dogmatiken liefert die gesamte Symbolik der Freimaurerei. Der gesamte
Prozess von Bruderschaften und ihre Arbeiten sind von einer fortlaufenden Kette von
Symbolen geprägt, welche in verschiedenen und klar festgelegten Riten erfolgen. 61
Somit liegt es auf der Hand, dass im Innenleben der Freimaurerei die Symbolik und die
Ritualistik eine enge Verbindung eingehen. Um ein Ritual erfahrbar zu machen, dieses in
seinem Wert zu erheben, braucht es einerseits Symbole, andererseits klar definierte
58
Vgl.: Gise, S. 41.
Vgl.: Ebda., S. 41 – 42.
60
Vgl.: Binder, S. 144.
61
Vgl.: Reinalter, Freimaurerei, S. 32 – 33.
59
24
Formen und Abläufe. Der etymologische Hintergrund des Wortes lässt sich im „de rite =
nach dem Gebot, nach dem Gesetz“62 herauslesen. Freimaurerische Rituale entstanden
aus dem Brauchtum des Steinmetzgewerbes und im Laufe der Zeit bildete sich eine
traditionelle Abfolge in den Handlungen der Bruderschaften heraus.63
Den Mittelpunkt dieser Handlungen bildet in jeder Loge die Initiation, die Einweihung.
Eine ausführlichere Beschreibung dieser Aktivität soll am Beispiel des sogenannten
„Wiener Rituals“ im nächsten Kapitel erfolgen. Doch auch alle anderen vielfältig
freimaurerischen Handlungen sind Abfolgen, bestehend aus verschiedenen Symbolen,
Worten, Gesten unter dem Einfluss von Objekten und Figuren. Die verschiedenen Rituale
brauchen auch hier einen klar gegliederten Ablauf, dessen Kernstück immer die
individuelle Auseinandersetzung mit den existentiellen Fragen, die in der Ausführung
über die Symbolik bereits erwähnt wurden, bildet. Das freimaurerische Ritual ist daher
immer eine Ordnungskategorie, welche eine sinnbildliche Ausführung einer Handlung
beinhaltet.64
3.2.1 Exkurs – „Das Wiener Ritual“
Die folgende kurze Abhandlung soll der Leserin/dem Leser einen Einblick in das
Aufnahmeverfahren der Wiener Logen in den 1780er Jahren geben. Gestützt auf das
Logenbuch der Wahren Eintracht, welches in einer Innsbrucker Diplomarbeit näher
beleuchtet wurde, sollen nun die einzelnen Schritte der Initiationszeremonie dargelegt
werden. Durch den vorhandenen Schriftwechsel der befreundeten Logen „Zur
Wohltätigkeit“ und „Wahren Eintracht“ ist der „Unterricht in den Gebräuchen, welche
bey der Aufnahme eines Freymaurer Lehrlings beobachtet werden müssen“
65
festgehalten.
Zu Beginn jeder Aufnahme musste der Suchende ein schriftliches Aufnahmegesuch
verfassen, dieses entweder an die Loge selbst, oder an ein ihm bekanntes Mitglied der
Bruderschaft übermitteln. In Folge dessen wurde die Person als Suchender, Kandidat für
die Lehrlingsaufnahme in die gewünschte Loge vorgeschlagen. Voraussetzung für den
Suchenden war, dass er ein freier Mann von gutem Ruf und Ehre war. Anschließend
62
Vgl.: Gise, S. 44.
Vgl.: Ebda., S. 43 – 44.
64
Vgl.: Reinalter, Freimaurerei, S. 34 – 35.
65
Johannes Puchleitner, Symbol und Zahl in Mozarts Zauberflöte, Dipl.Arb., Innsbruck 2001, S. 44.
63
25
wurde mittels einer geheimen Abstimmung durch Kugeln, die sogenannte Ballotage,
entschieden, ob das Verfahren zur Aufnahme eingeleitet wird, oder nicht. Fällt der
Abstimmungsritus positiv aus, so wird der Kandidat zum möglichen Eintritt in die Loge
vorbereitet, sein Proponent garantierte die Würdig- und Ehrbarkeit des Bewerbers. Zu
Beginn der Initiationszeremonie wurde der Suchende in eine dunkle Kammer geführt. In
dieser nahm man ihm sämtliche metallische Gegenstände ab und gewährte ihm Zeit zum
stillen Nachdenken. Anschließend verbanden Logenbrüder seine Augen und führten ihn
in den Tempel der freimaurerischen Bruderschaft. Der Meister vom Stuhl, der frei
gewählte Vorsteher der Loge, nahm nun das offizielle Aufnahmeverfahren ab und erklärte
den Suchenden formell zum Lehrling und Mitglied des Ordens. Dieser war der erste Grad
der Freimaurerei und wurde symbolisch aus der mittelalterlichen Handwerkstradition der
Zünfte und Gilden übernommen. Das eben beschriebene Ritual vollzog auch W.A.
Mozart am 14. Dezember 1784 und wurde Lehrling in der Loge „Zur Wohltätigkeit“.66
3.3 Anfänge und erste Logen der österreichischen Freimaurerei im 18. Jahrhundert
3.3.1 Überblick und Entstehung erster Geheimbünde
Parallel zu den aufkommenden Reformbestrebungen Maria Theresias und der langsam
einsetzenden Emanzipierung eines Teils des Bürgertums verbreitete sich die Freimaurerei
im Habsburger Reich ab 1740 sehr rasch. Es entstanden gesellschaftliche Sozietäten,
Zirkel und Zentren, die Adelige und Vertreter der Bürgerschaft gleichsam ansprachen. So
brachten diese Logen eine gemeinsame Basis hervor, die alle ständischen Unterschiede
nivellierte und eine soziale Gleichheit innerhalb des Gefüges der Bruderschaft forcierte.
In weiterer Folge etablierten die bürgerlichen Zirkel innere Gesetzmäßigkeiten und nach
außen hin Freiheit und Autonomie, um sich der Einflusssphäre kirchlicher und politischer
Instanzen zu entziehen.67
Um die Entstehung der ersten Logen und Bruderschaften auf habsburgischem Gebiet zu
beschreiben, muss der Blick nochmals zurück ins Jahr 1717 geworfen werden. In diesem
entstand, wie im Kapitel zur Geschichte der Freimaurerei schon beschrieben wurde, in
London die erste freimaurerische Großloge. Dieses Ereignis kann als der Anfang, der sich
Vgl.: Ebda., S. 44 – 46.
Vgl.: Reinalter, Josephinismus, Geheimgesellschaften und Jakobinismus. Zur radikalen Spätaufklärung
in der Habsburgermonarchie, S. 63.
66
67
26
Richtung Festland-Europa ausbreitenden, bruderschaftlichen Bewegung gesehen werden.
Über Frankreich, Niederlande und Deutschland erreichte diese schlussendlich Wien. Die
Gründung der ersten Loge im Jahr 1742 vollendete aus österreichischer Sichtweise diesen
Prozess. Doch schon einige Jahre zuvor vollzog sich eine Entwicklung, die maßgeblichen
Einfluss auf die Ausbreitung bzw. Gründung der ersten Wiener Loge hatte.68 Dazu bildet
das Jahr 1729 den Startschuss. Im andalusischen Sevilla wurde der Friedensvertrag
zwischen Frankreich und Spanien geschlossen, England und die Niederlande traten
diesem später auch bei. Dieser Vertrag hatte eine mögliche Isolierung des Habsburger
Reiches zur Folge und eine Steigerung des politischen Einflusses Frankreichs. Um diesen
Szenarien entgegen zu halten forcierte die hohe Wiener Diplomatie Verhandlungen mit
England, welches ebenfalls bemüht war, sich einen Rückhalt in Österreich zu
verschaffen. Zum Abschluss der bilateralen Verhandlungen reiste Franz Stephan von
Lothringen über die Österreichischen Niederlande und Holland nach England. Nach
einem Bericht der englischen Großloge wurde der zukünftige Ehemann Maria Theresias
„1731 von einer englischen Deputation in Den Haag in eine Loge aufgenommen […].“69
Diese Aufnahme spiegelt einerseits die Mitgliedschaft einflussreicher politischer
Personen in freimaurerischen Bünden wieder, andererseits belegt die gute Quellenlage in
ihren Ausführungen die Wichtigkeit, welche dieser Initiation beigemessen wurde. Als
Graf Blamont reiste Franz Stephan Inkognito mit einer österreichischen Gesandtschaft
weiter nach London und wurde dort als Gast des englischen Premierministers in rituellen
freimaurerischen Versammlungen begrüßt. In weiterer Folge wurde er in den Meistergrad
erhoben, das genaue Datum ist nicht belegt. Aus den Quellen lässt sich nur herauslesen,
dass dieser Akt in den letzten zwei Monaten des Jahres 1731 vollzogen wurde. Dieser
finale Höhepunkt bildet gleichzeitig das Ende seiner freimaurerischen Ambitionen. In
Wien lassen sich keinerlei Aktivitäten in verschiedenen Logen nachweisen.70
Zurück in der Hauptstadt des Habsburger Reiches entstand hier rund zehn Jahre nach
Franz Stephans Reise nach England die erste freimaurerische Loge unter dem Namen
„Aux trois canons“, Loge zu den drei Kanonen. Ihre aktive Arbeit sollte nur von kurzer
Dauer sein, doch ihre Gründung ist, vor dem Hintergrund mehrmaliger kirchenrechtlicher
Interventionen und Drohungen des Papstes Clemens XII., wichtig für die weitere
68
Vgl.: Reinalter, Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion, S.39.
Vgl.: Giese, S. 95.
70
Ernest Krivanec, Die Anfänge der Freimauerei in Österreich, in: Helmut Reinalter (Hg.), Freimaurer
und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt am Main 1983, S. 177 – 179.
69
27
Entwicklung der Freimaurerei in Österreich. Interessant sind nun die Betrachtung der
Logenarbeit an sich, ihre verzeichneten Mitglieder und ihre Arbeitstätigkeit. 71 Zuerst
muss betont werden, dass sich die Ausbreitung der Freimaurerei über Europa in gleicher
etappenmäßiger Form gestaltete, wie die Ideen der Aufklärung. Nach Berlin und Prag
kam es im September 1742 zur Gründung einer Loge in Wien an dieser Graf Schaffgotsch
maßgeblich beteiligt gewesen ist. Der Name der Loge ist wahrscheinlich eine Anspielung
auf die drei Grade des symbolischen Aufbaus der freimaurerischen Zirkel. Unter den
verschiedenen, natürlich nur männlichen, Mitgliedern befanden sich Diplomaten aus
Botschaftskreisen, Hofräte, Vertreter des Adels und ein Angehöriger des geistlichen
Standes. Die Arbeit vollzog sich, auch ob der kurzen Dauer, sehr rasch und intensiv. So
wurden zum Beispiel knapp 49 Aufnahmezeremonien vorgenommen und 15 Gesellen in
den Meisterstand erhoben. Rund ein halbes Jahr nach der Gründung wurde die Loge am
7. März 1743 gewaltsam aufgelöst. Die verbliebenen Brüder setzten ihre Aktivitäten in
aller Heimlichkeit fort und blieben quasi bis in die 1750er Jahre im Untergrund tätig. Nur
elf Jahre später kam es in Wien erneut zu einer Logengründung. Es handelte sich dabei
um eine Deputationsloge mit dem Namen „Aux Trois Cours“ – zu den drei Herzen. Diese
wurde maßgeblich von Hannover aus unterstützt und mit den nötigen Unterlagen
versorgt. Die Entstehung dieser Einrichtung ist in Zusammenhang mit den
Verhandlungen zwischen England und Österreich in dem sich weiter zuspitzenden
Konflikt mit Preußen zu sehen. Im Zuge dieser weilten einige Vertreter des
diplomatischen Dienstes Englands und Hannovers in Wien. Die zeitlich beschränkten
Besprechungen auf Regierungsebene sind wahrscheinlich auch der Grund für den
ebenfalls nur kurzen Bestand der Loge. Sie wurde mit Ende des Jahres 1754 wieder
aufgelöst, sämtliche Protokolle wurden nach Hannover rückgeführt. 72 Die folgenden
Jahre waren einerseits von dem längst notwendigen Reformprojekt Maria Theresias
geprägt, andererseits von aufklärerischen Maximen, welche maßgeblich die kleine, aber
im Wachstum begriffene, Bürgerschicht begleitete und beeinflusste. Die Zahl der Logen
nahm in den 1760er Jahren zu, bekanntestes Beispiel sind „Die Freigiebigen“. Dieser
Zirkel war der berühmteste Repräsentant des sogenannten Clermont-Systems.73 Dieses
Organisationschema gelangte Mitte des 18. Jahrhunderts nach Österreich und regelte die
Struktur der Grade neu. Auf die drei symbolisch traditionellen Grade folgten noch zwei
71
Vgl.: Reinalter, Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion, S. 39.
Vgl.: Krivanec, S. 180 – 183.
73
Vgl.: Giese, S. 96.
72
28
Hochgrade, welche möglicherweise auf Legenden der Tempelritter zurückgehen. Die
eben erwähnte Neustruktur stiftete Verwirrung in den freimaurerischen Sozietäten und
wurde 1782 ad acta gelegt. Die Loge der Freigiebigen in Österreich bestand bis 1770 und
war beeinflusst von mystischen Strömungen der Freimaurerei. Ein weiteres Beispiel für
ein System, welches fast alle deutschen und österreichischen Logen in ihren Strukturen
beeinflusste, war die sogenannte „Strikte Observanz“. Diese arbeitete mittels sieben
Gradstufen und lässt sich ebenfalls auf die Templertradition zurückführen. In Böhmen
war dieses System weit verbreitet und fand in der Loge der „Drei gekrönten Sterne“ ihren
Vertreter. Die Stadt Prag wurde zu einem Zentrum für alle möglichen freimaurerischen
Ideen und Ausformungen und genoss international hohes Ansehen. Parallel zu dieser
Entwicklung litt die Freimaurer Szene von Prag aber unter zwei nennenswerten
Problemfaktoren. Erstens gab es eine tiefverwurzelte Feindschaft zur reaktionären
katholischen Kirche und zweitens wurden Rosenkreuzerorden ebenfalls sehr populär. Im
Jahre 1770 wurde das erste Patent für eine Loge, welche nach der „Strikten Observanz“
arbeitete, in Wien ausgestellt. Dieser Zirkel wuchs stark, seine Mitglieder kamen zum
größten Teil aus dem Offiziersstand. Das stete Wachstum führte in Folge zu einer Teilung
der Loge und es entstand eine neue Sozietät unter dem Namen „Zum Palmbaum“. 74 Die
Folge dieser Einflüsse und Entwicklungen freimaurerischer Tätigkeiten war in den letzten
zehn Regierungsjahren Maria Theresias eine Zunahme hinsichtlich verschiedenster
Logenaktivitäten. Im Todesjahr der Regentin 1780 gab es allein in Wien sechs Logen mit
rund 200 Mitgliedern. Die Alleinregierung Josephs II. brachte eine rege Werbetätigkeit
der Bruderschaften mit sich, welche in Folge Zuwächse brachte, aber auch eine neue Art
der Behutsamkeit im Aufnahmeritus etablierte. Im Jahr 1781 entstand mit der Gründung
der Loge „Zur wahren Eintracht“ eine Sozietät, welche für die weitere Entwicklung der
Freimauerei in Wien von höchster Bedeutung war. Auf Grund dieser maßgeblichen
Wirksamkeit und ihrer großen Strahlkraft in verschiedene Schichten des Adels und des
Bürgertums, soll dieser Zirkel nun in einem eigenen Kapitel näher und ausführlicher
beschrieben werden.75
74
75
Vgl.: Krivanec, S. 183 – 187.
Vgl.: Reinalter, Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion, S. 40.
29
3.3.2 Eliteloge der Wissenschaft – „Zur wahren Eintracht“
Die Wiener Loge, welche am 12. März 1781 unter dem Namen „Zur wahren Eintracht“
konstituiert wurde, sollte folglich bis zu ihrer Auflösung im Zuge des Freimaurerpatents
Ende Dezember 1785 zur bekanntesten und wirksamsten österreichischen Bauhütte
anwachsen. Ihre Blütezeit war maßgeblich durch die josephinischen Reformen geprägt,
da der Kaiser in seinen ersten Regierungsjahren um die politische Gunst der Freimaurerei
für seinen Maßnahmenkatalog warb. Den entscheidenden Wendepunkt für die weitere
Entwicklung der freimaurerischen Bruderschaften in den habsburgischen Erblanden
stellte der Erbfolgekrieg um Bayern der Jahre 1778/79 dar. Dadurch wurde die
Verbindung der österreichischen Provinzialloge zu ihrer Landesloge in Berlin
unterbrochen. Eine Folge dieses Bruchs waren Zahlungsrückstände und damit
verbundene finanzielle Engpässe. Aus diesem Umstand heraus erklärt sich der bis zum
Jahr 1784 verfolgte Plan zur Gründung einer autonomen Großloge in der
Habsburgermonarchie.76
Die konsequenteste Antriebskraft für die Umsetzung dieses Vorhabens stellte die Loge
„Zur wahren Eintracht“ dar. Sie wurde im März des Jahres 1781 als Abspaltung, oder als
sogenannte Tochterloge der Sozietät „Zur gekrönten Hoffnung“ aus der Taufe gehoben.
Den Vorsitz der Bauhütte „Zur wahren Eintracht“ hatten zwei Männer aus der
Wissenschaft inne. Im ersten Jahr des Bestehens war Ignaz Fischer, k.k. Hofchirurg
Meister der Bruderschaft. Ihm folgte im 1782 Ignaz von Born, eine der schillerndsten und
berühmtesten Freimaurerfiguren des späten 18. Jahrhunderts, auf den Meisterstuhl. 77
Schon im ersten Jahr der Tätigkeit verzeichnete die Institution einen Zuwachs an neuen
Mitgliedern, welcher in der Folgezeit beachtliche Auswüchse annehmen sollte. Schon im
Juni desselben Jahres fand die erste Zeremonie zur Initiation statt und im November
wurde Ignaz Born auf Vorschlag des Bruders Soliman in die Loge aufgenommen.78 In
den geheimen Protokollen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs findet man folgenden
präzisen Beleg: „[…] Anfang September 1781 in die Wahre Eintracht aufgenommen. […]
Am 6. Oktober wurde er zum Meister erhoben. […] Auf Soliman ist eigentlich die
Einmaligkeit der Wahren Eintracht als Forschungsloge und Sammelpunkt so vieler
Gelehrter und Künstler zurückzuführen, da er es war, der am 14. November 1781 die
76
Hans Wagner, Die Loge zur Wahren Eintracht, in: Museumsverein Schloss Rosenau (Hg.),
Freimaurerei um Joseph II., Wien 1980, S. 7.
77
Vgl.: Rosenstrauch-Königsberg, S. 74.
78
Vgl.: Lindner, Wien 1986, S. 98.
30
Inkorporierung des Edlen Ignaz von Born beantragt hat.“79 Ignaz Born, Wissenschaftler
und überzeugt aufgeklärter Bürger, war schon vor seinen Jahren in Wien als Freimaurer
tätig. Zu welchem Datum er genau einer Loge beigetreten ist, lässt sich wissenschaftlich
nicht mehr belegen, jedoch kann mit ziemlicher Sicherheit gesagt werden, dass er in den
Jahren 1769 oder 1770 Mitglied der Bruderschaft „Zu den drei gekrönten Säulen“ in Prag
wurde. In Wien verfolgte er dann mit dem Eintritt in die Loge „Zur wahren Eintracht“
seine Pläne, eine Eliteloge zu etablieren, die seinesgleichen suchte. Durch die Übernahme
und Nachfolge Ignaz Fischers als Meister vom Stuhl begann dieser tiefgreifende
Aufstieg. Wie schon im oben zitierten Akt beschrieben ist, drängten Künstler, Gelehrte,
Wissenschaftler, Musiker und Vertreter des Hohen Adels in die Loge. Born entwarf von
Beginn an ein Programm zur neuen geistigen Ausrichtung der Bauhütte: „Ist Wahrheit,
Weisheit und die Beförderung der Glückseligkeit des ganzen Menschengeschlechts nicht
auch der eigentliche Endzweck unserer Verbindung?“ 80 Diese Fragestellung und
gleichzeitige Vorgabe für das neue Konzept erschien im von der Loge publizierten
Journal für Freimaurer. 81 Der Zustrom geistiger Eliten in die Bruderschaft war sehr
intensiv, darum sollen einige der bekanntesten Namen hier ihre Erwähnung finden.
Aufklärer wie Sonnenfels, Zeiller oder der Schwager Goethes Schlosser, Professoren und
Mediziner wie Frank, Musiker wie Haydn oder Mozarts Vater Leopold, Staatsmänner
wie Hofkanzler Krakowsky oder der Graf von Saurau und Dichter wie zum Beispiel
Blumauer, Alxinger und Retzer. Beim Lesen dieser ehrenvollen Namen könnte die
berechtigte Behauptung entstehen, dass die Freimaurerei ganz grundsätzlich nur den
Reichen und Mächtigen vorbehalten war. Dies Argument lässt sich mit der Statistik
verneinen, da sich unter den Brüdern der Wahren Eintracht 113 Bürgerliche und 96
Adelige wiederfanden. Natürlich setzt die wissenschaftlich geistige Ausrichtung der Loge
eine gewisse Vorbildung voraus, welche nicht jedem Teil der Zivilbevölkerung
zugänglich war. Mittels verschiedener Programme und Initiativen versuchte Born die
Arbeit der Bruderschaft einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.82 Ein erster
Vorschlag, der in diese Richtung abzielt, war die Einrichtung bzw. Umwandlung von
79
Angelo Soliman gibt schriftlich seine Zustimmung zum Vorschlag Borns, statt der herkömmlichen
Instruktionslogen Meister-Übungslogen mit wissenschaftlichen Vorträgen abzuhalten (Ende Oktober
1782, eigenhändig), HHStA Vertrauliche Akten 69 f. 13, in: Museumsverein Schloss Rosenau (Hg.),
Freimaurerei um Joseph II., Wien 1980, S. 25 – 26.
80
Helmut Reinalter, Ignaz von Born als Freimaurer und Illuminat, in: Helmut Reinalter (Hg.), Die
Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit, Frankfurt am Main 1991, S. 43.
81
Vgl.: Ebda., S. 23 – 24.
82
Vgl.: Wagner, Die Loge zur Wahren Eintracht, S. 9 – 11.
31
Instruktionslogen zu sogenannten Übungslogen. Statt Aspekte des Rituals und
freimaurerischer Symbolik zu thematisieren sollten wissenschaftliche Ideen und
Neuerungen diskutiert und vorgetragen werden. Einmal im Monat sollte eine solche
Sitzung stattfinden, in der auch Nichtmitglieder, Profane, die Möglichkeit bekamen,
eigene Aufsätze vorzutragen. Die Diskussionen über die Abänderung dieser Grundsätze
vollzogen sich sehr vorsichtig, die Abstimmung darüber erfolgte demokratisch und ist im
Protokoll vom 29. Oktober 1782 festgehalten.83 Am 4. November desselben Jahres, so
gibt der vertrauliche Akt Auskunft, kam es zur ersten Abhaltung einer solchen
Übungsloge, welche durch den berühmten Vortrag von Born über die Mysterien der
Ägypter eröffnet wurde. Dieser Umstand könnte ein Grund für die mögliche Verbindung
zwischen Born und Sarastro aus Mozarts Zauberflöte sein. Immer wieder wurde Born
zum Ur- bzw. Vorbild der Opernfigur stilisiert. Die Möglichkeit besteht, ist
wissenschaftlich aber noch nicht eindeutig belegt. Mit Sicherheit kann gesagt werden
dass, durch den großen Andrang, die nächste Sitzung in einen größeren Tempel verlegt
werden musste und die Einrichtung der Übungslogen ein Erfolg war.84 Zur Publikation
und weiteren Verbreitung der Aufsätze aus den Übungslogen sowie zu allgemeinen
freimaurerischen Überlegungen wurde im Jahr 1784 das schon öfter zitierte Journal für
Freimaurer ins Leben gerufen. Auf Initiative von Sonnenfels und der Besetzung des
Dichters Alois Blumauer als Redakteur erschien das Blatt zwischen 1784 und 1786
vierteljährlich und beinhaltete neben Aufsätzen auch Gedichte und andere
freimaurerische Mittelungen. Gegenteilig der Pläne Borns, war das Journal
Nichtmitgliedern der Loge nicht zugänglich, was den Vorteil mit sich brachte, dass die
Inhalte weitestgehend von der Zensur geschützt waren. Trotz dieser Umstände maß Born
diesen Publikationen große Bedeutung bei, vor allem hinsichtlich eines aufklärerisch
humanistischen Selbstverständnisses.85
Neben dem Journal für die Freimaurer publizierte die Loge noch weitere Blätter und
Arbeiten. Darunter fallen Werke wie zum Beispiel die „physikalischen Arbeiten der
einträchtigen Freunde“, „Musikalische Unterhaltungen der einträchtigen Freunde“, der
„Wiener Musenalmanach“ oder die stark freimaurerisch beeinflusste „Realzeitung“. Die
vielfältige Tätigkeit und die breitgestreuten Aktivitäten innerhalb der Loge lassen
Vgl.: Rosenstrauch-Königsberg, S. 76 – 80.
Ignaz von Born „Über die Mysterien der Ägypter“, Vortrag bei der ersten Meister-Übungsloge der
Wahren Eintracht am 4. November 1782 (erste Seite, Abschrift), HHStA Vertrauliche Akten 69 f. 53, in:
Museumsverein Schloss Rosenau (Hg.), Freimaurerei um Joseph II., Wien 1980, S. 28.
85
Vgl.: Rosenstrauch-Königsberg, S. 80 – 81.
83
84
32
deutlich werden, dass die Bruderschaft als eine Ersatzinstitution zur fehlenden Akademie
der Wissenschaften galt. Neben publizistischen, wissenschaftlichen und künstlerischen
Betätigungsfeldern, war der Anteil der „Wahren Eintracht“ unter der Führung Borns für
die Neuorganisation der Freimaurerlogen in der Habsburgermonarchie äußerst
bedeutsam. Die Gründung einer großen Landesloge im Jahr 1784 brachte diesen,
langwierigen und von oft heftigen Diskussionen begleiteten, Prozess zum Abschluss.86
Ein weiteres wichtiges Ereignis war die Einführung der Bornschen Amalgamation in
Österreich durch Kaiser Joseph II. Diese technische Errungenschaft hatte eine
Neuordnung des Hütten- und Bergbauwesens zur Folge und lockte Fachleute und
Montanisten aus Europa in die Donaumonarchie. Dieses Erfolgserlebnis wurde zugleich
ein großes gesellschaftliches Ereignis, dem zu Ehren W.A. Mozart die Kantate „Die
Maurerfreude“ (KV 471) komponiert hat. 87 Aus dem Flugblatt, welches das Fest
ankündigte, können wir folgendes entnehmen. „Es sind dabei verschiedene […] verfaßte
und in Musik gesetzte Lieder, und zugleich eine Kantate vorgekommen, die unser Br.
Petran verfaßt, der berühmte Br. Mozart, von der s. ehrw. zur Wohltätigkeit, in Musik
gesetzt […].“88 Die Veröffentlichung des kaiserlichen Handbillets im Dezember 1785
setzte diesen Feierlichkeiten ein jähes Ende und führte, wie schon beschrieben, zum
Niedergang der Freimaurerei. Die Loge „Zur wahren Eintracht“ wurde mit zwei anderen
zu einer neuen Sozietät mit dem Namen „Zur Wahrheit“ vereinigt. Die meisten Brüder
und der Kreis um Born verließen bald den Zirkel, um nicht weiter, in den von der Polizei
kontrollierten Logenverzeichnissen, aufzuscheinen. In den Jahren 1787 – 89 kam es
praktisch zu keinen Zusammenkünften und so wurde die Loge im Jahr 1789 einstimmig
aufgelöst.89 Ignaz von Born, der 1786 die Loge endgültig verließ, blieb bis zu seinem
Lebensende den wissenschaftlichen und aufklärerischen Ideen treu und wurde von W.A.
Mozart sehr verehrt. Die Umstände der persönlichen Bekanntschaft und die dem
Logenmeister gewidmete Kantate, lassen einen Zusammenhang zwischen Born und der
Figur des Sarastro für möglich erscheinen. Faktum ist jedoch, dass er eine dominierende
und prägende Persönlichkeit der österreichischen Freimaurerei war, das Logenleben
nachhaltig umstrukturierte und die Loge „Zur wahren Eintracht“, als eine Sozietät von
Rang, etablierte.90
Vgl.: Reinalter, Ignaz von Born als Freimaurer und Illuminat, S. 46 – 47.
Vgl.: Ebda., S. 27.
88
Vgl.: Lindner, S. 145.
89
Vgl.: Rosenstrauch-Königsberg, S. 82 – 84.
90
Vgl.: Reinalter, Ignaz von Born als Freimaurer und Illuminat, S. 67.
86
87
33
3.4 Freimaurerei in den Künsten des 18. Jahrhunderts
Die Freimaurerei wird seit Anbeginn mit den Begriffen der Kunst und Kultur assoziiert.
Schon im englischen Konstitutionenbuch, welches aus der Tradition der Bauhütten heraus
verfasst wurde, ist von einer „königlichen Kunst“ die Rede. Ist diese Bezeichnung
anfangs aus dem Bauwesen entnommen und mit der Konnotation der edelsten Kunst
versehen, so wandte sich die Bedeutung hin zur Charakterisierung einer Kunstform,
welche die Würde ihrer Grundsätze vertritt und sich als Lebenskunst versteht. Sinn,
Zweck und die Ästhetik der Existenz spielen immanent eine zentrale Rolle. Doch nicht
nur auf normativer Basis spiegelt sich die Freimaurerei innerlich wider, sondern auch
über die Haltung des Individuums in Form der Aufarbeitung des eigenen Lebens. In der
künstlerischen Tätigkeit versucht sich die Freimaurerei immer an der Grenze des
Wissbaren zu bewegen, diese manchmal zu überschreiten und den eingeschlagenen Weg
sicht-, hör- und erfahrbar zu machen. „Dies geschieht unter dem symbolischen Begriff der
Arbeit des Lehrlings am rauhen Stein.“91 Die enge Verbindung zwischen den Künsten
und der Freimaurerei bestand schon zur Zeit der Gründung der ersten Logen in London
Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Beginn an lässt sich ein enger Zusammenhang
zwischen den Sozietäten und der Royal Society, der Akademie der Naturwissenschaften
feststellen. Das starke Interesse für wissenschaftliche Neuerungen, sowie das Streben
nach Toleranz und Freiheit sind nur ausgewählte Aspekte für diese starke Verbindung.
Stellvertretend für diese Entwicklung muss noch einmal der Name J.T. Desaguliers
genannt werden. Großmeister der englischen Großloge und Mitglied der Akademie
beeinflusste er wie kein anderer die Anfänge der englischen Freimaurerei und sein
Engagement machte sie für den Hochadel und Angehöriger fürstlicher Häuser interessant.
In der sich, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, beginnenden Ausbreitung des
freimaurerischen Gedankenguts auf West- und Mitteleuropa, kam es in Frankreich zur
Vermischung mit den Ideen der Aufklärung. Dies zeigte sich in der Verbreitung dieser
durch freimaurerische Zirkel und in der Teilnahme an der
Ausarbeitung der
Enzyklopädie. Im Kreis dieser Arbeit entstand nicht nur ein gemeinschaftlicher Konsens
in Fragen der Ethik, Religion und Staatswissenschaften, sondern auch eine Loge in Paris,
die sogenannte „Philosophenloge“. Neben den kulturellen freimaurerischen Zentren in
London und Paris etablierte sich in Wien neben anderen Sozietäten, der Zirkel „Zur
Peter Volk, Hermann Hesses „Morgenlandfahrt“ und „Glasperlenspiel“. Metaphern der Freimaurerei?,
in: Helmut Reinalter (Hg.), Freimaurerische Kunst – Kunst der Freimaurerei, Innsbruck 2005, S. 111.
91
34
wahren Eintracht“ als ein kulturelles Zentrum von großer Strahlkraft. Wie schon ihm
Vorkapitel ausführlich beschrieben, wollte Ignaz von Born aus dieser eine Art
freimaurerische Akademie der Wissenschaften machen und öffnete diese Bauhütte für
Schriftsteller, Künstler, Musiker, Wissenschaftler und Gelehrte. Es schwebte ihm eine
Eliteloge von Rang vor, eine Dienerin der Wissenschaft und Kunst. Die Gründung einer
eigenen Staatsakademie, ähnlich der Royal Society, war in der Habsburgermonarchie
schon länger geplant.92
Die Pläne Borns zur Initiierung einer Akademie der Wissenschaften und Künste in Wien
waren bei genauer Betrachtung eine quasi Wiederbelebung alter Pläne aus der Zeit von
Leibniz. Schon während der Regentschaft Leopolds I. und während seiner
Zusammenkunft mit Prinz Eugen im Jahre 1712 warb er für seinen Plan für eine
Akademie. Bis zu seinem Tod 1716 war Leibniz bemüht eine Reichsakademie in Wien
zu installieren. Doch aufgrund der Türkenkriege und des Spanischen Erbfolgekrieges war
die Staatskassa leer und so dauerten die Bemühungen bis in die Regierungszeit Maria
Theresias hinein.93 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schien es Möglichkeiten
für eine Umsetzung zu geben, zumal einerseits immer mehr aufklärerisches Gedankengut
in die Habsburgermonarchie strömte und man andererseits einen österreichischaufgeklärten Patriotismus als Gegenpol zu Preußen und den restlichen Deutschen
Fürstentümern etablieren wollte. Dieser versuchte die Rückständigkeit Österreichs
abzustreifen und ein neues bürgerliches Selbstgefühl zu konstruieren. Die Annahme, die
hauptsächlich von Sonnenfels getragen wurde, missachtete zwei wichtige Komponenten.
Erstens spielte nach wie vor der Adel die entscheidende Rolle in der Monarchie und
zweitens wurde das Selbstgefühl der nicht deutsch sprechenden Völker des Reichs
komplett ausgeklammert.
94
Verschiedene Gelehrte, unter ihnen Gottsched oder
Klopstock bemühten sich in der 1760er Jahren vergebens für die Umsetzung der Pläne,
welche aber immer an der schlechten finanziellen Lage der Habsburgermonarchie
scheiterten. In den folgenden Jahren gab es jedoch ein Projekt, das nicht wegen
budgetärer Mittel scheiterte, sondern bezüglich einer vermeintlich persönlichen
Abneigung. Maria Theresia wollte G.E. Lessing nach Wien berufen, ihn mit der Leitung
des Theaters betrauen und seine Persönlichkeit als Triebkraft für eine Akademie nutzen.
Doch seine Abneigung gegenüber Sonnenfels und subjektive Gründe führten letzten
Vgl.: Reinalter, Freimaurerei, S. 99 – 102.
Vgl.: Rosenstrauch-Königsberg, S. 300.
94
Vgl.: Winter, S. 187 – 188.
92
93
35
Endes zum Scheitern des Deals.
Nationalismus
und
der
von
95
Der schon im Keim entstandene bürgerliche
Sonnenfels
maßgeblich
geprägte
klassizistische
Vaterlandsbergriff, welchen Goethe im Jahr 1778 scharf ablehnte, sind als geistiger
Überbau dieser vergeblichen Berufung Lessings nach Wien zu erwähnen. Sonnenfels, der
ebenfalls in den 1770er Jahren Pläne zur Umsetzung der Akademie ausarbeitete,
verwirklichte diese rund zehn Jahre später in seiner Tätigkeit als Mitglied der „Wahren
Eintracht“ unter der Führung Borns.96
Sonnenfels und Born sind nicht zu verachtende Bindeglieder zwischen den Plänen zur
Gründung einer Akademie der Wissenschaften und der Künste und der österreichischen
Freimaurerei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Daneben können auffallend viele
Schriftsteller, welche als Freimaurer Diener der Künste waren, erwähnt werden. Neben
Lessing auch Goethe, Herder, Wieland oder Schikaneder. Abseits des Theaters und der
hohen Dichtkunst ist die Verbindungslinie zur Musik eine ganz maßgebliche und
nachhaltige.97 Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts findet man
viele Kompositionen, die von freimaurerischem Gedankengut geprägt worden sind oder
direkt für Ereignisse der Logen komponiert wurden. Den höchsten musikalischkünstlerischen
Ausdruck
bieten
die
Werke
Mozarts,
der
eine
umfassende
Freimaurermusik schrieb. Neben seiner berühmten Oper „Die Zauberflöte“ sind noch
Kantaten, Lieder und Gesänge für die verschiedensten Anlässe der Loge zu nennen.
Inwiefern Mozarts Musik der Freimaurerei nahe stand wird in den folgenden Abschnitten
der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet und im Diskurs dreier repräsentativer Werke in
den Fokus der Betrachtung gerückt.98
Der Leserin, dem Lesern soll auf diesem Wege folgende Schlussfolgerung mitgegeben
werden. Trotz aller kulturellen Leistungen sollte man sich nicht zu naiven
Überbewertungen über den Einfluss der Freimaurerei auf die Kultur in ihrer Gesamtheit
hinreißen lassen. Ein Beispiel zum besseren Verständnis. W.A. Mozart hätte sicher auch
ohne seine Logenzugehörigkeit unzählige grandiose Werke verfasst und hätte dieselbe
Berühmtheit erfahren, wie durch seine Mitgliedschaft in der Bauhütte.99„Insofern muß
95
Vgl.: Rosenstrauch-Königsberg, S. 301.
Vgl.: Winter, S. 189.
97
Vgl.: Reinalter, Freimaurerei, S. 102 – 103.
98
Vgl.: Winter, S. 192.
99
Vgl.: Reinalter, Freimaurerei, S. 103.
96
36
die manchmal zu starke Vereinnahmung kultureller Persönlichkeiten für die
Freimaurerei relativiert werden.“100
100
Vgl.: Ebda., S. 103.
37
4 W. A. Mozart und die Freimaurerei
4.1 Prolog - W.A. Mozarts erste Jahre in Wien
Anfang der 1780er Jahre lebten in der habsburgischen Hauptstadt Wien rund 200.000
Einwohner, davon etwa ein Viertel im innersten Bezirk rund um die Residenz. Dieser war
von einer sehr hohen Wohndichte und engen Straßen und Gassen geprägt, die von mehr
als 4.000 Kutschen und Wagen befahren wurden. Für Fußgänger herrschte ziemliches
Gedränge und ein oft mühsames Vorankommen. 101 Die Stadt Wien verzeichnete zur
damaligen Zeit eine starke Zunahme ihrer Bevölkerung, vor allem in den Vorstädten.
Gründe dafür waren unter anderem die prosperierende wirtschaftliche Bedeutung der
Residenz des Habsburgerreiches, das umfangreiche Reformprogramm Maria Theresias,
das sich im Kleinen emanzipierende Bürgertum und der Reichtum des Adels. Dieser
Stand vereinigte den überwiegenden Reichtum und die Wirtschaftskraft der Stadt, machte
aber nur rund drei Prozent der städtischen Bevölkerung aus. Die Angehörigen des
Hochadels besaßen meist ein Stadtpalais sowie einen Sommersitz in den Vorstädten.
Durch das sehr schlanke Hofzeremoniell Josephs II. und dessen Verzicht auf
übermäßigen Prunk, kamen die Vertreter/Innen des Adels in Versuchung ihr
Repräsentationsbedürfnis selbst zu befriedigen und glanzvoll zu demonstrieren. Diese
Konstellation eröffnete den vielen Musikern in Wien neue Chancen und Möglichkeiten
sich in Szene zu setzen und Aufträge zu generieren. So entstanden neben der kaiserlichen
Hofkapelle Musikgruppen des Adels und neben den großen Konzertsälen und
Spielbetrieben neue Aufführungsorte, welche privat betrieben und finanziert wurden.
Dieses neu entstandene Niveau und die bunte Vielfalt des Musiklebens sollten Mozart in
seinen ersten Wiener Jahren beeinflussen und Rahmenbedingungen für seine Tätigkeiten
sein.102
W.A. Mozart lebte bis zu seinem Tode im Jahr 1791 fast 11 Jahre lang in Wien. Diese
letzte große Periode in seinem Leben kann, eines besseren Verständnisses wegen, in drei
Abschnitte gegliedert und so strukturell besser erfassbar werden. Traditionell ergibt sich
die erste Zäsur im Jahr 1783, als Mozart und seine Frau Konstanze Wien für vier Monate
verlassen und in Salzburg und in Linz zu Besuch sind. Die zweite Periode reicht von ihrer
101
Volkmar Braunbehrens, Mozart in Wien, München 1986, S. 53.
Gernot Gruber, Wolfgang Amadeus Mozart. Leben und Werk in Texten und Bildern, Frankfurt am
Main und Leipzig 2005, S. 151 – 152.
102
38
Rückkehr nach Wien im November desselben Jahres bis 1787. Mozart reist nach Prag zur
Produktion seiner Oper „Die Hochzeit des Figaro“ und bleibt der Hauptstadt Böhmens
immer wieder treu verbunden. Die letzte Schaffensperiode in der Dauer von vier Jahren
wird von seinem frühen Tod jäh beendet. Im folgenden Absatz soll auf die Zeit zwischen
Mozarts Ankunft in Wien 1781 und seinem Eintritt in die Loge „Zur Wohltätigkeit“ Ende
1784 eingegangen werden. Im Fokus der Ausführung stehen das gesellschaftliche
Umfeld, seine künstlerischen Tätigkeiten und seine Strategien, sich als Künstler ohne
feste Anstellung im Dschungel des Wiener Musiklebens zu etablieren.103
Am 12. März des Jahres 1781 bestieg Wolfgang Amadeus Mozart die Kutsche zum
Aufbruch nach Wien. Nicht Salzburg war die Stadt seiner Abreise, sondern München.
Hier hielt sich der Komponist auf, um seine Oper „Idomeneo“ fertig zu komponieren und
am kurfürstlichen Hoftheater zur Aufführung zu bringen. Dafür gestattete Mozarts
Dienstherr, der Erzbischof von Salzburg Hieronymus Graf Colloredo, eine Urlaubszeit in
München. Nachdem diese von Mozart aber um fast drei Monate überschritten wurde und
der Kirchenfürst in Wien seinen schwerkranken Vater besuchte, samt höfischabsolutistischem Pomp inklusive einer kleinen Musikabteilung, erhielt der Komponist
einen dringlichen Befehl, unverzüglich nach Wien zu kommen. Die folgenden Wochen
waren von tiefgreifenden Zwistigkeiten und Verstimmungen beider Seiten geprägt.
Erzbischof Colloredo reagierte auf Eigenmächtigkeiten Mozarts sehr unfreundlich und
verständnislos und wollte seine Musiker der Gesellschaft des musikbegeisterten Wiener
Stadtlebens vorführen. Musik als reiner Repräsentationszweck mit dem berühmten
Wunderkind Mozart an der Spitze. Beide Aspekte missfielen Wolfgang Amadé sehr, vor
allem die starke Bindung und Abhängigkeit an die erzbischöfliche Hofhaltung. Dies
manifestierte sich dadurch, dass Wolfgang Amadé als Mitglied der Salzburger Hofkapelle
kaum am öffentlichen Musikleben teilhaben konnte, dem strengen Protokoll unterstand
und somit nicht in der Lage war, sich selbst zu emanzipieren bzw. zu etablieren.104 Mozart
verfolgte schon länger eine Strategie, sich neben einer festen Anstellung in Wien als freier
Künstler zu versuchen. Darin lassen sich fünf Säulen herauslesen. Er plante seine
Existenz in der Verwirklichung von Opernkompositionen, Veranstaltung von Konzerten,
Unterrichtstätigkeit, Einladungen in elitäre Musikzirkel Wiens und in der Publikation
seiner Werke. Doch bevor sich dieser kühne Plan umsetzen ließ, überschlugen sich die
Ereignisse im Frühjahr 1781. Wolfgang Amadeus Mozart verließ im Mai sein
103
104
Konrad Küster, Mozart und seine Zeit, Laaber 2002, S. 354.
Vgl.: Braunbehrens, S. 17.
39
Dienstzimmer und zog frohen Mutes in das Haus mit dem Namen „Auge Gottes“ am
Wiener Petersplatz. Diese Aktion war der erste Höhepunkt im Zerwürfnis mit seinem
Dienstherren, dem Erzbischof von Salzburg. Letzterer forderte den Komponisten
mehrmals vehement auf, nach Salzburg zurückzukehren, um seinen Dienst in der
Hofkapelle zu versehen. Mozart kam dieser Aufforderung nicht nach und zog zur Familie
Weber in das Haus am Petersplatz. In Folge dessen verliebte er sich in Konstanze, die
mittlere der drei Töchter.105 Parallel zu den frühjährlichen Glücksgefühlen vollzog sich
der endgültige Bruch mit dem Erzbischof von Salzburg in Etappen. In der Zeitspanne
vom 9. Mai bis zum 8. Juni 1781 kam es zu mehreren schriftlichen Korrespondenzen, an
deren finalen Schlusspunkt das Ausscheiden Mozarts aus dem erzbischöflichen Dienst
stand.106 Nach seinem Umzug in eine Wohnung am Graben kündigte er am 15. Dezember
1781 in einem Brief an seinen Vater die geplante Hochzeit mit Konstanze an.107 Mozart
schildert wie folgt: „Mein bestreben ist unterdessen etwas wenig gewisses hier zu haben
– dann lässt es sich mit der hülfe des unsichern ganz gut hier leben; - und dann – zu
heyrathen!“.108 Die Heirat zwischen Wolfgang und Konstanze fand im August 1782 statt
und wurde kirchlich im Wiener Stephansdom besiegelt. Der Heiratskontrakt war am
Vortag fertig gestellt worden, die Zustimmung des Vaters Leopold, der die Liaison seines
Sohnes kritisch und mit Missfallen beobachtete und kommentierte, lag erst etwas später
vor.109
In der Zeitspanne zwischen dem Bruch mit dem Erzbischof von Salzburg und der Heirat
im Stephansdom, widmete sich Mozart dem Singspiel „Entführung aus dem Serail“. Er
traf damit ganz den Geschmack des Kaisers, der schon seit 1779 versuchte, das deutsche
Singspiel im Zusammenhang mit einem deutschen Nationaltheater in Wien zu etablieren.
In den Jahren bis zur Uraufführung der „Entführung aus dem Serail“ wurde die
italienische Opera buffa in den Hintergrund gedrängt, erlebte aber anschließend wieder
eine Renaissance, maßgeblich beeinflusst durch die Libretti da Pontes. Mozart, erst kurz
in Wien, hatte eine große und tiefe Leidenschaft für das Theater und für die Bühne. Auf
Vermittlung des Burgschauspielers Schröder sah sich des Kaisers Hoftheater Direktor
Graf Rosenberg – Orsini nach einem geeigneten Stoff für Mozart um. In Folge dessen
wandte sich Mozart an Gottlieb Stephanie den Jüngeren und verfolgte seine Absicht ein
Martin Geck, Mozart. Eine Biographie, Reinbek bei Hamburg 2005, S. 102 – 103.
Vgl.: Küster, S. 27.
107
Vgl.: Geck, S. 102 – 103.
108
Vgl.: Ebda., S. 104.
109
Vgl.: Küster, S. 28.
105
106
40
deutsches Singspiel zu komponieren. 110 Erste Unterredungen fanden schon im April
während der Auseinandersetzung mit dem Erzbischof statt. Ende Juli 1781 war das
Libretto fertiggestellt worden und Mozart konnte mit der musikalischen Ausarbeitung
beginnen.111 Der Inhalt der Oper bediente die damals gerade in Mode gewesenen Türken
Sujets sehr gekonnt und sparte nicht mit wechselnden Nuancen der Humanität und
Grausamkeit. Daneben ließ Stephanie auch Ideen der Aufklärung miteinfließen, sichtbar
am liebenden Paar, welches von Selim Bassa aus freien Stücken und nicht aus Zwang
freigegeben wurde. Mozarts musikalische Arbeit begann gleich nach der Fertigstellung
des Librettos im August 1781, musste im Zuge dieser aber erfahren, dass die
Uraufführung des Singspiels bis ins Jahr 1782 verschoben wurde. Ursprünglich war diese
für einen Besuch des russischen Zaren vorgesehen. Nach mehreren Verschiebungen kam
es am 16. Juli 1782 zur Premiere im Burgtheater. Über Erfolg, Ablauf und nähere
Einzelheiten dieser Aufführung ist bis dato nichts bekannt, da die Quellenlage
unzulänglich ist. Die Oper selbst war ein großer Erfolg für Mozart. Es kam zu weiteren
Aufführungen, bis 1783 insgesamt 15, welche von einem begeisterten Publikum besucht
wurden.112 Dieser Einstandserfolg für Mozart in Wien manifestierte sich auch dadurch,
dass sein Sinn für Dramaturgie und Bühnenwirkungen gepaart mit seinen musikalischen
Einfällen genial waren. Seine Begeisterung, sein Interesse für das Theater und sein tiefer
Drang im Hinblick einer Neuentwicklung des Opernstils bildeten dafür das Fundament.
Im Zuge dieses Engagements suchte er immer nach Textdichtern, die seine Zugänge und
Auffassungen von Theater bzw. Oper teilten. Mozart gestaltete seine Figuren als
Individuen, als lebendige Menschen, die entwicklungsfähig, facettenreich und lebensnah
sein sollten. So führte er die Oper ganz bewusst sehr nahe an gesellschaftliche
Erscheinungen und reizte das zeitgenössische Konfliktpotential oft bis an die Grenzen
des Erlaubten aus. Sein Gespür für die Inszenierung der Oper als Gesamtkunstwerk war
bewusster und genialer als bei anderen Komponisten seiner Zeit.113
Abseits des Projekts des deutschen Singspiels widmete sich Mozart in den Jahren 1781/82
der Gattung der Harmoniemusik und verschiedenen Serenaden, um sich dadurch Zugang
zu gehobenen gesellschaftlichen Musikzirkeln zu verschaffen. So entstanden unter
anderem die „Gran Partita“ KV 361, Klaviervariationen und sechs Violinsonaten. Seine
Vgl.: Geck, S. 107 – 108.
Vgl.: Küster, S. 27.
112
Vgl.: Geck, S.108 – 110.
113
Vgl.: Braunbehrens, S. 89 – 95.
110
111
41
Werke spielte er in Hauskonzerten oder kleineren Akademien, welche oftmals in den
Wohnungen und Palais seiner gutbetuchten Klavierschüler/Innen stattfanden. Sein
Einzug in die gehobene Wiener Gesellschaft verlief sehr positiv, vor allem seine eigene,
sehr erfolgreiche Konzerttätigkeit ermöglichte neue Kontakte und Zugänge zu
verschiedenen Zirkeln. Ein Beispiel für ein solch elitäres Ambiente war die Wohnung des
Barons Gottfried van Swieten. Der Diplomat in habsburgischen Diensten und wichtige
Säule des Wiener Adelskreises gründete eine Gesellschaft der Assoziierten, die sich der
Pflege des Oratoriums und humanistischer Ideen verschrieb. Hier studierte Mozart Werke
von Bach, Händel und Haydn, befasste sich mit Oratorien und widmete sich intensiv dem
Kontrapunkt. Daneben erhielt er die Möglichkeit bei Hauskonzerte diverser adeliger
Familien zu musizieren.114 Neben diesen gesellschaftlichen Pflichtübungen veranstaltete
Mozart zunehmend eigene Akademien im Burgtheater oder im Theater am Kärntnertor.
Ende Juli 1782 vollendete er seine „Haffner“ Sinfonie, die er anlässlich einer Feier eines
Salzburger Kaufmannes komponierte. Gegen Ende des Jahres widmete sich Mozart
einerseits seiner Streichquartette op 33, auch Haydnquartette genannt, andererseits sprach
ihn der kaiserliche Schauspieldirektor bezüglich einer italienischen Oper an. Daraufhin
begann Mozart sofort mit der Durchsicht mehrerer Libretti und Opernstoffe, um eine
geeignete Grundlage zu finden. So vollzog sich am Übergang zum Jahr 1783 der
Rückgriff auf die italienische Oper, der mit der Einrichtung eines neuen Buffa-Theaters
besiegelt wurde. 115 Genau in der Zeit, als sich Mozart auf das deutsche Singspiel
konzentrierte, war wieder die italienische Oper en vogue und da Ponte die librettistische
Leuchtfigur. Vom kaiserlichen Hof erhielten andere Komponisten, Salieri zum Beispiel,
derweil den Vorzug und so arbeitete Mozart auf eigene Faust weiter. Seine Projekte
blieben aber lediglich Fragmente und erst mit der Oper „Die Hochzeit des Figaro“ wurde
ein neues Opernprojekt vollendet und aufgeführt. Neben seinen Arbeiten am Musikdrama
konzentrierte er sich auf Akademien, Konzerte und seine Kompositionen. Im Burgtheater
und anderen noblen Veranstaltungsorten führte er seine Werke auf, von denen vor allem
die Gattung des Klavierkonzerts sehr erfolgreich war. Es gelang ihm auf einzigartige
Weise, sich als Künstler in Szene zu setzen, einerseits virtuose Darbietungen für das
motivierte Publikum zu liefern, andererseits dadurch in Kommunikation mit diesem zu
114
115
Vgl.: Geck, S. 111 – 117.
Vgl.: Küster, S. 28.
42
treten. Daneben brachte er Sinfonien (Haffner oder Pariser), Serenaden, Einlagearien und
Harmoniemusiken zur Aufführung.116
Im Juli 1783, kurz nach der Geburt des ersten Sohnes Raimund Leopold, brachen
Wolfgang Amadeus und Konstanze zur Reise nach Salzburg auf. Dieser Aufenthalt, mit
Zwischenstopp in Linz bei der Heimreise, dauerte bis November und war Mozarts letzter
Aufenthalt in seiner Geburtsstadt Salzburg. Es war ihm ein großes Anliegen, nach seinen
ersten Jahren in Wien, seinen Vater zu besuchen und eine Aussöhnung zwischen ihm und
seiner Frau Konstanze herbeizuführen.117 Letztere, so schrieb Mozarts Schwester Marie
Anna in ihr Tagebuch, übernahm einen Sopranpart bei der Aufführung einer Messe Ende
Oktober 1783 in der Salzburger Kirche St. Peter. Die Briefstelle und die Erläuterungen
sind bis heute sehr unklar und somit ist es schwer feststellbar, ob es sich damals um die
oft zitierte Messe in c-Moll handelte. Mozart begann schon in Wien mit der Komposition
einer prächtigen Messe, ließ die unfertige Partitur aber liegen und nahm sie anschließend
nach Salzburg mit. Obwohl er in seiner Geburtsstadt weiter an ihr arbeitete, blieb sie
unvollendet. 118 Nicht nur die Aufführung der Messe, sondern der gesamte Besuch in
Salzburg wurde nur sehr reduziert dokumentiert. Informationen über Tätigkeiten und
Ereignisse lassen sich nur in den Tagebuchaufzeichnungen der Schwester Mozarts finden.
Diese sind sehr spärlich und oft unkonkret. Verblüffend ist die Tatsache, dass dieser
Aufenthalt wie eine biographische Lücke wirkt, auch im Hinblick auf entstandene
Kompositionen und musikalische Aktivitäten. Im Gegensatz dazu waren die Tage
Mozarts in Linz, im Zuge seiner Rückreise, unglaublich produktiv. Hier verfasste er in
kurzer Zeit eine ganze Sinfonie, die sogenannte „Linzer Sinfonie“ KV 425.119 Er selber
schrieb zum Werk wie folgt: „weil ich keine einzige Sinfonie bey mir habe.“120
Zurück in Wien begann für Mozart ein sehr erfolgreiches Jahr 1784, welches sich durch
den Einzug im Trattnerhof einerseits und in die Loge „Zur Wohltätigkeit“ andererseits,
charakterisierte. Zu Beginn des Jahres zog er in eine Wohnung des Hofes, welche sich
am Graben befand und eine der renommiertesten Adressen Wiens war. Daneben mietete
er mit seinem Freund Georg Friedrich Richter einen prächtigen Saal im Trattnerhof, in
welchem die Abonnementskonzerte stattfanden und sich über hundert Subskribenten
eintrugen. Die Wiener Gesellschaft feierte Mozart. Seine Bekanntschaften erweiterten
Vgl.: Geck, S. 126 – 132.
Vgl.: Küster, S. 29.
118
Vgl.: Geck, S. 130.
119
Vgl.: Braunbehrens, S. 212 – 213.
120
Vgl.: Ebda., S. 213.
116
117
43
sich und im März folgte ein Konzert beim russischen Botschafter Fürst Galitzin. Neben
dem Saal am Graben konnte er auch das Burgtheater für große Akademien nutzen und
seine Sinfonien zur Aufführung bringen.121 Für das Jahr 1784 verzeichnete Mozart sechs
Klavierkonzerte, ein Quintett, Streichquartett, Sonaten und Klaviervariationen. Eine
immense Arbeitsleistung, die nicht in ungestörter Atmosphäre, sondern zwischen
Unterrichtstätigkeiten, Privatkonzerten, zwei Umzügen und anderen gesellschaftlichen
Verpflichtungen stattfand. Insgesamt dokumentierte Mozart 26 Konzertauftritte, davon
20 in vornehmen Salons und elitären Zirkeln. Dies ist ein Beleg für seine immense
Beliebtheit. Er war nun ein Favorit der Gesellschaft Wiens. 122 Die Indizien und
Ausführungen über das kompositorische Wirken Mozarts verfasste er mit der Erstellung
eines Werkverzeichnisses selber. Am 9. Februar 1784 eröffnete er das „Verzeichnüß aller
meiner Werke vom Monath Febrario 1784 bis Monath [Lücke] 1 [Jahreszahl].“123
Abb. 1
Vgl.: Geck, S. 131 – 132.
Vgl.: Braunbehrens, S. 214.
123
Vgl.: Küster, S. 355.
121
122
44
Mozart, der glaubte auch nach 1800 noch weiter zu komponieren, dokumentierte sein
Schaffen bis zu seinem Tod 1791 in dieser Werkliste mit der Eintragung der
Vollendungsdaten
seiner
Kompositionen.
Diese
Auflistung
macht
genauere
Untersuchungen zu Arbeitsrhythmen, zu Mozarts Schaffensentwicklung und zu seiner
Aktivität möglich. Er formulierte dadurch eine Strukturierung seiner Wiener
Schaffenszeit, optimierte diese optimal nach den Zyklen der Konzertveranstaltungen und
konnte so seine eigene musikalische Arbeit stets reflektieren und effektiver planen.124
Neben dem Verzeichnis seiner Werke und der umfangreichen Konzerttätigkeit kam es im
September zur Geburt seines zweiten Sohnes Carl Thomas. Ende des Jahres, quasi am
gesellschaftlichen Höhepunkt seiner Wiener Jahre, trat Mozart in die Freimaurerloge
„Zur Wohltätigkeit“ als Lehrling ein.125 Mozart war nun gesellschaftlich etabliert und mit
vielen berühmten Persönlichkeiten auf Augenhöhe und als Bruder institutionell
verbunden. Er blieb der freimaurerischen Bruderschaft von nun an ein treues Mitglied
und ließ sich auch nach dem Erlass des Freimaurerpatents nicht davon abhalten. Wie sehr
er seine Tätigkeit als Freimaurer ausübte, wurde in vorherigen Kapiteln schon vereinzelt
näher beleuchtet, soll nun aber im Zentrum der zukünftigen Ausführungen stehen.126
4.2 Die Loge „Zur Wohltätigkeit“
An welchem Tage genau Mozart sein Aufnahmegesuch an die Loge stellte ist nicht mehr
rekonstruierbar. In den Quellen und Protokollen lässt sich nur grob die zweite
Oktoberhälfte als Zeitspanne, in welcher der Antrag gestellt wurde, herauslesen. Ebenso
gibt es über seine Motive, seine Einstellungen und Haltungen zur Freimaurerei und
Äußerungen zu seiner Logenzugehörigkeit keinerlei historiographische Aussagen. Die
Nachwelt ist auf Deutungen, verschiedene Zugänge und Spekulative angewiesen. Bei der
wissenschaftlichen Annäherung des Themas und im Umgang mit Mozarts Logenarbeiten
ist stets Wachsamkeit geboten, einerseits hinsichtlich verschiedener subjektiver
Tendenzen und Instrumentalisierungen, andererseits gegenüber Verschwörungstheorien
und Mythen.127
Vgl.: Ebda., S. 355 – 358.
Vgl.: Ebda., S. 29.
126
Vgl.: Geck, S. 135.
127
Ulrich Konrad, Wolfgang Amadé Mozart. Leben, Musik, Werkbestand, Kassel 2005, S. 103.
124
125
45
Die Ankündigung zur Aufnahme Mozarts in die Loge und der ausgewählte Tag der
Initiationszeremonie sind protokollarisch belegt. Leopold Aloys Hoffmann, Sekretär der
Loge „Zur Wohltätigkeit“, veröffentlichte am 5. Dezember 1784 die Ankündigung an die
Schwesterlogen: „Vorgeschlagen: Kapellmeister Mozart. – Unser abgegangener
Secr[etär] Br: Hoffmann vergaß diesen vorgeschlagenen bey den sehr ehrw:
Schwester[logen] auszuschreiben, […].“128 Es lagen gegen Mozart keinerlei Einwände
und Bedenken vor und so wurde er am 14. Dezember 1784 feierlich in die Loge
eingeführt. Doch wie charakterisierte sich die Loge „Zur Wohltätigkeit“, wie entstand sie
und welche Verbindungslinien gab es zwischen den führenden Köpfen der Sozietät und
Mozart? Fragen um Fragen, die nun im Blickfeld der Betrachtung liegen.129
Die Gründung der Bauhütte „Zur Wohltätigkeit“ erfolgte zu Beginn des Jahres 1783. In
einem Schreiben an die Brüder der Loge „Zur wahren Eintracht“ berichtete Gemmingen,
Meister vom Stuhl, am 14.2.1783 über die Neuinstallierung der Sozietät. 130 Die
Einsetzung dieser Bruderschaft erfolgte nur kurz nach dem berühmten FreimaurerKonvent Ende 1782 auf Schloss Wilhelmsbad. Dort wurden einmal mehr die Ziele der
Freimaurerei formuliert, um eine gemeinsame Basis zwischen den verschiedenen
Strömungen zu finden. Es fand eine erklärte Rückbesinnung auf Kernthemen der
Bauhütten statt. Wohltätigkeit, Erziehung und Nützlichkeit sowie der Abbau von
Standesschranken standen von nun an im Mittelpunkt der Logentätigkeiten. Genau auf
diese Werte besannen sich die Gründungsbrüder der neuen Wiener Loge, die bis dahin
mehrheitlich der „Gekrönten Hoffnung“ angehörten, deren Rosenkreuzerische
Ausrichtung sie aber ablehnten. 131 Wien war zu dieser Zeit eine Hochburg des
Illuminatenordens und so war es nicht verwunderlich, dass viele Freimaurerlogen von
dieser Strömung sukzessiv unterwandert wurden. Zwischen dem Bund der Illuminaten
und dem der Freimaurer bestanden weder gemeinsame Zielsetzungen noch
organisatorische Zusammenhänge. Ende Jänner 1783 „deckten“ 132 die Brüder der
„Gekrönten Hoffnung“ und trafen sich zu Beginn des Folgemonats zur Installierung der
neuen Loge „Zur Wohltätigkeit“. Als Meister vom Stuhl wurde Otto Heinrich Freiherr
von Gemmingen gewählt. Im 2. Stock des Weinbrennerschen Hauses „Zum rothen
128
Heinz Schuler, Mozart und die Freimaurerei, Wien 1992, S. 155.
Vgl.: Lindner, S. 136.
130
Helmut Reinalter, Freimauerei und Mozart, in: Gernot Gruber und Joachim Brügge (Hrsg.), Das
Mozart Lexikon, Laaber 2005, S. 215.
131
Harald Strebel, Der Freimaurer Wolfgang Amadé Mozart, Stäfa 1991, S. 13.
132
Vgl.: Binder, S. 153. „Wenn ein Mitglied seine Loge verlassen will, bittet er um Deckung.“
129
46
Krebsen“ Nr. 464 am Kienmarkt richtete sich die Bauhütte, als Schwesterloge zur
„Wahren Eintracht“, welche im gleichen Haus ihre Arbeit verrichtete, ihre Arbeitsstätte
ein. Im März begannen die symbolischen Arbeiten am Meistergrad und die Sozietät
wurde von der Wiener Provinzialloge formal anerkannt.133 Vom Kupferstecher Johann
Ziegler ließ sich die jüngste Wiener Loge ihr allegorisches Siegel anfertigen. Dieses
entsprach voll und ganz den Zielsetzungen der Sozietät, postuliert in der lateinischen
Aufschrift „Arvo susceptibili Beneficentia – Der empfänglichen Flur die Wohltat.“134
Ihrem Namen „Wohltätigkeit“ konnte die Loge schon kurz nach ihrer Gründung gerecht
werden, als Wien im März 1784 von einer großen Überschwemmungskatastrophe
heimgesucht wurde. Im Journal der Freimaurer wird berichtet, dass ein Bruder der
Bauhütte eine Kampagne zur Hilfe der betroffenen Menschen und Einwohner startete.
Seine Aktion brachte eine hohe Summe von Spenden ein, die nun für die Notleidenden
und Armen in den Überschwemmungsgebieten verteilt wurden. 135 Die junge Loge
konnte in den ersten Monaten ihres Bestehens einen raschen Aufschwung verzeichnen
und zählte am Jahresende rund 30 Mitglieder. Aus den Berichten und Aufzeichnungen
Friedrich Münters oder des Weltreisenden Johann Georg Forster lässt sich das hohe
Ansehen, welches die Bauhütte Ende 1784 genoss, herauslesen. Interessant ist ein Blick
in die soziologische Struktur der Loge, denn hier werden individuelle Charakteristika, die
sie von anderen Wiener Sozietäten unterscheidet, sichtbar. Eine Besonderheit der
Bauhütte in dieser Hinsicht war, dass sie sehr stark von einem bürgerlichen Element
geprägt wurde. Rund 68% der Mitglieder kamen aus dieser Gesellschaftsschicht,
wohingegen nur rund 7% dem Stand des Adels und der Aristokratie entstammten. Das
Durchschnittsalter im Jahr 1785 lag zwischen 33 und 35 Jahren, viele junge Männer
wurden Brüder der Loge, Mozart miteingeschlossen.136 Im Falle Mozarts ist es schon sehr
interessant zu beobachten, dass er nicht der Prominentenloge Borns „Wahrer Eintracht“
beitrat, sondern den Weg in die Loge „Zur Wohltätigkeit“ fand, die, wie gerade
festgestellt wurde, in ihrer gesellschaftlichen Zusammensetzung viel einfacher war.
Immerhin nutzten beide Logen dasselbe Haus für ihre Arbeiten und waren als
Schwestersozietäten eng miteinander verbunden. Mozart machte sich über die Arbeiten
beider Logen ein Bild und kam immer wieder in die unmittelbare Nähe verschiedenster
Vgl.: Schuler, S. 17 – 19.
Vgl.: Strebel, S. 14.
135
Vgl.: Ebda., S. 14 – 15.
136
Vgl.: Schuler, S. 19 – 21.
133
134
47
wichtiger Ereignisse der Bauhütten. Seine Beobachtungsgabe und sein lebhaftes Interesse
für politische und gesellschaftliche Vorgänge könnten Indizien für die Entscheidung zu
Gunsten der „Wohltätigkeit“ sein. 137 „Mozart hat seine Instinktsicherheit auch der
Freimaurerei gegenüber bewiesen als er nicht der Loge Zur wahren Eintracht beitrat,
sondern der Loge Zur Wohltätigkeit. [...] Denn nicht der Eintracht, wohl aber der
Wohltätigkeit war es beschieden, die Sturmzeiten nach dem Freimaurerpatent des
Kaisers zu überstehen.“138 Als weiteres Indiz für Mozarts Eintritt in die Bauhütte „Zur
Wohltätigkeit“ könnte die persönliche Verbindung zu Otto Freiherr von Gemmingen und
Carl Alois Lichnowsky sein. Letzterer wird noch in einem späteren Kapitel näher
beleuchtet. Zum kurpfälzischem Hofrat und Schriftsteller Gemmingen kam Mozart
während seines Aufenthaltes in Mannheim im Zuge seiner Parisreise 1778 in Kontakt. Es
entstand dabei die Musik zu Gemmingens Melodram „Semiramis“. 139 Freiherr von
Gemmingen war zum damaligen Zeitpunkt Dramaturg an der Mannheimer
Nationalbühne, wurde vom jungen Schiller sehr geschätzt und setzte sich auch nachhaltig
für den jugendlichen Mozart ein. Nach seiner Übersiedelung nach Wien engagierte er
sich stark für die Ziele der josephinischen Reformen, wurde jedoch von Kaiser Joseph II.
stets kritisch beäugt. 140 Mozarts Freundschaft zu Gemmingen war sicher ein nicht zu
verachtender Aspekt, ein weiterer möglicher Grund könnte die Tatsache gewesen sein,
dass die Bauhütte „Zur Wohltätigkeit“ vor des Komponisten Beitritt noch über keinen
Musiker verfügte. Faktum ist, dass Mozart der rational-aufklärerischen Sozietät beitrat,
ihr treu blieb und nach dem Freimaurerpatent von 1785 in die Sammelloge „Zur
(neu)gekrönten Hoffnung“ wechselte, um somit der Freimaurerei ein treuer Bruder zu
bleiben.141
4.3 W.A. Mozart wird Freimaurer
Genau protokollierte und in Quellen festgehaltene Einzelheiten zum Eintritt Mozarts in
die Loge „Zur Wohltätigkeit“ sind nicht mehr erhalten bzw. verschollen. Die bis heute
erhaltenen Dokumente sind zwei Ankündigungen an die Wiener Schwesterlogen vom 5.
Vgl.: Braunbehrens, S. 257 – 259.
Vgl.: Schuler, S. 22.
139
Vgl.: Lindner, S. 136.
140
Vgl.: Geck, S. 135.
141
Vgl.: Strebel, S. 19 – 20.
137
138
48
und 11. Dezember. Der Ablauf der Initiationszeremonie vom 14. Dezember 1784 ist
leicht nachvollziehbar, da Mozart dem üblichen Wiener Ritual unterzogen wurde, von
dem bekannt ist, wie es auszusehen hatte. Zweifelsohne lässt sich sagen, dass Mozart in
seinen ersten Wiener Jahren geradezu von Freimaurern umstellt war, ob bei seinen
Konzerten im Trattnerhof oder im Umfeld seiner Unterrichtstätigkeiten in den noblen
Häusern des Wiener Adels. Überall kam er mit freimaurerischen Ideen in Kontakt, denn
diese waren eine Modeerscheinung der damaligen Zeit. Zwischen 600 und 800
Freimaurer waren eingetragene Mitglieder der Wiener Logen, Adelige und gutsituierte
Bürger. Mozarts recht später Eintritt, fast vier Jahre nach seinem Zuzug nach Wien, ist
erstaunlich, muss aber sicher unter dem Aspekt der Beobachtung der freimaurerischen
Szenerie gesehen werden. Andererseits war seine Strategie, sich als freier Künstler zu
etablieren, am Beginn der Wiener Jahre vor allem aus existentieller Sicht von größerer
Bedeutung.142
Mozarts maurerischer Weg führte ihn am Dienstag, den 14. Dezember 1784 in ein
prächtiges Gebäude mit der Nr. 464 am Kienmarkt. Es trug den Namen „Zum rothen
Krebsen“ und stand im Besitz des Industriellen Joseph Weinbrenner. Im zweiten Stock
dieses Hauses arbeitete die Loge „Zur Wohltätigkeit“ als Untermieterin und
Schwestersozietät der „Wahren Eintracht“. Die Initiation war, üblich für die damalige
Zeit, für 18:30 Uhr angesetzt. Viele Mitglieder der Bauhütte ließen sich die Aufnahme
des berühmten Musikers nicht entgehen und wohnten der feierlichen Zeremonie bei.143
Vor der Einführung musste Mozart seinen Aufnahme-Revers unterschreiben und das
Versprechen abgeben, ein ehrlicher und freier Mann zu sein.144 Als Suchender im Tempel
eingefunden, musste Mozart das schon erwähnte Wiener Ritual durchlaufen und die
verschiedenen Stationen der Initiation erleben. Es kann noch so viel darüber geschrieben
werden, die Aufnahme in die Bruderschaft muss durch existentielle und unmittelbare
Erfahrung erlebt werden. Anschließend führte Otto Freiherr von Gemmingen, Meister
vom Stuhl, seinen Bekannten und Freund Mozart als Lehrling in die Freimaurerei ein.145
142
Vgl.: Braunbehrens, S. 257.
Vgl.: Schuler, S. 38 – 39.
144
Vgl.: Ebda., S. 156.
145
Heinz Sichrovsky, Mozart, Mowgli, Sherlock Holmes. Die königliche Kunst in Musik und Dichtung
der Freimaurer. Wien 2013, S. S. 57.
143
49
4.4 Mozarts Zeit als Freimaurer im Überblick
Einen Spannungsbogen, über die Zeit zwischen 1784 und 1791, also vom Eintritt Mozarts
in die Loge „Zur Wohltätigkeit“ bis zu seinem frühen Tode, in welcher er Logenbruder
in Wien war, zu ziehen, ist immer von Spekulationen und Annahmen geprägt. Viele
Ereignisse sind mittels erhalten gebliebener Protokolle und Aufzeichnungen gut belegt,
andere sind wiederum lückenhaft und schwer rekonstruierbar. Im folgenden Kapitel soll
trotzdem ein Überblick über die Zeit Mozarts als Freimaurer gezogen werden, der
einerseits der Leserin/dem Leser einen verständnisvollen Hintergrund bieten soll und
andererseits Fragen ans Licht bringt, welche in den Folgeabschnitten der Arbeit genauer
beleuchtet werden.146
Schon bevor sich Mozart in Wien niederließ kam er in Berührung mit freimaurerischem
Gedankengut. Erste Kontakte reichen bis ins Jahr 1772 zurück. Aus diesem datiert des
Komponisten erstes Freimaurerlied, welches im Auftrag der Münchner Loge „Zur
Beständigkeit“ komponiert wurde. Der Titel „Lobgesang auf die feyerliche Johannisloge“
lässt eindeutig auf eine freimaurerische Bruderschaft schließen. Den Kontakt zur Loge
stellte Mozarts Vater Leopold her, der seinen Sohn aus dem reaktionären Umfeld des
Fürsterzbistums Salzburg lösen wollte.147 Ein nicht unwichtiges Detail am Rande ist, dass
Leopold Mozart am Mittwoch den 6. April 1785 als Lehrling in die Loge „Zur
Wohltätigkeit“ aufgenommen wurde. In der Ankündigung an die Schwesterlogen vom 1.
April ist dies nachweislich festgehalten: „im 1 Gr[ad] Leopold Mozart Kapellmeister –
wir haben wegen diesen fr[emden] Such[enden] um Disp[ens] angehalten [...].“148 Noch
im selben Monat erfuhr Leopold Mozart seine Erhebung in den Gesellen- und
Meisterrang. Doch zurück zum Sohn. Nach seinem Zuzug nach Wien lebte er in einem
wahren maurerischen Umfeld und erlebte die Freimaurerei in der Habsburgermonarchie
an ihrem Höhepunkt. Dabei steht außer Frage, dass er sich für die Ideen der Zirkel
begeistern konnte und diese teilte, sodass ein Eintritt in eine der Wiener Logen immer
bedeutsamer wurde.149 Vor allem sein gesellschaftliches Umfeld legt nahe, dass Mozart
mit vielen Freimaurern verkehrte. Den Beleg dafür liefern die sogenannten
Subskriptionskonzerte des Trattnerhofes, welche im März 1784 stattgefunden haben.
146
Vgl.: Schuler, S. 36.
Vgl.: Sichrovsky, S. 58.
148
Vgl.: Schuler, S. 173.
149
Guy Wagner, Mozart als Freimaurer – Versuch einer Annäherung, in: Helmut Reinalter (Hg.), Mozart
und die geheimen Gesellschaften seiner Zeit, Innsbruck 2006, S. 47 – 49.
147
50
Unter den männlichen Besuchern dürften rund ein Viertel bis ein Drittel Logenmitglieder
gewesen sein, obwohl Mozart noch keiner Loge angehörte.
150
Die Liste der
teilnehmenden Subskribenten schickte er am 20. März an seinen Vater. Sie enthält Namen
aus dem „Who is Who“ der Wiener Gesellschaft und stellt einen außergewöhnlichen
Hinweis für die Popularität Mozarts dar. Der stete Aufstieg Mozarts und seine
allmähliche Etablierung in der Wiener Sozietät spiegelten sich zum Einen in den vielen
Konzertauftritten, zum Anderen in Engagements verschiedener Fürsten wieder und
bildeten somit die Basis für seine gesellschaftliche Einbettung im Jahr 1784, welche eine
Vorbedingung für den Eintritt in eine der Wiener Logen darstellte.151
Im Oktober desselben Jahres wandte sich Mozart mit seinem Aufnahmegesuch an den
Meister vom Stuhl der Loge „Zur Wohltätigkeit“, Otto Heinrich Freiherr von Gemmingen
und wurde anschließend zur Initiation vorgeschlagen. Am 5. Dezember 1784 wurde die
Kundmachung der Wohltätigkeit an die Schwesterlogen veröffentlicht und Mozart
offiziell für die Aufnahme erwähnt. Nach den üblichen rituellen Vorbereitungen der
Bauhütte erfolgte am 11. Dezember die Ankündigung: „57 14/XII 84 Um ½ 7 Uhr, im 1.
Gr[ad] Wenzel Summer, Kaplan zu Erdberg, und Mozart Kapellmeister.“ 152 Dieses
Rundschreiben an die Wiener Schwesterlogen legte Uhrzeit und Datum der Zeremonie
fest und galt als Einladung für sämtliche Logenbrüder.153 Es war nun ein Dienstag des
Jahres 1784, genauer der 14. Dezember, als Wolfgang Amadeus Mozart als Lehrling in
die Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen wurde und von diesem Tage an bis zu
seinem Lebensende ein begeisterter Freimaurer blieb. Schon zehn Tage später besuchte
er nachweislich die Loge „Zur wahren Eintracht“ um die Aufnahme seines Freundes A.G.
Apponyi zu verfolgen. Nur Tage später stellte auch Joseph Haydn ein Aufnahmegesuch
an die Loge. 154 Mozarts Interesse an der schon beschriebenen Eliteloge „Zur wahren
Eintracht“ war sicherlich durch deren charismatischen Meister Ignaz von Born und
dessen programmatisch wissenschaftlich-aufklärerisches Logen- und Leitbild entstanden.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Musiker am 7. Jänner 1785 in der Bauhütte „Zur
wahren Eintracht“ von Born persönlich zum Gesellen befördert wurde. Aus dem
Protokoll können wir entnehmen: „[...] sodann Br. Wolfgang Mozard auf Ersuchen der
150
Volkmar Braunbehrens, Mozart und die Freimaurerei, in: Moritz Csáky und Walter Pass (Hg.), Europa
im Zeitalter Mozarts, Wien-Köln-Weimar 1995, S. 315.
151
H.C. Robbins Landon, Mozart. Die Wiener Jahre 1781 – 1791, München 1990, S. 106 – 107.
152
Vgl.: Schuler, S. 156.
153
Vgl.: Ebda., S. 37 – 38.
154
Vgl.: Wagner, Mozart als Freimaurer, S. 48.
51
S. Ehrw. Zur Wohltätigkeit in den 2. Grad mit den gewöhnlichen Ceremonien
befördert.“155 Seine Erhebung zum Meister der Loge ist Faktum, die Aufzeichnungen der
Initiation sind verschollen und somit lassen sich Ort und Datum nicht belegbar
festmachen.156 Am 28. Jänner sollte, nachdem Joseph Haydn vier Tage vorher einstimmig
zur Aufnahme vorgeschlagen wurde, feierlich in die Loge initiiert werden. Mozart ließ
sich dieses Ereignis natürlich nicht entgehen, doch auf Grund des verspäteten
Einberufungsschreibens konnte Haydn Schloss Esterhazy nicht mehr verlassen. Seine
Aufnahme zum Lehrling erfolgte schließlich am 11. Februar, allerdings ohne Beisein
Mozarts. Dieser leitete zur selben Zeit das Erste seiner sechs Subskriptionskonzerte in
der Mehlgrube, welches Leopold Mozart als Zuhörer verfolgte. In weiterer Folge sollte
Vater Mozart seinen Wienbesuch bis Ende April desselben Jahres ausdehnen und sich,
wie schon weiter oben erwähnt, ebenfalls den verschiedenen Aufnahme- und
Beförderungsriten der Freimaurerlogen „Zur Wohltätigkeit“ und „Wahren Eintracht“
unterziehen. Als Leopold kurz vor seiner Abreise zum Meister erhoben wurde, war sein
Sohn nachweislich anwesend. Aus dieser Faktenlage lässt sich schlussfolgern, dass
Wolfgang Amadé schon Meister der Loge sein musste, denn niemand konnte an einer
Zeremonie teilnehmen, deren Grad er nicht erreicht hat. Doch nicht nur seine Erhebung
zum Meister bleibt bis heute rätselhaft, sondern auch der Anlass für die Entstehung seines
Liedes „Gesellenreise“ führt zu unterschiedlichsten Argumentationslinien. Eine
Meinung, die Wagner in seinem Text vertritt, ist die Annahme, wonach Mozart seine
Erhebung zum Gesellen mit diesem Lied verarbeitete und es bloß zur Gesellenaufnahme
des Vaters wieder benutzte. Fest machen lässt sich, dass das Lied KV 468 am 26. März
1785 fertig gestellt und Leopold Mozart nur zwei Tage später zur Aufnahme in die
Wohltätigkeit vorgeschlagen wurde. Seine Erhebung in den Gesellenstand folgte erstens
nur kurz darauf und zweitens nicht in der Loge „Zur Wohltätigkeit“, sondern in Borns
Loge
„Wahrer
Eintracht“.
Aufgrund
dieser
kurzen
Zeitspanne
und
der
Unvorhersehbarkeit der beiden Ereignisse, scheint es für Wagner zweifelhaft, ob das Lied
in direkter Beziehung zur Beförderung Leopold Mozarts zu stellen ist.157 Mit dem Maurer
- Gesellen Lied für Singstimme und Klavier in B-Dur entstand ein Stück Ritualmusik,
welches während der Arbeiten im Tempel aufgeführt und gesungen wurde. Die Tonart B
155
Aus dem Ereignisprotokoll der Eintracht (Fasz. 133), in: Otto Erich Deutsch, Mozart und die Wiener
Logen. Zur Geschichte seiner Freimaurer-Kompositionen, Wien 1932, S. 24.
156
Vgl.: Sichrovsky, S. 58 - 59.
157
Vgl.: Wagner, S. 49.
52
deutet auf das Wort „Brüder“ und die vielen, von Mozart verwendeten,
Zweierkombinationen und Verbindungen lassen Rückschlüsse auf die sogenannte
freimaurerische Bruderkette zu. 158 Gut einen Monat später und zwei Tage nach der
Meistererhebung von Leopold Mozart fand am 24. April 1785 die Logenfeier zu Ehren
Ignaz von Born statt. Der Meister vom Stuhl wurde im Zuge seiner fundamentalen
Neuerungen hinsichtlich des Amalgamierungsverfahrens vom Kaiser zum Reichsritter
erhoben. Die Feierlichkeit wurde in der Bauhütte der „Gekrönten Hoffnung“ ausgetragen,
in Anwesenheit von Mozart Vater und Sohn. Wolfgang Amadeus Mozart nutzte diese
Gelegenheit um seine komponierte Kantate „Die Maurerfreude“ KV 471 der
Öffentlichkeit zu präsentieren. Am folgenden Tag reiste Leopold Mozart zurück nach
Salzburg, es war die letzte Begegnung zwischen Vater und Sohn.
Die Kantate KV 471 hatte indes großen Erfolg und wurde mehrmals in verschiedenen
Logen aufgeführt, auch in Prag im Jahr 1791 kurz vor dem Tode Ignaz von Born. Nach
der Abreise des Vaters nahm W. A. Mozart häufig an den Aktivitäten seiner eigenen
Loge, darüber hinaus an Sitzungen anderer Bauhütten teil. In der Sozietät „Zum
Palmbaum“ besuchte er die Initiationszeremonie von Anton Stadler, Klarinettist und
Bassetthornspieler der kaiserlichen Hofkapelle. Für Stadler schrieb Mozart nicht nur das
berühmte Klarinettenkonzert KV 622 sondern auch mehrere Bläserwerke. Die
Divertimenti der Jahres 1785 – 88 für drei Bassetthörner KV 439b tragen starke
freimaurerische Züge in sich.159
Für Verwirrung unter den verschiedenen HistorikerInnengenerationen sorgte Mozarts
„Maurerische Trauermusik“ KV 477. Das Werk schrieb Mozart anlässlich zweier
berühmter Todesfälle im November 1785. Die Endfassung wurde bei beiden
Begräbnissen aufgeführt. Das Problem in der Rekonstruktion ist, dass im Verzeichnis
Mozarts die Trauermusik im Monat „Jully“ steht und das Werk somit schon Monate vor
dem ursprünglichen Ereignis vollendet wurde. Zwischen Eintragung der Überschrift und
Werknennung liegt nun eine Zeitspanne, die viele Fragen aufwirft. 160 Ein wichtiges
Ereignis, welches belegbar in diese zeitliche Abfolge hineinfiel, war eine
Meistererhebung vom 12 August 1785. Die Zeremonie fand in Borns Loge „Wahrer
Eintracht“ statt und Mozart erschien in Begleitung seiner Freunde Adamberger und Fürst
Dietrichstein. In den Meistergrad wurden drei Brüder, darunter der Geselle Carl von
158
Vgl.: Sichrovsky, S. 62.
Vgl.: Wagner, S. 49 – 50.
160
Vgl.: Küster, S. 362.
159
53
König, erhoben. Letzt genannter wurde auf Grund seiner Nähe zur Freimaurerei aus
Venedig ausgewiesen. Mozart, der dem Ereignis beiwohnte und die Rituale der
Meisterzeremonie selbst erfuhr und gut kannte, schrieb für dieses Fest ein Werk zur
feierlichen Untermalung.161 Die vielen Symbole und die in der Trauermusik verwendeten
Tonarten sind eindeutige Verweise auf rituelle Legenden der Meistererhebung. Die
sogenannte Hiram-Legende, welche jeder Freimaurerloge als mythisches Fundament und
Vorbild dient, verkörpert die Grundtugenden freimaurerischer Lebensweise. Der Kampf
zwischen Leben und Tod, die symbolische Auferstehung und der letztendliche Sieg des
Lebens sind Themen, welche Mozart seinem Werk zu Grunde legt. 162 Genau diesen
Urkampf zwischen Leben und Tod setzte Mozart in ein Tonartendreieck, c-Moll / Es-Dur
und C-Dur. Die heilige Zahl drei spiegelt sich in diesem Dreieck ebenso wieder wie in
den Vorzeichen der ersten beiden Tonarten. Zu Beginn versetzte Mozart die Zuhörer in
ein verzweifelt schwarzes Moll, welches von Klagerufen der Bläser untermauert wurde.
Darauffolgend komponierte er zuversichtliche Rufe und den Aufbruch zur Suche des
verlorenen Meisters in der freimaurerischen Grundtonart Es-Dur. Ein umspielter Choral,
welcher an die Zerstörung des ersten Salomonischen Tempels erinnern soll, weist starke
Ähnlichkeiten zum Requiem in c-Moll von Michael Haydn auf. Es folgt der
Schlusskampf zwischen der Dunkelheit und dem Licht, zwischen Tod und Lebendigkeit.
Schlussendlich siegt das Leben, welches in einem erlösend strahlenden C-Dur ausgeführt
wird. Mozarts Genialität und seine starke Verbindung zur Freimaurerei spiegelt sich auch
hier wieder. Der letzte Dreiklang steht nicht in Oktavlage mit dem hohen C als höchstem
Akkordton, sondern mit der Terz E als Finalton, ein klarer Verweis auf die weiterführend
demütige Arbeit am rauen Stein.163 Nachdem Mozart im Oktober 1785 in der Loge „Zum
Palmbaum“ zwei Bassetthornvirtuosen hörte, tauschte er die in der Erstfassung
geschriebenen Hörner gegen zwei Bassetthörner aus. Am 17. November erklang die
Maurerische Trauermusik anlässlich der Trauerloge für Esterházy von Galántha in der
Bauhütte „Zur gekrönten Hoffnung“ und am 7. Dezember während der Trauerzeremonie
in der Sozietät „Zu den drei Adlern“ für den Herzog von Mecklenburg-Strelitz.164 Nur
vier Tage nach dieser Trauerloge erschien das kaiserliche Handbillet, welches als
Freimauerpatent
Josephs
II.
zum
Niedergang
der
Freimaurerei
in
der
Vgl.: Schuler, S. 46 – 47.
Vgl.: Wagner, S. 51.
163
Vgl.: Sichrovsky, S. 64 – 66.
164
Vgl.: Schuler, S. 47.
161
162
54
Habsburgermonarchie führte. Die historischen Fakten rund um dieses Dekret wurden
bereits in einem eigenen Kapitel näher ausgeführt. In Folge des Patents wurden die acht
Wiener Logen zu zwei Sammellogen zusammengeführt, einerseits „Zur Wahrheit“ unter
Führung Borns, andererseits zur „Neugekrönten Hoffnung“ unter dem Vorsitz Philipp
Freiherr von Geblers. Mozart blieb seiner Loge „Zur Wohltätigkeit“, die in die
Sammelloge „Neugekrönte Hoffnung“ aufgenommen wurde, treu und entschied sich
damit gegen Borns Loge.165 Von symbolischem Wert ist die Tatsache, dass sich Mozart
als letzter Besuchender Bruder in der Bauhütte „Zur wahren Eintracht“ vor deren
Schließung am 19. Dezember 1785 ins Protokoll eingetragen hat. Im Anschluss daran
arbeitete Mozart an zwei Chören (KV 483 und 484), die zur neuen Installation der beiden
Sammellogen erklangen. Der Eröffnung seiner neuen Sozietät konnte der Komponist aus
gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen. Er schreibt an den Schatzmeister der
„Neugekrönten Hoffnung“ folgende Zeilen: „Nun ist die Stunde daß ich nach Hause kam
– und zwar mit starken Kopfschmerzen und Magenkrampf behaftet […] so sehe ich wohl
daß ich nicht dazu bestimmt bin, unserer heutigen ersten feyerlichkeit beyzuwohnen
[…].“166
Abb.2 (Mozart sitzend rechts)
165
166
Vgl.: Sichrovsky, S. 59.
Vgl.: Schuler, S. 192.
55
Trotz dieses Fernbleibens der Eröffnung blieb Mozart der Sammelloge bis zu seinem Tod
1791 treu.
Die Freimaurerei blieb bis zu seinem Lebensende fester Bestandteil seines Schaffens und
in den Jahren zwischen 1786 und 1791 war Mozart stets informiert, was sich in den
Sozietäten Wiens tat. In diesen fünf Jahren entstanden kaum Kompositionen für
freimaurerische Zeremonien, er widmete sich anderen Genres und Gattungen. Dies hat
aber nichts mit einem Abflauen der Begeisterung für die Freimaurerei zu tun, sondern
einerseits mit seiner Vielfältigkeit in den verschiedenen Stilrichtungen und andererseits
damit, dass in den Sammellogen andere Komponisten neben Mozart ebenfalls tatkräftig
für Zeremonien komponierten. Erst in seinem Todesjahr 1791 kam es in mehreren
Werken erneut zu einer tiefen Auseinandersetzung mit der Freimaurerei. Neben der Oper
„Zauberflöte“ schrieb Mozart drei Kantaten und vollendete im Oktober desselben Jahres
das Klarinettenkonzert KV 622 für den Klarinettisten, Freund und Logenbruder Anton
Stadler. Die letzte Kantate KV 623 mit dem Titel „Laut verkündet unsre Freude“ wurde
zur Einweihung des neuen Temples der Bauhütte „Gekrönte Hoffnung“ am 15.
November 1791 uraufgeführt. Es sollte Mozarts letztes vollendetes Werk sein.167
Die Verbindungslinie zwischen Mozarts Kompositionen für freimaurerische Zwecke und
seiner finanziellen Lebenssituation verneint ein oft geäußertes Argument, wonach Mozart
nur aus rein wirtschaftlichen Gründen der Freimaurerei beitrat, deutlich. Sein
Engagement und seine Logenarbeit waren nachweislich in Jahren seiner wirtschaftlichen
Stabilität gegeben, in den „harten“ Jahren zwischen 1786 und 1791 bekam er zwar
Unterstützung von einzelnen Brüdern, doch hatten die meisten, ob der kaiserlichen
Repression, die Sozietäten verlassen, um der polizeilichen Kontrolle zu entgehen.
Nachhaltige Unterstützung erhielt Mozart ab 1788 vom Kaufmann Puchberg, welcher
mehrmals in engem Briefkontakt mit Wolfgang Amadé stand. 168 Nicht nur Mozarts
vielfältige musikalische Tätigkeiten für die Freimaurerei sind Indizien für sein
tiefgreifendes Engagement, sondern auch seine regelmäßige Teilnahme an den
verschiedensten Aktivitäten der Bauhütten. In der Maurerrede auf Mozarts Tod heißt es:
„Er war ein eifriger Anhänger unseres Ordens“. Nach seinem Tod berichtete Mozarts
Frau Constanze von einem Aufsatzentwurf des Komponisten, in welchem er den Plan zur
Stiftung einer neuen Sozietät verfolgte. „Er hat auch eine Gesellschaft unter dem Namen:
167
168
Vgl.: Wagner, S. 54.
Vgl.: Sichrovsky, S. 60.
56
die Grotte, stiften wollen.“169 So blieb Mozart ungeachtet aller Repressalien und Verbote
der Freimaurerei bis zu seinem Lebensende ein treues Mitglied.170
4.5 Zusammenfassung – Mozarts Freimaurerkompositionen
Mozarts Kompositionen und musikalische Arbeiten für die Logen sind teilweise im
vorhergehenden Kapitel schon erwähnt und näher beleuchtet worden. Im folgenden
Abschnitt soll dem Leser, der Leserin noch einmal ein Überblick über sein
freimaurerisches Oeuvre gegeben werden. Musik als Teil des Rituals und musikalische
Ausformungen im Ablauf der symbolischen Handlungen der Bruderschaften spielten von
jeher eine wichtige Rolle. Diese Aspekte und die Tatsache, dass zahlreiche Berufsmusiker
im Umfeld Mozarts und der Logen tätig waren, begünstigten nachhaltig seine Phantasie
und Kreativität. So ist es nicht verwunderlich, dass er der Nachwelt einige
freimaurerische Kompositionen hinterließ.171
Mozarts Freimaurerkompositionen lassen sich in drei Gattungen einteilen. Er
komponierte reine Instrumentalwerke, Lieder und Kantaten. Die Oper „Zauberflöte“ als
szenisches Werk mit freimaurerischen Bezügen wird in einem späteren Kapitel näher
beleuchtet und muss auch im Werkkanon Mozarts als autonome Komposition betrachtet
werden. In der Annäherung an die rund 15 verfassten Stücke stößt man unweigerlich auf
Fragmente, verschollene Werke und nicht eindeutig rekonstruierbare Datumseinträge im
Werkverzeichnis Mozarts. Die „Maurerische Trauermusik“ KV 477 ist das beste Beispiel
für letztere Problematik. Doch beginnen wir mit der Betrachtung zeitlich
chronologisch.172
Noch aus Mozarts Salzburger Zeit stammt das im Jahr 1772 vollendete Lied „O heiliges
Band der Freundschaft treuer Brüder“ KV 148 (125h). Er komponierte dieses
responsoriale Strophenlied im Dreiertakt zum Text von Ludwig Friedrich Lenz, der in
diesem eindeutig freimaurerische Ideale hervorhebt. Die Zuordnung des Liedes ist schwer
rekonstruierbar, da es kaum stichhaltige Quellenbelege gibt. Nach Mozarts Eintritt in die
Loge „Zur Wohltätigkeit“ schrieb er Ende März 1785 das schon erwähnte Lied
„Gesellenreise“ KV 468. Die Problematik im Hinblick auf den Anlass dieser
169
Vgl.: Schuler, S. 212.
Vgl.: Ebda., S. 49.
171
Vgl.: Ebda., S. 54 – 55.
172
Vgl.: Strebel, S. 96.
170
57
Komposition wurde ebenfalls schon erörtert. Daher erscheint es unwahrscheinlich, dieses
Werk als Anlasskomposition für die Gesellenerhebung Leopold Mozarts zu sehen. Ende
des Jahres vollendete Wolfgang Amadé noch zwei weitere Lieder für Männerstimme und
Klavierbegleitung. Ersteres trägt den Titel „Zerfließet heut‘, geliebte Brüder“ KV 483,
das Zweite erschien unter dem Namen „Ihr unsre neuen Leiter“ KV 484. Beide
Kompositionen waren zur Eröffnung der neuen Sammelloge „Zur (neu)gekrönten
Hoffnung“ bestimmt und als Sänger fungierte Valentin Adamberger, ein guter Freund
Mozarts. Beide Lieder zeichnen sich durch Klarheit, Textverständlichkeit und edle
Einfachheit aus und stehen ganz im Dienste des feierlichen Ritus.173
Neben verschiedenen Liedern für die Bruderschaft schrieb Mozart auch reine
Instrumentalwerke. Abseits der „Maurerischen Trauermusik“ KV 477, die eine
Sonderstellung im Gesamtschaffen Mozarts einnimmt, komponierte er vier Stücke im
langsamen Tempo, von denen zwei unvollendet blieben. Auffallend ist, dass alle vier
Stücke in der Besetzung für Klarinetten und Bassetthörner verfasst wurden.174 Wie schon
im gesamten Werk Mozarts lassen sich bestimmte Zuordnungen von Klangfarben
herauslesen. Die Instrumentation mit Klarinetten und Bassetthörnern ist unter dem
Aspekt einer bewusst gewählten freimaurerischen Klangvorstellung zu sehen. Besonders
das Bassetthorn, Mozarts Lieblingsinstrument seiner späten Jahre, dient hier als Träger
dieser Vorstellung.175 Herausragende Beispiele dafür sind die Werke KV 410/484d und
KV 411/484a. Erste Komposition, ein kanonisches Adagio in F-Dur im Umfang von 27
Takten wurde für zwei Bassetthörner und Fagott geschrieben. Das zweite Stück, ebenfalls
ein Adagio, allerdings in B – Dur und für zwei Klarinetten und drei Bassetthörner
eingerichtet. Beide haben die Gemeinsamkeit, offenbar Einleitungsstücke zu einer
Logenzeremonie gewesen zu sein.
176
„Die Andeutung von freimaurerischen
Klopfzeichen in der Partitur lässt an ein Einzugsritual der Loge denken […].“177 Mozarts
Instrumentalwerk „Maurerische Trauermusik“ KV 477 wirft, wie teilweise schon
beschrieben wurde, einige undurchsichtige Fragen zur Entstehungszeit sowie auch zur
instrumentalen Besetzung auf. Er schrieb folgenden Eintrag in sein ab Februar 1784
entstandenes Werkverzeichnis: „Im Monath Jully Maurerische TrauerMusick bey dem
173
Kurt Drexel, Die Ihr einem neuen Grade der Erkenntnis nun euch naht! Überlegungen zu Mozarts
Freimaurermusik, in: Helmut Reinalter (Hg.), Freimaurerische Kunst – Kunst der Freimaurerei, Innsbruck
2005, S. 118 – 120.
174
Vgl.: Strebel, S. 96.
175
Vgl.: Drexel, S. 122.
176
Vgl.: Schuler, S. 60.
177
Vgl.: Drexel, S. 122.
58
Todfalle der BrBr: Mecklenburg und Esterhazy. – 2 Violini, 2 Viole, 1 Clarinett, 1
Bassetthorn, 2 Oboe, 2 Corni e Basso.“178 Neben der zeitlich diffusen Angabe veränderte
Mozart im Herbst 1785 die Besetzung. Die Instrumentierung änderte sich im Hinblick
zur ersten handschriftlichen Partitur, indem Mozart auf einem gesonderten Blatt zwei
zusätzliche Bassetthornstimmen notierte. Die verschiedenen Theorien und Thesen zur
Entstehung und zum Anlass der Komposition, wurden im vorherigen Kapitel schon
angeführt und sollen nun ausgespart werden.179
Die dritte Gattung Mozarts freimaurerischer Kompositionen bilden seine Kantaten. So
kehren wir wiederum in das Blickfeld der Gesangswerke zurück. Kurz nach der
Vollendung der Gesellenreise Ende März 1785 widmete sich Mozart im April der Kantate
„Die Maurerfreude“ KV 471. Hinsichtlich verschiedener Quellenbelege lassen sich zwei
Aufführungen gesichert festmachen. Einerseits zu Ehren Ignaz von Borns im Zuge seiner
schon erwähnten Feierlichkeiten in der „Wahren Eintracht“, andererseits stand das Werk
am
Programm
eines
Benefizkonzertes
zu
Gunsten
der
ausländischen
Bassetthornvirtuosen Anton David und Vincent Springer. Den Gesangspart in beiden
Konzerten übernahm Mozarts Freund und Logenbruder Valentin Adamberger.
180
Daneben schrieb Mozart noch zwei kleine Kantaten mit ähnlichem Titel. Die Mitte der
1780er Jahre entstandene und fragmentarisch gebliebene Komposition „Dir Seele des
Weltalls“ KV 429 (468a) und die „Kleine deutsche Kantate (Die ihr des unermesslichen
Weltalls)“ KV 619. Letztere entstand im Juni 1791 und hatte einen Text des Regensburger
Freimaurers Franz Heinrich Ziegenhagen als Vorlage. Sie enthält viele freimaurerische
Bezüge und lässt sich als Mozarts Rückbesinnung auf traditionelle Werte der
Freimaurerei deuten.181 Die Komposition KV 429 (468a) entstand wesentlich früher, im
Frühjahr 1786 und wurde für die Feierlichkeiten zum Johannistag (24. Juni) verfasst.
Mozart bezieht sich hier auf die schöpferische und belebende Kraft der Sonne und
verdeutlicht dies mit einem Lobgesang des Chores. Sein letztes Werk für die Loge ist
zugleich sein letztes in das Werkverzeichnis eingetragene Stück mit dem Titel „Kleine
Freimaurerkantate (Laut verkünde unsre Freude)“ KV 623. Diese letzte gänzlich
vollendete Komposition aus Mozarts Leben wird in einem eigenen Kapitel eine
gesonderte Erwähnung finden.182
178
Vgl.: Strebel, S. 96.
Vgl.: Ebda., S. 97.
180
Vgl.: Drexel, S. 121.
181
Vgl.: Schuler, S. 58.
182
Vgl.: Drexel, S. 120.
179
59
4.6 Epilog - Ausgewählte Freunde und Weggefährte
4.6.1 Carl Alois Lichnowsky
Carl Alois Lichnowsky, zuerst Graf, später Fürst, stammte aus einem alten schlesischen
Adelsgeschlecht mit dem Namen „Wosczyc“. Nach Jura Studien in Göttingen trat er als
kaiserlich-königlicher Hofrat in den Dienst der Hofkanzlei in Wien ein und wurde k. k.
Kämmerer. Er war einer, der sehr früh der Loge „Zur Wohltätigkeit“ beitrat und während
der Aufnahme Mozarts als 1. Aufseher der Bruderschaft fungierte. Nach dem
Freimaurerpatent 1785 „deckte“183 er die Sozietät, die Freundschaft zu Mozart blieb trotz
alledem aufrecht.184 Der Beginn ihrer Bekanntschaft lässt sich bis an die frühen 1780er
Jahre zurückverfolgen. Fürst Lichnowsky gehörte zu den ständigen Besuchern der Gräfin
Thun, deren Tochter Maria er im Herbst 1789 heiratete. Da er auch regelmäßiger Gast
der Sonntagsmatineen bei Gottfried van Swieten war, ist nicht mehr sicher
rekonstruierbar, ob sich Mozart und Lichnowsky hier kennen gelernt hatten oder im
Hause Thun. Ab dem Zeitpunkt der Logenbruderschaft waren sie auch im
freimaurerischen Sinne eng verbunden und verkehrten oft gemeinsam in den
verschiedenen Bauhütten Wiens. Von April 1789 bis Anfang Juni unternahmen beide
Herrschaften eine ausgedehnte Reise über Böhmen an den Preußischen Hof. Fürst
Lichnowsky, der gute Kontakte zum Führungszirkel rund um König Friedrich Wilhelm
II. von Preußen pflegte, nahm Mozart als seine Reisebegleitung mit.185 Die Reiseroute
führte über Prag an den sächsischen Hof nach Dresden. Von dort ging es über Leipzig zu
den preußischen Residenzen Potsdam und Berlin, ehe es wiederum über Dresden und
Prag zurück nach Wien ging. Den Aufenthalt in Potsdam unterbrach Mozart Anfang Mai
um ein zweites Mal nach Leipzig zu reisen. Dies ist eine grobe Zusammenfassung des
Reiseverlaufs mit Ortsangaben, stellt aber keinen Anspruch auf absolute Vollkommenheit
dar. Die Rekonstruktion des genauen Verlaufs gestaltet sich äußerst schwierig, eine noch
größere Herausforderung ist eine fundierte Aussage über den Zweck der Reise. Die
Problematik ist auf Grund der unzureichenden Quellenlage gegeben, welche sich durch
den Verlust mehrerer Reisebriefe ergibt. Insofern ist es sehr schwer, gesicherte Aussagen
zu treffen. Eine Absicht dieser ausgedehnten Reise könnte in Mozarts Suche nach neuen
Arbeits- und Anstellungsmöglichkeiten gelegen haben. Nicht nur am preußischen Hof
183
Vgl.: Erklärung S. 41.
Vgl.: Strebel, S. 17.
185
Vgl.: Braunbehrens, S. 347 – 348.
184
60
sondierte er in diese Richtung, vor allem in Prag frischte er seine Beziehungen zu
Domenico Guardasoni, dem Nachfolger des „Don Giovanni“ Initiators Bondini, auf. In
Dresden und Leipzig musizierte Mozart in verschiedensten Gesellschaften und gab
Konzerte, etwa im alten Gewandhaus. 186 Fest steht, dass er am preußischen Hof vom
König den Auftrag für sechs Streichquartette bekam und Prinzessin Friederike sechs
Klaviersonaten wünschte. Lichnowsky, der Mozart in die Potsdamer und Berliner
Gesellschaft einführte, reiste früher aus Preußen ab und traf seinen Freund Mitte Mai in
Leipzig wieder. Die verschiedenen Tagesabläufe und Arbeitsaktivitäten in Potsdam und
Berlin und der Grund für den zwischenzeitlichen zweiten Aufenthalt in Leipzig sind
mangels an Quellen und Briefen nicht mehr rekonstruierbar. Fest steht, dass Mozart zwei
Aufträge vom Preußischen Königshaus erhielt und abzüglich der Reisekosten rund 1.000
Gulden im Zuge dieser Reise verdiente. 187 Zurück in Wien erkrankte seine Frau
Konstanze und das eingenommene Geld musste für Arztrechnungen aufgewendet
werden. Erschwerend kam hinzu, dass die Sommerzeit immer eine notorisch
finanzschwache Zeit im Jahresrhythmus Mozarts war. Rückwirkend betrachtet bot die
Reise
mit
Lichnowksy
weder
langfristige
Perspektiven,
noch
sichere
Anstellungsverhältnisse. Ebenso ist Mozarts Absicht die Streichquartette zu vollenden
von großer Unentschlossenheit geprägt. Drei Stücke erscheinen erst nach Mozarts Tod
Ende Dezember 1791 in der Wiener Zeitung unter dem Titel „Preußische Quartette.188
4.6.2 Anton Stadler
Wolfgang Amadeus Mozart schrieb sein letztes Instrumentalwerk, das Konzert für
Klarinette und Orchester in A-Dur KV 622, für seinen langjährigen Freund Anton Stadler.
Er und sein Bruder Johann waren in Wien sehr angesehene Musiker auf der Klarinette
und am Bassetthorn. Als Musiker war Anton für seinen schönen Ton und für seine
ausdrucksstarke Spielweise bekannt, nebenher beschäftigte er sich intensiv mit
technischen Neuerungen und Verbesserungen seiner Instrumente. Im Fokus seiner Arbeit
stand die Suche nach einer Tonerweiterung der Klarinette in tiefere Register, welche in
die Klangfarbe des Bassetthorns hineinreichten. Durch die Erweiterung der Klarinette um
vier Halbtöne nach unten, entstand ein Instrument, welches heutzutage Bassettklarinette
186
Konrad Küster, Mozart. Eine musikalische Biographie, Stuttgart 1990, S. 336.
Vgl.: Braunbehrens, S. 349 – 350.
188
Vgl.: Küster, S. 341 – 343.
187
61
genannt wird. 189 Mozart wiederum ließ sich einerseits von Stadlers Neuerungen zur
Komposition des Klarinettenkonzerts inspirieren, andererseits setzte er das neuartige
Instrument in Soloparts seiner Opern ein. Die Arie des „Sesto“ aus der Oper „La clemenza
di Tito“ KV 621 enthält einen solch anspruchsvollen Soloteil, für den Anton Stadler
eignes nach Prag zu Uraufführung gereist sein soll. Doch zurück zur Freundschaft. 190
Schon zu Beginn der 1780er Jahre eroberten die Gebrüder Stadler mit ihren
instrumentalen Fähigkeiten an der Klarinette und dem Bassetthorn die Wiener
Musikszene. Zuerst standen sie im Dienst des russischen Botschafters Fürst Galizin und
traten öfters in die Wiener Tonkünstler Sozietät auf. Im Jahr 1783 wurden sie Mitglieder
der kaiserlichen Harmonie und vier Jahre später in die k. k. Hofkapelle aufgenommen.
Die Bekanntschaft zwischen Mozart und Anton Stadler lässt sich bis ins Jahr 1784
zurückverfolgen. Wahrscheinlich spielte Stadler bei der Aufführung von Mozarts
Bläserserenade den Klarinettenpart. Es handelte sich dabei um die als „Gran Partita“
betitelte Serenade KV 361.191 Ihre Freund- und Bekanntschaft intensivierte sich fortan,
da auch Anton Stadler dem Bund der Freimaurerei beitrat. Ende September 1785 wurde
er in die Loge „Zum Palmbaum“, der auch verschiedene Freunde Mozarts angehörten,
aufgenommen.
192
Aus dem gleichen Jahr datiert ein Bericht, der über sein
Klarinettenspiel Auskunft gibt: „Hätt’s nicht gedacht, dass ein Klarinet menschliche
Stimme so täuschend nachahmen könnte, als du sie nachahmst.“193
Die enge Freundschaft zwischen Mozart und Stadler äußerte sich nicht nur in mehrfachen
musikalischen Darbietungen zu verschiedenen Logenzusammenkünften, sondern auch im
gemeinsamen Musizieren im Hause Jacquin. In diesem Zusammenhang entstand im
August 1786 Mozarts Trio für Klarinette, Viola und Klavier in Es-Dur KV 498, welches
allgemein unter dem Namen „Kegelstatt-Trio“ bekannt ist. Drei Jahre später vollendete
er das Klarinettenquintett KV 581, ebenfalls Anton Stadler gewidmet. Bis zur
Fertigstellung des Klarinettenkonzerts im Oktober 1791 musizierte Stadler oft bei
wichtigen Uraufführungen von Opern und Sinfonien. 194 Ein Beispiel dafür ist die
Pragreise im Jänner 1787, welche Anton Stadler als Mozarts Begleiter antrat. Aus einem
Reisebericht des Herrn Gottfried von Jacquin geht hervor, dass Mozart während der
189
Franz Giegling, W.A. Mozart. Konzert in A für Klarinette und Orchester, Kassel 2003, S. 3.
Henrik Wiese, Wolfgang Amadeus Mozart. Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 Klavierauszug,
München 2003, S. 4.
191
Vgl.: Giegling, S. 3.
192
Vgl.: Schuler, S. 85.
193
Vgl.: Ebda., S. 85 – 86.
194
Vgl.: Küster, S. 348 – 350.
190
62
langen Anreise seinen Begleitern verschiedene Spitznamen gab. Anton Stadler wird
fortan öfters als „Natschibinitschibi“ bezeichnet. Nach der Fertigstellung des
Klarinettenquintetts im September 1789 arbeiteten beide Künstler in den letzten Monaten
vor Mozarts Tod wieder enger zusammen.195 Im August 1791 fuhr Mozart nach Prag um
die letzten Stücke und Proben zur Oper „La clemenza di Tito“ zu leiten. Seine Begleiter
waren Anton Stadler, Soloklarinettist im Orchester und Ausführender der schweren
Solopartien und Franz Xaver Süßmayr, der Mozart assistierte. Der Zeitdruck war enorm,
musste die Uraufführung im Prager Nationaltheater am Abend der Krönung Kaiser
Leopolds II. zum König von Böhmen, stattfinden.196 Die Premiere fand am 6. September
1791 im Beisein des Kaiserpaares statt. Leopold II. reagierte äußerst reserviert auf die
Darbietung und bat nicht zum üblichen Premierenempfang. Die folgenden Vorstellungen
riefen deutlich positivere Reaktionen hervor, das Prager Publikum war Mozart seit Jahren
wohl gesonnen. Anton Stadler schreibt Mozart, der schon Mitte des Monats abreiste,
folgende Meldung: „mit ausserordentlichen beifall aufegführet worden. – alle Stücke sind
applaudirt worden.“197 Der Brief nach Wien ist Beleg dafür, dass Mozart eine im Oktober
angesetzte Akademie Stadlers nicht abwarten konnte. Dieses Konzert fand am 16.
Oktober 1791 statt und es könnte sich dabei um die Uraufführung des Klarinettenkonzerts
gehandelt haben. Einen Beleg dafür gibt es nicht. Mozart schreibt als einzigen Hinweis
in einem Brief an seine Frau, dass er am 7. Oktober den dritten Satz des
Instrumentalwerks vollendete. Ob die Komposition noch vor dem angesetzten Konzert
Prag erreichen konnte, bleibt unklar.198
4.6.3 Emmanuel Schikaneder
Die Bekanntschaft zwischen Mozart und Schikaneder reichte zurück, bevor Wolfgang
Amadé über München nach Wien reiste. Die Freundschaft entstand schon im Jahre 1780,
als Schikaneder als Mitglied einer wandernden Schauspieltruppe in Salzburg weilte.
Anschließend trennten und kreuzten sich beider Wege immer wieder und aus ihrer finalen
Zusammenarbeit entstand 1791 die Oper „Die Zauberflöte“ KV 620. Doch zurück zu
Schikaneder. Viele Attribute wurden dem Librettisten der Oper schon zu seinen
195
Vgl.: Geck, S. 159.
Vgl.: Braunbehrens, S. 409.
197
Vgl.: Ebda., S. 410.
198
Vgl.: Geck, S. 195 – 197.
196
63
Lebzeiten angehaftet. Aber wie lässt er sich charakterisieren? Wagen wir nun einen
kurzen Einblick in eine unheimlich interessante Lebensgeschichte.199
Emanuel Schikaneder wurde 1751 in Straubing geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters
betrieb seine Mutter einen Devotionalienhandel, um die Familie zu versorgen. Nach
einigen Jahren als Schüler im Jesuitengymnasium begann Schikaneder als Sänger und
Wandermusikant herumzuziehen. Er sammelte Erfahrungen in
verschiedenen
Theatertruppen und lernte so viele Bühnenstücke kennen. Im Jahre 1778 übernahm er die
Direktion seines ersten Theaterensembles und zog mit diesem auf eigene Rechnung im
Süddeutschen Raum umher. Im Zuge dieser „Tournee“ weilte die Schauspielgruppe
zwischen 1780 und 81 fast sechs Monate in Salzburg. Hier lernten sich Mozart und
Schikaneder kennen. Letzterer revanchierte sich für die familiäre Aufnahme im Hause
Mozarts durch drei Freibillets für die ganze Saison in Salzburg. Wolfgang Amadé war
begeistert von den Darbietungen und sah nicht nur klassische Aufführungen, sondern
auch Singspiele. Schikaneder hatte einen grandiosen Theaterinstinkt und war stets auf
größte Publikumswirksamkeit bedacht. Er experimentierte mit neuen Effekten, reizte die
Technik immer aufs Neue aus und sein Hang zum opulenten Theater machte ihn nicht
nur beim Publikum sehr erfolgreich. Als Kaiser Joseph II. ihn und sein Ensemble im Jahr
1784 in Preßburg sah, überbreitete er Schikaneder ein Angebot das Theater am
Kärntnertor in Wien zu reaktivieren. Quasi als Versuch einer Wiederbelebung des
Deutschen Singspiels eröffnete Schikaneder im November desselben Jahres das Haus mit
Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“. Die erste Wiener Zeit des Theaterdirektors
und Schauspielers verlief in weiterer Folge sehr turbulent. Zum einen trennte sich seine
Frau, nach zahlreichen Eskapaden, von ihm und zum anderen griff der Kaiser mit dem
Verbot des Stückes „Hochzeit des Figaro“ in den Spielplan aktiv ein. In Folge dessen
löste sich die Truppe ganz auf und Schikaneder wurde ins Ensemble des Burgtheaters
aufgenommen, erhielt dort aber nur zweitrangige Rollen. Er verließ Wien und verfolgte
den Plan ein neues Ensemble zu gründen. Dabei fand der mit Carl Fürst von Thurn und
Taxis in Regensburg einen mächtigen Geldgeber. Durch die großzügigen Subventionen
gelang es ihm seine Freilichtspektakel samt opulenter Inszenierungen fortzusetzen. In
Regensburg trat Schikaneder der einflussreichen Freimaurerloge „Zu den drei
Schlüsseln“ bei. 200 Sein Aufnahmegesuch vom Juli 1788 ist noch als Quelle erhalten
geblieben, ebenso verschiedene Briefe und Abrechnungen, die nachweislich seinen
199
200
Vgl.: Küster, S. 382.
Vgl.: Braunbehrens, S. 395 – 397.
64
Namen enthalten. Am 2. Oktober wurde er als Lehrling feierlich in die freimaurerische
Bruderschaft aufgenommen. 201 Im Frühjahr 1789 sorgte Schikaneder in Regensburg
durch verschiedene Eskapaden und Liebschaften für großen Wirbel. Diese entzogen sich
auch der Bruderschaft nicht, welche in einem Schreiben an Schikaneder folgendes
mitteilte: „daß sich selbiger wegen dieses – viel Aufsehens machenden Vorfalles sowohl
der
Beiwohnung
des
vorseyenden
Johannis-Festes,
als
auch
der
weiteren
Logenbesuchung auf sechs Monate enthalten möge.“202
Doch das Glück des Lebens war ihm, trotz aller Vorfälle, weiterhin hold und so zog es
ihn wieder zurück nach Wien. Als im gleichen Jahr der Lebensgefährte von Schikaneders
Exfrau und Pächter des Theaters im Freihaus auf der Wieden starb und das Haus Eleonore
Schikaneder überschrieb, versöhnte sich Emanuel Schikaneder mit ihr. Er kündigte in
Regensburg und übernahm gemeinsam mit Eleonore die Direktion des Theaters an der
Wieden. Das Vorstadttheater lag verkehrsgünstig, in billiger Wohnlage und zog einfaches
Publikum, aber auch große Gesellschaften der inneren Stadt an.203 Schikaneder eröffnete
sein Theater mit einer deutschen Oper, ihre Arien wurden zu Schlagern in der Stadt und
das Stück wurde über dreißig Mal aufgeführt. Das Ensemble war für ein Vorstadttheater
damaliger Verhältnisse erstaunlich gut aufgestellt. Nicht nur hervorragende Sänger und
Sängerinnen befanden sich darunter, sondern auch ein recht großes Orchester mit guter
Besetzung. 204 Neben der Professionalität in der Theater- und Musikkunst verfolgte
Schikaneder die Wirtschaftlichkeit des Hauses mit gleichem Engagement. Er fand
Geldgeber und Finanziers, die bereit waren ins Direktorium einzusteigen und
Ausfallshaftungen zu übernehmen. Ein berühmter Name unter diesen war Bartholomäus
Zitterbarth, mit dem Schikaneder ab 1799 das Theater leitete und der im selben Atemzug
sämtliche Schulden des Hauses übernahm. In der Folgezeit wurde das Freihaus auf der
Wieden zu klein und Schikaneder konnte seinen Kompagnon Zitterbarth von einem
Neubau eines eigenen Theaters überzeugen. So entstand ab 1801 das sogenannte „Theater
an der Wien“. Am Spielplan standen nicht nur Opern, sondern klassische Theaterstücke,
Singspiele oder historische Dramen. Schikaneder fungierte dabei als Regisseur,
Schauspieler und Leiter des Hauses, der es mit seiner Wendigkeit und Kreativität bestens
verstand,
Tagesthemen
und
Modeerscheinungen
aufzugreifen
und
diese
201
Vgl.: Schuler, S. 197.
Vgl.: Ebda., S. 198.
203
Vgl.: Braunbehrens, S. 397 – 398.
204
H.C. Robbins Landon, 1791. Mozarts letztes Jahr, München und Kassel 1988, S. 153.
202
65
publikumswirksam auf die Bühne zu bringen. So entstand ein Theater voller
Stilpluralismen. Eine parodierend persiflierende Unterhaltungsshow, immer zeitnah und
vor dem Hintergrund des aufklärerischen Anspruchs der Volkserziehung. Das variierte
Erfolgskonzept, die Witze und die immer wieder aufgenommen Themen wurden von Mal
zu Mal dünner und verloren an Wirksamkeit beim Publikum. Schikaneder zeigte trotz
aller Misstöne keine Einsicht und so begann sein abrupter künstlerischer Abstieg. Dieser
endete einerseits in einem finanziellen Fiasko, andererseits in einer tiefen psychischen
Krise. Er verließ Wien, konnte aber auch in der Provinz nicht mehr Fuß fassen und starb
im Jahre 1812. Vereinsamt, verarmt und des Wahnsinns nahe verbrachte er die letzten
Jahre seines Lebens, ohne je zu verstehen, wie es zu solch einem tiefen Fall kommen
konnte.205
205
Vgl.: Braunbehrens, S. 399 – 400.
66
5 Drei repräsentative Werke in der Einzelbetrachtung
5.1 Exkurs - Freimaurerische Musik
Im folgenden Kapitel soll kurz auf die Musik der Freimaurer im Allgemeinen
eingegangen und somit zu drei ausgewählten Freimaurerkompositionen Mozarts
hingeführt werden. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die
verschiedenen Logen seit jeher ganz bewusst auf Musik als Mittel zur Untermalung der
Ereignisse und Festlichkeiten in den Bruderschaften gesetzt haben, zur Eröffnung, zum
Abschluss, in Pausen oder als akustische Verstärkung von rituellen Handlungen. Die
Brüder waren dabei nicht nur einfache passive Zuhörer, sondern meist aktiv am
Musikleben der Sozietäten beteiligt. Die Wiener Logen, um nur ein Beispiel zu nennen,
profitierten sehr stark von den vielen Berufsmusikern innerhalb der Bauhütten. Mozarts
Freunde Valentin Adamberger (Sänger) und Anton Stadler (Klarinettist) waren dabei
herausragende Persönlichkeiten. Doch wie lässt sich nun der Terminus Freimaurermusik
definieren und einordnen?206
Die Musik der Freimaurerei lässt sich im Fokus der musikwissenschaftlichen Betrachtung
auf zwei Arten festmachen. Den engeren und ursprünglichen Kontext bildet die
eigentliche Zeremonialmusik. In einem weiteren Blickfeld finden sich Kompositionen,
welche im Geiste freimaurerischer Ideale verfasst wurden und deren Inhalte auf
freimaurerisches Gedankengut zurückgreifen.207
Im engeren Sinne lassen sich nun Logenlieder und Ritualmusiken festmachen, die
entweder vor oder nach der Logenzusammenkunft gesungen wurden, oder rituelle
Vorgänge unterstützt haben. Musikalische Aktivitäten während den verschiedenen
rituellen Handlungen wurden vokal oder instrumental ausgeführt und dienten dem Ritus
und der Feierlichkeit.208 Die Logenlieder waren oft als Generalbasslieder angelegt, deren
Texte aus populären Vorlagen, etwa Opernarien, Gassenhauern oder Kirchenliedern,
entstammten. Im Vordergrund dieser Vokalmusik standen immer der Text und seine
Verständlichkeit. So wurden die Lieder meist als A-capella Versionen gesungen, die nicht
selten in responsorialem Wechselgesang aufgeführt wurden.209
Vgl.: Schuler, S. 55 – 56.
Vgl.: Drexel, S. 118.
208
Vgl.: Sichrovsky, S. 40.
209
Vgl.: Drexel, S. 118.
206
207
67
Freimaurermusik in einem weiter gefassten Kontext bediente sich freimaurerischer
Themen oder verwendete Subtexte und andere Symbole, um maurerisches Gedankengut
zu transportieren. Allein in Wien entstanden in der Hochblütezeit der Bauhütten am Ende
des 18. Jahrhunderts mehr als zwanzig Singspiele, Opern oder Schauspiele, welche
freimaurerische Themen beinhalteten. Neben der Oper „Die Zauberflöte“ schrieb
Schikaneder noch fünf andere Werke dieser Kategorie. Neben Mozart und Schikaneder
sei noch Friedrich Ludwig Schröder, Burgtheaterdirektor und Freimaurer, genannt, der in
seinem Schauspiel „Die Freymaurer“ Erklärungsansätze zum Geheimbund lieferte.
Daneben entstanden Kompositionen, die abseits des Textes und ohne direkten Einsatz für
Logenzusammenkünfte, Chiffren und Symbole der Freimaurerei transportierten. In der
Auseinandersetzung mit diesen Werken resultieren viele Ergebnisse aus dem Bereich der
Vermutung. Ein Beispiel für eine recht nachvollziehbare Theorie sind Mozarts letzte drei
Sinfonien, die als Abbilder des Menschenlebens, dargestellt in drei Graden, gedeutet
werden können. In diese Richtung haben die drei Schläge am Beginn der
„Jupitersinfonie“ KV 551 vielfältige Phantasien angeregt.210
Eine strikte Trennung dieser Kategorien ist häufig nicht möglich, da die Grenzen fließend
sind und die Zuordnung dadurch erschwert wird. Deutlich unterscheidbar sind hingegen
Werke für Logenzwecke von Arbeiten mit freimaurerischen Inhalten, welche für eine
breite Öffentlichkeit bestimmt waren. 211 „Mozarts Freimaurermusik ist in diesem
Bezugsrahmen einzuordnen.“212
5.2 Die Zauberflöte (KV 620)
5.2.1 Ein Überblick ihrer Entstehungsgeschichte
Am Beginn der Ausführungen über Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ soll der Leser, die
Leserin darauf hingewiesen werden, dass die folgenden Ausführungen nie im Kontext
einer Vollkommenheit betrachtet werden dürfen. Zur Thematik gibt es unzählige Bücher,
Schriften und Aufsätze, welche Bibliotheken in aller Welt füllen. Im Anbetracht der
Tatsache, dass in dieser Arbeit nur kleine Aspekte behandelt werden, soll an dieser Stelle,
Vgl.: Sichrovsky, S. 41 – 42.
Vgl.: Drexel, S. 118.
212
Vgl.: Ebda., S. 118.
210
211
68
bei tiefsinnigerem Interesse für verschiedene Themen, auf die Fülle an Sekundärliteratur
verwiesen werden.
Die Entstehungszeit der Oper lässt sich aus historischer Zeit in die Post-Josephinische
Ära der Habsburgermonarchie einordnen. Nach dem Tod Kaiser Josephs II. bekam
Mozart keine Aufträge mehr vom Wiener Hof. Maßgeblicher Anlass für diese
Entwicklung war die Kündigung da Pontes als kaiserlicher Theaterdichter und die daraus
resultierende Auflösung des sehr erfolgreichen Zweigespanns Mozarts und da Pontes.213
Neben dem italienischen Librettisten bestand die Bekanntschaft zu Emmanuel
Schikaneder. Wie schon erwähnt, lernten sich beide 1780 in Salzburg kennen und
intensivierten ihren Kontakt als Schikaneder im Jahr 1789 die Direktion des Theaters auf
der Wieden übernahm.
214
Die folgende zweijährige Zusammenarbeit gipfelte
schlussendlich mit der Uraufführung der Oper „Die Zauberflöte“. Bis heute ist nicht mehr
festzustellen wann genau Mozart mit der Komposition des Werkes begonnen hat. Ein
Brief von Schikaneder an den Komponisten vom 5. September 1790 gibt folgende
Auskunft: „Lieber Wolffgang! Derweilen schicke ich Dir Dein Pa Pa Pa zurückh, das
mir ziehmlich recht ist. Es wird’s schon thun. […].“215 Diese Antwort bezieht sich auf die
vorletzte Szene des zweiten Aufzuges und ist Beleg dafür, dass Mozart schon vor seiner
intensiven Kompositionsphase im Frühjahr 1791 Skizzen oder Überlegungen angefertigt
hat. Weitere Beweise und Quellen für eine längere Beschäftigung von Mozart und
Schikaneder mit Themen der Oper vor dem Jahreswechsel sind nicht erhalten und bleiben
Hypothesen. Erst im Frühjahr 1791 verdichtet sich die Informationslage durch den
Briefwechsel zwischen Konstanze, die sich zur Kur nach Baden begab, und Mozart
erheblich. Dabei lassen sich Hinweise, welche entweder direkt auf die Zauberflöte deuten
oder sich indirekt auf ihr Umfeld beziehen, herauslesen. Im Brief vom 7. Juni schreibt
Wolfgang Amadé seiner Frau nach Baden bei Wien: „[…] heute weißt Du ohnehin, daß
ich bey Schicaneder esse, […]“ und vier Tage später berichtet er „Aus lauter langer Weile
habe ich heute von der Oper eine Arie componirt. […] und sage Dir: Tod und
Verzweiflung waren sein Lohn.“216 Letzte Aussage ist ein klarer Verweis auf das Libretto
der Zauberflöte. In weiteren Korrespondenzen mit Konstanze gibt Mozart Auskunft, dass
er erneut mit Schikaneder gespeist hat und bittet seine Frau Süßmayr zu erinnern, ihm
213
Vgl.: Landon, S. 151.
Vgl.: Küster, S. 382.
215
Vgl.: Geck, S. 192.
216
Internationale Stiftung Mozarteum (Hg.), Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe Band
IV: 1787 – 1857, Kassel 1963, S. 136.
214
69
sein Particell zu senden, damit er die Instrumentation vornehmen kann. Textdichter,
Komponist und sein Assistent standen so ständig in engem Kontakt und arbeiteten
zusammen am Gesamtkunstwerk „Zauberflöte“. Im Juli dürfte die Oper im Großen und
Ganzen fertiggestellt worden sein, Ouvertüre und der sogenannte „Priestermarsch“
wurden nachkomponiert und am 28. September in das „Verzeichnüss aller meiner
Werke“ eingetragen. Die Zeit zwischen der groben Fertigstellung Anfang Juli und der
Uraufführung der Oper am 30 September 1791 verbrachte Mozart mit der Komposition
seiner Oper „La clemenza di Tito“ KV 621.217
Unter enormen Zeitdruck verlief diese Arbeit, welche bis zum Krönungstage Leopolds
zum Böhmischen König am 6. September in Prag uraufgeführt werden musste. Innerhalb
kürzester Zeit war Mozart gezwungen neben dem Feinschliff der Zauberflöte dieses
Projekt fertigzustellen. Während der stressigen Tage in Prag erholte er sich in einem der
vielen Kaffeehäuser und spielte Billard.218 Ein interessantes Detail am Rande ist, dass
Mozart dabei das Motiv des Papageno aus dem Quintett des ersten Aktes „Der Arme kann
von Strafe sagen, denn seine Sprache ist dahin“ vor sich hin gesummt haben soll.219
Nach der Premiere des Titus traf Mozart Mitte September 1791 wieder in Wien ein und
widmete sich der finalen Phase seiner Oper „Die Zauberflöte“. Nach Vollendung der
Ouvertüre, des „Priestermarsches“ und der letzten Probenarbeiten dirigierte er die
Premiere am 30. September vom Kielflügel aus. 220 Nach der dritten Vorstellung
übernahm das Dirigat der Kapellmeister des Theaters, Johann Baptist Henneberg. Der
Erfolg der Oper steigerte sich von Aufführung zu Aufführung und von da an sollte ein
bis heute unaufhörlicher Erfolgslauf dieses Werkes anbrechen.221 Die einsetzend positive
Resonanz erfuhr Mozart noch persönlich und schrieb seiner Frau am 7. Oktober folgende
Zeilen: „Eben komme ich von der Oper. […] Sie war eben so voll wie allzeit. […] was
mich aber am meisten freuet, ist, der Stille beifall!“222
217
Christoph-Hellmut Mahling, Die Zauberflöte. Große Oper in zwei Aufzügen, in: Carl Dalhaus und
Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth (hrsg.), Mozarts Opern. Alles von Apollo
und Hyacinth bis zur Zauberflöte, München-Zürich 2005, S. 261 – 263.
218
Vgl.: Geck, S. 194.
219
Vgl.: Küster, S. 394.
220
Vgl.: Geck, S. 196.
221
Vgl.: Mahling, S. 263.
222
Vgl.: Geck, S. 197.
70
5.2.2 Die Zusammenarbeit zwischen Mozart und Schikaneder
Die Entstehung der Oper und die Zusammenarbeit von Mozart und Schikaneder sind,
bedingt durch die unzulängliche Quellenlage, nur sehr schwer rekonstruierbar und
Aussagen können oft nur auf Vermutungen aufgebaut werden. Den Plan, gemeinsam an
einem Musikdrama zu arbeiten und es für Schikaneders Theater auf der Wieden zu
konzipieren, fassten beide wahrscheinlich schon um 1789, zurzeit also, als letzterer im
Zuge der Übernahme des Hauses wieder nach Wien zurückkehrte. Die Bekanntschaft
beider Persönlichkeiten reicht, wie schon erwähnt wurde, bis ins Jahr 1780 zurück und
ihr gemeinsames Interesse für Theater, Singspiel und Oper ist ebenfalls hinlänglich
bekannt. So entstanden möglicherweise Pläne, Entwürfe oder Skizzen auf Papier oder nur
im Kopf, die wohl vor die Zeit der intensiven Beschäftigung im Frühjahr 1791
zurückreichen.223 In dieser Zeit beginnt Mozart mit seinen Kompositionsarbeiten, deren
Verlauf durch Briefe an seine Frau Konstanze relativ gut belegt ist. Es entstand ein
universelles Gesamtkunstwerk, welches nach wie vor zu den erfolgreichsten
Musikstücken zählt und Reflexionen und Legenden in alle Richtungen hervorbrachte.
Schikaneders Anteil am Text wurde bezweifelt, manche suggerierten jakobinische
Einflüsse, andere wiederum sahen die Oper als Machwerk im Widerspruch zwischen
revolutionärer, reaktionärer und freimaurerischer Thematik. In der folgenden
Beleuchtung der verschiedenen Hintergründe in der Zusammenarbeit zwischen Mozart
und Schikaneder sollen den Legenden Fakten gegenüber gestellt werden.224
Ein Mythos, welcher nach den ersten Aufführungen der Oper entstanden ist, besagt, dass
Schikaneder in finanziellen Schwierigkeiten war und Mozart bat, ihm durch die
Komposition eines Meisterwerks zur Hilfe zu eilen. Diese These ist allein dadurch nicht
haltbar, weil das Theater auf der Wieden zu dieser Zeit positive Resonanzen hervorrief
und das Unternehmen im Grunde auf solider wirtschaftlicher Basis stand. Die
Vorstellungen vor der Premiere der Oper „Die Zauberflöte“ waren gut besucht, das
Programm sehr dicht und das Ensemble gut aufgestellt. 225 Über die Honorierung des
Auftrags gibt es keinerlei Belege, doch hatte Mozart für Auftragskompositionen
festgelegte Preise. Für die vorhergehenden Opern „Cosi fan tutte“ und „La clemenza di
Tito“ bekam der Meister jeweils 900 Gulden und zusätzlich noch anfallende Reisespesen
223
Vgl.: Mahling, S. 261.
Manfred Wagner, Wolfgang Amadeus Mozart. Werk und Leben, Wien 2005, S. 152.
225
Vgl.: Mahling, S. 274 – 275.
224
71
ausgezahlt. So machte er keinen Unterschied zwischen Honoraren, die er vom Wiener
Hof erhielt, von denen eines privaten Theaterunternehmens. Im Zuge dieses Kontexts
können Klagen und Unklarheiten in finanziellen Belangen zwischen Mozart und
Schikaneder ausgeschlossen werden.226
Umstritten ist auch der Bericht über die Erteilung des Kompositionsauftrages an Mozart
durch Schikaneder. Konstanzes zweiter Ehemann und Mozartbiograph Nissen zitiert die
Aufgabenstellung wie folgt: „Schreiben Sie eine Oper für mich, ganz im Geschmacke des
heutigen Wiener Publicums; Sie können dabey den Kennern und Ihrem Ruhme immer
auch das Ihrige geben, aber sorgen Sie vorzüglich auch für die niedrigen Menschen aller
Stände. Ich will Ihnen den Text besorgen, will Decorationen schaffen u.s.w., Alles, wie
man’s jetzt haben will. [...].“ 227 Demnach hätte Mozart auf das Libretto und seine
Entstehung keinen oder nur sehr wenig Einfluss gehabt. Diese Annahme lässt sich kaum
vertreten, denn eine Absprache, und sei sie nur während den Essensbesuchen
kommuniziert worden, hat es sicher gegeben.228 Im Brief vom 11. Juni 1791 an Konstanze
nach Baden, ein Ausschnitt wurde im vorhergehenden Kapitel zitiert, nimmt Mozart im
letzten Satz einen klaren Verweis auf das Libretto der Oper vor. Mozart und Schikaneder
übernahmen und beachteten in ihrer Zusammenarbeit viele verschiedene Traditionen und
Aspekte der deutschsprachigen Wiener Oper und setzten diese sinnvoll in ihr
Gesamtkunstwerk ein. Die musikalische Ausführung des Komponisten war dabei
sicherlich nicht bloß auf die Textvorlage beschränkt. Mozart dürfte dabei an der
textlichen als auch bei der dramaturgischen Gestaltung mitgewirkt haben. Ein Beleg dafür
sind Schikaneders Ausführungen aus dem Jahr 1795. Er schreibt über das Werk „als von
einer Oper, die ich mit dem seligen Mozart fleißig durchdachte.“ 229 Mozart nahm in
seinem Textmanuskript kleinere Änderungen oder Streichungen vor und gestaltete dieses
nach seinen Vorstellungen. So finden sich in seinem Textbuch knappere
Regieanweisungen, welche auf nachträgliche Korrekturen schließen lassen. 230 Überhaupt
ist hinlänglich bekannt, dass sich Mozart in seinen frühen Lebensjahren immer wieder
über die Qualität verschiedenster Textdichter kritisch äußerte. Er war schon am Beginn
seiner Wiener Jahre darum bemüht, einen neuen Opernstil zu entwickeln und suchte dafür
Librettisten, die seine Auffassung von Bühnenfiguren und Dramaturgie im Allgemeinen
226
Vgl.: Braunbehrens, S. 403.
Vgl.: Landon, S. 154.
228
Vgl.: Küster, S. 383.
229
Vgl.: Mahling, S. 276.
230
Vgl.: Ebda., S. 276.
227
72
teilten. Gerade in der Oper „Die Entführung aus dem Serail“ gelang es ihm einen
individuellen Charaktertypus auf die Bühne zu bringen. Diese Hintergründe aus Mozarts
Leben und Beschäftigung mit Theater gepaart mit den Belegen um die Zusammenarbeit
am Libretto mit Schikaneder lassen eine strikte Trennung von Musik und Text klar
ausschließen.231
Ein dritter interessanter Hintergrund in der Zusammenarbeit zwischen Mozart und
Schikaneder ist der so häufig, in verschiedensten Büchern, erwähnte „Bruch“ im
Handlungsstrang der Oper. Dieser lässt sich scheinbar daraus ableiten, dass im Juni 1791,
also mitten in den Vorbereitungen zur „Zauberflöte“, Schikaneder plötzlich zu
Planänderungen gezwungen wurde. Die Aufführung der Oper „Kasper, der Fagottist oder
die Zauberzither“ am Theater in der Leopoldstadt soll die Handlungsänderung
hervorgerufen haben. Für eine Abänderung der Konzeption durch Mozart oder
Schikaneder sind keine Quellenbelege vorhanden und es gilt als sehr unwahrscheinlich,
dass dies durchgeführt wurde. Faktum ist jedoch, dass Mozart das Schauspiel in der
Leopoldstadt besuchte und seiner Frau darüber berichtete. 232 „[...] ich gieng dann um
mich aufzuheitern zum Kasperl in die neue Oper der Fagottist, die so viel Lärm macht –
aber gar nichts dran ist.“ 233 Im weiteren Auszug des Briefes finden sich keinerlei
Andeutungen über einen möglichen Einfluss der Oper, sowie mögliche Auswirkungen
hinsichtlich eines „Bruchs“ in der geplanten Fassung der „Zauberflöte“. In Folge der
Faktenlage lässt sich die Frage nach einer Abänderung des ersten Aktes und seiner
Ursachen nach wie vor nicht eindeutig festmachen. Wie immer Mozart und Schikaneder
auf das Singspiel in der Leopoldstadt reagiert haben, lässt sich ihre Oper immer als ein
individuelles Gesamtkunstwerk ihrer Schöpfer darstellen.234
So bleiben die Entstehung, ihre Hintergründe und die Zusammenarbeit zwischen Mozart
und Schikaneder, unter dem Aspekt der Quellenlage, undramatisch und pragmatisch im
Sinne eines künstlerischen Schaffensprozesses. Alles spricht für eine Regelung im
Rahmen des Üblichen und im Fokus eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem Titel
„Die Zauberflöte.“235
231
Vgl.: Braunbehrens, S. 90.
Vgl.: Küster, S. 385.
233
Internationale Stiftung Mozarteum (Hg.), Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe Band
IV: 1787 – 1857, Kassel 1963, S. 137.
234
Vgl.: Mahling, S. 277 – 279.
235
Vgl.: Braunbehrens, S. 403.
232
73
5.2.3 Quellen und Hintergründe des Opernstoffes
Bevor im abschließenden Kapitel die Nähe der Oper „Die Zauberflöte“ zur Freimaurerei
thematisiert und der Frage nachgegangen wird, ob das Werk als eine Logenarbeit oder
gar als Freimaureroper bezeichnet werden kann, sollen nun die verschiedenen Quellen
des Librettos im Fokus der Ausführungen stehen. Um die Hintergründe zu begreifen und
sie als solches zur Kenntnis zu nehmen, muss man sich vergegenwärtigen, dass damals
unzählig viele Singspiele, Opern und Theaterstücke verfasst, aufgeführt und schon wieder
außer Mode waren. Der Einfachheit halber werden nun im ersten Teil der Ausführungen
musikalische Werke, die mögliche Einflüsse auf das Libretto hatten, angeführt.
Anschließend folgen im zweiten Teil literarische und textliche Quellen, die dem Stoff der
Oper maßgebliche Vorlagen sind.236
Die Entstehung der Zauberflöte im Hinblick auf die musikalischen bzw.
musikdramatischen Hintergründe ergeben sich vor allem aus dem Konkurrenzverhältnis
zwischen Schikaneders Theater auf der Wieden und Marinellis Theater in der
Leopoldstadt. Letzterer scharte Textdichter und Komponisten um sich und brachte viele
erfolgreiche Singspiele auf die Bühne. Dabei wurde insbesondere auf die szenische
Ausstattung sowie auf die Lachlust und Sentimentalität des Wiener Publikums Wert
gelegt. Die Musik spielte dabei einen untergeordneten Charakter, ohne jedoch die
Qualität zu minimieren. Als Schikaneder das „Freyhaus“ im Jahr 1789 übernahm, konnte
er im Konkurrenzkampf zum Haus in der Leopoldstadt mit der Aufführung der Oper
„Oberon, König der Elfen“ einen ersten Erfolg erzielen. Der Komponist dieses Werkes
war Paul Wranitzky und das Libretto verfasste Karl Ludwig Giesecke nach der Vorlage
Christoph Martin Wieland.
237
Mozart, der großes Interesse für Singspiele und
Aufführungen Schikaneders schon seit seiner Salzburger Zeit hatte, nahm an der
Uraufführung des Stückes teil und besaß ein eigenes Textbuch. 238 Einen weiteren
stilbildenden Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen Mozart und Schikaneder und
auf das Textbuch der Oper hatte sicherlich Tobias Philipp von Geblers Drama „Thamos,
König in Ägypten“. Mozart schrieb dem Autor, der später Meister vom Stuhl der
Bauhütte „Neugekrönte Hoffnung“ wurde, die Bühnenmusik KV 345. Die Figur des
Tamino aus der Zauberflöte leitet sich von Geblers Werk ab und bedeutet „kleiner
236
Vgl.: Sichrovsky, S. 84.
Vgl.: Mahling, S. 273 – 274.
238
Vgl.: Landon, S. 156.
237
74
Thamos“.239 Neben Mozart kannte auch Schikaneder das Drama sehr gut. Er brachte es
mit seinem Ensemble bei seinem Gastspiel in Salzburg 1780/81 zur Aufführung. 240 Eine
weitere musikdramatische Quelle entstand ebenfalls schon einige Zeit vor der Zauberflöte
und war das erste veröffentlichte dramatische Werk Schikaneders. Im Jahr 1776 in
Innsbruck gedruckt, erschien es unter dem Titel „Die Lyranten oder Das lustige Elend“,
ein frühes Singspiel, das eine Figur mit dem Namen „Leichtsinn“ zeigt, die den
Eigenschaften des Papageno auffallend ähnlich ist. Dabei könnte man schlussfolgern,
dass Leichtsinn an sich der ursprüngliche Kontext des Papagenos ist. 241 Ein letztes
wichtiges stilbildendes musikdramatisches Werk, welches möglicherweise Einflüsse auf
das Libretto der Zauberflöte hatte, ist die Oper „Der Stein der Weisen oder Die
Zauberinsel“. Dieses Stück entstand im Jahr 1790 und wurde im Freihaustheater auf der
Wieden aufgeführt. Die Vorlage dazu lieferte Wielands Märchen „Der Stein der Weisen“.
Die Arbeit an der Produktion wurde unter Schikaneder, Mozart, Schak und Henneberg
aufgeteilt. Die Tatsache, dass hier schon das lustige Paar Papageno / Papagena
eingearbeitet wurde, zeigt deutlich, dass diese Oper eine unmittelbare Quelle für die
Zauberflöte darstellt.242
Als eine erste schriftliche Quelle für das Textbuch der Oper gilt ein Vortrag von Ignaz
von Born in der Loge „Zur wahren Eintracht“. Dieser wurde im Zuge der ersten
Übungsloge am 4. November 1782 mit dem Titel „Über Mysterien der Ägyptier“
abgehalten. Große Bedeutung und Verbreitung unter den Freimaurern der
Schwesterlogen Wiens sorgte das ab 1784 in 12 Bänden erschienene „Journal für
Freymaurer“.243 Borns Aufsatz erschien gleich im ersten Heft des ersten Jahrgangs im
Jänner 1784 und fand dadurch Einzug in die freimaurerischen Bruderschaften. Der
Vortrag ist reichhaltig ausgeschmückt, suggeriert Chiffren, stellt Hypothesen zur
Entzifferung der Hieroglyphen auf und mystifiziert sagenumwobene Legenden aus dem
Reich am Nil. Trotz aller idealisierter Narrative entwirft Born ein Modell eines idealen
freimaurerischen Staates, woraus sich die Folgerung ableiten lässt, Sarastros Sonnenreich
sei Borns „Ägypten“.244 Zurück im 18. Jahrhundert findet sich mit dem Roman „Sethos“
von Jean Tearrason ein weiterer Quellenbeleg für das Textbuch der Zauberflöte. Das im
239
Vgl.: Sichrovsky, S. 90.
Vgl.: Mahling, S. 275.
241
Vgl.: Drexel, S. 123.
242
Vgl.: Sichrovsky, S. 89 - 90.
243
Vgl.: Wagner, Die Loge zur Wahren Eintracht, S. 11.
244
Vgl.: Sichrovsky, S. 84.
240
75
Jahre 1731 erstmals erschiene Buch wird immer wieder als Bindeglied zu
freimaurerischen Aspekten des Librettos gesehen. Der Innsbrucker Musikwissenschaftler
Kurt Drexel unterstreicht diese These vor dem Hintergrund einer sehr hohen
Wahrscheinlichkeit.245 Viele Details und Inhalte der Oper „Die Zauberflöte“ finden sich
im Roman des französischen Schriftstellers wieder, unter anderem die Wasser- und
Feuerprobe. Im Jahrzehnt vor der Uraufführung der Oper erschien eine bedeutende
Märchensammlung, herausgegeben von Christoph Martin Wieland. Das Kompendium
mit dem Titel „Dschinnistan, oder erlesene Feen- und Geistermärchen“ entstand in den
Jahren 1786 – 1789 und trug ganz wesentlich zum Handlungsverlauf der Zauberflöte
bei.246 Vor allem die im Band aus dem Jahr 1787 von August Jakob Liebeskind erhaltene
Erzählung „Lulu oder Die Zauberflöte“ war weitgehend Vorbild für die Handlung des
ersten Teils der Oper. Da dieses Märchen nicht nur Vorlage und Quelle für Schikaneders
Opernprojekt war, sondern auch für Müllers Konkurrenzunternehmen „Kaspar der
Fagottist oder Die Zauberzither“ am Theater in der Leopoldstadt, entstanden Legenden
und Vermutungen, die den im vorhergehenden Kapitel erwähnten „Bruch“ in der
Zauberflöte thematisierten.247 Zum Schluss der Ausführungen über textliche Quellen zum
Libretto sei noch das Märchen „Der Zauberkönig“ erwähnt. Erst vor einem Jahrzehnt
entdeckte Jan Assmann, Ägyptologe und Mozartforscher, dieses Werk des Franzosen
Louis de Mailly. In der Geschichte wird ebenfalls die Entführung einer Prinzessin durch
einen bösen Herrscher samt einer Befreiung durch den Prinzen erzählt.248 So steht die
Oper mit all ihren vielen verschiedenen Vorlagen und Quellen als Gesamtkunstwerk von
Mozart und Schikaneder im Fokus, das sich ganz in der Tradition einer Zauberoper aus
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickeln konnte.249
5.2.4 Eine Freimaureroper?
Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ ist wohl jenes Werk, das die meiste Literatur, die
kühnsten Deutungen und die weitreichendsten Spekulationen im Bereich der Erforschung
des Terminus Freimaurermusik hervorgebracht hat. Neben den musikalischen Aspekten
sticht textimmanent der moralische Appell hervor, dass der Mensch durch die
245
Vgl.: Drexel, S. 123.
Vgl.: Sichrovsky, S. 86 – 88.
247
Vgl.: Drexel, S. 123.
248
Vgl.: Sichrovsky, S. 90.
249
Vgl.: Mahling, S. 273.
246
76
Entdeckung des Mystischen und durch rituelle Prüfungen zu seiner Läuterung gelange
freimaurerischen
Idealen
sehr
nahe.
Infolgedessen
finden
viele
Ideen
der
Weltverbesserung und der Humanität ebenso Eingang wie zahlreiche Verweise zur
Freimaurersymbolik und zum Freimaurerritual. Für den Leser, die Leserin gilt im
Zusammenhang mit dieser Thematik vor dem Hintergrund der Fülle an Sekundärliteratur
kein Anspruch auf Vollkommenheit.250
Ein interessanter Aspekt, der zu Beginn angeführt werden soll, ist die Tatsache, dass in
den ersten Jahren nach der Uraufführung der Oper eine freimaurerische Deutung kaum
eine Rolle gespielt hat. Die Bruderschaften waren im Alltag nichts Außergewöhnliches,
ihre Abzeichen wurden in aller Öffentlichkeit getragen und ihre Symbole waren weit
verbreitet und geläufig. Das im Textbuch stark verankerte Ideal der Humanität und die
Dreieinigkeit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit brachten die Deutung als
Allegorie der Französischen Revolution näher als den Versuch, die Oper als
Freimaurerwerk zu analysieren. So entstand ein freimaurerischer Fokus erst in der Folge
von Reaktion, Restauration und Repression, weil dadurch das Logenwesen zunehmend
aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwand, verboten und verfolgt wurde.251
Die Auflösung der Bauhütten in der Donaumonarchie vollzog sich, bedingt durch ihre
angebliche Verstrickung in die Französische Revolution und das Jakobinertum, zu
Beginn der Regentschaft Kaiser Franz II. Im Jahr 1795 wurden alle Geheimgesellschaften
verboten und die Verbreitung revolutionärer Gedanken von der Polizei unterbunden. Das
Naheverhältnis der Freimaurer zu Ideen der Französischen Revolution ist unbestritten
und reicht weit vor das Revolutionsjahr 1789 zurück. Es war auch nicht das Ereignis an
sich, welches sich für paranoide Angstzustände in den Köpfen der kaiserlichen Regierung
und deren Geheimpolizei verantwortlich zeigte, sondern der gewaltsame Umsturz in
Frankreich samt jakobinischer Terrorherrschaft. Somit starb das Ideal, eine
republikanische Regierungsform zu installieren durch die Machtübernahme der Jakobiner
in Frankreich einerseits und im Zuge der reaktionären und repressiven Innenpolitik Kaiser
Franz II. andererseits.252 Unter dem Gesichtspunkt dieser historischen Prozesse in der
Zeit zwischen 1789 und 1795 muss die Arbeit von Mozart und Schikaneder an ihrem
Gesamtkunstwerk „Zauberflöte“ noch bedeutend höher eingeschätzt werden. Ihre
Leistung resultiert daraus, eine Oper zu schaffen, deren Personen aus einer verschiedenen
Vgl.: Drexel, S. 122 – 123.
Vgl.: Braunbehrens, S. 422.
252
Vgl.: Landon, S. 163 – 164.
250
251
77
Welt von Erlebnissen Erlebniszustände, Parallelitäten, Analogien erfahren und
durchleben, die einen anderen Weg als Gewalt für ihr Ziel wissen. Dieses lautet Freiheit
von der Knechtschaft und der Abhängigkeit, Gleichheit aller Stände vom Adel des
Prinzen bis zur kleinen Menschlichkeit Papagenos und Brüderlichkeit zwischen allen
Menschen, wie sie von den hohen Idealen Sarastros via die Liebe zwischen Tamino und
Pamina gepredigt wird.253
Doch abseits der Artikulation politischer und humanistischer Ideale durchdringt
freimaurerisches Gedankengut wesentliche Teile der Oper. Einen offenkundigen
Hinweis darauf bieten vor allem die Zahl „Drei“ und die Dreiheit in der Musik. Daneben
finden sich zahlreiche Symbole, der flammende Stern zum Beispiel, Rituale und in
Chorszenen typische freimaurerische Responsoriums Elemente aus der Logenmusik.
Unglaublich dicht ist der Symbolgehalt der Frontseite des ersten gedruckten Librettos.254
Abb. 3
253
254
Vgl.: Wagner, Mozart. Werk und Leben, Wien 2005, S. 157.
Vgl.: Küster, S. 383.
78
Diese Tatsache kommt nicht von ungefähr, stammt das Titelbild von einem Mitglied von
Mozarts Freimaurerloge „Zur (Neu)gekrönten Hoffnung“. Ignaz Alberti schuf damit ein
Bild, das Uneingeweihten möglicherweise als ein Abbild einer archäologischen
Ausgrabung in Ägypten erschien. An der linken Seite ist der Sockel einer Pyramide mit
Symbolen (auch des Ibis) abgebildet, in der Mitte sieht man verschiedene Gewölbe, die
zu einer Mauer mit Nischen und Rundportalen führen. Vom mittleren Gewölbe hängt eine
Kette mit einem fünfzackigen Stern.255 Das Faktum, dass der Königin der Nacht auch das
Attribut einer sternflammenden Königin angehaftet wird, macht sie zur Trägerin dieses
zentralen Freimaurersymbols. Der Stern ist das Zeichen des zweiten Grades. Am rechten
Rand des Bildes erkennt man Winkelmaß und Kelle, die Zeichen des ersten Grades,
während die Sanduhr das des dritten Grades bedeutet. Der Drucker des Titelblattes spielte
so ganz offen mit Symbolen der Freimaurerei.256
Abseits historischer Überlegungen und Deutungen auf symbolischer Ebene soll nun der
musikalische Standpunkt der Oper im Zentrum der Betrachtung stehen. Dieser ist zum
Verständnis des Leitfadens der Handlung von Bedeutung und bringt Struktur in die
Betrachtung des Werkes. Daraus lässt sich ableiten, dass die „Zauberflöte“ weit davon
entfernt ist, widersprüchlich oder irrational zu sein. Mozart folgte einer musikalischen
Logik, welche durch die Bezugstonart (Es-Dur) fundiert wird und „wob spielerisch ein
Netz von musikalischen Symbolen“257 um verschiedene Handlungsabläufe anzudeuten.
Ein Beispiel dafür ist das Duett mit dem Titel „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ (Nr.8),
das in Es-Dur steht und in dem Papageno wie ein in die freimaurerischen Geheimnisse
Eingeweihter spricht, als wäre er ein Mitglied der Gemeinschaft von Sarastro. Die Tonart
wiederum stellt Mann und Frau, Papageno und Papagena, auf die gleiche Stufe und
konnotiert eine starke Verbindung zur freimaurerischen Bezugstonart.258 Doch Mozarts
eben erwähnte musikalische Logik beginnt schon am Anfang der Oper. Die Ouvertüre
bildet die Grundlagen seines Denkens und fasst diese unglaublich konzentriert
zusammen. Sie ist als eine Art Handbuch des Werkes positioniert und eröffnet uns den
Zugang zu den Bedeutungsfeldern der Oper. Ein Zentrales ist die Symbolwelt der
Freimaurer. Dahinter verbergen sich der gesamte Prüfungskomplex mit Wanderungen
255
Vgl.: Landon, S. 157.
Hans-Josef Irmen, Freimaurermusik in: Gernot Gruber und Dieter Borchmeyer (Hrsg.), Das MozartHandbuch, Bd. 4 Mozarts Kirchenmusik, Lieder und Chormusik, Laaber 2006, S. 563.
257
Vgl.: Drexel, S. 124.
258
Giacomo Fornari, Die Zauberflöte aus freimaurerisch – musikalischer Perspektive. Einige Gedanken,
in: Helmut Reinalter (Hg.), Mozart und die geheimen Gesellschaften seiner Zeit, Innsbruck 2006, S. 71 –
72.
256
79
durch verschiedenste Phasen, die Dreiheit als durchgehendes Muster und ihre
Verwendung als heilige Zahl, die Humanbotschaft und das existentielle Motto, durch
Prüfungen zum Menschen werden zu können, Gleichheit zwischen Schichten und
Geschlechtern und die Solidarität unter der Menschheit. Doch auch die unterschiedlichen
Klangfarben, die stets an Mozarts frühere Freimaurerkompositionen erinnern und die drei
Tempel der Weisheit, Vernunft und der Natur sprechen eindeutig für das Bedeutungsfeld
der Freimaurerei. Dabei erscheint die, nicht nur in freimaurerischen Belangen, heilige
Zahl „drei“ ein durchgängiges Symbol zu sein. Dreiheit in den Eröffnungsakkorden, drei
Damen, drei Knaben, drei Sklaven, drei Schichten, Dreiheit im Motto und in der
Orchestrierung ebenfalls eine wichtige Chiffre. Ein Beispiel dafür ist die
Instrumentierung der Coda des Quintetts, wo die drei Knaben eingeführt werden und
Mozart sie mit drei Holzblasinstrumenten korrespondieren lässt. Er verleiht so den zwei
Klarinetten und dem Fagott kultischen Status und setzt sie im weiteren Fortgang der Oper
immer wieder gemeinsam an wichtigen Stellen ein.259 Diese Zahlensymbolik in Musik
und rituellen Handlungen ist am deutlichsten in den Priesterversammlungen der
Eingeweihten und ihrem strengen Zeremoniell eingearbeitet und durchzieht das Werk wie
ein inneres Gesetz. Somit lässt sich die Zahl „drei“ als Grundprinzip der Oper stark auf
die freimaurerische Symbolik der Dreiheit von zeitlich – geistig – sinnlich zurückführen.
Diese war Mozart durch seine verschiedensten Betätigungen und Besuche mehrerer
Logen in Wien und Prag hinlänglich bekannt.260 Ihm war natürlich auch das Eröffnungsund Schließungsritual vertraut, welche durch drei Schläge des Meisters vom Stuhl
ausgeführt wurden. So ist es nicht verwunderlich, dass Mozart sowohl in der Ouvertüre
als auch während des Auftritts der Priester im zweiten Aufzug einen Dreierschlag im
vollen Orchester komponiert. Die eindeutige Verwandtschaft zum Eröffnungsritual der
Freimaurerlogen ist nicht vom Tisch zu weisen, ebenso unmissverständlich ist die Tonart
Es-Dur, welche nicht nur am Beginn der Oper, sondern auch am Ende den tonalen
Überbau bildet. Sie signalisiert immer die drei Grade der Freimaurerei, die Tamino durch
verschiedene Prüfungen durchläuft und schließlich nach Feuer-und Wasserprobe in den
Meistergrad aufsteigt.261 Mozart spielt mit der Zahl „drei“ indem er sie im Priestermarsch
quadriert und dadurch einen neunmaligen Akkord erklingen lässt. Nicht nur in der
Dreiheit und der Tonart des musikalischen Motivs, sondern auch in der rhythmischen
Vgl.: Wagner, S. 152 – 153.
Vgl.: Reinalter, Freimauerei und Mozart, S. 218.
261
Vgl.: Wagner, S. 154 – 155.
259
260
80
Struktur lassen sich eindeutig freimaurerische Lehrlings- und Meisterrhythmen erkennen.
Mozart übersteigert den Effekt, potenziert und kreiert echte Freimaureratmosphäre.262
Bei so viel Symbolik, Chiffren und Analogien zu freimaurerischen Inhalten könnte man
sich nun wirklich fragen, ob Mozart und Schikaneder ihr Gesamtkunstwerk in den Dienst
der Freimaurerei stellten. Die Antwort ist, trotz aller Legenden und Jahrhunderte langer
Forschungen zum Thema, sehr klar und mit nein zu beantworten. Das Singspiel „Die
Zauberflöte“ ausschließlich als eine Logenarbeit zu betrachten oder sie gar als eine
Freimaureroper zu bezeichnen wäre zu kurz gegriffen und mutet oberflächlich an. Das
Werk ist viel mehr und der freimaurerische Aspekt ist nur einer unter vielen, die das
Gesamtkunstwerk durchdringen. Natürlich entsteht durch die vielen eben aufgelisteten
Themen, Konstellationen und Symbole eine freimaurerische Perspektive, aber der Fokus
der Betrachtung soll nicht nur darauf gestützt sein.263 Die Oper „Zauberflöte“ ist ein von
Mozart und Schikaneder sorgfältig durchdachtes und geplantes Projekt und speist sich
aus einer Fülle von verschiedenen Einflüssen. Dabei wirft ja schon die
Freimaurerorientierung an sich einige Fragen auf. So zum Beispiel inwieweit die
zahlreichen Symbole und Anspielungen, musikalisch und dramaturgisch, vom Publikum
verstanden wurden. Die Oper hatte in Wien und andernorts vor allem als Volksoper einen
unglaublichen Erfolg, bis heute. 264 Aus historischer und politischer Sicht wäre eine
Freimaureroper im Jahr 1791 ohnehin kaum sinnvoll gewesen, da man dem Logenwesen
und den Geheimgesellschaften mit großem Misstrauen entgegen trat. Das Werk hätte
unter diesen Bedingungen kaum der Vorgabe Schikaneders von „im Geschmacke des
heutigen Wiener Publicums“265 entsprochen. So schlug Mozart von einem freimaurerisch
beeinflussten Handlungsgerüst andere Wege ein, um dem theatralischen Rahmen samt
der Grunderfordernis eines Vorstadttheaterstückes gerecht zu werden.266
Die ungeheuer vielen Einflüsse, Deutungen und Hintergründe des Universalkunstwerks
„Zauberflöte“ bringen zahlreiche und verschiedene Interpretationsansätze hervor. Trotz
aller Studien und Arbeiten zur Oper haben wir sie in ihrer Gesamtheit und Genialität erst
ansatzweise verstanden. Die Forschung geht weiter, der Erfolg des Werkes auch. Beiden
262
Vgl.: Küster, S. 383.
Vgl.: Fornari, S. 73.
264
Vgl.: Drexel, S. 123 – 124.
265
Vgl.: Landon, S. 154.
266
Vgl.: Küster, S. 383 – 384.
263
81
Kategorien liegt die Musik zugrunde und sie ist der maßgebliche Zugang die Oper in all
ihren Facetten verstehen zu können. 267
5.3 Konzert für Klarinette und Orchester (KV 622)
5.3.1 Mozart und die Klarinette
„Ach, wenn wir nur clarinetti hätten! Sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten,
oboen und clarinetten einen herrlichen Effect macht.“268 Diese berühmte und viel zitierte
Briefstelle stammt aus Mozarts Korrespondenz mit seinem Vater Leopold vom 3.
Dezember 1778. Wolfgang Amadé schwärmte bei seiner Rückkehr von Paris nach
Mannheim über den Einsatz der Klarinette im Holzbläsersatz des Orchesters. Das
Ensemble, die Mannheimer Hofkapelle, etablierte das Holzblasinstrument bereits rund 20
Jahre bevor es Mozart für sich entdeckte und im Umfeld dieser Entwicklung entstanden
erste Solokonzerte für die Klarinette. Komponisten der Frühklassik wie zum Beispiel Carl
Stamitz, Franz Tausch oder Franz Danzi schrieben erste Solowerke und unterstützten
somit den Aufschwung des vergleichsweise jungen Instruments. Doch zurück zum
Ursprung. Was lässt sich über die Klarinette berichten, wie kam Mozart mit ihr in
Berührung und inwiefern machte er sich die klanglichen und ästhetischen Besonderheiten
des Instruments selbst zu Nutze?269
Im oberen Absatz wurde erwähnt, dass die Klarinette im Vergleich zu den anderen
Instrumenten des klassischen Sinfonieorchesters ein verhältnismäßig junges Mitglied ist.
Im Spätbarock erfunden und weiterentwickelt, wurde es in der Mitte des 18. Jahrhunderts
mehr und mehr auch in verschiedenen Ensembles und Hofkapellen eingesetzt. Als Mozart
mit der Klarinette in Berührung kam hatte sie erst eine rund 60jährige Entwicklung hinter
sich. In der Zeit des Spätbarocks dominierten noch Klarinetten der hohen Lage,
sogenannte D- und Es- Klarinetten, welche mit dem einsetzenden Stilwandel der
Frühklassik nach und nach von tieferen Klarinetten (in C und B) abgelöst wurden. Die
hohen Klarinetten zeichnen sich durch ihren hellen und strahlenden Klang aus sowie
durch ihre virtuose Höhe. Die Mannheimer Schule und Orchester der Frühklassik
267
Vgl.: Fornari, S. 73.
Ursula Kramer, Konzerte für Blasinstrumente. Klarinettenkonzert KV 622 in: Gernot Gruber und
Dieter Borchmeyer (Hrsg.), Das Mozart-Handbuch, Bd. 1 Mozarts Orchesterwerke und Konzerte, Laaber
2006, S.418.
269
Vgl.: Ebda., S. 418.
268
82
schätzten vor allem den großen Tonumfang und den weichen, modulationsfähigen Ton
der tieferen Klarinetten. Doch die Entwicklung stand erst am Anfang und so muss
erwähnt werden, dass sich die Instrumente mit ihren verschiedenen Stimmungen nicht
sofort im Orchester durchsetzen konnten und der heute übliche Klarinettensatz
(Instrumente in A und B) noch nicht die Norm darstellte. Zur damaligen Zeit war man
ständig bemüht die Bauweise zu verbessern, um so die Anwendungsmöglichkeiten zu
erweitern. In diese Zielvorstellung passen einerseits die Erfindung des Bassetthorns um
1760 und andererseits die Erweiterung des Tonumfangs an den gewöhnlichen
Klarinetten. Dabei stand immer die tiefe Lage im Mittelpunkt der Experimente. Genau
diese bildet das Fundament für die Weiterentwicklungen der Instrumente von Anton
Stadler, der stets bemüht war Bassetthorn und Bassettklarinette zu optimieren. Diese
erweiterten Möglichkeiten erkannte Mozart sofort und nützte sie für seine Komposition
des Klarinettenkonzerts.270
Doch bevor Mozart die Klarinette in den Mittelpunkt seines letzten Instrumentalwerkes
legte, muss ein Blick in die Zeit der zu Beginn zitierten Briefquelle geworfen werden.
Seine Begegnung mit der Musik des kurfürstlichen Hofes in Mannheim hinterließ
zahlreiche stilistische Veränderungen im Schaffen des Komponisten. Diese treten vor
allem
in
seinen
Sinfonien
und
Serenaden
auf
und
die
wichtigsten
Unterscheidungsmerkmale können in drei Kategorien zusammengefasst werden: Erstens
in der Besetzung und Instrumentation, zweitens in ihrer Formgebung bei der
Gesamtanlage und drittens in der Thematik. Der Einsatz der Klarinette im kurfürstlichen
Orchester und die Besetzung im Holzbläsersatz der Sinfonien ist im Hinblick auf die
Thematik dieser Arbeit von zentraler Bedeutung, die anderen Aspekte müssen aus
zeitlichen Gründen ausgespart werden.271
Die im Brief zitierte Äußerung über den Einsatz eines Klarinettenpaares im
Holzbläsersatz eines Orchesters verweist wohl auf einen wichtigen und nachhaltigen
Einfluss der Mannheimer Schule auf Mozarts Stil. Die „neuartigen“ Holzblasinstrumente
gehörten schon ab 1759 zur Besetzung der Hofkapelle und wurden in Folge immer mehr
in herausragenden Solopassagen eingesetzt. Vor allem in den Sinfonien Cannabichs (Nr.
54 und 55) findet man ihren Einsatz in solch auffälliger Weise.
270
Sabine Meyer, Wolfgang Meyer, Reiner Wehle, Vorwort, in: Henri Kling (Hg.), Wolfgang Amadeus
Mozart. Konzert für Klarinette und Orchester A-dur KV 622, Wiesbaden-Leipzig-Paris 1987, S. 3.
271
Eugene K. Wolf, Mannheimer Symphonik um 1777/1778 und ihr Einfluß auf Mozarts symphonischen
Stil, in: Ludwig Fischer, Bärbel Pelker und Jochen Reutter (Hrsg.), Die Mannheimer Hofkapelle. Bd.2
Mozart und Mannheim, Frankfurt am Main 1994, S. 315.
83
Abb. 4
So ist es nicht verwunderlich, dass Mozarts erste Sinfonie nach seinem Mannheimer
Aufenthalt, die „Pariser“ Sinfonie KV 297, Klarinetten im Holzbläsersatz beinhaltet.
Diesen eingeschlagenen Weg setzte Mozart in Wien fort und manifestierte dies in seiner
„Haffner“ Sinfonie KV 385. Die Hinzufügung des Klarinettenpaares führte einerseits zu
einer neuen interessanten Klangfarbe und andererseits zur Erweiterung des Orchesters.
Die Besetzung von Klarinetten in den Mannheimer Sinfonien muss zweifellos einen
nachhaltigen Eindruck auf Mozart gemacht haben. Einen vollen Holzbläsersatz,
vergleichbar mit heutigen modernen Orchestern gab es trotz aller Entwicklungen in
Mannheim nicht. Wolfgang Amadé bezieht sich in seinem Brief wahrscheinlich eher auf
seine eigene „Pariser“ Sinfonie als auf bestimmte Mannheimer Werke. Trotzdem löst
84
Mozarts Begegnung mit der Mannheimer Sinfonik eine Art Evolution seines sinfonischen
Stils aus, welcher sich durch prachtvollere Konzeptionen, größerer Brillanz und
modulationsfähiger Klangfarben auszeichnet.272
Dieser nachhaltige Einfluss macht sich nicht nur in großen Orchesterwerken bemerkbar,
sondern auch in den kurz nach 1780 geschriebenen Bläserserenaden in B-Dur KV 361
(Gran Partita), Es-Dur KV 375 und in c-Moll KV 388. Dabei zeigen sich eine typisch
gesangliche Behandlung der Klarinetten ebenso, wie ein erheblich technisch
anspruchsvoller Einsatz. Im weiteren Verlauf entstanden für Mozarts Freund Anton
Stadler mehrere Werke für Bassetthorn wie auch drei herausragende für Klarinette. Neben
dem Klarinettenkonzert KV 622 komponierte Mozart das „Kegelstatt-Trio“ KV 498 und
das Klarinettenquintett KV 581.273 Ein sehr interessantes Detail am Rand ist die Tatsache,
dass diese drei Werke allesamt drei Vorzeichen haben. Dem Klarinettenkonzert und
Quintett liegt A-Dur als Tonart zu Grunde, dem „Kegelstatt-Trio“ die freimaurerische
Bezugstonart Es-Dur.274
Den Abschluss des Kapitels über die Beziehung Mozarts zur Klarinette soll Werk seiner
Kirchenmusik bilden. Wolfgang Amadé bewarb sich im April des Jahres 1791 für die
Stelle als Kapellmeister am Stephansdom als Nachfolger für den schwer erkrankten
Leopold Hofmann. Mozart hatte schon immer eine besondere Neigung und Affinität zur
sakralen Musik und hinterließ der Nachwelt zahlreiche bedeutende Kirchenmusikwerke.
Am 28. April desselben Jahren erhielt Mozart vom Magistrat der Stadt Wien einen
positiven Entscheid zur Stelle des Domkapellmeisters. Das Schicksal nahm jedoch einen
anderen Lauf, Kapellmeister Hofmann wurde wieder gesund und die Stelle war somit
nicht mehr vakant. Doch bevor dieser wieder bei voller Gesundheit war, widmete sich
Mozart einer Art „Missa solemnis“ um seinen Antritt als neuer Domkapellmeister
feierlich zu untermalen. Hierfür findet sich ein dramatisches Kyrie in d-Moll KV 341,
welches stilistisch und konzeptionell nur mit dem Requiem KV 626 vergleichbar ist. Er
instrumentierte dieses Werk für großes Orchester mit einem vollständigen Holzbläsersatz
(zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten und zwei Fagotten). Die Besetzung mit
Klarinetten weist darauf hin, dass Mozart dieses Werk nicht in Salzburg komponieren
konnte, da er diese Instrumente dort nicht zur Verfügung hatte. Oft wird dieses Kyrie
seiner Münchner Zeit zugeschrieben, erscheint aber unwahrscheinlich, weil dort die Oper
Ebda., S. 316 – 317.
Vgl.: Meyer, Wehle, S. 3.
274
Vgl.: Küster, S. 434.
272
273
85
„Idomineo“ fertiggestellt, geprobt und aufgeführt wurde. Der Einsatz eines vollen
Holzbläsersatzes spricht eindeutig für eine festliche und feierliche Form der Aufführung
und die breite Instrumentierung für einen Ort mit großen Orchestern und guten Musikern.
Ein weiterer Hinweis für Mozarts intensivere Beschäftigung mit Kirchenmusik ist ein
Brief vom Mai 1791 an seinen Freund Anton Stoll nach Baden. Er fragt darin ob Anton
Stadler seine Messe („Krönungsmesse“ KV 317) für ihn abgeholt hat. Im Textfluss der
Korrespondenz ist eine tiefe Dringlichkeit lesbar und Mozart weist noch daraufhin, ihm
auch alle Stimmen mitzuschicken. Das Kyrie bleibt ein Rätsel, aber auch ein Beispiel
dafür, dass Mozart die Klarinette auch abseits seiner weltlichen Werke verwendete und
ihre instrumentale Vielfältigkeit überaus schätzte. Seine Kompositionen haben die
Verbreitung des Instruments nachhaltig gefördert.275
5.3.2 Hintergründe und Entstehungsgeschichte des Klarinettenkonzerts
Die Klarinette etablierte sich in den 1770er Jahren im Orchester der Mannheimer
Hofkapelle, wurde von Mozart in Folge sehr geschätzt und seine Begeisterung und
jahrelange enge freundschaftliche Zusammenarbeit mit Anton Stadler gipfelten in der
Komposition des Konzerts für Klarinette und Orchester KV 622. So in etwa könnte man
die Beziehung Mozarts zum Holzblasinstrument in einem knappen Satz zusammenfassen.
Seiner letzten großen Instrumentalkomposition liegen, wie vielen seiner Werke,
spannende Hintergründe und verschiedenste Aspekte des Schaffensprozesses zu Grunde,
welche nun näher in den Fokus der Betrachtung rücken werden.276
Nachdem also Mozart in Mannheim in Berührung mit der Klarinette kam und sie fortan
in seinen Sinfonien einsetzte, kam es in Wien zu einer spannenden Zusammenarbeit mit
Anton Stadler. Dieser unheimlich produktiven, kreativen und freundschaftlichen
Konstellation ist es zu verdanken, dass die Klarinettenwelt auf die schon erwähnten
wunderbaren Werke zurückgreifen kann. Der erste Kontakt zwischen beiden Künstlern
lässt sich für den 23. März 1784 belegen, als in einem Konzert Stadlers eine Komposition
von Mozart gespielt wurde. Die Gebrüder Stadler waren zu dieser Zeit Mitglieder in der
kaiserlichen Harmoniemusik und spielten in der eben erwähnten Akademie Mozarts
Bläserserenade KV 361 mit dem Beinamen „Gran Partita“. In den folgenden Jahren
275
276
Vgl.: Landon, S. 67 – 68.
Vgl.: Küster, S. 348.
86
intensivierte sich die Zusammenarbeit zwischen Anton Stadler und Mozart. Diese
Tatsache äußerte sich im gemeinsamen Musizieren bei Logenzusammenkünften oder in
der Hausmusik einerseits, in der künstlerischen Arbeit an verschiedenen Opern, Sinfonien
und Konzerten andererseits. 277 So entstanden neben dem „Kegelstatt-Trio“, dem
Klarinettenquintett
und
dem
Klarinettenkonzert rund 13 Kompositionen für
Klarinettenkammermusik und Bassetthorn. Neben der Maurerischen Trauermusik KV
477 komponierte Mozart noch verschiedene Divertimenti, Notturni und Serenaden für die
beiden Instrumente. Die Tatsache, dass Anton Stadler nicht nur die Klarinette
hervorragend, virtuos und unheimlich ausdrucksstark beherrschte, sondern auch das
Bassetthorn, führte dazu, dass Mozart das Klarinettenkonzert ursprünglich mit einem
Bassetthorn in G als Soloinstrument besetzen wollte.
278
Hierfür gibt es eine
unvollständige handschriftliche Skizze in einer Länge von 199 Takten mit der
Kennzeichnung KV 621b. Ihre letzten Takte deuten auf eine Umarbeitung für
Bassettklarinette in A hin, aus der schlussendlich das Konzert für Klarinette entstanden
ist. Dies sind zugleich die einzig gesicherten Belege und die handschriftliche Skizze
Mozarts für Bassetthorn in G ist die einzig noch erhaltene Quelle des
Entstehungsprozesses. Weder das Autograph des vollendeten Konzertes noch
Abschriften der Originalfassung sind erhalten und so sind die um 1802 gedruckten
Stimmenauszüge die ältesten vollständig überlieferten Quellen. Die drei Ausgaben von
Breitkopf und Härtel in Leipzig, Sieber in Paris und André in Offenbach sind bis auf
unwesentliche Details identisch, stellen aber allesamt Bearbeitungen für die normale
Klarinette in A dar. So kam es, dass die Originalfassung schon am Beginn des 19.
Jahrhunderts vollständig in Vergessenheit geriet und eines der schönsten Bläserkonzerte
bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in einer veränderten und bearbeiteten Fassung
aufgeführt wurde, welche fast komplett aus dem musikalischen Zusammenhang der
Hauptquelle gerissen wurde. In Folge einer neuen Betrachtungsweise unter dem Aspekt
der historischen Aufführungspraxis entdeckte man die berühmte, im Jahr 1802
erschienene, Rezension und bemühte sich anhand der frühen Abschriften der Verlage und
Mozarts Skizze KV 621b um eine weitest gehende Rekonstruktion der Originalgestalt des
Konzertes für Bassettklarinette.279
277
Vgl.: Ebda., S. 348.
Vgl.: Kramer, S. 419.
279
Vgl.: Meyer, Wehle, S. 3.
278
87
Den ersten Zugang zur Ursprünglichkeit des Werkes bietet uns die Rezension von einem
nicht namentlich genannten Musikwissenschaftler der Allgemeinen Musikalischen
Zeitung vom März 1802. Die Person gibt Auskunft, dass er die schriftliche Partitur des
Konzertes vor sich liegen hat, es von Mozart stammt und es das erste und einzige Konzert
für dieses Instrument ist. Bemerkenswert ist, dass er noch die Information vom
Tonumfang bis zum kleinen „c“ hinzufügt und die Auskunft erteilt, dass diese erweiterten
Instrumente nur sehr selten in Verwendung sind. Im gleichen Atemzug erwähnt der
Rezensent die vielen Veränderungen der einzelnen Herausgeber und gibt zu bedenken,
ob es ebenso gut gewesen wäre, „es ganz nach dem ursprünglichen Originale
herauszugeben, und diese Versetzungen und Veränderungen allenfalls durch kleinere
Noten zu bemerken.“280 Er konnte leider zur gegebenen Zeit nicht ahnen, wie sehr der
Nachwelt und den InterpretenInnen gedient gewesen wäre, wenn die Herausgeber seinen
Vorschlag angenommen hätten.281
Der in der Rezension beschriebene markante Tonumfang in die tiefen Register des
Instruments lässt sich auch durch einen Bericht des Lexikographen Ernst Ludwig Gerber
verifizieren. Er schreibt, dass Anton Stadler im Jahr 1790 sein Instrument um eine Terz
nach unten erweitert hat und es mit besonderer Leichtigkeit und Virtuosität beherrschte.
Es ist hinlänglich bekannt, dass der Klarinettist, übrigens ganz in der Tradition
experimenteller Instrumentenschöpfungen des 18. und 19. Jahrhunderts, seine Klarinetten
ständig erweiterte, verbesserte und optimierte. Im Zuge dieser Entwicklungen entstand
im 19. Jahrhundert der Name „Bassettklarinette“ für seine neuartigen Instrumente, vor
allem um Verwechslungen mit modernen Bassklarinetten zu vermeiden. Für dieses
charakteristisch
facettenreiche
Instrument
schrieb
Mozart
nicht
nur
sein
Klarinettenkonzert, auch das Klarinettenquintett KV 581 und die berühmte Arie Nr. 9 aus
der Oper „La clemenza di Tito“ sind für dieses entstanden. Allein die
Rekonstruktionsarbeit und verschiedene Quellenberichte lassen diese Rückschlüsse zu,
Mozart hingegen betitelte seine Werkeintragungen in sein „Verzeichnüß“ entweder mit
„Clarinetto“ oder wie im Falle des Konzertes mit „Clarinette“. Die Abgrenzung zum
Bassetthorn ist weitaus eindeutiger und lässt sich in den Stimmen des Requiems oder
anderer Werke belegen.282 Eine weitere wissenschaftliche Lücke im Hinblick auf Stadlers
Instrumente ist die Tatsache, dass seine Originalklarinetten auf Grund fehlender Pläne
280
Vgl.: Ebda., S. 3.
Vgl.: Ebda., S. 3.
282
Vgl.: Küster, S. 349 – 350.
281
88
nicht mehr eindeutig rekonstruierbar sind. Erschwert wird dieser Umstand noch
zusätzlich, dass der Instrumentenbau in dieser Zeit längst nicht so normiert war wie dies
heutzutage der Fall ist. Dies lässt sich aus den erhaltenen historischen Bassetthörnern
ableiten, welche sich oft in ihrer Bauart, Bohrung und Klappenmechanik unterscheiden.
Trotz aller fehlenden Quellenbelege, präzisen Eintragungen und der Originalausgabe
muss Mozart von den klanglichen Vorteilen sowie den verschiedenen Schattierungen in
den Klangfarben der Bassettklarinette begeistert gewesen sein. In dieser klanglichen
Differenz zum Bassetthorn liegt sicher ein wichtiger Aspekt der den Wechsel des
Soloinstruments ab Takt 199 des Autographs KV 621b erklärt.283
Abb. 5 (Anton Stadlers Instrument seines Konzertes in Riga 1798)
Ein weiterer Umstand, der die fast detektivisch undurchsichtige Hintergrundgeschichte
zum Klarinettenkonzert bereichert, ist die Tatsache, dass sich die Bassettklarinette im
Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht durchsetzen konnte und zunehmend in Vergessenheit
geriet. Vor allem die spieltechnischen Herausforderungen und die Probleme der
Stimmung und Intonation standen einer nachhaltigen Verbreitung im Wege. Heutzutage
sind es meist berühmte InterpretenInnen, welche auf Grund ihrer technischen
Möglichkeiten und den historischen Urtextausgaben die Originalfassung mit einer
Bassettklarinette zur Aufführung bringen. Im Zuge dessen muss allen anderen Musikern
283
Vgl.: Kramer, S. 420 – 421.
89
die Tatsache im Klaren sein, dass die Ausgabe für Klarinette in A nicht aus der Feder
Mozarts stammt, dies eine bearbeitete Fassung ist und nur der Orchesterpart, welcher
jedoch oft erheblich von der Skizze KV 621b abweicht, vom Komponisten
niedergeschrieben wurde.284
Das Klarinettenkonzert KV 622 ist ein sehr gutes Beispiel für die vielen Lücken in den
Quellen zu Mozarts Biographie und Werken. Diese finden sich auch in der
Entstehungsgeschichte seines letzten Instrumentalkonzertes wieder und nur ein Brief und
sein Eintrag in sein „Verzeichnüß“ liefern uns stichhaltige Belege. In der Werkauflistung
befindet sich das Konzert zeitlich zwischen 28. September und 15. November 1791, wird
aber mit keinem genauen Datum niedergeschrieben. Mozart schriebt nur: „Ein konzert
für die Clarinette. für Hr: Stadler den Ältern. begleitung. 2 violin, viole, 2 flauti, 2 fagotti,
2 Corni e Baßi.“285
Abb. 6
Abseits seiner Werkliste erwähnt Mozart in einem Brief vom 7. Oktober 1791 an seine
Frau Konstanze nach Baden die Arbeit am Konzert für Anton Stadler. Er korrespondiert
284
285
Vgl.: Meyer, Wehle, S. 4.
Vgl.: Internationale Stiftung Mozarteum (Hg.), S. 155.
90
folgenden Zeilen: „[...] – dann ließ ich mir durch Joseph den Primus rufen und schwarzen
koffé hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe toback schmauchte; dann Instrumentirte ich
fast das ganze Rondò vom Stadtler; - [...].“286 Seiner Aussage nach muss das Konzert
nach den Arbeiten an den Opern „Die Zauberflöte“ und „La clemenza di Tito“ im Oktober
desselben Jahres fertiggestellt worden sein. Wie in der vorliegenden Arbeit schon
erwähnt wurde, reiste Anton Stadler mit Mozart nach Prag um die Krönungsoper „Titus“
uraufzuführen. Mozart reiste aber schon Mitte September zurück nach Wien, vollendete
die „Zauberflöte“ und konnte so eine Akademie Stadlers in Prag nicht abwarten,
geschweige denn ihr beiwohnen. So bleibt die Frage offen, ob Mozart sein Konzert samt
dem Orchesterpart noch rechtzeitig bis zum Konzertabend am 16. Oktober 1791 nach
Prag schicken konnte. Nachdem Mozart das Konzert für Klarinette KV 622 vollendete,
widmete er sich der Komposition des Requiems KV 626.287
5.3.3 Exkurs: Das Bassetthorn im Kontext der Freimaurerei
Nachdem das Klarinettenkonzert KV 622 zunächst als ein Werk für Bassetthorn ins Auge
gefasst wurde und Mozarts Skizze die einzig noch erhaltene Quelle für sein letztes
Instrumentalwerk ist, sei nun ein Blick auf dieses interessante und spezielle Instrument
der Klarinettenfamilie geworfen. Neben der Verbindungslinie zum Klarinettenkonzert ist
die Bedeutung des Bassetthorns als freimaurerisches Instrument im Kontext des Themas
der vorliegenden Arbeit von zentraler Wichtigkeit. Mozart beschäftigte sich seit dem Jahr
1783 mit dem Instrument und intensivierte seine Auseinandersetzung in den folgenden
Jahren deutlich. Es entstanden bis Ende 1785 13 Kammermusikwerke für Bassetthorn,
welche wie im Falle der „Maurerischen Trauermusik“ KV 477, eine Nähe zur
Logenmusik aufweisen. 288 Vor allem der Einsatz von tiefen Blasinstrumenten in letzt
genannter Komposition verleiht ihr eine Aura der Düsternis und der dunkle und volle
Klang der Instrumente einen Ausdruck der Klage. Neben der Trauermusik sind noch zwei
weitere Werke zu erwähnen, welche eindeutig von freimaurerischen Einflüssen geprägt
sind, zum einen das Adagio in F-Dur KV 410/484d und zum anderen das Adagio in BDur KV 411/484a. Beide stehen im Zusammenhang mit der instrumentalen Umrahmung
des Logenrituals und könnten im Kontext von Eröffnungsmusiken und den feierlichen
286
Vgl.: Landon, S. 175.
Vgl.: Geck, S. 195 – 197.
288
Vgl.: Kramer, S. 419.
287
91
Einzug der Brüder in den Tempel gesehen werden. Ein Indiz für den freimaurerischen
Gedanken sind die im Adagio in B-Dur implizierten maurerischen Klopfzeichen.289
Das Bassetthorn war im Vergleich zur Klarinette das historisch jüngere Instrument und
entstand erst um 1760. Das wesentliche Charakteristikum, bis heute, sind vier Klappen,
sogenannte „Bassettklappen“, welche es dem Spieler oder der Spielerin ermöglichen, die
so typischen tiefen Register zu spielen. „Der Umfang desselben ist nach dem
Baßschlüssel vom tiefsten G bis zum obern d, wenn die Stimmung aus G ist, und hat einen
starken Ton.“
290
Mozart bediente sich genau diesen neuen Möglichkeiten des
Tonumfanges und der verschiedenen Klangfarben in seinen Kompositionen mit oder für
Bassetthorn. Anton Stadler wiederum experimentierte mit der Tatsache tiefere Register
spielen zu können und übertrug dieses Klappensystem auf seine Klarinetten und
erweiterte so ihre Tonumfänge um vier Halbtöne nach unten und erzielte dadurch eine
unglaublich facettenreiche Bandbreite an Klangfarben und Tonlagen.291
Abseits der Kontexte der Freimaurerei und des Solokonzertes verwendete Mozart die
klanglichen Vorteile und Klangsymbole des Bassetthorns in seinen Opern. Zusammen
mit den Klarinetten und anderen Holzblasinstrumenten entstanden wunderbare Passagen,
klanglich äußerst ausdrucksstarke Momente und Verbindungslinien zu unterschiedlichen
Themen wie Tod, Sehnsucht, Düsternis oder Traurigkeit. In der Arie der Konstanze Nr.
10 in g-Moll aus der Oper „Entführung aus dem Serail“ setzt Mozart ganz bewusst auf
den Einsatz des Bassetthorns um den Titel „Traurigkeit ward mir zum Lose“ noch
tiefgehend musikalischer zum Ausdruck zu bringen. Die Sehnsucht nach dem Jenseits
wird mit tieftraurigen und düsteren Klängen des Instrumentes untermalt. Eine weitere
sehr berühmte Stelle mit Bassetthorn findet sich in der Oper „La clemenza di Tito“. Hier
begleitet es das Rondo der Vitellia Nr. 23 in F-Dur mit dem Titel „Non più di fiori vaghe
catene“. Mozart setzt hier die Klangsymbolik des Instrumentes meisterhaft ein. Ein Autor
schreibt über diese Arie: „Klingendes Symbol für die Welt des Jenseits ist das solistische
Bassetthorn. Wenn das Thema des Larghetto erneut erklingt, umwinden seine
Figurationen die Melodie und dann die gebrochene melodische Deklamation wie ein
Totenkranz.“292 Eine virtuose und solistische Besetzung erfährt das Bassetthorn hingegen
in Mozarts 1789 nachkomponiertem Rondo in F-Dur der Susanna aus der Oper „Le nozze
289
Vgl.: Schuler, S. 60.
Vgl.: Irmen, S. 566.
291
Vgl.: Kramer, S. 419.
292
Vgl.: Irmen, S. 567.
290
92
die Figaro“. In den letzten Werken des Komponisten, der „Zauberflöte“ und dem
Requiem, setzt er das Instrument sparsamer und zurückhaltender ein, wobei vor allem die
Stimmen der Totenmesse unglaublich ausdrucksstark und musikalisch äußerst gehaltvoll
sind. So erscheint in all diesen Werken das Bassetthorn als Klangsymbol der Klage,
Trauer und drückt eine starke Sehnsucht angesichts der existentiellen Grenzsituation des
Todes aus. In diesem Sinne schließt sich der Kreis zur „Maurerischen Trauermusik“ KV
477 und zum Kontext freimaurerischer Sinnbezüge.293
5.3.4 Aufbau, Kennzeichen und Symbolik des Konzerts
Das Klarinettenkonzert KV 622 ist nicht nur Mozarts letztes großes Instrumentalwerk,
sondern auch ein bemerkenswertes Statement für das damals noch relativ junge
Instrument der Klarinette bzw. Bassettklarinette. Es ist kaum begreifbar mit welcher
Souveränität Mozart die Möglichkeiten des Soloinstruments ausschöpft und diese so
unmissverständlich zur Geltung bringt. Seien es die verschiedenen Lagen, die
Ausdruckskraft, die melodischen Linien, die virtuos spielerische Beweglichkeit oder die
modularen Klangfarben welche diesen Facettenreichtum ausmachen. All diese Parameter
setzt Wolfgang Amadé mit einer ungemeinen Selbstverständlichkeit im Konzert ein und
schuf damit eines der berühmtesten Instrumentalwerke. So bildet dieses Konzert mit
seiner inneren sowie äußeren Balance ein Gegenstück zu seinen anderen Solokonzerten
und steht somit, unter Anbetracht des baldigen Todes von Mozart, an der meisterlichen
Spitze seiner konzertanten Kompositionen.294
Formales Kennzeichen des Klarinettenkonzert KV 622 ist seine deutliche Konzentration
auf die Ausarbeitung der verschiedenen Motive bei größtmöglicher Verdichtung des
musikalischen Inhalts. So sind etwa im ersten Satz das Haupt- und Seitenthema in ihrer
Substanz identisch und auch in der Durchführung bildet zunächst das Hauptthema die
Grundlage dieses Formteils. Mozart konzentriert sich hier sehr stark auf das
Ausgangsmaterial und verzichtet auf allzu freie Themen. Im Gegenzug stellt er die
motivische Arbeit an den Themenköpfen stärker in den Vordergrund seiner
Ausführungen. In der Struktur des Formmodells des Konzerts ist eine Rückbesinnung auf
seine Salzburger Formen erkennbar, in dem er, ähnlich des ebenfalls 1791 entstandenen
Vgl.: Ebda., S. 566 – 567.
Arnold Werner-Jensen, Reclams Musikführer Wolfgang Amadeus Mozart. Bd. 1: Instrumentalmusik,
Stuttgart 1989, S. 162.
293
294
93
Hornkonzertes KV 412, in seinen Eröffnungssätzen die Reprise nur den Verlauf der
Soloexposition wiederholte und damit auf eine doppelte Reprise von Tutti und Solo (wie
zum Beispiel im Fagottkonzert KV 191) verzichtete. So schließt sich am Ende des
Schaffensprozesses des Komponisten der Kreis zu seinen Formprinzipien der Salzburger
Zeit und so verdeutlicht sich in der Gegenüberstellung des Klarinetten- mit dem
Fagottkonzert, die unglaubliche Entwicklung seines musikalischen Stils einerseits und
die Erweiterung der Dimensionen im Hinblick einer stärkeren motivischen Vielfalt
andererseits. Daraus ergibt sich die schon erwähnte zunehmende Konzentration auf
einheitlicheres Material und dessen motivische Verarbeitung im Unterschied zur
Einführung weiterer freier Themen und Gedanken. Diese Merkmale finden sich vor allem
im ersten und dritten Satz des Klarinettenkonzerts wieder und bilden dadurch eine
gewisse Grundstruktur.295 Der Einleitungssatz erinnert in seiner musikalischen Sprache
sehr stark an die Zeit des Rokoko und des galanten Stils. Mit einer unvergleichlichen
Eleganz nimmt die Präsentation des verfassten Themas Fahrt auf und das Orchester
eröffnet nach seinem Vorspiel die Bühne für den Solisten, die Solistin. Schon in diesen
ersten Minuten vermittelt Mozart sehr deutlich, dass ihm die Welt der Oper und der
Theatralik sehr vertraut sind und er diese meisterhaft beherrscht. Der Schlusssatz, ein
Rondo mit mehrfach wiederkehrendem Hauptthema, unterstreicht Mozarts Lebenslust
und seine mitreißenden Melodieeinfälle.296 Beide Sätze wirken optimistisch, ihnen fehlen
fast komplett melancholische Stimmungen, ein starker Gedanke an das Diesseits prägt sie
und unbekümmert lebenslustige Motive liegen ihnen zu Grunde. Geradezu spielerisch
gelingt es Mozart die vielen Facetten und Möglichkeiten des Soloinstruments
einzusetzen.297
Im zweiten Satz des Konzertes eröffnet Mozart eine völlig neue Klangwelt, die alles
hinter sich lässt, was er in vorhergehenden Bläserkompositionen musikalisch umrissen
hatte. Dieses Adagio strahlt eine Aura von Jenseitigkeit aus, welche durch die
ausdrucksstarken gesanglichen Linien des Soloinstruments geradezu herbeigeführt wird.
Aber nicht nur die Schlichtheit der Komposition ist meisterhaft, sondern auch die
kompositionstechnischen Details nehmen einen Satztypus vorweg, der im 19. Jahrhundert
mehr und mehr zur charakteristischen Gestaltung, bewusst aus dem musikalischen
Vgl.: Kramer, S. 422 – 423.
Frederik Hanssen, Sanfter Ton des Herzens – die Klarinettenkonzerte von Mozart und Weber, in:
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co.KG (Hrsg.), Die Zeit Klassik-Edition, Bd.: 4 Sabine Meyer,
Hamburg 2005, S. 25.
297
Vgl.: Jensen, S. 163.
295
296
94
Umfeld heraustretender Stellen, verwendet wird. Mozart zeigt diesen Aspekt in der
Wiederholung der zweiten thematischen Phrase durch das Orchester und ändert in diesem
Abschnitt bewusst die Bassführung. Aus der Gegenbewegung der Stimmen in der
Ursprungsversion entsteht nun eine Parallelführung der Rahmenstimmen im Terzabstand.
Daraus entsteht ansatzweise ein „Bassloser Satz“ indem die Melodie in diese Stimme
wandert, die Begleitung von höheren Stimmen übernommen wird und die übliche
Ordnung kurzerhand auf den Kopf gestellt wird. „Die Ahnung von etwas Neuem, wenige
Wochen vor Mozarts Tod.“298 Diese spezifische Charakteristik liegt der am Beginn des
Absatzes erwähnten neuen Klangwelt maßgeblich zu Grunde.299 Ansonsten komponierte
Mozart dieses Adagio in einer dreiteiligen Form und gibt dem Solisten, der Solistin die
Gelegenheit eine Kadenz zu gestalten. Diese ist im zweiten Satz des Konzerts erheblich
länger als die Varianten des ersten Satzes.300
Mozart behandelt auch im Klarinettenkonzert KV 622 die spezifischen Eigenschaften des
Soloinstruments, ähnlich den vorangegangenen Bläserkonzerten, rücksichtsvoll aber
gerade in diesem Werk in hohem Maße. Er setzt dabei auf die Geschmeidigkeit der
Bassettklarinette im Hinblick auf den Durchlauf der einzelnen Register und auf die
Leichtigkeit große Tonräume spielerisch und auf verschiedene Arten der Artikulation zu
durchschreiten. Akkordzerlegungen, Skalen und unterschiedlich technische Figuren sind
so möglich, wobei schon zu erwähnen ist, dass Mozart die virtuosen Fähigkeiten Anton
Stadlers bis ins kleinste Detail kannte. Neben der technischen Vielfältigkeit des
Instruments setzte Mozart die außerordentliche Klangschönheit der Klarinette gezielt ein.
Diese bestimmt vor allem den Charakter des zweiten Satzes, findet sich aber in den
anderen Sätzen in unterschiedlichen Stellen genauso wieder. Somit ist das
Klarinettenkonzert KV 622 ein meisterhaftes Anschauungsbeispiel genialer Vollendung
von instrumentellen Möglichkeiten und musikalischem Inhalt. Es passt zweifellos der
Satz: „Edle Einfalt und stille Größe“, um dieses Werk kurz zu beschreiben.301
298
Vgl.: Kramer, S. 425.
Vgl.: Ebda., S. 424 – 425.
300
Vgl.: Jensen, S. 163.
301
Vgl.: Kramer, S. 424.
299
95
5.4 Eine kleine Freimaurer-Kantate (KV 623)
5.4.1 Hintergründe und Entstehungsgeschichte
Mozarts letzter handschriftlicher Eintrag in sein „Verzeichnüß“ lautet wie folgt:
„den 15: Novembr
Eine kleine freymaurer=kantate. bestehend aus 1 Chor. 1 Arie.
2 Recitativen, und ein Duo. Tenor und Baß,
2 violin, viole, Baßo, 1 flauto, 2 oboe e 2 Corni.“302
Damit schließt sich wiederum der Kreis zur Freimaurerei und das Werk bringt Mozarts
Zustimmung zur Bruderschaft aufs Neue hervor. Diese Eintragung ist ein wichtiger und
gesicherter Quellenbeleg für seine letzte gänzlich vollendete Komposition. Die
Hintergründe zur Dichtung des Textes sowie zum Datum der Uraufführung im Tempel
zur (Neu)gekrönten Hoffnung sind in der vorliegenden Literatur teils sehr unterschiedlich
angeführt. Im Zuge dieses Abschnitts der Arbeit soll nun anhand von Quellenbelegen eine
Klärung der eben erwähnten Problematik in den Fokus der Ausführungen rücken und
andere interessante Fakten und Hintergründe zur und um die Entstehung des Werkes
angeführt werden.303
Dem Titel der Kantate KV 623 wird immer wieder der Anfang des Chortextes „Laut
verkünde unsre Freude“ beigefügt und in verschiedenen Ausgaben wird als Textdichter
Emanuel Schikaneder angeführt. Gegen den Librettisten der Zauberflöte als Verfasser des
Liedtextes der kleinen Freimaurerkantete spricht jedoch, dass er in Wien nie Mitglied
einer Loge war. Er trat nach seiner schon erwähnten Ruhestellung seiner Mitgliedschaft
in einer Regensburger Sozietät nie mehr einer Bauhütte bei. Ein weiteres Indiz für die
unrichtige Verbreitung Schikanders als Textdichter ist die Ankündigung der Wiener
Zeitung vom 25. Januar 1792, welche expressis verbis betont, „dass deren Worte die
Arbeit eines Mitgliedes derselben (Loge) sind.“ Die Aussage dieses Quellenbelegs
unterstreicht die Tatsache, dass in keinem der noch erhaltenen Logenverzeichnisse Wiens
Schikaneder als Mitglied aufscheint. Wer nun wirklich für das Verfassen des Textes
verantwortlich war bleibt wissenschaftlich gesehen immer noch im Dunkeln. Für die
302
Albi Rosenthal und Alan Tyson (Hrsg.), Mozart. Eigenhändiges Werkverzeichnis Faksimile, in:
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe
sämtlicher Werke. Serie X: Supplement, Kassel 1991, S. 57.
303
Vgl.: Sichrovsky, S. 73.
96
These, dass der Logenbruder Karl Ludwig Giesecke den Liedtext verfasste, spricht das
Faktum der Mitgliedschaft desselben in der Loge zur (Neu)gekrönten Hoffnung einerseits
und seine, vor allem in der Erarbeitung der „Zauberflöte“, enge Zusammenarbeit mit
Mozart andererseits. Es handelt sich dabei aber um hypothetische Deutungen.
Abb. 7
Das Datum der Aufführung im Tempel der (Neu)gekrönten Hoffnung sorgt in den
verschiedenen literarischen Werken und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit
dem Thema für unterschiedliche Angaben. Manche AutorenInnen sprechen vom 17.
November, andere vom 18. November 1791 als Tag der Vorstellung des Werkes durch
Mozart in der Loge. Die Wiener Zeitung in der oben genannten Ausgabe schreibt, dass
die Kantate KV 623 „zwey Tage vor seiner letzten Krankheit [= 18. November]“ 304
dirigiert und aufgeführt wurde. Auch Heinz Schuler erwähnt in seinem Buch „Mozart und
die Freimaurerei“ dieses Datum. Für das erstmalige Erklingen des Werkes am 17.
November 1791 sprechen hingegen nicht nur die Angaben und Festlegungen der neueren
Forschung, sondern auch der Quellenbeleg aus der Brünner Zeitung vom 19.11.1791 in
dem es wie Folgt lautet: „vorgestern [=17. November] begieng die Wiener Loge zur
gekrönten Hoffnung die feierliche Einweihung ihres Tempels mit einer Rede, mit
304
Vgl.: Irmen, S. 558.
97
Aufnahme, und mit einer von Herrn Mozart gesetzten Kantate, wozu gedruckte,
öffentliche
Einladungsbillets
ausgegeben
wurden.“
305
Diese
hier
genannten
Einladungskärtchen sind wahrscheinlich verschollen und für eine eindeutige
Verifizierung der verschiedenen Aussagen nicht mehr heranziehbar. So soll bei allen
unterschiedlichen Aussagen zum Datum in der hier vorliegenden Arbeit der 17.
November 1791 als realistischerer Zeitpunkt angeführt werden, denn abgesehen von
Heinz Schuler verweisen andere Wissenschaftler (Irmen, Solomon, Köppen oder
Sichrovsky) ebenfalls auf dieses Datum der Uraufführung im Tempel.306
Die Einweihung eines neuen Tempels der Wiener Loge „(Neu)gekrönte Hoffnung“ als
Entstehungshintergrund der Kantate KV 623 zu unterlegen wird in der vorliegenden
Literatur einhellig bestätigt. Somit ist der Anlass klar, einerseits auch in den beiden eben
zitierten Zeitungsartikeln erwähnt, andererseits ist die feierlich festliche musikalische
Gestalt des Werkes ein eindeutiger Verweis auf diese Eröffnung. 307 Die Zeitspanne
zwischen der Eintragung des Werkes am 15. November und der anschließenden
Uraufführung betrug demnach nur zwei Tage. Einerseits ist durch diese intensive Arbeit
klar, dass Mozart seine Ausführungen am Requiem KV 626 unterbrechen musste, um
andererseits die Probenarbeit und Einstudierung der Kantate zu leiten. Diese wurde
sicherlich dadurch noch zusätzlich erschwert, dass er mit Gesangssolisten, einem Chor
und Instrumentalisten arbeiten musste und immer unter dem Zeitdruck der Vorgabe der
feierlichen Premiere in der Sozietät stand. Weil Mozart aber nicht zum ersten Mal vor
einer solchen Herausforderung stand, wir erinnern uns an die äußerst knappe Zeit in Prag
zur Fertigstellung und Einstudierung der Oper „La clemenza di Tito“ KV 621,
wiederholte er den ersten Satz am Schluss noch einmal und gewann so dreifach. Er musste
keinen weiteren Satz mehr komponieren, die Kopisten waren dadurch schneller und die
Probenzeit fiel um einiges kürzer aus. Die Uraufführung der Kantate kann somit
problemlos über die Bühne gehen, doch es liegt die Vermutung nahe, Mozart könnte mit
dem schwachen Schluss samt der Wiederholung des ersten Satzes nicht zufrieden
gewesen sein. Diese derartige Auffälligkeit, noch dazu in einem solch kurzen Werk, ist
in Mozarts gesamtem Schaffen äußerst selten. In diesem Kontext könnte eine mögliche
Nachkomposition von drei Schlusstakten, die Mozart unmittelbar hinter der geschweiften
Klammer, die als Schlusszeichen des dritten Satzes fungiert, einfügt, gesehen werden.
305
Ludwig Köppen, Mozarts Tod. Ein Rätsel wird gelöst, Köln 2004, S. 88.
Maynard Solomon, Mozart. Ein Leben, Kassel 2005, S. 477.
307
Vgl.: Strebel, S. 110.
306
98
Möglicherweise war ihm der ursprüngliche Schluss nicht feierlich genug oder dieser
musikalische Einfall so wichtig, dass er ihn kurz nach der Uraufführung noch hinzufügte.
Wie so oft im Zusammenhang mit Mozarts Werk kann auch hier keine gesicherte und
belegbare Auskunft formuliert werden und wir sind neuerlich auf Vermutungen
angewiesen.308
5.4.2 Charakteristik und Symbolik der Kantate
Die „Kleine Freimaurer-Kantate“ KV 623 ist grundsätzlich in vier Sätze gegliedert
welche mit „Allegro“, „Aria“, „Duetto“ und einem neuerlichen „Allegro“ betitelt sind.
Zwischen dem 1. und 2. Satz sowie dem 2. und 3. Satz schrieb Mozart ein Rezitativ,
dessen Ausführung beide Male in die Tenorstimme geschrieben wurde. Im dritten Satz
folgt ein Duett zwischen Tenor und Bass, dem im Anschluss die Reprise des ersten Satzes
folgt. Die Tatsache, dass in den Freimaurerlogen nur männliche Mitglieder erlaubt waren
wird Mozart durch den Einsatz des Männerchores in den Tuttistellen der Kantate gerecht,
Frauenstimmen sind deswegen gänzlich ausgespart worden. Somit entstand ein Werk,
welches als Kantate für Soli, Männerchor und Orchester in verschiedenen MozartAusgaben angeführt wird. Die Instrumentation des Ensembles ist recht schlicht und
durchsichtig angelegt. Mozart mischt den Streicherstimmen nur drei Blasinstrumente bei,
Flöte, Oboe und Horn in C. Letzte zwei Instrumente allerdings in doppelter Besetzung.
Die Kantate selbst steht in der Tonart C-Dur, welche ihr eine große Strahlkraft und
Jubelstimmung verleiht und dadurch einen feierlich-hymnischen Charakter ausstrahlt.
Weitere Ausführungen zur Tonartensymbolik im Kontext von Mozarts Freimaurermusik
werden im nächsten Kapitel behandelt.309
Mozart legt seinem letzten vollständig verfassten Werk noch einmal viele freimaurerische
Aspekte zu Grunde. Sind es einerseits die Sextakkordketten im Instrumentalvorspiel,
parallele Terzen oder ansteigende Dur-Sexten in den folgenden Sätzen und andererseits
die thematisch musikalische Ausführung, welche in mancher Hinsicht Parallelen zur
Zauberflöte aufweist.310 Es scheint so, als ließe sich Mozart auch vom Text inspirieren,
in dem er im Werk die verschiedenen freimaurerischen Ideale Weisheit, Tugend, Arbeit
Vgl.: Köppen, S. 86 – 88.
Franz Giegling, Wolfgang Amadeus Mozart. Werkgruppe 4: Oratorien, geistliche Singspiele und
Kantaten, Bd. 4: Kantaten, in: Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus
Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie I: Geistliche Gesangswerke, Kassel 1957, S. 65 – 92.
310
Vgl.: Strebel, S. 111.
308
309
99
oder Humanität musikalisch aufgreift und eine festlich freudige Stimmung erzeugt. So
wird diese Kombination aus Text und Musik dem feierlichen Anlass der Weihe des neuen
Tempels der Loge gerecht und vermittelt dies in einem festlich hymnischen Charakter
basierend auf struktureller und instrumentaler Einfachheit und Schlichtheit in der Anlage
der Kantate.311
Die Nähe des Todes von Mozart und die Tatsache, dass ausgerechnet ein Werk für die
Freimaurer sein letztes vollendetes blieb, führte in der Nachbetrachtung der
Mozartforschung zu Kontroversen und zu einer Art Tadel. Diese Deutungen und Thesen
gipfelten in wilden Verschwörungstheorien rund um Mozarts Tod und einige
wissenschaftliche Abhandlungen nahmen die Freimaurer in den Fokus, für das Ableben
des Komponisten verantwortlich zu sein. Diese abstrusen Hypothesen bleiben hier
ausgeblendet. Vielmehr soll noch einmal ein Blick auf die Komposition der Kantate
geworfen werden und auf einen interessanten Aspekt, welchen Köppen in seinem Buch
„Mozarts Tod“ aufgreift, hingewiesen werden.312
Durch die zeitliche Nähe der Vollendung des Werkes mit dem Ableben Mozarts und die
vielen Vermutungen rund um die Todesursache rückte die „Kleine Freimaurer-Kantate“
unweigerlich in das Blickfeld wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Es wurde
versucht, an Hand des Schriftbildes der Komposition Indizien zu finden, die für eine
Vergiftung durch Quecksilber oder anderen Substanzen sprechen könnten. Diese rege
Diskussion brach in den 1990er Jahren aus und führte zu einem merkwürdigen Ringen
um Wahrheit und wissenschaftlicher Belegbarkeit. Im Vergleich von Mozarts
Handschrift am Notenpapier der Freimaurerkantate und der im Eintrag seines
Werkverzeichnisses vom 15. November 1791 kann man keine groben Auffälligkeiten
erkennen. Doch wie schon im vorhergehenden Kapitel erwähnt, schrieb Mozart
wahrscheinlich zwei Tage nach der Uraufführung der Kantate eine Abänderung des
Schlusses des dritten Satzes und fügte ihm drei Takte hinzu. Bei der Betrachtung dieser
drei Takte ist eine Verschlechterung des Schriftbildes eindeutig erkennbar, vor allem in
der Handschrift der Bläserstimmen. Sind diese Veränderungen durch Flüchtigkeit
entstanden, durch die schon einsetzenden Symptome seiner letzten Krankheit oder durch
eine toxische Vergiftung durch Quecksilber? Darüber wurden viele wissenschaftliche
Untersuchungen durchgeführt, das Notenpapier graphisch und toxikologisch auf
Rückstände untersucht und Diskussionen in Fachkreisen angeregt. Auf Grund der vielen,
311
312
Vgl.: Schuler, S. 59.
Vgl.: Sichrovsky, S. 74.
100
teils sehr phantasievollen, Ausführungen rund um Mozarts Tod im Zusammenhang mit
seiner Freimaurerkantate ist es nicht Ziel dieser Arbeit Hypothesen zu unterstützen bzw.
neue Thesen zu formulieren.313 Die historischen Fakten im Zusammenhang mit seinem
letzten eigenhändigen Eintrag in das „Verzeichnüß“ beginnen am 15. November 1791
mit der Fertigstellung der Kantate KV 623. Zwei Tage später wird diese unter Mozarts
Leitung im Tempel zur (Neu)gekrönten Hoffnung uraufgeführt und am 20. November
begann er bettlägerig zu werden. Durch die zunehmende Verschlechterung seines
Gesundheitszustandes ist es ihm nicht mehr möglich das Requiem KV 626 zu vollenden
und er stirbt am 5. Dezember 1791 gegen ein Uhr früh. Noch Jahre zuvor schrieb Mozart
folgende Zeilen an seinen strebenden Vater Leopold: „Da der Tod der wahre Endzweck
unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten
Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts
Schreckendes für mich hat, sondern sehr viel Beruhigendes und Tröstendes!“314 So kann
die Freimaurerkantate KV 623 einerseits als feierlich festliches Jubelwerk für die
Eröffnung eines neuen Tempels gesehen werden, andererseits aber, aus der Sicht
Mozarts, als ein erlösendes, euphorisches und hoffnungsvolles Werk, das ihn trotz aller
Kraftlosigkeit optimistisch für die Zukunft stimmt.315
5.4.3 Einordnung in Mozarts Freimaurerkompositionen
Die Freimaurerkantate KV 623 nimmt im gesamten Werk Mozarts sicherlich eine
gewisse Sonderstellung ein. Nicht nur, dass es seine letzte vollendete Komposition ist
und dadurch, in Anbetracht des frühen Todes Mozarts, am Ende seines
Schaffensprozesses steht, sondern vielmehr weil die Kantate kurz vor der letzten
Krankheit und mitten in der Arbeit am Requiem KV 626 eine euphorische, positive und
optimistische Stimmung ausdrückt. So steht das Werk in der strahlenden Tonart C-Dur,
während das Requiem, für das Mozart kaum noch Kräfte aufbringen konnte, in d-Moll
steht. Durch diesen Umstand hebt sich die feierliche Kantate von der Totenmesse schon
vom Charakter her stark ab und besticht durch ihre Einfachheit und Festlichkeit.316
Vgl.: Köppen, S. 87 – 89.
Vgl.: Sichrovsky, S. 74.
315
Vgl.: Ebda., S. 73 – 74.
316
Vgl.: Schuler, S. 58 – 59.
313
314
101
Doch nicht nur im Vergleich mit dem Requiem nimmt das Werk eine Sonderstellung ein,
sondern auch in Mozarts gesamten freimaurerischen Schaffen. Durch den Anlass der
Einweihung eines neuen Tempels ist er noch einmal gefordert an seine früheren
Freimaurerwerke anzuschließen, da ausgenommen seiner „Kleinen Deutschen Kantate“
KV 619, von Januar 1786 bis November 1791 keine Kompositionen für die Bauhütten
entstanden sind. So knüpft Mozart in seinem letzten Werk an die Kantate „Maurerfreude“
KV 471 an, beiden liegt ein Chor mit drei Männerstimmen zu Grunde, dem ein kleines
Orchester unterlegt wird. In der „Maurerfreude“ verwendet Mozart die typische
freimaurerische Bezugstonart Es-Dur und spielt sehr stark mit Anlehnungen an die
Klopfrhythmen der verschieden Grade.317 Im Unterschied zur „Maurerfreude“ KV 471
stellt Mozart der Freimaurerkantate KV 623 die Tonart C-Dur voran, um die
Jubelstimmung und die Feierlichkeit auszudrücken. Wie in einem vorhergehenden
Kapitel schon erwähnt wurde, ist C-Dur ebenfalls, gemeinsam mit Es-Dur, c-Moll oder
B-Dur, eine Tonart die gerne in freimaurerischem Kontext verwendet wird. Ihre
Symbolik erhält sie durch das Fehlen der schwarzen Tasten an der Klaviatur und der
daraus resultierenden Attribute der Reinheit, Vollendung und Vollkommenheit. In der
sinnbildlichen Darstellung wird der Tonart die Ballotage gegenübergestellt, die
Abstimmung über die Aufnahme eines neuen Bruders mittels weißer und schwarzer
Kugeln, deren hell erleuchtendes Ergebnis mit ausschließlich weißen Kugeln das
Idealresultat ist. In der „Maurerischen Trauermusik“ KV 477 steht C-Dur für die Erlösung
und für den siegreichen Kampf des Lebens über den Tod. Doch nicht nur die eben
erwähnten Tonarten markieren Verbindungslinien zum freimaurerischen Kontext,
sondern auch der Rhythmus. Es verwundert nicht, dass Mozart als Mitglied der Wiener
Sozietäten die Klopfrhythmen und Hammerschläge der Sitzungen kennt und sie in seine
freimaurerischen Werke einbaut. Am häufigsten tritt das Schema kurz – kurz – lang auf,
so auch am Beginn des Einsatzes des Chores in der Freimaurerkantate KV 623. Mozart
verwendet hier einen aufsteigenden C-Dur Dreiklang bestehend aus zwei Viertelnoten
und einer längeren, punktierten Viertelnote am Ende des Aufgangs. Er folgt somit strikt
der eben erwähnten rhythmischen Struktur.318
317
318
Vgl.: Irmen, S. 556 – 558.
Vgl.: Sichrovsky, S. 45 – 47.
102
Abb. 8
Die Freimaurerkantate KV 623 als Hymne anzulegen entspricht einerseits dem Anlass
der Aufführung, andererseits der traditionellen freimaurerischen rituellen Gesänge und
Lieder. Aufgrund des Wechselgesangs zwischen Chor und Solisten steht das Werk im
Kontext vieler Logenlieder, welche zur Eröffnung und zur Schließung der
Tempelarbeiten gesungen werden. Durch die Thematisierung von zentralen symbolischen
und rituellen Inhalten steht die Kantate eindeutig in der Tradition von Freimaurermusik
des engeren Rahmens, also für Kompositionen zu feierlichen Anlässen oder rituellen
Tätigkeiten.319
319
Vgl.: Irmen, S. 551.
103
So schließt sich nun der Kreis der Auseinandersetzung mit Mozarts freimaurerischem
Schaffen, seiner Musik und seinen Bezügen zur Bruderschaft. Abschließend sei noch auf
einen Punkt eingegangen, der die „Kleine Freimaurer-Kantate“ KV 623 von den übrigen
freimaurerischen Kompositionen unterscheidet. Es sind die schon erwähnten zusätzlich
beigefügten drei Schlusstakte am Ende des dritten Satzes des Werkes. Der Schluss dieses
Satzes steht harmonisch in F-Dur und in einem 3/8 Takt. Auf Grund des Zeitmangels
wiederholt Mozart im vierten Teil den ersten Satz noch einmal, war aber nach der
Uraufführung mit der Schlusswirkung des Werkes nicht ganz zufrieden. So schrieb er
drei Takte am Ende des dritten Satzes um die Kantate dadurch abzuschließen. Für diesen
beabsichtigten „neuen“ Schluss spricht, dass er handschriftlich das lateinische Wort
„Finis“ oben und unten der Partitur beifügte.
Abb. 9
So liegt die Vermutung nahe, dass er möglicherweise in einer neuen und überarbeiteten
Fassung, ein dreisätziges Werk beabsichtigte. Die Symbolik der Dreiheit würde dafür
sprechen, die Theorie bleibt aber nur eine vage Vermutung, denn gesicherte
Quellenbelege gibt es dazu außer der Handschrift der Kantate nicht. Wie so oft bleiben
104
Mozarts Intuitionen und Absichten im Dunkeln und lassen kaum eindeutige Aussagen
zu. Dem gegenüber steht die Deutlichkeit des Wortes „Finis“, vor allem im Kontext des
nahen Todes.320
Mozarts Gedanken zum Tod seien hier noch einmal zitiert: „Da der Tod der wahre
Endzweck unseres Lebens ist, […]dass sein Bild nicht allein nichts Schreckendes für mich
hat, sondern sehr viel Beruhigendes und Tröstendes!“321
320
321
Vgl.: Köppen, S. 87 – 88.
Vgl.: Sichrovsky, S. 74.
105
6 Resümee und Schlussbetrachtung
Die Person Wolfgang Amadeus Mozart im Spiegel der Freimaurertradition
wissenschaftlich zu beleuchten und Einflüsse freimaurerischer Ideale und Ideen an Hand
von drei repräsentativen Werken näher herauszuarbeiten, war das Ziel dieser Arbeit. Der
Zusammenprall dreier Komponenten ist dabei unheimlich spannend zu thematisieren. Die
Aufklärung als Zeitalter der Vernunft und sich langsam ausbreitende Bewegung über
Europa kommt gegen Mitte des 18. Jahrhunderts in der Habsburgermonarchie an und
bewirkt nachhaltig prägende Reformen und ruft eine habsburgische Variante des
aufgeklärten Absolutismus hervor. In diesen Reformdekaden bilden sich verschiedene
Zirkel und Logen, welche unterschiedliche Formen und Ausprägungen freimaurerischer
Ideale zu ihrem Vorbild haben. Vor allem bis zum Ende 1785 erlassenen
Freimaurerpatent
gelingt
es
ihnen,
viele
Männer
aus
verschiedensten
Gesellschaftsschichten in ihre Bauhütten aufzunehmen, um somit ein dichtes Logenleben
in Wien zu etablieren. Diese Schnittmenge verschiedenster kultureller, geistiger und
gesellschaftlicher Strömungen bleibt auch dem Kultur- und Kunstbetrieb der Stadt nicht
verschlossen und so ist es nicht verwunderlich, dass junge Musiker, Komponisten oder
Schauspieler den geheimen Gesellschaften zugetan sind und einer Aufnahme sehr
entschieden
nachgehen.
In
dieser
Energie
eines
neuen
gesellschaftlichen
Zusammenlebens, in dieser Verquickung weltoffener und humanistischer Ideale und
eines Strebens nach Freiheit und Gleichheit unter allen Menschen befand sich Wolfgang
Amadeus Mozart am Beginn seiner ersten Wiener Jahre.
Genau in dieser interessanten Zeit geschahen einige wichtige Prozesse im Leben des
Meisters. Die Loslösung von Salzburg in Etappen, der Konflikt mit seinem Vater
Leopold, die Liebe zu seiner späteren Frau Konstanze und das Erstellen eines
Lebensplans für ein freies Künstlertum. Letzteres geschah über Jahre und brachte mehrere
Rückschläge mit sich, beeinflusste aber gleichzeitig die Entwicklung Mozarts nachhaltig.
Angekommen in der Gesellschaft Wiens, alle Loslösungsprozesse hinter sich gebracht
und die verschiedenen Mechanismen des Einflusses in der habsburgischen Residenzstadt
erfahren, unterzog er sich der Aufnahme in eine Freimaurerloge. Dies war der Beginn
einer
überzeugenden,
künstlerischen
und
prägenden
Auseinandersetzung
mit
verschiedenen symbolischen und rituellen Ideen der Bauhütten. Diese schloss auch den
Schaffensprozess Mozarts mit ein und es entstanden unzählige Werke, teils als Aufträge,
für unterschiedliche Anlässe und Feierlichkeiten. Dabei ist zu erwähnen, dass die
106
minutiöse Dokumentation und die protokollarischen Aufzeichnungen aus der damaligen
Zeit der Nachwelt sehr stichhaltige Belege liefern und somit ein schönes Bild der
geheimen Gesellschaften zeichnen. Für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung sind
diese Aspekte höchst positiv zu bewerten.
In der Beschäftigung mit freimaurerischer Musik unter dem Aspekt der vielen
Stileinflüsse und neuen Kenntnissen des Wiener Musiklebens war Mozart bestrebt neue
Klangfarben für verschiedene Kompositionen im Kontext der Freimaurerei zu finden.
Dabei standen insbesondere neue Instrumentenentwicklungen im Vordergrund der
Auseinandersetzung. Der Umstand, dass die Klarinetten damals noch eine junge
Geschichte hatten und sie erst am Beginn ihrer eigentlichen Entwicklung standen,
bedingte eine starke und sehr nachhaltige Affinität Mozarts zu diesen Instrumenten. Aus
der Sicht eines heutigen Klarinettisten ist die Tatsache, dass das Duo Mozart und Stadler
experimentierfreudig und ständig auf der Suche nach Neuem war, ein unheimlicher
Glücksfall. Aus dieser energischen und genialen Zusammenarbeit entstanden unzählige
Kompositionen von künstlerischer Meisterschaft, welche die schon erwähnte Suche nach
neuen Klangfarben und spieltechnischen Möglichkeiten maßgeblich beeinflussten. Vor
allem kurz vor dem allzu frühen Ableben Mozarts stand diese Auseinandersetzung noch
einmal im Mittepunkt seines Schaffensprozesses. So ist es nicht verwunderlich, dass
einerseits noch ein Konzert für Anton Stadler und sein Instrument entstand und
andererseits ein Werk für die Eröffnung eines neuen Logentempels. Diese Kompositionen
manifestieren einen lebensfrohen, optimistischen und menschlichen Mozart in einer Zeit,
die von Kraftlosigkeit auf Grund des ungeheuer intensiven Arbeitsprozesses geprägt war,
welcher im Requiem seinen finalen Endpunkt erreichte.
Bei allen Einflüssen und unterschiedlichen Annäherungen, auf wissenschaftliche oder
hypothetische Weise, muss Wolfgang Amadeus als Künstler frei von Legenden oder
Glorifizierungen bleiben. In Wahrheit war er ein Kind seiner Zeit, unheimlich sensibel,
offen für Neues und geprägt von Humanismus, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
Schon allein dadurch bleibt er zeitlos, denn diese Attribute besitzen heutzutage mehr
Gültigkeit denn je und verlangen immer wieder deren Rückbesinnung. Mozart, auch das
soll die vorliegende Diplomarbeit aufzeigen, war nie bestrebt per Fingerzeig Ideale oder
Gedanken einzufordern, sondern kommunizierte diese ganz subtil und in genialer Weise
in der Meisterschaft seiner Kompositionen. Bei allen biographischen Details muss der
musikalische Inhalt im Vordergrund der Annäherung an den Menschen Wolfgang
Amadeus Mozart stehen.
107
7 Literaturverzeichnis
7.1 Quellenverzeichnis
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die Wiener Logen. Zur Geschichte seiner Freimaurer-Kompositionen, Wien 1932.
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Singspiele und Kantaten, Bd. 4: Kantaten, in: Internationale Stiftung Mozarteum
Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie I:
Geistliche Gesangswerke, Kassel 1957.
Internationale Stiftung Mozarteum (Hg.), Mozart. Briefe und Aufzeichnungen.
Gesamtausgabe Band IV: 1787 – 1857, Kassel 1963.
Albi Rosenthal und Alan Tyson (Hrsg.), Mozart. Eigenhändiges Werkverzeichnis
Faksimile, in: Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus
Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie X: Supplement, Kassel 1991.
Angelo Soliman gibt schriftlich seine Zustimmung zum Vorschlag Borns, statt der
herkömmlichen
Instruktionslogen
Meister-Übungslogen
mit
wissenschaftlichen
Vorträgen abzuhalten (Ende Oktober 1782, eigenhändig), HHStA Vertrauliche Akten 69
f. 13, in: Museumsverein Schloss Rosenau (Hg.), Freimaurerei um Joseph II., Wien 1980.
108
7.2 Sekundärliteratur
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Reaktion. Zur gesellschaftlichen Rolle und zum indirekt politischen Einfluss der
Geheimbünde im 18. Jahrhundert, in: Helmut Reinalter (Hg.), Freimaurer und
Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt am Main 1983.
Helmut Reinalter, Ignaz von Born – Persönlichkeit und Wirkung, in: Helmut Reinalter
(Hrsg.), Die Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit, Frankfurt am Main
1991.
Helmut Reinalter, Die Gründung der großen Landesloge 1784 und das Freimaurerpatent
Josephs II., in: Museumsverein Schloss Rosenau (Hg.), 250 Jahre Freimaurerei in
Österreich, Wien 1992.
Helmut Reinalter, Freimauerei und Mozart, in: Gernot Gruber und Joachim Brügge
(Hrsg.), Das Mozart Lexikon, Laaber 2005.
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Helmut Reinalter, Der Josephinismus als Variante des aufgeklärten Absolutismus und
seine Reformkomplexe, in: Helmut Reinalter (Hg.), Josephinismus als aufgeklärter
Absolutismus, Wien-Köln-Weimar 2008.
Helmut Reinalter, Die Freimaurerei, München 2010.
Helmut Reinalter, Joseph II. Reformer auf dem Kaiserthron, München 2011.
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Wien, in: Gunnar Hering (Hg.), Zirkel und Zentren. Aufsätze zur Aufklärung in
Österreich am Ende des 18. Jahrhunderts, Wien 1979 (= Jahr der Erstveröffentlichung).
Heinz Schuler, Mozart und die Freimaurerei, Wien 1992.
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und Dichtung der Freimaurer. Wien 2013.
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Freimaurerei, Innsbruck 2005.
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(Hg.), Mozart und die geheimen Gesellschaften seiner Zeit, Innsbruck 2006.
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(Hg.), Freimaurerei um Joseph II., Wien 1980.
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österreichischen Aufklärung und ihr Netzwerk, Dipl.Arb, Wien 2011.
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symphonischen Stil, in: Ludwig Fischer, Bärbel Pelker und Jochen Reutter (Hrsg.), Die
Mannheimer Hofkapelle. Bd.2 Mozart und Mannheim, Frankfurt am Main 1994.
114
7.3 Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Albi Rosenthal und Alan Tyson (Hrsg.), Mozart. Eigenhändiges Werkverzeichnis
Faksimile, in: Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus
Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie X: Supplement, Kassel 1991.
Abb. 2:
H.C. Robbins Landon, Mozart. Die Wiener Jahre 1781 – 1791, München 1990.
Abb. 3:
Harald Strebel, Der Freimaurer Wolfgang Amadé Mozart, Stäfa 1991.
Abb. 4:
Eugene K. Wolf, Mannheimer Symphonik um 1777/1778 und ihr Einfluß auf Mozarts
symphonischen Stil, in: Ludwig Fischer, Bärbel Pelker und Jochen Reutter (Hrsg.), Die
Mannheimer Hofkapelle. Bd.2 Mozart und Mannheim, Frankfurt am Main 1994.
Abb. 5:
Ursula Kramer, Konzerte für Blasinstrumente. Klarinettenkonzert KV 622 in: Gernot
Gruber und Dieter Borchmeyer (Hrsg.), Das Mozart-Handbuch, Bd. 1 Mozarts
Orchesterwerke und Konzerte, Laaber 2006.
Abb. 6:
Albi Rosenthal und Alan Tyson (Hrsg.), Mozart. Eigenhändiges Werkverzeichnis
Faksimile, in: Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus
Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie X: Supplement, Kassel 1991.
Abb. 7:
Harald Strebel, Der Freimaurer Wolfgang Amadé Mozart, Stäfa 1991.
115
Abb. 8:
Franz Giegling, Wolfgang Amadeus Mozart. Werkgruppe 4: Oratorien, geistliche
Singspiele und Kantaten, Bd. 4: Kantaten, in: Internationale Stiftung Mozarteum
Salzburg (Hrsg.), Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie I:
Geistliche Gesangswerke, Kassel 1957.
Abb. 9:
Ludwig Köppen, Mozarts Tod. Ein Rätsel wird gelöst, Köln 2004.
116
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