Content Distribution Definition Herausforderungen Lösungsansätze Content Distribution Interview mit Dr.-Ing. Christian Fill, Stellvertretender ­V orstands­v orsitzender des Content Marketing Forums Herr Fill, wer auf Content Marketing setzt, setzt doch auf die Kraft der Inhalte. Aber es mehren sich Stimmen, dass Inhalte allein doch nicht so wirken, wie viele anfänglich behauptet haben. Wie sehen Sie das? Heutzutage stellt niemand mehr ernsthaft die Wirkung von Inhalten in Frage. Berechtigt dagegen ist die Frage, wie man als Unternehmen das Maximum aus den publizierten Inhalten herausholt – und diese Wirkung monetarisiert. Leider geht es vielen Inhalten heute noch wie Amerika – das wurde auch durch Zufall durch Kolumbus entdeckt. Die besten Gegenmittel gegen «Kolumbus-­ Content» sind Content Distribution und Content Promotion. Erklären Sie uns zum Einstieg kurz, was in Ihrem Verständnis Content ­Distribution und Content Promotion bedeuten. Bei der Content Distribution geht es um die direkte Kommunikation mit bekannten Stakeholdern durch Owned Media – also durch Inhalte, die das Unternehmen selbst publiziert. Content Promotion spricht eine definierte Zielgruppe über Paid Media an – etwa Native Advertising. Oder man verdient sich mit Earned Media mehr Reichweite – zum Beispiel durch die gezielte Ansprache von Influencern in sozialen Medien. Denn das Märchen vom viralen Content sollte man nicht glauben. Einfach so passiert nichts, nur wer sich bemüht, wird auch belohnt. Sie haben an der Erarbeitung des CMF Whitepaper zum Thema Content ­Distribution mitgewirkt. Warum ist die Zeit reif, diese Thematik näher zu beleuchten? Solange die organische Reichweite bei Facebook stieg und dies das Mass aller Dinge war, haben sich wenige um eine gezielte Verteilung der Inhalte gekümmert. Seit einigen Jahren sinkt die Reichweite allerdings, was am Newsfeed-Algorithmus von Facebook liegt. Zeitgleich diversifizieren sich die Kanäle, in die immer mehr Inhalte gegossen werden. Einerseits gibt es zusätzlich zu Facebook verschiedene Nischenprodukte wie zum Beispiel seniorbook.de, die ganz klar abgegrenzte Zielgruppen ansprechen. Andererseits entstehen in rasantem Tempo neue Kanäle, die wegen ihrer grossen Nutzerbasis nicht zu vernachlässigen sind, wie ­beispielsweise SnapChat oder weitere Bewegtbildkanäle wie Vimeo. Diese Entwicklung ist bedeutend, wenn man bedenkt, dass visualisierte Inhalte rund 60 000 mal schneller wahrgenommen werden als geschriebene. Dass das Content Marketing Forum als Europas grösster Content-Marketing-­Verband hier seinen Mitgliedern und deren Auftraggebern eine Hilfestellung bietet, versteht sich von selbst. Welchen Stellenwert nimmt Content Distribution in den heutigen Bemühungen um Content Marketing und im Marketing-Mix im Allgemeinen ein? Leider bei vielen Unternehmen immer noch einen viel zu kleinen. Das Haupt­ augenmerk wird auf das Erstellen der Inhalte gerichtet, was auch prinzipiell richtig ist – mittelmässige Inhalte sind keine Inhalte. Da kann man das Publizieren gleich bleiben lassen. Aber: Man muss auch daran denken, wie die Inhalte zur Zielgruppe kommen. Das gilt für Print wie für Digital. Als gutes Beispiel nenne Ich gerne Bauernfeind. Das Unternehmen, das in der Medizinaltechnik tätig ist, hat in der letzten Kampagne gekonnt über alle Kanäle hinweg konsistent informiert und mit authentischen Geschichten von Freizeitsportlern Aufmerksamkeit generiert und die relevanten Communities gezielt angesprochen. Alle 2–3 Monate wurde ein neues Video mit einer persönlichen Leidens- und Genesungsgeschichte online geschaltet. Via Website, Social Media und unterstützende Broschüren für den Vertrieb wurde der Inhalt distribuiert. Dies ist daher ein gutes Beispiel dafür, dass man auch mit kleinerem Budget und etwas Ausdauer viel bewirken kann. Viele Unternehmen beschäftigen sich nicht aktiv mit der «Content Distribution» als eigenständiger Kommunikations-/Marketingaufgabe. Warum? Was sind die Risiken? Häufig stellen wir fest, dass viele Unternehmen keinen strategischen Ansatz verfolgen. Content Marketing ist für viele neu und im schlimmsten Falle wird es ausschliesslich mit der Existenz einer Kundenzeitung gleichgesetzt. Dabei wirkt Content Marketing mit mehreren Medienarten entlang der gesamten Customer Journey – und braucht eine Content-Strategie. Ist die etabliert, fehlt auch die Distribution und Promotion nicht. Kurz zusammengefasst, muss eine Content-Strategie folgende Fragen beantworten: 1. Was sind die Unternehmensziele? Alles, was nicht auf die Unternehmensziele einzahlt, aber trotzdem den Namen Strategie trägt, ist vergebliche Liebesmühe. Denn Marketing und Kommunikation haben nicht in sich abgeschlossene Ziele zu definieren, sondern müssen sich am übergeordneten Unternehmenszweck ausrichten. 2. Wer sind meine Zielgruppen? Im Content Marketing lassen sich Zielgruppen mit dem Konzept der Personas gut bestimmen. Das ist eine Methode, die wohl dem Journalismus, der sich jeweils am sogenannten Idealleser ausrichtet, abgeschaut wurde. Man definiert dabei demografische Merkmale, Charakter, Hobbys, Nutzerverhalten und so weiter, um sich besser in die Zielgruppe versetzen zu können. 3. Wo befinden sich meine Zielgruppen? Dabei ist es wichtig, ein Verständnis zu haben, welcher Kanal von welcher Altersgruppe genutzt wird. Eine Hürde, die es bei der Definition einer guten Content-Strategie zu nehmen gilt, ist das Aufbrechen von Mauern, die oft zwischen den verschiedenen Abteilungen stehen. Jede Abteilung hat ihr Wissen über die Kunden, das sollte genutzt werden, insbesondere Erkenntnisse aus dem Vertrieb. Das Risiko, wenn man Content Marketing ohne Strategie macht, ist, dass der ganze Aufwand ohne Wirkung verpufft. Welche Hürden haben Unternehmen zu nehmen, um einen Schritt weiter zu kommen als die bisherige Praxis? Bei der Content Distribution geht es im Wesentlichen um die Verteilung von Inhalten aus einer initialen Quelle an eine Vielzahl von Orten. Der Auswahl der Orte, an denen die gewünschten Zielgruppen anzutreffen sind, kommt eine ebenso grosse Bedeutung zu wie den Kommunikationswegen, über die die Inhalte am sinnvollsten platziert werden. Das sind die Hürden: unscharfe Definition der Zielgruppe und keine Kenntnis darüber, welche Inhalte wie über welche Wege konsumiert werden. Bei jedem Inhalt, der verbreitet wird, darf also die Möglichkeit zur Messung nicht fehlen. Sei das eine Aufforderung zum Download weiterer Informationen, ein Verweis auf das Kontaktformular oder die Möglichkeit zum OnlineKauf. Nur so kann man analysieren, ob die Zielgruppe erreicht wurde oder nicht. «Content Distribution» – kann das jeder? Das wäre ja noch schöner, wenn Content Distribution auf wenige Privilegierte beschränkt wäre. Oder von Umsatz und Unternehmensgrösse abhinge. Jeder, der Inhalte publiziert und sie für sein Unternehmen zu Marketingzwecken einsetzt, ob Mittelstand oder Grosskonzern, kann und muss sich über die Distribution Gedanken machen. Die oben beschriebene Strategie, also ein Bewusstsein über die richtigen Zielgruppen und die richtigen Kanäle, die schlussendlich auf die Unternehmensziele einzahlen, ist dabei Ausgangspunkt. Für alle, egal, wie gross das Unternehmen oder das Budget. Auch wenn das Erstellen einer solchen Content-Strategie initialen ein ziemlichen Aufwand bedeutet, ist dies der einzige Weg, um ans Ziel zu kommen. Über welche Kanäle findet Content Distribution denn statt? Die Kanalwahl lässt sich nicht pauschalisieren. Auf Facebook beispielsweise vertreten zu sein, gehört heute einfach dazu – wenn Sie Schraubenhersteller sind, ist das aber vielleicht nicht der richtige Ort, um fachliche Informationen zu verbreiten. Hingegen landen Sie mit Employer-Branding-Kampagnen, Weiterbildungsinitiativen und markenstarken Storys einen Treffer in der Zielgruppe 35+. Für jedes Unternehmen und für jedes Kommunikationsziel muss die Zielgruppe bestimmt und die richtige Kanalwahl getroffen werden. Es gilt dabei immer den richtigen Kanalmix zu finden, statt kategorisch nur auf die neuen Medien zu setzen und die klassischen Wege zu vernachlässigen oder anders rum. Ich würde mich daher auch schwertun zu sagen: «Vergesst Tageszei­tungen.» Je nach Zielgruppe haben Printmedien eine grosse Bedeutung, beispielsweise für den Bankensektor. Dennoch gilt zu beachten: Wer nur auf klassische Medien setzt, muss dies sehr gut machen, um Wirkung zu erzielen. Eine Anzeige in einem Heft wird rund zwei Sekunden betrachtet, die Aufmerksamkeit für die Inhalte tendiert dabei gegen null. Die Einzelhandelskette Rewe hat ihre Zielgruppe gut verstanden und den klassischen TV-Spot mit der Verbreitung über Twitter und Facebook kombiniert. Im Stile einer Soap wurden kurze Geschichten gedreht, welche die Kunden und Interessenten veranlasst haben, der Marke über längere Zeit zu folgen. Welche fünf praktischen Tipps können Sie Kommunikationsschaffenden mit auf den Weg geben, die erfolgreiche Content Distribution betreiben wollen? Fangen wir gleich mit dem an, worüber man nicht spricht: mit Geld. Unternehmen sollten zwischen 20 und 25 Prozent ihres Content-Marketing-Budgets für Distri­ bution und Promotion reservieren. Dann: Holen Sie sich Content-Experten ins Haus, auch wenn Sie eine grosse Kommunikations- und/oder Marketingabteilung haben. Erarbeiten Sie eine Strategie, holen Sie den Vertrieb frühzeitig ins Boot, und fragen Sie auch nach unangenehmen Dingen, z.B. Mängeln, Lieferschwierigkeiten und Ähnlichem, sowie nach den Kanälen, über die diese Fragen von aussen das Unternehmen erreichen. Drehen Sie mit Ihrer Content-Strategie den Spiess um, distribuieren Sie in die am häufigsten frequentierten Kanäle. Legen Sie Kenngrössen fest und vergessen Sie nicht, diese zu messen. Was die Kreativität für Content ist, ist das Messen für Content Distribution. Und zum Schluss noch etwas Hintergrundwissen: Woher kommt der Begriff Content Marketing, wie grenzt er sich von Corporate Publishing / Unternehmenskommunikation ab, und welche Zukunft sagen Sie ihm voraus? Content Marketing wird oft mit der Digitalisierung in Verbindung gebracht und daher von Online-Marketeers besetzt. Ich möchte mich jedoch nicht auf das Feld «Online Only» beschränken. Das Zusammenspiel von Print und Digital würde ich eher als sich gegenseitig befruchtend beschreiben. So hat auch beides seine Berechtigung im Content Marketing. Content Marketing bedeutet letztlich nichts anderes als das Erfüllen von Marketing- und Kommunikationsaufgaben mittels redaktioneller Inhalte, unabhängig vom Kanal. Im Content Marketing geht es also um journalistische Inhalte, die klassischerweise eher dem Corporate Publishing zugewiesen werden, die verkaufsfördernde Wirkung haben, was klassischerweise ein Marketingziel ist. Wie Sie sehen, ist die Disziplin also nicht eindeutig einer Abteilung zuzuweisen. Mit Blick in die Zukunft zeichnet sich momentan der Trend zum «Corporate Newsroom» ab, mit dem man eben diese klassischen Grenzen aufheben und den Informationsfluss im Unternehmen fördern will. Welches sind die geeigneten Dienstleister für die Disziplin Content Marketing? Welche Fähigkeiten müssen sie besitzen, um für die Zukunft gewappnet zu sein? Generell entwickelt sich das Dienstleisterumfeld so, dass sich die Agenturen entweder stärker spezialisieren oder zu Gesamtdienstleistern zusammenschliessen. Allgemein stelle ich fest, Unternehmen kaufen leichter die Kreation als die Strategieentwicklung ein. Um erfolgreich zu sein, muss ein Content-Marketing-Dienstleister einerseits journalistische Fähigkeiten aufweisen und anderseits ein Gespür für die Unternehmensziele und die Bedeutung des Vertriebs haben. Letzteres fehlt klassischen, auf Inhalt spezialisierten PR-Agenturen heute oftmals noch. Zur Person / zum Verband: Dr.-Ing. Christian Fill ist Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Content Marketing Forums. Der mit weit über hundert Mitgliedern grösste Verband Europas für inhaltsgetriebene Kommunikation bringt seit Ende 2015 eine Whitepaper-Serie heraus, die auf der Website des Verbands kostenlos heruntergeladen werden kann (www.content-marketing-forum.de). Ein Autorenteam, bestehend aus Michael Schmitz (Profi lwerkstatt), Olaf Kopmann (Condé Nast), Michael Kömpf (TransQuer) und Jutta Gawenda (wdv Gruppe) veröffentlichte bisher Papers zu Content Distribution und Content Promotion; Contentstrategie ist in Vorbereitung. Der Schweizer Arm des CMF trägt massgeblich zur Weiterentwicklung des Content Marketing in Europa bei. Fill ist zudem Geschäftsführer der Content-Marketing-Agentur Profi lwerkstatt mit Sitz in Darmstadt und München. © Neidhart + Schön