Gender Mainstreaming in der Werbung

Werbung
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transferWerbeforschung & Praxis
PRAXIS | 01/2009
Gender Mainstreaming in der Werbung
Dr.in Brigitte Krupitza
akademische Werbekauffrau,
Kommunikationstrainerin und
zertifizierte Xpert-Trainerin,
Wien
[email protected]
Schlagworte:
1.
Die starke Präsenz der Werbung in der Öffentlichkeit und die oftmaligen Wiederholungen der Schaltungen fixieren gesellschaftliche Klischees. Werbung
sucht einerseits einen Idealzustand zu zeigen und greift andererseits auf kulturelle Ressourcen zurück, womit sie scheinbar natürliche Zuschreibungen
zementiert – auch im Bezug auf das Geschlecht. Der Beitrag soll starre, Frauen benachteiligende Rollenzuschreibungen in der Werbung transparent machen und in Hinblick auf bessere Erfolgsaussichten der Frauen – durch weniger
stereotype Darstellungen von Frauen und Männern – zu Veränderungen in der
Darstellung führen.
❯ Gender ❯ Diversität ❯ Mainstreaming ❯ Rollen ❯ Frauenbild
Die Frau als role-model
Veränderte traditionelle Strukturen und Rollenverhältnisse
haben in den letzten Jahrzehnten die Geschlechterverhältnisse und andere Aspekte menschlicher Diversität, wie ethnische Zugehörigkeit, Klasse, Religion, Alter, Bildung,
sexuelle Orientierung und Lebensstil weltweit verstärkt in
den Mittelpunkt gerückt. Ziel des Diversitätsmanagements
ist es, Menschen trotz ihrer Unterschiede wertschätzend zu
behandeln und dadurch diskriminierungsfreies Arbeiten in
einer Organsation zu ermöglichen. Der Hauptkritikpunkt am
Diversitätsmanagement ist, dass, sobald eine Gruppe als
solche definiert wird, sie überhaupt erst als eigene Gruppe
gilt und dadurch schon Diskriminierung beginnt. Das trifft
auch für das Bild von Frauen und Männern in der Werbung
zu: Frauen werden meist in stereotypen traditionellen
Rollen gezeigt, was die patriarchalen Strukturen verfestigt.
Die gesellschaftliche Stellung der Frau war seit Jahrhunderten mit der des Vaters oder des Ehemannes untrennbar
verbunden und ihm untergeordnet. Diese Festschreibungen
sind von Männern erwünscht und viele Frauen können auch
heute noch gut damit leben. Beispiel aus dem Werbefernsehen: „Als Gattin eines Zahnarztes weiß ich, wie wichtig
gesundes Zahnfleisch ist…“. Ist die spiegelgleiche
Werbung: „Als Gatte einer Zahnärztin …“ vorstellbar?
Tatsächlich sind Ordinationshilfen zu 99% weiblich und
viele von ihnen sind Arztgattinen.
2.
So einfach werden
Geschlechterrollen festgeschrieben
An einem Ende der Skala steht die Hausfrau, die ihre Arbeit
nicht auf die Reihe kriegt, obwohl es doch so viele praktische
Helfer gibt und am anderen Ende das laszive Luxusweibchen,
das nichts tut außer schön und gepflegt auszusehen. Die Frau
ist in jedem Fall fachlich qualifizierten Männern unterlegen.
Da gibt es den männlichen Waschmaschinentechniker, der
der hilflosen Hausfrau vorwirft, dass sie den falschen
Entkalker verwendet hat und dadurch großen Schaden an der
Waschmaschine und damit am Familienbudget angerichtet
hat. Oder den akademisch gebildeten Chemiker, der der hippen Sexbombe erklärt, dass sie durch falsche Shampoowahl
ihre Haarpracht ernsthaft gefährdet.
Frauen wurden bis ins vorige Jahrhundert hinein durch
Gesetze und gesellschaftliche Konventionen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, an Studien und qualifizierter
Berufstätigkeit gehindert und auf ihre reproduzierende
Funktion und ihre sexuelle Fassade reduziert, um sie als
Konkurrenz auszuschalten. Die Erwartungen, die die österreichische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts an Frauen stellt,
erschöpfen sich in Zuwendung an Kinder und Ehemann
sowie Verantwortung für die familiäre Harmonie. Die Frau
wird primär als weibliches Wesen (Frau und Mutter mit
Teilzeitjob) gesehen, der Mann ist in erster Linie Firmenchef,
Manager oder aufstrebender Angestellter, und erst dann
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PRAXIS
männliches Wesen – im realen Leben wie in der Werbung.
Der Mann in der Werbung ist ein Typ, der beruflich erfolgreich ist, Macht ausübt und bewundert wird. Auffallend ist,
dass Männer unabhängig, stark und etwas älter sind. Sie zeigen kaum Emotionen und sind in Abbildungen meist – im
Gegensatz zu Frauen – vollständig bekleidet. Auch bei der
Wahl der Testimonials gehen die Unternehmen auf Nummer
Sicher: Frauen empfehlen Salatöle, Hautcremen, Naschereien für Kinder und andere Produkte, die der Familienharmonie dienen. Männer hingegen loben technische Artikel
und generell Dinge, die den Status sichern bzw. erhöhen.
3.
Nur die Hälfte des Werbebudgets
ist richtig investiert
Die wenigsten weiblichen Führungskräfte und Unternehmerinnen fühlen sich als Konsumentinnen angesprochen. Ihre
Kritikpunkte sind, dass zu viele Klischees bedient werden
und Models verwendet werden, die kein neutrales Frauenbild vermitteln und mit denen sie sich nicht identifizieren
können. Einzig die Kampagnen von „Dove“ und „Du
darfst“, die mit den gängigen Klischees gebrochen haben,
werden von Frauen positiv bewertet. Dove, die zu Unilever
gehörende Kosmetikfirma, zeigt normalgewichtige, durchschnittliche Frauen jedes Alters - nicht computergenerierte
Männerfantasien - und wurde für ihre Werbekampagne belohnt: Sechs Monate nach dem Launch der ersten Sujets im
Oktober 2004 konnte der Verkauf von Seifen und Gesichtsreinigern um 2,8 Prozent gesteigert werden. Dove ist dieser
Werbelinie bisher treu geblieben und damit erfolgreich
unterwegs.
4.
Negativbeispiel BIPA
Anlässlich des Vatertages und der Fußball-EM 2008 verschenkte BIPA ein Kartenset, das wegen massiver Proteste
rasch wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Das "EMAnti-Missverständnis-Set" bestand aus drei Karten. Auf der
roten stand auf einer Seite "Ruhe", auf der Rückseite:
"SCHATZ! Deine Lippen sind so sinnlich und wunderschön. Aber wusstest du, dass sie am allerschönsten sind,
wenn du sie geschlossen hast?" Ähnlich „amüsant“ waren
die anderen Karten: "Bier! (SCHATZ! Du hast so schöne
gepflegte Beine: Sei doch so nett und lauf damit mal rüber
zum Kühlschrank und hol´ mir ein kühles Erfrischungsgetränk, damit ich deinen eleganten Laufstil bewundern
kann)“ und "Sex! (SCHATZ! Du hast mich 90 Minuten mit
deinem tollen Look abgelenkt. Jetzt würde ich mich freuen,
wenn wir das Fußballspiel als Vorspiel sehen würden und
direkt zur Sache kommen könnten)“. In der Stellungnahme
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der Geschäftsleitung von BIPA hieß es, dass keineswegs
eine Degradierung der Frauen zum Lustobjekt beabsichtigt
gewesen sei. - Was sonst?
5.
Wo bleibt die rote Karte?
Der österreichische Werberat hat sich einen Selbstbeschränkungskodex auferlegt, der bei genauer Betrachtung die stereotypen Genderrollen festigt. Junge Männer sind offensichtlich das Standardmaß, da für die von der Norm abweichenden Frauen, Kinder und älteren Menschen eigene Satzungen als notwendig erachtet wurden. Gender Mainstreaming bedeutet nicht Frauenförderung, sondern Gleichstellung von Frauen und Männern. Es geht um die Würde
von Menschen – unabhängig von Alter, sexueller Orientierung oder Geschlecht. In diesem Sinn sind die einzelnen
Punkte in der Präambel des Werberates entweder überflüssig oder unvollständig; ich empfehle daher, im Zeichen von
Gendergerechtigkeit auch für Männer in der Werbung
Richtlinien vorzugeben, z.B.:
1. Werbung soll keine Darstellungen von eindeutig den
Frauen überlegenen Männern zeigen und damit die
Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage stellen.
2. Männer sollen ihrem neuen Rollenbild entsprechend als
Hausmänner, Väter und Partner gezeigt werden.
3. Männer sollen nicht überwiegend durch ihren beruflichen Status in Leitungsfunktionen definiert werden.
4. Männer sollen bei alltäglichen Tätigkeiten gezeigt werden
und nicht nur bei höher qualifizierten Arbeiten.
6.
Conclusio
Wenn die Unternehmen weiterhin übersehen, dass Frauen
ökonomisch unabhängiger denn je sind und vermehrt
Kaufentscheidungen treffen, dann wirkt sich diese Ignoranz
schon mittelfristig negativ aus. Das heißt eine Umsetzung
von Gender Mainstreaming in der Werbung ist positiv
imagebildend und Umsatz fördernd. Wer jetzt Gender
Mainstreamingstrategien in der Werbung einsetzt, sichert
sich einen Wettbewerbsvorteil, weil die meisten Anderen
noch einem Weltbild aus den 1950-er Jahren nachhängen
oder sogar bewusst daran arbeiten, dass die gewünschten
konservativen Rollenbilder, die die Werbung uns suggeriert,
wieder Realität werden.
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