44 transferWerbeforschung & Praxis PRAXIS | 01/2009 Gender Mainstreaming in der Werbung Dr.in Brigitte Krupitza akademische Werbekauffrau, Kommunikationstrainerin und zertifizierte Xpert-Trainerin, Wien [email protected] Schlagworte: 1. Die starke Präsenz der Werbung in der Öffentlichkeit und die oftmaligen Wiederholungen der Schaltungen fixieren gesellschaftliche Klischees. Werbung sucht einerseits einen Idealzustand zu zeigen und greift andererseits auf kulturelle Ressourcen zurück, womit sie scheinbar natürliche Zuschreibungen zementiert – auch im Bezug auf das Geschlecht. Der Beitrag soll starre, Frauen benachteiligende Rollenzuschreibungen in der Werbung transparent machen und in Hinblick auf bessere Erfolgsaussichten der Frauen – durch weniger stereotype Darstellungen von Frauen und Männern – zu Veränderungen in der Darstellung führen. ❯ Gender ❯ Diversität ❯ Mainstreaming ❯ Rollen ❯ Frauenbild Die Frau als role-model Veränderte traditionelle Strukturen und Rollenverhältnisse haben in den letzten Jahrzehnten die Geschlechterverhältnisse und andere Aspekte menschlicher Diversität, wie ethnische Zugehörigkeit, Klasse, Religion, Alter, Bildung, sexuelle Orientierung und Lebensstil weltweit verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Ziel des Diversitätsmanagements ist es, Menschen trotz ihrer Unterschiede wertschätzend zu behandeln und dadurch diskriminierungsfreies Arbeiten in einer Organsation zu ermöglichen. Der Hauptkritikpunkt am Diversitätsmanagement ist, dass, sobald eine Gruppe als solche definiert wird, sie überhaupt erst als eigene Gruppe gilt und dadurch schon Diskriminierung beginnt. Das trifft auch für das Bild von Frauen und Männern in der Werbung zu: Frauen werden meist in stereotypen traditionellen Rollen gezeigt, was die patriarchalen Strukturen verfestigt. Die gesellschaftliche Stellung der Frau war seit Jahrhunderten mit der des Vaters oder des Ehemannes untrennbar verbunden und ihm untergeordnet. Diese Festschreibungen sind von Männern erwünscht und viele Frauen können auch heute noch gut damit leben. Beispiel aus dem Werbefernsehen: „Als Gattin eines Zahnarztes weiß ich, wie wichtig gesundes Zahnfleisch ist…“. Ist die spiegelgleiche Werbung: „Als Gatte einer Zahnärztin …“ vorstellbar? Tatsächlich sind Ordinationshilfen zu 99% weiblich und viele von ihnen sind Arztgattinen. 2. So einfach werden Geschlechterrollen festgeschrieben An einem Ende der Skala steht die Hausfrau, die ihre Arbeit nicht auf die Reihe kriegt, obwohl es doch so viele praktische Helfer gibt und am anderen Ende das laszive Luxusweibchen, das nichts tut außer schön und gepflegt auszusehen. Die Frau ist in jedem Fall fachlich qualifizierten Männern unterlegen. Da gibt es den männlichen Waschmaschinentechniker, der der hilflosen Hausfrau vorwirft, dass sie den falschen Entkalker verwendet hat und dadurch großen Schaden an der Waschmaschine und damit am Familienbudget angerichtet hat. Oder den akademisch gebildeten Chemiker, der der hippen Sexbombe erklärt, dass sie durch falsche Shampoowahl ihre Haarpracht ernsthaft gefährdet. Frauen wurden bis ins vorige Jahrhundert hinein durch Gesetze und gesellschaftliche Konventionen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, an Studien und qualifizierter Berufstätigkeit gehindert und auf ihre reproduzierende Funktion und ihre sexuelle Fassade reduziert, um sie als Konkurrenz auszuschalten. Die Erwartungen, die die österreichische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts an Frauen stellt, erschöpfen sich in Zuwendung an Kinder und Ehemann sowie Verantwortung für die familiäre Harmonie. Die Frau wird primär als weibliches Wesen (Frau und Mutter mit Teilzeitjob) gesehen, der Mann ist in erster Linie Firmenchef, Manager oder aufstrebender Angestellter, und erst dann 01/2009 | PRAXIS männliches Wesen – im realen Leben wie in der Werbung. Der Mann in der Werbung ist ein Typ, der beruflich erfolgreich ist, Macht ausübt und bewundert wird. Auffallend ist, dass Männer unabhängig, stark und etwas älter sind. Sie zeigen kaum Emotionen und sind in Abbildungen meist – im Gegensatz zu Frauen – vollständig bekleidet. Auch bei der Wahl der Testimonials gehen die Unternehmen auf Nummer Sicher: Frauen empfehlen Salatöle, Hautcremen, Naschereien für Kinder und andere Produkte, die der Familienharmonie dienen. Männer hingegen loben technische Artikel und generell Dinge, die den Status sichern bzw. erhöhen. 3. Nur die Hälfte des Werbebudgets ist richtig investiert Die wenigsten weiblichen Führungskräfte und Unternehmerinnen fühlen sich als Konsumentinnen angesprochen. Ihre Kritikpunkte sind, dass zu viele Klischees bedient werden und Models verwendet werden, die kein neutrales Frauenbild vermitteln und mit denen sie sich nicht identifizieren können. Einzig die Kampagnen von „Dove“ und „Du darfst“, die mit den gängigen Klischees gebrochen haben, werden von Frauen positiv bewertet. Dove, die zu Unilever gehörende Kosmetikfirma, zeigt normalgewichtige, durchschnittliche Frauen jedes Alters - nicht computergenerierte Männerfantasien - und wurde für ihre Werbekampagne belohnt: Sechs Monate nach dem Launch der ersten Sujets im Oktober 2004 konnte der Verkauf von Seifen und Gesichtsreinigern um 2,8 Prozent gesteigert werden. Dove ist dieser Werbelinie bisher treu geblieben und damit erfolgreich unterwegs. 4. Negativbeispiel BIPA Anlässlich des Vatertages und der Fußball-EM 2008 verschenkte BIPA ein Kartenset, das wegen massiver Proteste rasch wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Das "EMAnti-Missverständnis-Set" bestand aus drei Karten. Auf der roten stand auf einer Seite "Ruhe", auf der Rückseite: "SCHATZ! Deine Lippen sind so sinnlich und wunderschön. Aber wusstest du, dass sie am allerschönsten sind, wenn du sie geschlossen hast?" Ähnlich „amüsant“ waren die anderen Karten: "Bier! (SCHATZ! Du hast so schöne gepflegte Beine: Sei doch so nett und lauf damit mal rüber zum Kühlschrank und hol´ mir ein kühles Erfrischungsgetränk, damit ich deinen eleganten Laufstil bewundern kann)“ und "Sex! (SCHATZ! Du hast mich 90 Minuten mit deinem tollen Look abgelenkt. Jetzt würde ich mich freuen, wenn wir das Fußballspiel als Vorspiel sehen würden und direkt zur Sache kommen könnten)“. In der Stellungnahme transferWerbeforschung & Praxis der Geschäftsleitung von BIPA hieß es, dass keineswegs eine Degradierung der Frauen zum Lustobjekt beabsichtigt gewesen sei. - Was sonst? 5. Wo bleibt die rote Karte? Der österreichische Werberat hat sich einen Selbstbeschränkungskodex auferlegt, der bei genauer Betrachtung die stereotypen Genderrollen festigt. Junge Männer sind offensichtlich das Standardmaß, da für die von der Norm abweichenden Frauen, Kinder und älteren Menschen eigene Satzungen als notwendig erachtet wurden. Gender Mainstreaming bedeutet nicht Frauenförderung, sondern Gleichstellung von Frauen und Männern. Es geht um die Würde von Menschen – unabhängig von Alter, sexueller Orientierung oder Geschlecht. In diesem Sinn sind die einzelnen Punkte in der Präambel des Werberates entweder überflüssig oder unvollständig; ich empfehle daher, im Zeichen von Gendergerechtigkeit auch für Männer in der Werbung Richtlinien vorzugeben, z.B.: 1. Werbung soll keine Darstellungen von eindeutig den Frauen überlegenen Männern zeigen und damit die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage stellen. 2. Männer sollen ihrem neuen Rollenbild entsprechend als Hausmänner, Väter und Partner gezeigt werden. 3. Männer sollen nicht überwiegend durch ihren beruflichen Status in Leitungsfunktionen definiert werden. 4. Männer sollen bei alltäglichen Tätigkeiten gezeigt werden und nicht nur bei höher qualifizierten Arbeiten. 6. Conclusio Wenn die Unternehmen weiterhin übersehen, dass Frauen ökonomisch unabhängiger denn je sind und vermehrt Kaufentscheidungen treffen, dann wirkt sich diese Ignoranz schon mittelfristig negativ aus. Das heißt eine Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Werbung ist positiv imagebildend und Umsatz fördernd. Wer jetzt Gender Mainstreamingstrategien in der Werbung einsetzt, sichert sich einen Wettbewerbsvorteil, weil die meisten Anderen noch einem Weltbild aus den 1950-er Jahren nachhängen oder sogar bewusst daran arbeiten, dass die gewünschten konservativen Rollenbilder, die die Werbung uns suggeriert, wieder Realität werden. 45