wissenschaftplus @ Verantwortlich für den Inhalt dieser Wissenschaftsseiten sind: o. UNIV.-PROF. DR. JOSEF AFF Vorstand des Institutes für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien UNIV.-PROF. DR. RICHARD FORTMÜLLER Stellvertretender Vorstand des Institutes für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien IM FOKUS Entrepreneurship-Erziehung Trend. Die Globalisierung und der damit verbundene Wandel in der Arbeitswelt machen die Entwicklung neuer Qualifikationen notwendig. Entrepreneurship-Erziehung kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. 1 Warum ist eigentlich eine Entrepreneurship-Erziehung bildungspolitisch relevant? – einige sozioökonomische Anmerkungen Schulen dar, SchülerInnen für einen sich ändernden Arbeitsmarkt sowie für eine Gesellschaft im Wandel vorzubereiten. Der aktuelle tiefgreifende Wandel in der Arbeitswelt dokumentiert sich nicht nur in Megatrends wie der Globalisierung von Wirtschaft und Arbeit bzw. einer Revolutionierung der Arbeitsorganisation durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, sondern ebenso in einer Veränderung individueller Erwerbsbiografien. Diese kann mit dem Stichwort „Patchwork-Biografie“ charakterisiert werden. Darunter versteht man, dass in Zukunft Menschen während ihres Lebens mit großer Wahrscheinlichkeit mehrmals ihren Arbeitsplatz wechseln (müssen), häufig in Verbindung mit der Notwendigkeit des Umlernens sowie der Weiterbildung, weil ein neuer „Job“ vielfach mit neuen beruflichen Anforderungen verknüpft ist. Diese berufliche Lebensbiografie erfordert von den Menschen ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung. Dadurch ist jeder Einzelne mehr als bisher für seine „employability“ selbst verantwortlich. Gute Qualifikationen spielen daher eine immer größere Rolle, weil man dann über mehr Optionen (inklusive der notwendigen finanziellen Möglichkeiten) verfügt, sein Leben selbst zu gestalten. Das bedeutet u.a., dass in Zukunft während des Wechsels von einer Beschäftigung in die nächste (oder in die Selbstständigkeit!) auch vermehrt „Auszeiten“ eingeplant werden, die für Auslandsaufenthalte, Familie, Selbstverwirklichung etc. genutzt werden. In der Gewerkschaftsbewegung wird der Wandel der Arbeitsanforderungen, der sich u.a. in einer erhöhten Bereitschaft und Fähigkeit der Arbeitnehmer dokumentiert, eigenverantwortlich und (mit)gestaltend am Arbeitsplatz zu agieren, ebenfalls zur Kenntnis genommen und unter dem Stichwort „Arbeitskraftunternehmer“ differenziert diskutiert. Vor dem Hintergrund dieses gesellschaftlichen Wandels stellt Entrepreneurship-Erziehung eine mögliche (bei weitem nicht die einzige) bildungspolitische Antwort für berufsbildende 2 Was versteht man eigentlich unter Entrepreneure, Intrapreneure und Existenzgründern? – Kurzer Streifzug zur Klärung sperriger Begriffe Entrepreneure sind Entdecker, Entwickler und Umsetzer von Innovationen, neuen Produkten und Dienstleistungen, es handelt sich um Menschen, die sich für das Abenteuer „unternehmerische Selbstständigkeit“ entscheiden. Sie sind in der Lage, Gelegenheiten zu erkennen bzw. durch Innovationen zu schaffen und gewinnbringend zu verwerten. Auch bei Gegenwind beharren sie auf ihren Ideen und sind bereit, für deren Umsetzung Risiko in Kauf zu nehmen. Typisch für ihr Handeln ist, häufig Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Außer Zweifel steht, dass Entrepreneure über ausgeprägte Persönlichkeitseigenschaften verfügen müssen. Welche Kombination von Persönlichkeitseigenschaften in einer konkreten Gründungssituation besonderen Erfolg verspricht, kann jedoch nicht beantwortet werden. Sehr wohl sollten Entrepreneure zumindest einige der nachfolgenden Eigenschaften besitzen: Selbstwertgefühl, um auch mit bedrohlichen Entwicklungen und Informationen umgehen zu können Selbstwirksamkeit, also Selbstvertrauen, um Dinge umzusetzen Innovationsfreude, weil diese häufig das Fundament einer Unternehmensgründung darstellt Risikobereitschaft, weil jede Gründung ein existenzielles Risiko darstellt und erfolgreiches unternehmerisches Handeln ohne Risiko nicht möglich ist Emotionale Stabilität, weil das Umgehen mit Stress, das Lernen aus Fehlern und Optimismus gerade in der Gründungsphase unverzichtbare „Tugenden“ sind Durchhaltevermögen, weil Kreativität und Innovationsfreude wissenschaftplus 1-06/07 I [ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP nur im „Doppelpack“ mit einer Haltung des „Dranbleibens“, also Konsequenz, zu unternehmerischen Erfolg führt. Unter Intrapreneure versteht man Mitarbeiter in Unternehmen, die in ihrem betrieblichen Arbeitsumfeld einen „entrepreneurial spirit“ praktizieren, indem sie zu einer „Revitalisierung“ eingefahrener Strukturen und Handlungsmuster beitragen und generell ein höheres Maß an Engagement, Eigenverantwortung und Gestaltungsbereitschaft dokumentieren. Ohne eine große Zahl von Arbeitnehmern mit einem „entrepreneurial spirit“ kann eine Marktwirtschaft nicht jene Dynamik entfalten, die für den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten eine Grundvoraussetzung darstellt. Ohne Zweifel ist es für jedes Unternehmen, für jede Institution erfreulich, wenn Arbeitnehmer ihren „Job“ ordentlich ausführen und die Anweisungen gewissenhaft umsetzen. Mehr und mehr sind jedoch Arbeitnehmer gefragt, die nicht bloß Arbeitsaufgaben „erledigen“, sondern im Rahmen der Spielräume die jeweiligen Arbeitsinhalte und -aufgaben selbst (mit)gestalten. Existenzgründer sind Entrepreneure, die jedoch im Unterschied zu klassischen Unternehmensgründern ein „Ein-Personen-Unternehmen“ anstreben. Während beispielsweise Werner von Siemens bereits zum Zeitpunkt der Gründung von einem „Weltgeschäft à la Fugger“ träumte, beschränken sich Existenzgründer meist auf die Schaffung ihres eigenen Arbeitsplatzes. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten können grafisch wie in Grafik 1 systematisiert werden. 3 Wie kann Entrepreneurship theoretisch begründet und historisch erklärt werden? Es gibt vor allem zwei „Theoriestränge“ zur Erklärung von Entrepreneurship, nämlich eine volkswirtschaftliche sowie eine betriebswirtschaftliche Fundierung. 3.1 Theoretische und historische Wurzeln aus dem Bereich der Volkswirtschaftslehre Der Begriff Entrepreneur wurde in der volkswirtschaftlichen Diskussion von Cantillon (1755) eingeführt, wobei der Begriff weitgehend auf die Fragestellung beschränkt wurde, welche Funktionen und Eigenschaften Unternehmer auszeichnen. Entrepreneure und Unternehmer wurden begrifflich weitgehend gleichgesetzt. Weder wurde der Aspekt der Unternehmensgründung hervorgehoben noch die Dimension „Mitarbeiter als Mitunternehmer“ (Intrapreneure) berücksichtigt. Cantillon und eine Vielzahl anderer Ökonomen, die sich mit dieser Thematik beschäftigten, stimmen jedoch in der folgenden Einschätzung weitgehend überein: „The entrepreneur is the person who assumes the risk associated with uncertainty.“ Der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter (1883–1959) gilt als eigentlicher Begründer von Entrepreneurship. Er beschäftigte sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts mit der Fragestellung, woher eigentlich die Marktwirtschaft ihre Dynamik beziehe. Seine Antwort im Jahr 1911 lautete, dass es vor allem die innovativen Pionierunternehmer sind, die durch eine Vielzahl von Eigenschaften wie Freude am schöpferischen Gestalten der Marktwirtschaft Dynamik verleihen. Ein Entrepreneur wird von Schumpeter definiert als ein Entwickler und Durchsetzer neuer Produkte, Produktionsverfahren, aber auch Absatzmärkte, Bezugsquellen und Marktstrukturen. All diese Kennzeichen treffen auf die „Siemens-Brüder“, die Begründer des Weltkonzernes, zu. Sie erfanden und entwickelten neue Produkte und Produktionsverfahren (z.B. Zeigertelegraf, Dynamo), erschlossen dafür neue Absatzmärkte (z.B. für Tiefseekabellegung weltweit) oder entwickelten länderspezifische Marktstrukturen wie zum Beispiel für das Beleuchtungsgeschäft in Russland. Für Schumpeter verfügen Entrepreneure über besondere Fähigkeiten und Eigenschaften, sie sind „Revo- Entrepreneure (Schumpeter: „Entwickler und Durchsetzer neuer Ideen“) ATYPISCHE BESCHÄFTIGTE (freie Dienstnehmer, Werkvertragsnehmer) niedrig „Klassischer“ Arbeitnehmer (z.B. „den Job machen“) Arbeitnehmer Formale Unternehmer (Unternehmer, weil Eigentümer des Betriebes, jedoch geringe Innovationsbereitschaft) GRAUBEREICH (atypische Beschäftigung) II wissenschaftplus 1-06/07 Existenzgründer (z.B. Ich-AG) Unternehmer SOZIALE ENTREPRENEURE Intrapreneur (z.B. Pionier für Innovationen in der Abteilung) UNTERNEHMERISCHES DENKEN hoch Grafik 1: Portfolio unternehmerischen Denkens Erläuterung: Bei atypisch Beschäftigten handelt sich um eine wachsende Zahl von Beschäftigten, die einerseits ihre Arbeitszeit sowie ihren Arbeitsort flexibel wählen können, andererseits jedoch aufgrund eines fehlenden „normalen“ Dienstverhältnisses auf viele Sozialleistungen verzichten müssen (z.B. kein Urlaubsgeld). Freie Dienstnehmer haben kein regelmäßiges Einkommen und arbeiten häufig für nur einen Auftraggeber - z.B. als Radfahrbote ohne fixe Aufträge für private Unternehmen wie Veloce. Soziale Entrepreneure können – wie beispielsweise Hermann Gmeiner – weltweit agierende Non-Profit-Organisationen begründen, die dann von wirtschaftlicher Relevanz sind. Da jedoch die Hauptmotivation ethisch begründet ist und primär kein wirtschaftliches sondern ein soziales/gesellschaftliches Anliegen verwirklicht werden soll, „passen“ soziale Entrepreneure nur bedingt in das Portfolio – daher die grafische Positionierung! Sie nutzen gewissermaßen ihren „entrepreneurial spirit“ für die Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft. @ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP lutionäre der Wirtschaft“, weil sie vom Wunsch beseelt sind, gewohnte Bahnen zu verlassen und Widerstände zu überwinden. Er zeichnet demnach ein etwas überhöhtes „Helden-Bild“, das jedoch nur für einen kleinen Teil von Entrepreneuren zutreffend ist. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Kirzner vertritt eine im Vergleich zu Schumpeter weniger spektakuläre, dafür pragmatischere Auffassung vom Entrepreneur. Für ihn besteht das Wesentliche unternehmerischen Handelns im „Entdecken und Finden ungenutzter Gewinnchancen“. Es gibt viele Beispiele aus der wirtschaftlichen Praxis, dass auch dieses viel weniger spektakuläre Verständnis unternehmerischen Handelns sehr erfolgreich sein kann. Beispielsweise erfand Howard Schultz, der Gründer der Starbucks-Kette, weder neue Kaffeemaschinen noch eine neue Kaffeesorte. Vielmehr erkannte er Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts als Marketingfachmann das Wachstumspotenzial einer kleinen Firma namens Starbucks Coffee mit vier Läden in Seattle. Es gelang ihm 1987, dieses Unternehmen zu kaufen – und damit das „Know-how“. Sein „Verdienst“ bestand darin, die ungenutzten Gewinnchancen im Starbucks-Konzept erkannt zu haben. Heute betreibt die Kette weltweit mehr als 6000 Läden und erzielt einen Umsatz von über 10 Milliarden Dollar. 3.2 Betriebswirtschaftliche theoretische Fundierungen von Entrepreneurship Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre haben sich zwei unterschiedliche Ansätze von Entrepreneurship herauskristallisiert. A. Die Hauptströmung der aktuellen betriebswirtschaftlichen Diskussion versteht unter Entrepreneurship vor allem Unternehmensgründungslehre. Dafür gib es heute an fast allen relevanten Wirtschaftsfakultäten eigene Lehrstühle, die Studierenden das Know-how von Gründungsmanagement anbieten – einschließlich der „interdisziplinären“ Fragestellungen wie beispielsweise welches gesellschaftliche Umfeld die Gründungsbereitschaft wirksam zu unterstützen vermag und welche psychologischen Faktoren der Gründer besonders bedeutsam sind. Heute wird in der BWL vor allem der Gründungsprozess analysiert, also das Zusammenwirken von Person, Umfeld und betriebswirtschaftlichem Know-how (z.B. Business-Plan). B. Neben der BWL als Gründungslehre gibt es in der betriebswirtschaftlichen Diskussion (vor allem in der Managementlehre) ein zweites Verständnis von Entrepreneurship, das vor allem die Zielvorstellung „der Mitarbeiter als Mitunternehmer“ betont. Hier geht es nicht um den Aspekt der Gründung, sondern darum, wie in einem bestehenden Unternehmen die Mitarbeiter zu einem „entrepreneurial spirit“, zu Intrapreneuren (Kürzel für Intracorporative Entrepreneure) motiviert werden können. Inhaltlich steht bei dieser Entrepreneurship-Orientierung nicht der Business-Plan, die Generierung von Geschäftsideen etc. im Zentrum der Ausbildung, sondern „Tools“ wie Projekt- und Zeitmanagement. 3.3 Wodurch unterscheiden sich Entrepreneure von Unternehmern? Unternehmer ist jeder, der Eigentümer von Produktionsmitteln, also eines Betriebes ist. Wenn der Eigentümer diesen primär „verwaltet“, bleibt er formal Unternehmer. Entrepreneur ist er jedoch erst dann, wenn er das Unternehmen „gestaltend“ innovativ weiterentwickelt, also in Sinne von Schumpeter neue Produkte, Dienstleistungen, Absatzmärkte etc. entwickelt und durchsetzt. Unternehmer sollten daher immer Entrepreneure sein – nur: Sie sind es nicht automatisch und in jedem Fall! Für erfolgreiche Unternehmer ist jedoch ein „entrepreneurial spirit“ selbstverständlich und unverzichtbar. Beispielsweise ist der Sohn eines Installateurbetriebs, der diesen „notgedrungen“ weiterführt, um dem Wunsch der Eltern zu entsprechen oder aus mangelnden beruflichen Alternativen ein Unternehmer. Er ist jedoch kein Entrepreneur, weil er das Unternehmen eher „verwaltet“ anstatt kreativ weiterzuentwickeln – zum Beispiel durch die Installation von Wärmepumpen zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. Umgekehrt muss nicht jeder Entrepreneur ein Unternehmer oder Gründer sein, weil auch innovative Gründer scheitern können. 4 Sind Entrepreneure nur in der Wirtschaft wichtig ? – Soziale Entrepreneure als Pioniere der Zivilgesellschaft Für den großen südafrikanischen Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela sind „Social Entrepreneurs“ von zentraler Bedeutung, um gesellschaftliche Entwicklung, Demokratie, soziale Mindeststandards sowie Nachhaltigkeit (ökologische Sensibilität) zu fördern. Soziale Entrepreneure sind demnach Menschen, die sich in Eigeninitiative in die Gesellschaft einmischen, um zur Linderung der gravierendsten ökologischen und sozialen Probleme beizutragen. Soziale Entrepreneure kümmern sich um den Technologiezugang in Slumgebieten Südamerikas, um den Schutz der Lebensgrundlagen von Fischern in Indien, um das Marketing von Fair-Trade-Kaffee in Kalifornien oder um den Marktzugang für Kleinunternehmerinnen in Nigeria. Vielfach gelingt es sozialen Entrepreneuren wie dem großen österreichischen Pionier Hermann Gmeiner, mit der Verwirklichung des sozialen und gesellschaftlichen Anliegens eine internationale Non-Profit-Organisation aufzubauen, die zusätzlich vielen Menschen Beschäftigung bietet. Soziale Entrepreneure sind demnach Menschen, die sich in Eigeninitiative und neuen Konzepten mit sozialen, ökologischen, juristischen und demokratiepolitischen Problemen beschäftigen. Was Entrepreneure für die Wirtschaft sind, leisten soziale Entrepreneure für die Zivilgesellschaft. Daher verfügen sie über viele Gemeinsamkeiten. Bei ihnen spielt jedoch im Unterschied zu klassischen Entrepreneuren der ethische Antrieb – denken wir nur an die Motive Hermann Gmeiners – eine entscheidende Rolle. Ebenso bevorzugen sie häufig, in aller Stille zu arbeiten, daher ist es oft gar nicht leicht, die Wirkung sozialer Entrepreneure zu beurteilen oder zu messen. 5 Ist Entrepreneurship-Erziehung eine didaktische Zielformel für Neoliberalismus und ungebremster „Share-Holder-Mentalität“? Vom Autor wurde die Implementierung des Modellversuchs „Beabungsförderung in Schumpeterklassen“ an der BHAK Wien 13 mehr als fünf Jahre wissenschaftlich begleitet. Auf Basis der zahlreichen empirischen Befunde und gewonnenen Erfahrungen im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung wurde ein Modell für eine Entrepreneurship-Erziehung an wirtschaftsberuflichen Vollzeitschulen generiert (vgl. Aff/Hahn 2005, S. 99 ff.), das sowohl den Aspekt unternehmerischer wie auch beruflicher Selbstständigkeit umfasst. In der folgenden Grafik werden diese beiden Kernbereiche von Entrepre- wissenschaftplus 1-06/07 III [ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP neurship in der Ebene 1 zusammengefasst. Diese Ebene bildet den curricularen Schwerpunkt der Ausbildung. Eine gezielte Entrepreneurship-Erziehung geht jedoch über die eher instrumentelle Ebene 1 hinaus, in dem ein Mentalitätswandel der Schüler in Richtung einer unternehmerischen Kultur und Handelns gefördert wird. Diese „Entrepreneur-Tugenden“ sind einerseits im Ausbildungsschwerpunkt gezielt zu unterstützen, z.B. durch Einsatz kreativer Methoden zur Generierung von Geschäftsideen und andererseits in allen Gegenständen einer Handelsakademie zu thematisieren. In Grafik 2 wird diese didaktische Zielvorstellung der Förderung einer Kultur unternehmerischen Denkens und Handelns der Ebene 2 zugeordnet. Die im Rahmen einer Entrepreneurship-Erziehung zu fördernden Haltungen wie Eigenverantwortung, Autonomie stellen auch gesamtgesellschaftliche Ziele zur Förderung von Mündigkeit dar. Es wird eine Verknüpfung von Eigenverantwortung mit einer gesellschaftlichen Verantwortung befürwortet. Vor allem ist die Verantwortung der Schüler gegenüber Mitarbeitern (soziale Sensibilität), Naturgrundlagen (ökologische Sensibilität) und nachfolgenden Generationen (ethische Sensibilität) hervorzuheben. Die Grundhaltung einer Verknüpfung von Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft mit gesellschaftlicher Verantwortung stellt eine Grundvoraussetzung für eine dynamische Zivilgesellschaft mündiger Bürger dar. Diese Dimension von Entrepreneurship-Erziehung wird vor allem auf der Ebene 3 thematisiert. Ähnlich wie die Ziele der Ebene 2 bedarf deren Umsetzung und Förderung einer Kooperation zwischen Lehrern aller Gegenstände. Diese Grundhaltungen können nur im Lehrerteam einer Klasse/Schule angemessen gefördert werden. Die Ausführungen über soziale Entrepreneure verdeutlichen, dass für die Weiterentwicklung einer Zivilgesellschaft – also nicht nur im ökonomischen Kontext – „entrepreneuriale Tugenden“ unverzichtbar sind. Engagement, Eigeninitiative, das Treffen von Entscheidungen unter Unsicherheit, Beharrungsvermögen etc. sind Eigenschaften, die auch für die Umsetzung von sozialen, ökologisch und politisch sinnvollen Projekten unverzichtbar sind. Grafik 2 macht deutlich, dass mit der didaktischen Zielvorstellung „Entrepreneurship-Erziehung“ keine Ellbogenmentalität an den berufsbildenden Schulen implementiert werden soll. Entrepreneurship steht also nicht für das „Verordnen einer hemmungslosen neoliberalen Gesinnung“ an den wirtschaftsberuflichen Schulen. Vielmehr geht es bei dieser didaktischen Zielformel darum betriebswirtschaftliche Inhalte in ihrer Vernetzung Schülern erlebbar zu machen und Haltungen wie Eigenverantwortung, Eigeninitiative, Offenheit für Neuerungen etc. mit der Wertebasis einer gesellschaftlichen Verantwortung (Solidarität) zu verknüpfen. Der makroökonomische Rahmen für dieses Entrepreneurship-Verständnis ist demnach nicht eine von „Shareholder Value“ geprägte neoliberale Marktwirtschaft. Das „Drei-Ebenen-Modell“ zur Erklärung von Entrepreneurship-Erziehung orientiert sich – im Gegensatz dazu – am gesellschaftlichen Rahmen einer ökosozialen Marktwirtschaft, wo es darum geht, ökonomische Effizienz mit sozialer und ökologischer Verantwortung zu verknüpfen. 6 Wie kann Entrepreneurship-Erziehung an wirtschaftsberuflichen Schulen umgesetzt werden? Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellversuchs „Begabungsförderungsmodell Schumpeterklassen“ an der BHAK Wien 13 ging es um die zentrale Fragestellung, wie an einer Handelsakademie eine Entrepreneurship-Erziehung ergänzt um eine gezielte Begabungsförderung umgesetzt werden kann. Mehr als fünf Jahre wurden vielfältige empirische Daten erhoben (vgl. Aff u.a. 2006, Aff/Hahn 2005). und u.a. ein didaktisches Konzept entwickelt, das einerseits darauf abzielt, im Unterrichtsalltag die beiden didaktischen Zielvorstellungen „Förderung von entrepreneurial skills und Haltungen“ sowie „Begabungsförderung“ umzusetzen und Ebene III: Förderung einer Kultur der Mündigkeit, Autonomie, Eigenverantwortung und Solidarität (Wertebasis) für eine dynamische Zivilgesellschaft der BürgerInnen („Citoyens“) Ebene II: Förderung einer Kultur unternehmerischen Denkens und Handelns bei den Schülern Ebene I: unternehmerische Qualifikation im engeren Sinn UNTERNEHMERISCHE SELBSTSTÄNDIGKEIT • Unternehmensgründung • Existenzgründung BERUFLICHE SELBSTSTÄNDIGKEIT • Arbeitskraftunternehmer • Mitunternehmer • Intrapreneur Fokus: Vorgründungsphase Fokus: Nachgründungsphase, U-Entwicklung IV wissenschaftplus 1-06/07 Grafik 2: Entrepreneurship Education zwischen unternehmerischer/beruflicher Selbstständigkeit und Erziehung zum Citoyen @ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP andererseits durch curriculare Zusatzangebote („Bausteine“) – durch Ausschöpfung der Möglichkeiten der Schulautonomie – eine gezielte Entrepreneurship-Erziehung zu fördern (vgl. www.schumpeter-hak.at/service/frame_service.html). Die im Modellversuch erprobten und evaluierten Bausteine („curriculare Zusatzmodule“) können wie in Grafik 3 zusammengefasst werden: Derzeit wird an der Handelsakademie Wien 13 ein Zentrum für Entrepreneurship-Erziehung, nämlich das „Entrepreneurship Education schulisches Impulszentrum“ eingerichtet, wo in Zukunft vielfältige Serviceleistungen (der Bogen reicht von Unterrichtsmaterialien und Lehrerfortbildungen bis zur Unterstützung der Personal- und Organisationsentwicklung) zur Unterstützung einer verstärkten Förderung einer Entrepreneurship-Erziehung an vielen Handelsakademien in Österreich angeboten werden (vgl. http://www.schumpeter-hak.at/ – „Webauftritt“ in Vorbereitung). 7 Praxisberichte aus dem Unterrichtsalltag – Erfahrungen mit didaktischen Bausteinen Seit der Implementierung des Modellversuchs im Jahr 2000 sammelten die LehrerInnen, die in den Schumpeterklassen unterrichteten bzw. unterrichten, vielfältige Erfahrungen mit den didaktischen Bausteinen. Zur Veranschaulichung berichten nun abschließend zwei Lehrerinnen (eine „Kommerzialistin“ und eine „Allgemeinbildnerin“), die seit Beginn des Modellversuchs im Begleitforschungsteam mitarbeiteten, über ihre Erfahrungen mit zwei Bausteinen, die im Rahmen der umfassenden empirischen Validierung sehr gut bewertet wurden (vgl. Aff u.a. 2006). lichen Umfang von zwei Einheiten bis zu einem Wochenende zusätzliche Bildungsangebote in Ergänzung zum Lehrplan zu machen. Es können sowohl Vertiefungen der Lehrplaninhalte erfolgen wie auch weit darüber hinausgehende Bildungsangebote (vgl. 7.1.4). Anbieter derartiger Arbeitsgemeinschaften sollten nicht nur LehrerInnen sein, sondern ebenso Eltern, VertreterInnen sonstiger Organisationen (der Bogen reicht von der volkswirtschaftlichen Gesellschaft bis zur Universität) und UnternehmerInnen. Es geht darum, die Ressourcen der Schule (Eltern, regionale Multiplikatoren) für eine umfassende Persönlichkeitsförderung der SchülerInnen zu nutzen. Die zentralen konzeptionellen Überlegungen können wie folgt zusammengefasst werden: Förderung von Softskills Bei der Entwicklung des Schumpeter-Konzeptes ging man von der Überzeugung aus, dass die Förderung von Entrepreneurship-Tugenden, wie z.B. Eigenständigkeit, Selbstverantwortung, Eigeninitiative, Offenheit für Neuerungen sowie von „mentaler Software“ nicht nur durch Unterricht aufgebaut werden können, sondern zusätzlicher Bausteine bedürfen. Extracurriculare Arbeitsgemeinschaften als Lehrangebote, die außerhalb des Lehrplans angesiedelt sind, sind hier eine gute Möglichkeit, gezielt auf die angesprochenen Kompetenzen hinzuarbeiten. Begabungsförderung Auch bei der besonderen Betonung einer begabungsfördernden Lernkultur durch eine verstärkte Differenzierung innerhalb und außerhalb des Unterrichts, die die individuellen Begabungen der SchülerInnen ansprechen soll, ist dieser Baustein ein wichtiges Element, der zusätzlich und ergänzend zum Unterricht nicht nur auf Leistungsorientierung, sondern auch auf ethische Grundhaltungen wie Solidarität und gesellschaftliche Verantwortung hinarbeitet. 7.1 Extracurriculare Arbeitsgemeinschaften - Ein erklärungswürdiger „Baustein“ und eine spannende Sache! Autorin des Punktes 7.1 ist Anneliese Rotter Verknüpfung von „In jedem Menschen steckt viel mehr, als er selbst weiß.“ Robert Jungk 7.1.1 Begriffsklärung und konzeptionelle Überlegungen Die Grundidee der extracurricularen Arbeitsgemeinschaften besteht darin, SchülerInnen außerhalb der Unterrichtszeit im zeit- Allgemein- und Berufsbildung Die extracurricularen Arbeitsgemeinschaften sind Bildungsund Erziehungsaufgaben gewidmet, die in der Regel nicht einem einzelnen Unterrichtsgegenstand zugeordnet werden können. Oder sie bereichern den lehrplanmäßigen Unterricht, weil sie inhaltlich darüber hinausgehen. Es kann auch ein Thema angeboten werden, das durch den Lehrplan überhaupt nicht abgedeckt werden kann. Verpflichtendes Betriebspraktikum Unterrichtsprojekte work experience Bewerbungsassessment COACHING Extracurriculare Arbeitsgemeinschaften Portfolio Projektarbeiten Bildungsvertrag DIDAKTISCHE LEITIDEE: Begabungsförderung „Fächerübergreifendes Qualifikationsportfolio“ Maßnahmen der OE + PE (z.B. „Teamsitzungen“) DIDAKTISCHE LEITIDEE: Entrepreneurship Education Grafik 3: Curriculare „Zusatzbausteine“ zur Implementierung von Entrepreneurship Education im Modellversuch wissenschaftplus 1-06/07 V [ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP Einbettung in alle Schultypen der Schumpeter-Handelsakademie Das Angebot der extracurricularen Arbeitsgemeinschaften steht allen SchülerInnen der Handelsakademie und Handelsschule offen. Ausnahme sind nur gewisse Eingangsvoraussetzungen, die man bei manchen Arbeitsgemeinschaften mitbringen soll, diese haben aber nichts mit Schulzweig, sondern höchstens mit dem Absolvieren einer gewissen Jahrgangsstufe zu tun. SchülerInnen der Schumpeterklassen haben pro Semester eine extracurriculare Arbeitsgemeinschaft zu belegen. 7.1.2 Organisation Wer bietet an? Waren es im ersten Jahr eher die LehrerInnen selbst, die in die Bresche gesprungen sind, ist es mit den Jahren gelungen, externe Anbieter/Experten für die Arbeitsgemeinschaften zu finden. Vor allem die Eltern unterstützen uns hier mit ihrem beruflichem Wissen und Umfeld. Die „Anbieter“ dieser Workshops werden grundsätzlich nicht bezahlt. In Ausnahmefällen wird ein Materialbeitrag erhoben oder es hilft unterstützend der Schumpeter-Verein aus. Für einige Arbeitsgemeinschaften konnte dank des Einsatzes eines Lehrers ein Sponsoring ermöglicht werden. Wie ist die Anmeldung organisiert? Am Anfang des Schuljahres wird ein Verzeichnis aller Arbeitsgemeinschaften für das laufende Schuljahr aufgelegt (ein zusätzliches Exemplar inkl. Anmeldelisten liegt im Sekretariat, das von allen SchülerInnen eingesehen werden kann. Die SchülerInnen tragen sich hier in die Anmeldelisten ein, ohne das Sekretariat zu belasten). Die Coaches stellen ihren jeweiligen Coachees die Arbeitsgemeinschaften vor, geben eventuell notwendige Hilfestellung und weitere Informationen. Auch wenn dies neben all den anderen zu absolvierenden Bausteinen (z.B. individuelle Arbeitszeit, Freigegenstände, Coachingstunde) auf den ersten Blick viel erscheint, die Erfahrung zeigt uns, dass wir hier eher bremsen denn ermuntern müssen. Einige Wochen vor dem tatsächlichen Termin wird die jeweilige Veranstaltung nochmals allgemein angekündigt (Plakate). Zertifikat Die SchülerInnen erhalten als Dokumentation über den Besuch jeder extracurricularen Arbeitsgemeinschaft eine Bestätigung, die in der Portfoliomappe abgelegt wird. Die Angebote werden auch von den SchülerInnen der anderen Schulzweige gerne angenommen und haben tatsächlich dazu beigetragen, Hemmschwellen zu überwinden, Lust auf Neues zu fördern und das „Miteinander-Gefühl“ für Eltern, Lehrer und Schüler auf eine neue Basis zu setzen. 7.1.4 Ein kurzer Auszug aus dem Angebot der letzen Jahre Zur Veranschaulichung werden einige thematische Kostproben extracurricularer Arbeitsgemeinschaften der letzten Jahre vorgestellt: Lesung in der „Alten Schmiede“ mit Peter Turrini Grafik und Design, veranstaltet an der WU-Wien „New Economy“, veranstaltet am Österreichischen Wirtschaftsmuseum „Technik des wissenschaftlichen Arbeitens“ „GIS-Projekt Geografie“. Das Programm wurde als einziger österreichischer Schulbeitrag am World GIS Day 2001 präsentiert. „Von der wirtschaftlichen Zukunft“, am Österreichischen Wirtschaftsmuseum „Hablas espanol?“, spanische Kommunikation im Alltag „Traumdeutung I“ mit einer Psychotherapeutin „Kunsthandwerks-Workshop I“ (mit Künstlerinnen und Künstlern des Vereins Divina) „The Art of the Debate“ (in Anlehnung an die Gepflogenheiten des britischen House of Commons wurden SchülerInnen unter Anleitung von Nicolas Allen Vienna’s English Theatre in die Kunst des zivilisierten, objektiven Debattierens eingeführt „Fotoworkshop“ (von der Kamera, eigenen Fotos, bis zur Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Wiener Lichtbildnerklub und dem ORF-Fotoclub) „Kunst des Sprechens“ (Kurs Einführung in das richtiges Atmen und Sprechen sowie die Kunst der Rhetorik unter der Anleitung der freischaffenden Schauspielerin Katja ThostHauser) „SchülerInnen an die Unis“ (Selbstorganisation – SchüerInnen nahmen das Angebot der Universitäten, Seminare zu belegen wahr) „Interkulturelles Management“, Dr. Winkler-Lüth, Unternehmerin und stv. Leiterin der Jungen Wirtschaft, in Zusammenarbeit mit der Volkswirtschaftlichen „Schau? Spiel!“ Erarbeitung von Sketches und Szenenausschnitten aus Theaterstücken unter der Anleitung des Burgschauspielers Bruno Thost. 7.1.3 Resümee Die Vielfältigkeit des Angebotes macht es möglich, dass viele SchülerInnen Themengebiete erforschen und entdecken können, die teilweise weit ab vom „Normal-Unterricht“ sind. So konnten sich auch interessierte SchülerInnen mit Unterstützung eines engagierten Elternpaares bei einem Kurz-Tanzkurs für den Ball fit machen. Nach wie vor liegt ein großer Teil der Organisation bei den Lehrern. Dank der (immer mehr werdenden) Hilfe der Eltern konnte ein Teil des organisatorischen Aufwandes bei einigen extracurricularen Arbeitsgemeinschaften schon aus der Hand gegeben werden. Die „Herausforderung“ die dazu nötigen Räume in der Schule ausfindig zu machen, werden durch die Tatsache gemildert, dass die Workshops außerhalb des Unterrichts stattfinden. Und die fehlende Möglichkeit der Bezahlung der Referenten wird durch das Organisations- und Überzeugungstalent der einzelnen LehrerInnen kompensiert. VI wissenschaftplus 1-06/07 … bis zu einem Highlight 2005/2006 : Obduktion/Autopsie im AKH „Woran ist dieser Mensch verstorben?“ (inkl. Vorbesprechung und Nachbetreuung mit einer Schulpsychologin) „Möglichkeit einer 7.2 Coaching-Cui bono? Autorin des Punktes 7.2 ist Elfriede Hammerl Coaching gleicht einem „Trojanischen Pferd“, das eine Kombination an psychologischen Diensten, für spezifische Ziele subsumiert. Allgemeines Metaziel ist „Hilfe zur Selbsthilfe“, das heißt, es ist immer (nur) Anstoß zum selbstständigen Überdenken des eigenen Handelns der einzelnen Person und/oder zum eigenen Handlungsexperiment. Ausgehend von den positiven Erfahrungen mit dem Instrument Coaching in der Personalentwicklung und im @ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP Sport sowie der Defizitanalyse im schulischen Bereich wurde Coaching als ein wichtiger Baustein im Schulversuch „Begabungsförderungsmodell Schumpeter-Handelsakademie“ aufgenommen. Unter „Schul-Coaching“ versteht man eine Mischform verschiedener Methoden (Consulting, Mediation, Supervision usw.), wobei der Coaching-Anteil am größten ist. Das Arbeiten eines Lehrers mit einer Kleingruppe von 4 bis 5 Schülern über einen längeren Zeitraum im Coaching, ist etwas gänzlich Neues in unserem Bildungssystem. Coaching in der Schule ist ein Prozess der inneren Differenzierung und Individualisierung zur Personalentwicklung von Schülern. Entrepreneurial-Tugenden, wie selbstständiges Arbeiten, Eigenverantwortung übernehmen, unternehmerisches Denken und Handeln, sollen durch entsprechende Rahmenbedingungen gefördert werden. Unsere Coachees lernen den Unterschied zwischen reaktivem und proaktivem Handeln, sie werden ermutigt, kreative Ideen zu entwickeln und sie umzusetzen. Absicht des Coachings ist es, mit Hilfe geeigneter Methoden beim einzelnen Jugendlichen Wahrnehmungsblockaden zu lösen und vor allem Selbstorganisationsprozesse in Gang zu setzen, die es dem Coachee ermöglichen, seine Fähigkeiten im Sinne der „Entrepreneurship Education“ zu entwickeln. Vertrauen zwischen dem Coach und dem Coachee ist eine unumgängliche Voraussetzung. Differenzierte Lehr-/Lernmöglichkeiten in der Schule, aber auch Entwicklungen im Persönlichkeitsbereich, sind die wichtigsten Bausteine des Prozesses. Im Rahmen des Schulversuchs wurden hier folgende Angebote formuliert z.B. individuelle Projektarbeit, extracurriculare Arbeitsgemeinschaften, individuelle Zielsetzungen im Rahmen des Regelunterrichts, Besuch von Tutorien, Abhaltung von Tu- torien für MitschülerInnen und auch die Belegung bestimmter Freifächer und/oder Zusatzqualifikationen. Coaching setzt auch auf die Entwicklungsmöglichkeiten der persönlichen und sozialen Kompetenzen, der so wichtig gewordenen Softskills. Insbesondere sind Aufgabenzuwendung Motivation, Kreativität gepaart mit intellektuellen Fähigkeiten in einem sozial verträglichen Umfeld wesentlich. Hat man nun mit dem Instrument des Coachings die Quadratur des Kreises gefunden oder gibt es Grenzen? Nur wer sich seiner Fähigkeiten als Coach bewusst ist, arbeitet seriös. Die enorme Fülle und inhaltliche Breite von Anlässen für Coaching sind unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass Coaching kein Allheilmittel ist. Manche möglichen Probleme (z.B. psychotherapeutische Probleme, Probleme innerhalb der Familie) sind mit unserer Ausbildung und Stellung als LehrerInnen nicht zu bewältigen. Auch ist nicht jeder Coach für jeden Anlass geeignet. Autor: Josef Aff (außer Punkt 7.1 und 7.2) Ausgewählte vertiefende Literatur Aff, J., Lindner, J. (2005): Entrepreneurship Education zwischen „small und big ideas“ – Markierungen einer Entrepreneurship Education an wirtschaftsberuflichen Vollzeitschulen. In: Aff, J., Hahn, A. (Hrsg.): Entrepreneurship – Erziehung und Begabungsförderung an wirtschaftsberuflichen Vollzeitschulen. Innsbruck. Aff, J., Hahn, A. (Hrsg.) (2005): Entrepreneurship – Erziehung und Begabungsförderung an wirtschaftsberuflichen Vollzeitschulen. Innsbruck. Aff, J., (Hrsg.) (2004): Medienpaket Entrepreneurship Education. Wien. Aff, J., Hahn, A., Materne, J., Sailmann, G. (2006): Wissenschaftliche Begleitforschung des Begabungsförderungsmodells Schumpeter-Handelsakademie. Abschlussbericht März 2006. Im Auftrag des Österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wien/Nürnberg. http://www.wu-wien.ac.at/wipaed/forsch/forschthemen Kuda, E., Strauß, J. (Hrsg.) (2002): Arbeitnehmer als Unternehmer? Hamburg. Faltin, G., Rispas, S., Zimmer, J. (Hrsg.) (1998): Entrepreneurship. Wie aus Ideen Unternehmen werden. München. Kempel, H., Höglinger, W. (Hrsg.) (2006): Entrepreneurship & Management (Lehrbuch, Band 1 und 2). Wien. Schumpeter-Handelsakademie: Leitfäden zur Bausteindokumentation. Wien 2006 WISSENSCHAFTLICHE ANALYSE RUDOLF DÖMÖTÖR, Institut für Entrepreneurship und Innovation, Wirtschaftsuniversität Wien DANIELA A. ALMER-JARZ, Abteilung für Innovationsmanagement und Unternehmensgründung, Universität Klagenfurt NATASCHA DEUTINGER, Lehrstuhl für Entrepreneurship und Gründungsmanagement, Fachhochschule Salzburg Das unternehmerische Potenzial von Schülern Entrepreneurship. Ein Bericht über die Entwicklung eines Softwareprogrammes zur Messung unternehmerischer Einstellungen bei Schülerinnen und Schülern. Hintergrund Entrepreneurship-Kurse im sekundären und tertiären Bildungsbereich haben in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum stark an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wird in hohem Maße von der Europäischen Union forciert, die im 2004 verabschiedeten „Aktionsplan: Europäische Agenda für unternehmerische Initiative“ alle Mitgliedsländer auffordert, „die unternehmerische Ausbildung in die Lehrpläne aller Schulen aufzunehmen und den Schulen die angemessene Unterstützung zu gewähren, damit sie wirksame und hochwertige Bildungsprogramme einführen können“. (Kommission der Europäischen Gemeinschaften [2004]) Die primäre Zielsetzung einer Entrepreneurship-Ausbildung besteht darin, das unternehmerische Denken und Handeln von Schülern bzw. Studenten zu fördern und zu trainieren, um diese damit für die Karrierealternative „UnternehmerIn“ zu sensibilisieren und in weiterer Folge eine Erhöhung der Gründungsneigung herbeizuführen (vgl. z.B. Gorman und Hanlon [1997]). Bislang gibt es jedoch noch kein einheitliches, allgemein anwendbares Instrument zur Messung und Evaluation der unternehmerischen Dispositionen von Schülern. Zielsetzung und Nutzen Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beauftragte deshalb im Frühjahr 2005 ein Forschungskon- wissenschaftplus 1-06/07 VII [ WISSENSCHAFT ENTREPRENEURSHIP sortium, bestehend aus dem Institut für Entrepreneurship und Innovation der WU Wien, der Abteilung für Innovationsmanagement und Unternehmensgründung der Universität Klagenfurt und dem Lehrstuhl für Entrepreneurship und Gründungsmanagement der FH Salzburg, mit der Entwicklung eines derartigen Testverfahrens. Mit diesem Test sollten SchülerInnen im sekundären Bildungsbereich, insbesondere in berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sowie in allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) hinsichtlich ihrer (1) Persönlichkeitseigenschaften, die typischerweise mit Unternehmertum assoziiert werden und (2) ihrer unternehmerischen Einstellungen analysiert werden können. Darüber hinaus sollte ein eigenständiges, einfach anwendbares Software-Programm zur Analyse und Auswertung der Messdimensionen entwickelt werden. Diese Informationen können für eine gezielte Förderung von unternehmerischem Potenzial genutzt werden und eine Voraussetzung zur Verbesserung von Lehr- und Lernschritten zur Erreichung von Kompetenzen im Bereich Entrepreneurship schaffen. Die Messungen können punktuell oder im Zeitablauf durchgeführt werden. Damit können u.a. auch die Wirkungen von Ausbildungsprogrammen (z.B. Junior, Übungsfirma, „Entrepreneurship-HAK“ etc.) auf die Einstellungen der SchülerInnen gemessen werden. Vorgehensweise Zunächst wurden im Rahmen einer Literaturanalyse „allgemeine Persönlichkeitseigenschaften“, „spezifische Persönlichkeitseigenschaften“ (Entrepreneurial Traits) und „unternehmerische Einstellungen“ als relevante Messdimensionen identifiziert. Darauf aufbauend wurden in weiterer Folge die dafür angewandten Messmethoden analysiert. Die identifizierten Skalen (Costa und McCrae [1992]; Müller [2004]; Robinson et al. [1991]) wurden in zwei empirischen Untersuchungen bei insgesamt 703 Schülern an 13 österreichischen Schulen der sekundären Bildungsstufe auf ihre Anwendbarkeit bei der Zielgruppe getestet. Die Analyse und Auswertung der Daten erfolgte mit Hilfe allgemein anerkannter statistischer Methoden und führte in mehreren Schritten zu Anpassungen und Änderungen der Skalen für das endgültige Messinstrument, die eine optimale Anwendbarkeit bei der Zielgruppe gewährleisten sollten. Insbesondere wurden die Praktikabilität und Verständlichkeit sowie Reliabilität und Validität des gesamten Fragebogens überprüft. Der endgültige Test ermöglicht somit eine präzise und verlässliche Messung der ausgewählten Dimensionen. Parallel dazu wurden Verfahrensanweisungen für die Durchführung des Tests im Schulbetrieb in einem Handbuch dokumentiert und das Softwaretool entwickelt, mit dessen Hilfe die Items des Fragebogens benutzerfreundlich eingegeben und die Auswertungen durchgeführt werden können. Das Softwaretool ist ein einfach zu bedienendes datenbankgestütztes Programm auf Basis von MS Access. Es besteht aus einer Applikation für SchülerInnen und einer Applikation für LehrerInnen. Das SchülerInnen-Messinstrument dient der Messung und individuellen Analyse der eigenen Persönlichkeitseigenschaften und unternehmerischen Einstellungen. Die Individualanalyse ist nur für die jeweiligen Probanden abrufbar. Die zweite Applikation ist ein Auswertungstool für LehrerInnen zur Analyse der kumulierten Daten einer Klasse bzw. eines Jahrgangs. Die Auswahl kann nach mehreren Kriterien, wie z.B. Geschlecht, eingegrenzt werden. VIII wissenschaftplus 1-06/07 Das Testverfahren Der endgültige „Test zur Erhebung unternehmerischer Potenziale bei österreichischen Schüler“ (T-EUP-S) besteht aus drei Teilen mit insgesamt 56 Fragen. Der erste Teil widmet sich den allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen. Darin werden jeweils fünf Fragen zu den Dimensionen emotionale Stabilität, Extraversion (Aufgeschlossenheit) und Selbstbezogenheit gestellt. Insgesamt 15 Fragen sind einem dieser drei Merkmale zugeordnet. Die SchülerInnen sind aufgefordert, verschiedene Aussagen auf einer siebenstufigen Bewertungsskala einzustufen. Im zweiten Teil werden die spezifischen Persönlichkeitsmerkmale gemessen. Dazu zählen im T-EUP-S Leistungsmotivstärke, Durchsetzungsbereitschaft und Ungewissheitstoleranz. Der Test basiert auf einer Situationsbeschreibung mit drei Antwortalternativen. Dabei ist stets nur eine Antwortalternative für das jeweilige gemessene Merkmal typisch. Wird die betreffende Alternative angekreuzt, gibt es Punkte, werden andere Alternativen ausgewählt, gibt es keine Punkte. Im dritten Teil des Messinstruments werden die unternehmerischen Einstellungen anhand der drei Merkmalsbereiche Innovationsbereitschaft, wahrgenommene Kontrollüberzeugung und wahrgenommenes Selbstwertgefühl gemessen. Diese Messung der unternehmerischen Einstellungen umfasst 26 Fragen. Ähnlich wie im zweiten Teil des Tests müssen die SchülerInnen verschiedene Aussagen auf einer Bewertungsskala einstufen. Die Messungen sollten jeweils am Beginn und am Ende eines Schuljahres bzw. Ausbildungsprogramms durchgeführt werden. Bei der ersten Messung muss der gesamte Test, d.h. Teil 1–3, durchgeführt werden. Die Analyse und Auswertung der eingegebenen Daten erfolgt unmittelbar nach der vollständigen Beantwortung der Fragebögen durch das Softwaretool. Dabei werden für jede Messdimension die Ergebnisse berechnet sowie ein Interpretationsschema erstellt. Die Interpretationsschemata beinhalten eine Beschreibung des untersuchten Merkmals und des jeweiligen Ergebnisses sowie Empfehlungen für etwaige Verbesserungen. Die allgemeinen und spezifischen Persönlichkeitsmerkmale werden nur einmal – d.h. zu Beginn eines Schuljahres oder Ausbildungsprogramms – erhoben. Sie gelten als relativ stabil und die Ergebnisse dieser Daten geben einen Überblick über das vorhandene unternehmerische Potenzial der SchülerInnen. Die unternehmerischen Einstellungen hingegen werden zweimal gemessen: Sie gelten als im Zeitablauf veränderbar und können daher positiv oder negativ beeinflusst werden. Die zweite, zeitversetzte Messung, z.B. am Ende des Schuljahres zeigt deshalb, wie sich die unternehmerischen Einstellungen der SchülerInnen seit Durchführung der ersten Messung verändert haben. Das Projekt „Entrepreneurship: Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften“ wurde im Februar 2006 abgeschlossen. Die Mess-Software wird mit Beginn des Schuljahres 2006/07 interessierten Schulen vom BMBWK kostenlos zur Verfügung gestellt. Literatur Costa, P.T., McCrae, R.R. (1992): Revised NEO Personality Inventory (NEO PI-R) and NEO Five Factor Inventory: Professional Manual, Odessa-Florida, Psychological Assessment Resources. Gorman, G., Hanlon, D. (1997): Some Research Perspectives on Entrepreneurship Education, Enterprise Education and Education for Small Business Management: A Ten-Year Literature Review, in: International Small Business Journal, 15 (3), 56-78 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2004): Aktionsplan zur Förderung der unternehmerischen Initiative. Müller, G.F. (2004): Fragebogen zur Diagnose unternehmerischer Potenziale (F-DUP), Universität KoblenzLandau, Campus Landau, Psychologie des Arbeits- und Sozialverhaltens. Robinson, P.B., Stimpson, D.V., Huefner, J.C., Hunt, H.K. (1991): An attitude approach to the prediction of entrepreneurship, in: Entrepreneurship: Theory & Practice, 14 (4), 13–31