alte musik nachrichten - Akademie für Alte Musik Bremen

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ALTE MUSIK NACHRICHTEN
Alte Musik in Bremen
NEUES AUS DER ALTEN MUSIK 6
FÜR
STUD ENTEN , DOZENTEN , ALUM N I, EXBREM ER UN D FREUN D E
der Akademie für Alte Musik (1986-1994)
und der Hochschule für Künste, Abteilung Alte Musik (ab 1994)
Wissenswertes über Themen aus der Alten Musik in Bremen
www.alte-musik-bremen.de
Verantwortlich für Text und Inhalt: Dr. Greta Haenen
LIEBE FREUNDE DER ALTEN MUSIK IN BREMEN,
Den Anfang der vorigen Vorrede kann ich eigentlich gleich übernehmen: »Die neuen AMN hätten etwas schneller als
die vorigen kommen sollen, aber wie Almut so schön sagt: »man will dat wohl all doch man kommt nicht dar too«. Aber
was lange währt, wird (hoffentlich) endlich gut.« Es ist viel passiert und ich hatte auch ne kleine OP, das hat die Sache
ein wenig nach hinten geschoben.
Wir waren inzwischen schon zum dritten Mal zu Gast bei der Internationalen Sommerakademie Mozarteum in Salzburg,
nach der »Kurzfassung« des Sommerkurses voriges Jahr jetzt wieder mit einer längeren Fassung. Es hat sich gezeigt,
dass der Kurs des vorigen Jahres arg kurz war, sodass nicht genug Zeit war, um die Sachen, die wir arbeiten wollten,
auch zu arbeiten. Dieses Jahr gab es also wieder eine »Langfassung«, MoMo III. Gemma Bertagnolli war zum zweiten
Mal als Gast dabei und hat gleich auch Interesse gekriegt von Teilnehmern und Teilnehmerinnen von anderen Kursen,
die sich bei ihr hineingeschlichen haben und sehr begeistert waren! MoMo IV ist im Kommen! Auch 2013 will uns die
Sommerakademie wieder haben. Näheres folgt in den nächsten Wochen!
Gemma Bertagnolli war auch maßgeblich als »Vokalcoach« beteiligt beim Opernprojekt 2011 der HfK, Monteverdis
Orfeo; die musikalische Leitung hatte Thomas Albert, Regie führte Gregor Horres; weiter unten mehr dazu.
Am 20. und 21. April 2012 war die HfK Bremen Gastgeberin für die »Early Music Platform« der AEC (Association Européenne des Conservatoires de Musique). Das war sozusagen der Abschluß der 25-Jahrefeier.
Weitere Aktivitäten findet Ihr immer wieder auf unsere Website: www.alte-musik-bremen.de. Nachschauen lohnt sich!
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Greta Haenen
AUS DER LEHRE...
Die Aufnahmeprüfungen zum WS 2011 waren für die Alte Musik erfolgreich; 32 Bewerberinnen und Bewerber haben bestanden und wurden zum Studium
zugelassen; die meisten sind auch gekommen. Zum WS 2012 haben sogar 41 Bewerber bestanden. Wir hoffen jetzt, dass wir die meisten aufnehmen
dürfen; drei haben abgesagt, für 36 haben wir im Moment schon Zusagen von Seiten der HfK. Es wird mindestens eine Erasmus-Studentin geben, Stina
Petersson (Barockvioloncello) aus Schweden. Allen Neuen ein
ganz herzliches Willkommen in Bremen.
Gebhard David begann seine musikalische Ausbildung auf der Blockflöte und
Unsere Zinkklasse hat mittlerweile 5 Studies; Dozent ist Gebhard
der Viola da Gamba. Mit zwölf Jahren entdeckte er den Zink, der von da an
David. Es studieren auch 4 Posaunisten in Bremen und die Tromsein Hauptinstrument wurde. Er studierte an der Schola Cantorum Basiliensis
petenklasse hat wieder Zulauf. Es gibt etwa 100 Studierende, verAlte Musik mit Hauptfach Zink bei Bruce Dickey und erhielt 1997 sein Diteilt über die Hauptfächer Gesang, Cembalo/Historische Tasten,
plom. Gebhard David spielt seit Jahren mit den bekanntesten Gruppen für AlOrgel, Lauteninstrumente, Continuo, Blockflöte, Traversflöte,
te Musik wie Double Bande, Les Cornets Noirs, Hesperion XXI, Il Giardino Armonico,
Oboe, Dulzian/Fagott, Zink, Posaune, Trompete, Violine/Viola,
Concerto Köln, La Petite Bande, Concerto Palatino, La Fenice oder L’Arpeggiata in ganz
Violoncello, Viola da Gamba/Violone. Sie schließen ab mit BM
Europa. Außerdem konzertierte er in Israel, Russland, Nord- und Südamerika.
oder MM; am dritten Zyklus (Dr. Mus) arbeiten wir; zur Zeit könMehr als 60 CD-Einspielungen bei verschiedensten Labels dokumentieren seinen wir den Dr. Mus. nur in Zusammenarbeit mit der Universität
ne bisherige Laufbahn. Für die Mitwirkung bei einer CD mit L’Arpeggiata eranbieten. Studienverlaufspläne kann man sich auf der Webiste der
hielt er 2010 einen Echo, sowie 2011 einen Grammy für eine CD-Einspielung
Hochschule für Künste (www.hfk-bremen.de) anschauen. Einiges
mit Jordi Savall.
wird sich noch ändern, wir arbeiten daran, dass das Studium vor
Von 2006 bis 2008 war Gebhard David Dozent für Zink und Diminution an
allem für die Bachelors noch stringenter und zielgerichteter wird.
der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen. Seit 2009 ist er Dozent an
der Hochschule für Künste in Bremen.
ANFANG DES NEUEN SEMESTERS:
8. Oktober 2012
Oktober 2011 hatten wir 97 Studierende. Etliche davon machten in diesem Jahr Abschluß. Wir hatten 2011/12 wieder eine Erasmus-Studentin: Nina
Grigorjeva, Dulzian/Fagott. Als krönenden Abschluß ihres Erasmusjahrs hat sie ein Konzert gemacht, in dem sie diese beiden Instrumente in verschiedenen Kombinationen mit anderen Studies gespielt hat. Ihr hat vor allem auch die Möglichkeit gefallen, sich auf Dulzian zu spezialisieren, was an ihrer
Heimathochschule in Schweden nicht geht. Und sie hat davon profitiert, dass wir mittlerweile auch imstande sind, unterschiedliche Ensembles zu bilden,
vom kleinen Consort bis zum Barockorchester. Zudem gibt es bei uns mittlerweile die von unseren Studies gerne genutzte Möglichkeit, mit Klaus
Eichhorn Projekte zu machen, deren Abschlußkonzerte mit echten historischen Orgeln in der weiteren Umgebung Bremens musiziert werden können.
Wie es mit den Studierendenzahlen 2012/13 aussieht, wissen wir noch nicht; das klärt sich wohl erst Anfang Oktober. Wenn alle Bewerberinnen und
Bewerber kommen, werden wir zum ersten Mal über hundert Studenten haben. Damit gehören wir zu den großen Abteilungen Alte Musik in Europa.
NEUE KOLLEGEN
Ab Wintersemester wird Peter Kooij unsere Sänger mitbetreuen.
Wir hoffen, dass auch Gemma Bertagnolli (s. unten) kommen wird. Dann sind
unsere Sänger auch rundum versorgt und können unterschiedliche Schwerpunkte
wählen. Und gute Nachrichten auch für die Streicher: Veronika Skuplik lehrt ab
Wintersemester Violine und Ornamentik in Bremen.
Veronika Skuplik studierte Barockvioline bei
Thomas Albert und gehört zu den allerersten Absolventinnen der Akademie für Alte Musik. Sie
gilt als eine der prominentesten Spezialistinnen
für das 17. Jahrhundert und wird von den wichtigsten Ensembles eingeladen, darunter z.B. L’Arpeggiata (Christina Pluhar) und Concerto Palatino,
Cantus Cölln oder La Stravaganza Köln. Sie hat auch
eigene Bands, u.a. La Dolcezza und Chelicus und
wird auch gehört mit Oltremontano. Sie spielt vor
allem in solistisch besetzten Ensembles.
Tourneen, Lehrtätigkeit und Aufnahmen führten sie durch ganz Europa,
Israel und in die USA. Sie unterrichtete an der Universität Oldenburg, leitete Meisterkurse und Orchesterprojekte an den Musikhochschulen von
Utrecht und Malmö, bei der Trigonale (Österreich), in Madison (Wisconsin),
Oberlin (Ohio) und Rochester (New York), sowie an der Carnegie Hall.
Von 1997 bis 2000 lehrte sie schon an der HfK.
Ihre Diskografie umfasst ca. 60 CDs bei Teldec, Alpha, harmonia mundi
France, ramée, carus, cpo u.a. und sie wurden teilweise mit Preisen (u.a.
Echo-Klassik) ausgezeichnet.
In Bremen wird sie Barockvioline und Diminution/Ornamentik des 17.
Jahrhunderts lehren.
Peter Kooij machte bereits als Knabensopran viele Rundfunkund Schallplattenaufnahmen. Nach Violinstudium am Utrechter
Konservatorium studierte er Gesang bei Max van Egmond am
Sweelinck-Konservatorium in Amsterdam, wo er sein Solistendiplom mit Auszeichnung erwarb. Seine Konzerttätigkeit führte
ihn an die wichtigsten Musikzentren der ganzen Welt, wie z.B.
Concertgebouw Amsterdam, Musikverein Wien, Carnegie Hall, Royal Albert Hall, Teatro Colon, Berliner und Kölner Philharmonie, Palais Garnier, Suntory Hall und Casals Hall Tokio. Er sang unter u. a. Philippe Herreweghe, Ton Koopman, Frans Brüggen, Gustav
Leonhardt, René Jacobs, Sigiswald Kuijken, Roger Norrington
und Ivan Fisher.
Neben dem Vokalwerk Bachs umfasst sein umfangreiches Repertoire Werke von H. Schütz bis A. Webern und wird durch
mehr als 130 CD-Produktionen dokumentiert.
1999 gründete er das Kammerorchester »De Profundis«, das sich
zum Ziel gesetzt hat, Sänger im Hinblick auf die historische
Aufführungspraxis adäquat zu begleiten. Im gleichen Jahr rief er
das Vokalensemble »Sette Voci« ins Leben, das sich aus jungen
Nachwuchssängern zusammensetzt und dessen künstlerischer
Leiter er ist. Seit 2002 ist er Mitglied des Solistenquartetts »Tanto
Canto«.
1991–2000 Professur für Gesang am Sweelinck-Conservatorium
in Amsterdam; 1995–1998 Lehrauftrag an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater Hannover; seit 2000 Gastdozent
an der Tokyo University of fine Arts and Music, seit 2005 Professur für Gesang am Koninklijk Conservatorium in Den Haag.
Meisterkurse in Deutschland, Frankreich, Portugal, Spanien,
Belgien, Finnland und Japan.
Neuer Korrepetitor für die Sänger und Dozent Nebenfach Cembalo ist unser
Absolvent Torsten Übelhör. Torsten Übelhör hat voriges Jahr seinen Abschluß in Bremen bei Ludger Rémy (der Carsten Lohff vertreten hat) gemacht;
vorher studierte er Kirchenmusik und Orgel Alte Musik in Bremen bei Klaus Eichhorn sowie Cembalo in Trossingen bei Marieke Spaans. Torsten hat
sehr viel Erfahrung mit dem Korrepetieren und mit Opernarbeit. Noch während seiner Studienzeit assistierte er Lorenz Duftschmid bei einer
Aufführungsreihe von Marin Marais’ Oper Alcyone in Wien und in Bremen war er maßgeblich an den Barockoperprojekten der HfK 2010 und 2011 La
Betulia Liberata (Mozart) und L’Orfeo (Monteverdi) als musikalische Assistenz von Thomas Albert und Sängercoach beteiligt. Im März 2012 leitete er beim
Operastudio Amsterdam La Descente d’ Orphee aux Enfers von Marc-Antoine Charpentier (Regie: Timothy Nelson).
NACHRICHTEN VON DOZENTEN
Auszeichnungen und Preise
Chevalier
Wir haben einen zweiten Ritter unter uns: Nach Harry van der Kamp hat auch Thomas Albert einen Orden bekommen, er ist jetzt Chevalier des Arts et
des Lettres, am 22. März wurde ihm die Urkunde überreicht. Die Auszeichnung ist eine französische und sie wird ihm verliehen wegen seiner Verdienste
um die französische Kultur und Musik.
Echo Klassik
Einen Echo Klassik für die Kammermusik-Einspielung des Jahres (17./18. Jh.) 2011 erhielt die Aufnahme Loves Alchymie mit Hille Perl/ Dorothee
Mields/ Lee Santana www.hillenet.net
Auch 2012 haben wir den Gewinner eines Echo Klassik unter uns: Harald Vogel gewann einen Echo als Instrumentalmusiker des Jahres (Orgel) für seine
Einspielung des Orgelwerks von Jan Pietersz. Sweelinck.
Musikfest Bremen: Preis und Förderpreis geht an Bremer:
Harald Vogel erhält den diesjährigen 15. Musikfest-Preis. Er wird u.a auch für seine Verdienste um das Erbe Arp Schnitgers ausgezeichnet. »Mit dem
Musikfest-Preis zeichnet das Festival seit 1998 jährlich bedeutende Solisten, Ensembles, Orchester und Dirigenten aus, die durch ihr herausragendes künstlerisches Wirken in
der internationalen Musikwelt eigenständige Akzente gesetzt haben. Preisträger der vergangenen Jahre waren u. a. Sir John Eliot Gardiner, Jessye Norman, Nikolaus Harnoncourt,
Marc Minkowski, Hélène Grimaud und Masaaki Suzuki.« (Pressemitteilung Musikfest Bremen)
Der Förderpreis Deutschlandfunk »Artist in Residence« 2012 geht an das Duo Davit Melkonyan (Violoncello) und Mikayel Balyan (Hammerklavier).
Die Preise wurden im festlichen Rahmen während des Arp-Schnitger-Mahls in der oberen Rathaushalle verliehen; Davit und Mikayel spielten dabei eine
Sonate für Klavier mit Begleitung eines Violoncells von Bernhard Romberg. Zum Preis gehören auch Aufnahmen, eine CD wird bei Sony/DHM erscheinen. www.musikfest-bremen.de
Harry van der Kamp wurde mit Eingang des Sommersemesters in den Ruhestand verabschiedet. Er bleibt uns aber noch eine Weile erhalten und wird seine
jetzigen Studierenden zum Abschluß führen. Die Nachfolge soll demnächst ausgeschrieben werden.
Wim Becu hat am 1. April mit den Zink- und Posaunenstudenten in Hannover beim Symposium der Internationalen Posaunenvereinigung e.V. (IPV)
in Hannover (29.3. - 1.4.) als einziges Ensemble auf historische Instrumenten und von der Gesellschaft eingeladen Werke von Gabrieli aufgeführt. Für
viele Teilnehmer dieses Ereignis war es die erste Kenntnisnahme mit dem Klang historischer Instrumente. Man war sehr begeistert, es gab reges Interesse
von Seiten der »modernen Bläsern«. Außerdem wurde seine neue Solo-CD (Trombone Grande) am 1. Mai veröffentlicht.
Harry van der Kamp ist in diesem Jahr Artist in Residence in Utrecht. Das Festival Alte Musik wird dieses Jahr von Bremern eröffnet: Das große Eröffnungskonzert bestreiten zusammen das Gesualdo Consort unter Harry van der Kamp, Oltremontano unter Wim Becu und das Arp-Schnitger-Ensemble unter
Thomas Albert (s. unten). Mit dem Gesualdo Consort hat Harry van der Kamp dieses Jahr auf Einladung der niederländischen Königin Beatrix das Konzert zum Koninginnedag gestaltet. Gesungen wurden Werke von Jan Peierszoon Sweelinck (1562-1621), dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum
450. Mal jährt. Die Gesamtaufnahme des Vokalwerks dieses Komponisten, in den Niederlanden mit CD-Büchern ausgestattet, die den Kontext von
Sweelincks Musik (historisch, politisch, kunst- und kulturhistorisch usw) erläutern, wurde vielfach mit Preisen ausgezeichnet (u.a. dem Edison Klassiek,
aber auch mehreren anderen Preisen).
Zusammen mit Musica Amphion arbeiten Harry van der Kamp und das Gesualdo Consort an eine Reihe »Bach contextueel«, bei dem die Kantaten Bachs
in ihrem liturgischen Kontext aufgeführt und aufgenommen werden. Dabei werden auch die neuesten Erkenntnisse zur Praxis Bachs umgesetzt – das
heißt: einfache Besetzung, Doppelcontinuo mit Kirchenorgel und Cembalo. Entsprechende Konzerte wird es auf jeden Fall in der Martinikerk in Groningen und der Grote Kerk in Maassluis sowie der Waalse Kerk in Amsterdamgeben; zu den Programmen gibt es »CD-Bücher«, deren erstes »Jesu meine
Freude« schon erschienen ist und deren zweites Anfang Dezember erscheint. www.jpsweelinck.nl und www.harryvanderkamp.nl
Marten Root war unterwegs in Japan und den USA. Die erfolgreiche Pariser Produktion von Debussys Oper Pelléas et Mélisande mit L’Orchestre révolutionnaire
et romantique unter Sir John Eliott Gardiner, bei der Marten Root die Soloflöte gespielt hat, wurde konzertant 2012 auch in London bei den Proms mit
großem Erfolg aufgeführt.
Han Tol hat in Südkorea konzertiert und Meisterkurse gemacht. Er war 2012 auch Dozent in Amherst (USA).
Über Hille Perl gibt es mittlerweile auch einen längeren Eintrag in Wikipedia; sie veröffentlicht auch regelmäßig (Solo-)CDs, die ebenso regelmäßig Preise
gewinnen. Bei der Einspielung, die 2011 den Echo Klassik gewann, spielten auch Sirius Viols mit, sodass auch Studies aus Bremen an diesem Echo beteiligt waren! Hier ein Text von ihr auf ihrer Website zu den Sirius Viols:
Seit 2003 versammeln sich unter diesem Namen hauptsächlich Gambisten, je nach Projekt und Repertoire aber auch andere Instrumentalisten oder Sänger um unter der
Nicht-Leitung von Hille Perl verschiedene musikalische Ideen oder Ansätze auszuprobieren.
Die Beteiligten sind sowohl gegenwärtige oder ehemalige Studierende von Hille Perl, sowie jeweils ihre am meisten bewunderten und geliebten Kollegen aus benachbarten
Disziplinen.
Das Repertoire des Ensembles beschränkt sich auf Literatur die für Gamben und deren spezifisches Flair, unter Umständen auch in Kombination mit anderen Instrumenten oder Sängern geeignet erscheint, also quasi den Großteil der Weltliteratur.
Nach der ersten sehr erfolgreichen CD die mit Musik von John Dowland unter dem Titel »In darkness let me dwell« erschien, bringen die Sirius Viols im November
2011 bei Sony eine CD mit Weihnachtsmusiken heraus: eine Suche nach Frieden und Ruhe in diesen hektischen Zeiten: »Verleih uns Frieden gnädiglich«.
Veronika Skuplik (Barockvioline) war 2011 Artist in Residence beim Festival Alte Musik in Utrecht. Somit stellte Bremen zwei Jahre hintereinander diese
Position! 2012 war sie außerdem Artist in Residence beim rumänischen Festivalul de Muzica Veche Timisoara. Sie ist auch auf Wikipedia zu finden.
Festival Oude Muziek in Utrecht
Das Alte-Musik-Festival in Utrecht ist das weltgrößte und wichtigste Festival dieser Art und eine Institution – in diesem Jahr gab es die 31. Ausgabe.
Bremen ist auf diesem Festival regelmäßig vertreten, sei es, dass Studierende mit ihren Ensembles bei den Fringe-Konzerten auftreten (s. unten), sei
es, dass im vorigen Jahr Veronika Skuplik (Absolventin und ab Oktober Dozentin) und in diesem Jahr Harry van der Kamp Artist in Residence waren,
sei es, dass auch andere Konzerte von Bremern gestaltet werden. In diesem Jahr waren das nicht wenige: Susan Williams gab im Rahmen des Festivals
vom 29. August bis zum 2. September einen Trompetenworkshop mit Schwerpunkt Bach. Thomas Albert hat mit seinem eigenen Arp Schnitger Ensemble
und mit zwei anderen, maßgeblich von Bremern gesteuerten Ensembles, Oltremontano (unter Wim Becu) und Gesualdo Consort (Harry van der Kamp)
das große Eröffnungskonzert bekommen. Von der European Broadcasting Union direkt ausgestrahlt, waren unsere Leute weltweit zu hören! Es war
ein besonderes Konzert, bei dem dreichörig geistliche Werke von Gabrieli und Schütz aufgeführt wurden. Ein Aufwand wie dieser ist auch bei Großveranstaltern der Alten Musik eine große Seltenheit. Der Utrechter Dom war total ausverkauft und das Publikum war sehr begeistert.
Bei diesen drei Ensembles gab es viele Bremer; von dozentischer Seite Thomas Albert, Wim Becu, Harry van der Kamp, Klaus Eichhorn, Mikayel Balyan,
Torsten Übelhör, von Seiten der Altbremer (Studiert oder gelehrt habend): Lee Santana (Theorbe), Nele Gramss (Sopran), Jochen Grüner (Violine), Robert Schlegl (Posaune), Eva-Maria Horn (Dulzian) und als noch Studierende noch Tural Ismayilov und Andreas Neuhaus (Posaune), Julia Fritz (Zink),
Johannes Gontarski (Theorbe) und Joshua Keller (Kontrabass). Die Fernsehübertragung des ganzen Konzerts findet man auf youtube:
http://www.youtube.com/watch?v=Z-NH52EM4X8&feature=youtube_gdata. Oder auch zwei einzelne Stücke:
http://www.youtube.com/watch?v=8HvxnegrVeg&feature=relmfu und http://www.youtube.com/watch?v=dqGLHbGHpAI&feature=relmfu.
Es gab sowieso rege Bremische Arbeit in Utrecht, sowohl in Fringekonzerten (s. Nachrichten von Studenten) als auch im »normalen« Betrieb: Wim Becu
und unser Zinkstudent Lambert Colson waren Teil des Ensembles L’Ecole de Royaumont. Mit der Lauten Compagney und der Capella Angelica traten auf: Juliane
Laake (Viola da Gamba) und Christoph Burmester (Tenor), sowie aus der »normalen Abteilug Marie-Luise Werneburg (Sopran). Chiyuki Okamura (Sopran)
ist bei zwei Konzerten mit dem Bach Collegium Japan dabei gewesen, Veronika Skuplik wurde sowohl mit dem Scorpio Collectief als mit ihrem eigenen
Ensemble, Chelycus, engagiert. In diesem letzten gibt es auch Klaus Bona (Viola) und Michael Fuerst (Cembalo/Orgel). Mit der Petite Bande sang Knut Schoch
und spielte Gebhard David, mit der Compagnie Bischoff singt Angela Postweiler und bei Bachs Matthäuspassion mit der Akademie für Alte Musik Berlin sind Xenia
Löffler und Christian Beuse dabei. Joshua Cheatham hat als Teil eines Gambenduos die »Eröffnungskammermusik« gestaltet und war als Violonespieler bei
Capriccio Stravagante dabei.
Ein Konzert mit Dorothee Mields und Lee Santana mußte leider wegen Krankheit der Sopranistin im letzten Moment abgesagt werden. Es wird nächstes
Jahr nachgeholt.
Das »Instrument in Residence« in Utrecht war ein Virginal von Hans Ruckers aus 1604. Dieses Instrument wurde in drei Konzerten von drei Cembalisten
gespielt: Siebe Henstra, Alina Rotaru und Maude Gratton. Alina Rotaru korrepetiert und unterrichtet Cembalo Nebenfach in Bremen; Maude Gratton
ist die Cembalopartnerin im Ensemble unserer Violindozentin Stéphanie Paulet. Die beiden letzten werden auch während des Musikfests Bremen zu hören
sein.
CD-Veröffentlichungen
Regelmäßig erscheinen CD-Einspielungen mit unseren Dozenten, sowohl solistisch, kammermusikalisch als auch als Ensemble-Mitglied in größeren
Formationen. Demnächst will ich hier eine CD-Ecke einrichten; wer was veröffentlicht, kann mir gerne Daten schicken, dann publiziere ich das hier.
(Das gilt auch für Absolventen und Studenten!)
Versuch einer (un)gründlichen CD-Liste mit Bremer Dozenten (Erschienen 2011/2012)
Polychoral Splendour. Music from the four galleries of the Abbey Church of Muri by Giovanni Gabrieli and Heinrich Schütz, audite / 92.652
Von den Musikemporen in Muri mit den historischen Bossart-Orgeln. Mitwirkende: Siri Karoline Thornhill, Stephanie Petitlaurent, Rolf Ehlers,
Jürgen Ochs, Mirko Ludwig, Manuel Warwitz, Simon Schnorr, Kees Jan De Koning; Cappella Murensis / Les Cornets Noirs (u.a. Gebhard David);
Leitung: Johannes Strobl
Trombone grande – Music for bass sackbut around 1600, Accent / ACC 24263
Oltremontano, Leitung: Wim Becu; Mitwirkende: Doron David Sherwin, Adrien Mabire, Zinken, Robert Schlegl, Altposaune, Adam Bregman,
Tenorposaune, Wim Becu, Bassposaune, Kris Verhelst, Orgel, Ellen Schafraet, Harfe, Rainer Zipperling, Violoncello, Andrea Baur, Chitarrone
The Music of Johann Schenk, DHM (Sony) / 88691903812
Hille Perl, Viola da Gamba, mit Marthe Perl, Johannes Gontarski und Lee Santana.
Verleih uns Frieden gnädiglich, DHM (Sony) / 88697857452
Hille Perl, Anna Maria Friman, Lee Santana, Sirius Viols
siXXes, Werke von Cage, Santana, Wolff, Cornell und Bishop, mit Hille Perl, Lee Santana, Frauke Hess, Claas Harders, Marthe Perl, Julia Vetö,
Annette John, Nele Gramss; DHM / 2968888
The Best of Bach in B Minor, Globe / GLO 5243
Ensemble Schönbrunn (Marten Root, Menno van Delft, Johannes Leertouwer, Anneke van Haaften, Antoinette Lohmann, Viola de Hoog)
Awakening Princesses – Musik für Blockflöte AEOLUS 10186
Peter Holtslag, Elizabeth Kenny, Rainer Zipperling, Carsten Lohff
Josquin Desprez Missa Ave Maris Stella / Marian Motets CPO / 5717885
Philipp Dulichius Sacred Motets CPO / 2689636
Weser-Renaissance, Manfred Cordes
»Komm, süsses Kreuz – the German viol in phantastic dialogues« Musik von J.S.Bach, J.H.Erlebach, A. und J.M. Kühnel und D. Buxtehude, Frauke Hess, Veronika
Skuplik, Torsten Johann, Andreas Arend, Dominik Wörner und Josh Cheatham; Coviello / 3058052
Froberger Suites & Toccatas, Carpe Diem / CD-16290
Alina Rotaru, Cembalo
NACHRICHTEN VON ABSOLVENTEN
Unsere Ex-Studentin Anne Freitag (Traversflöte) hat 2011 den Wettbewerb Alte Musik in Brugge (B) gewonnen. Dafür unsere herzlichen Glückwünsche!
Das Boreas Quartett (Elisabeth Champollion, Luise Manske, Jin-Ju Baek, Julia Fritz), dessen Mitglieder alle bei Han Tol Blockflöte AM studiert haben,
hat ein zwölfteiliges Consort von Renaissanceblockflöten beim holländischen Blockflötenbauer Peter van der Poel bauen lassen. Einweihung war am
12. Januar 2012 um 20 Uhr in der Kirche Unser Lieben Frauen (Bremen). www.boreas-quartett.de
Außerdem hat das Boreas Quartett Bremen im Frühjahr 2012 den Förderpreis Alte Musik des Saarländischen Rundfunks und der Fritz-Neumeyer-
Akademie in Saarbrücken sowie den Publikumspreis gewonnen! Näheres dazu: http://www.sr-online.de/dersr/1640/
Claire Bracher hat am Royal College of Music (London) eine Professur für Viola da Gamba und Consort erhalten. Außerdem ist sie die Herausgeberin einer
neuen englischen Zeitschrift für Alte Musik, Musica Antiqua. Mehr dazu und Abos auf http://www.musicaantiqua.co.uk/
Carsten Krüger und Guillaume Olry (beide Gesang) sind jetzt Mitglied des renommierten Huelgas Ensemble unter Paul van Nevel.
Elisabeth Gusenbauer (Violine) hat ein Kinderbuch veröffentlicht; Text und Illustrationen sind von ihrer Hand. Titel des Buchs: Lorella, edition pro mente,
ISBN 3-978-902724-17-5. Hineinschauen lohnt sich!
http://kontrast.jimdo.com/edition-pro-mente/neue-und-aktuelle-publikationen/
Lola Soulier (Barockoboe) hat als Teil des siebenköpfigen Solistenensembles des Ensemble baroque de Limoges unter Christophe Coin mit den Bouffes du Nord
im Juli 2012 eine Veranstaltungsreihe der Comédie-ballet Le Bourgeois Gentilhomme von Molière und Lully mitgemacht; die Regie führte Denis Podalydès,
Bühne: Eric Ruf, Choreographie: Kaori Ito, Kostüme: Christian Lacroix
Versuch einer (höchst unvollständigen) Liste mit neuen CDs unserer Absolventen
Das Ensemble La Ninfea hat mit der Sopranistin Ulrike Hofbauer eine CD, »Sono amante« mit Kantaten und Kammermusik von Giovanni Battista
Bononcini (1670-1747) & Antonio Maria Bononcini (1677-1726) herausgebracht; Label: THOROFON CTH-2584. Das Ensemble La Ninfea besteht
aus unseren Absolventen Barbara Heindlmeier, Christian Heim, Simon Linné, Marthe Perl und Alina Rotaru
www.ensemble-laninfea.de
Die erste CD des Boreas Quartett heißt »Il Flauto Magico«
www.boreas-quartett.de
Ju-Hyun Kim (Orgel) hat eine CD ausgebracht bei Neo Musica: Organ Recital, mit Werken von Weckmannn, Scheidemann, Buxtehude, J.S. Bach, Krebs,
C.P.E. Bach, Liszt und Guillou.
Mehr dazu: [email protected]
ert veröffentlicht (Schell Musik, SM 7320CD).
www.schellmusic.de
Juliane Laake hat eine Solo-CD herausgebracht: »Marin Marais (1656-1728) Pièces de viole – oubliées & changées«. Sie wird begleitet von ihrem
Ensemble Art d’Echo [Katharina Schlegel (Bassgambe), Ophira Zakai (Lauteninstrumente) und Sabine Erdmann (Cembalo)]. Crystal Classics CD:
N 67 065
www.juliane.laake.de
Die neueste CD des Ensembles »Le Chardon«: Hajo Wienroth Traversflöte, Huw Daniel Violine und Winfried Dahlke, originales Cembalo von Chr.
Zell 1741: »Französische Suiten und Sonaten«, Lunaris
www.wienroth.net
András Koncz mit dem ungarischen Vokalconsort Voces Aequales: »Beatissima Beatrix« mit Musik von Tinctoris und Stokhem, Hungaroton Records
HCD 32583
www.voces.hu
Claas Harders und Silke Strauf haben die Goldberg-Variationen von J.S.Bach für zwei Bassgamben bearbeitet und für das Label Raumklang eingespielt
(RK 2807)
http://www.claasharders.de/goldberg.html bzw. http://www.silkestrauf.de/projekte.php
Leonard Trommel (Violoncello) betreut »nebenbei« auch eine Konzertreihe mit Absolventen und Diplomanden der HfK Bremen, die Habenhauser
Schafferkonzerte. Die Konzerte finden jeden 4. Freitag im Monat statt in der St. Johanneskirche in Bremen-Habenhausen. Mittlerweile gibt es schon die
5. Saison dieser Reihe, bei der mehrere Auftritte von »alten Musikern« zu hören sind.
Vereinigung Alte Musik
Einen Interessenverein für Alte Musiker hat Margret Schrietter gegründet; zu Mitbegründerinnen gehört unsere Absolventin Moni Fischaleck (Fagott).
Für Bremen mitzuständig ist eine andere Absolventin: Wiebke Corssen (Barockvioline). Hier eine Selbstdarstellung der Vereinigung:
»Wo immer Menschen die gleichen Interessen haben und gemeinsame Ziele verfolgen, schließen sie sich am besten zu starken Gemeinschaften zusammen. Gemeinsam erreicht man mehr als allein. Wir Musiker erfahren das tagtäglich in der künstlerischen Arbeit; wichtig ist es, dieses Prinzip
auf die Ebenen der Organisation und Vernetzung unseres Berufstandes zu übertragen.
Der Kulturszene in Deutschland stehen schwere Zeiten bevor: Die öffentlichen Kassen sind leer, ganze Klangkörper werden eingespart und die
freischaffenden Musiker der Alten Musik Szene, als hinteres Glied in der Kette, bekommen diese finanziellen Engpässe besonders zu spüren.
Deshalb haben wir uns zur Vereinigung Alte Musik zusammen geschlossen.
Uns ist es wichtig, die schon bestehenden kulturellen Strukturen zu erhalten, mehr Aufmerksamkeit in Gesellschaft und Politik zu erreichen und
Defizite hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Arbeitsbedingungen anzugehen und langfristig auszuräumen.
(...) Frei von Ideologie und Parteipolitik kämpfen wir ausschließlich für die Belange der Alten Musik und die ihrer Künstler.« http://v-a-m.org
NACHRICHTEN VON STUDIERENDEN
Preise und Wettbewerbe
Schwedischer Dirigierpreis
Johannes Liedbergius (Gesang AM, Klasse Prof. Harry van der Kamp und Cembalo, Klasse Carsten Lohff) hat den
Wettbewerb um den schwedischen Dirigierpreis gewonnen! Wie man sieht, kann ein Mensch, der Alte Musik
studiert, auch in anderen Bereichen zuhause sein (Foto: Knut Koivisto). Der Schwedische Dierigierpreis wird
von der Stockholm Sinfonietta in Kooperation mit der Firma PwC organisiert. Der Gewinner bekommt ein Stipendium von SEK 150 000 und die Möglichkeit, die Sinfonietta zu dirigieren. Mitglieder der Jury sind u.a. Birgitta
Svenden, Dirigentin der Schwedischen Königlichen Oper, der Dirigent Professor Gustav Sjökvist und der
Komponist Anders Hillborg. Johannes Liedbergius ist ausgebildeter Kapellmeister: Er studierte Orchesterdirektion bei Professor Petter Sundkvist an der LTU School of Music in Piteå (Schweden) bevor er Alte Musik
in Bremen belegte. Die Jury attestierte ihm eine »warm and clear authority and a music-making that is characterized by
sensitivity and musical intelligence«.
Biagio-Marini-Wettbewerb
Beim diesjährigen Biagio-Marini-Wettbewerb in Neuburg/Donau haben gleich zwei Bremische Ensembles die
zwei ersten Preise gewonnen!
Der erste Preis ging an das Ensemble Mania del gioco mit Robert Herden (Barockoboe, Klasse Xenia Löffler),
Mirjam-Luise Münzel (Blockflöte, Klasse Prof. Han Tol), Eri Suzuki (Cembalo, Klasse Prof. Carsten Lohff) und
Gerke Jürgens (Barockvioloncello, Klasse Viola De Hoog).
Der zweite Preis ging an das Ensemble du Pont neuf mit Natalja Kostina (Traversflöte, Klasse Prof. Marten Root),
Oksana Vasilkova (Barockvioline, Klasse Stéphanie Paulet und Viola da Gamba, Klasse Prof. Hille Perl), Miyoko
Ito (Viola da Gamba, Klasse Prof. Hille Perl) sowie Olga Chumikova (Cembalo), die an der Musikhochschule in
Hamburg studiert.
http://www.augsburger-allgemeine.de/neuburg/Sieger-mit-getragener-Anmut-id21453526.html
Arp Schnitger Orgelwettbewerb
Juhee Lee hat den dritten Preis beim Arp Schnitger Orgelwettbewerb gewonnen. Tomoko Kitamura erhielt ein Stipendium.
Echo Klassik
Einen Echo Klassik 2012 gewann das Pera Ensemble unter Mehmet C. Yeºilçay mit der Produktion »Baroque Oriental«; in diesem Ensemble wirkt unsere
Studentin Franziska Grunze (Viola da Gamba) mit.
Académie de musique baroque in Ambronay (F)
Néstor Cortés Garzón (Violoncello) und Jelina Deuter (Oboe) haben 2011 bei der Académie in Ambronay mitgemacht; unter Sigiswald Kuijken wurde Bachs
h-moll-Messe einstudiert und im Konzert gespielt. Das Ensemble war einzeln besetzt, unsere Studies wurden also aus einer ganz großen Reihe von
Bewerbern ausgewählt! 2012 wird eine Oper von Rossini aufgeführt. Néstor Cortés hat dafür auditioniert und wurde auch für diese Produktion eingeladen.
Für 2013 ist eine Aufführung von Monteverdis L’Orfeo geplant. Anmeldungen werden entgegengenommen!
Jeunes Ensembles
Ambronay hat auch eine Art von Stipendium, Jeunes Ensembles in Residenz, mit dem jungen Ensembles beim Start ins Berufsleben geholfen werden soll;
eine Kombination von Begleitung, Coaching, Aufnahmen und Konzerten gehört dazu. Als einziges »deutsches« Ensemble qualifizierte sich das Ensemble
um Swantje Tams Freier, Nestor Cortés, Anninka Fohgrub, Nadine Remmert und Hugo de Rodas Sanches für die zweite Runde. Da sie die einzigen
aus Deutschland waren, entschieden sich die Verantwortlichen aus Ambronay kurzerhand, die Audition in Bremen abzuhalten. Man war von uns recht
angetan und es könnte sein, dass demnächst auch andere Verbindungen zu Ambronay entstehen. Zumindest steht Bremen nun auch in Frankreich auf
der »Alte-Musik-Karte«. Schon alleine dafür sollten wir unseren Studies danken! Denn in Ambronay wußte man nicht, dass es in Bremen eine professionelle Ausbildung Alte Musik gibt – obwohl regelmäßig Studies aus Bremen in Ambronay bei der Académie vorgespielt und auch mitgemacht haben!
Bewerben für dieses Programm kann man sich ausschließlich über Internet; es wird auch vom Organisator aus nicht beworben, auch Auskünfte dazu
gibt es nur über das Netz. Dennoch hatten sich auch dieses Jahr 150 Ensembles angemeldet. Die meisten kommen aus den Niederlanden, Frankreich
und der Schweiz, da es von dort aus vom Anfang an gute Kontakte zu Ambronay gab und dank der Zusammenarbeit auch die dortigen Studies eher
auf diese Programme aufmerksam gemacht werden. Es könnte sich hier nun eine kleine Änderung zugunsten von Bremen ergeben, indem wir für
Ambronay auf die »Karte der Alten Musik« gelandet sind. Näheres zum Festival und zu den Aktivitäten: www.ambronay.org
European Union Baroque Orchestra (EUBO)
Robert Herden (Barockoboe, Klasse Xenia Löffler) spielt bei der diesjährigen Tour des EUBO (European Union Baroque Orchestra) die erste Oboe und
Nadine Henrichs (Barockvioline, Klasse Prof. Thomas Albert) spielt dort ebenfalls, genau wie Karin Gemeinhardt (Fagott ). Sie wird ab Wintersemester 2012
bei Christian Beuse in Bremen ein Masterstudium anfangen.
Andere studentische Nachrichten und Aktivitäten
Nestor Cortés, Swantje Tams Freier und Hugo de Rodas haben zusammen mit Christian Höpfner auch noch eine »Spin-off«-Band, Suspiro Latino, mit dem sie
ganz anderes Repertoire musizieren. Hineinhören lohnt sich, www.youtube.com/watch?v=1xD6Ddla9lw.
Johannes Liedbergius studiert in Bremen Gesang und Cembalo AM, ist aber, wie schon erwähnt, ausgebildeter Kapellmeister. Im März 2011 hat er z.B. zwei
Wochen die Dirigierprofessur in Piteå vertreten; dabei hat er den Kammerchor, die Kirchenmusiker und die Masterstudenten in Chor- und Orchesterdirigieren unterrichtet sowie dazu die entsprechenden Vorlesungen gehalten.
Vom 3.-8. Januar ist er in Nordschweden auf Tour gewesen mit den Kantaten IV-VI aus Bachs Weihnachtsoratorium (nach neueren Erkenntnissen einzelbesetzt). http://www.nll.se/sv/Kultur/Musik/Norrbottensmusiken/Pitea-Kyrkoopera/
Aber vor Allem hat Johannes Liedbergius den schwedischen Dirigierpreis gewonnen! Und als Folge dessen hat er mittlerweile schon in Dänemark und
Schweden konzertiert.
Natalja Kostina (Traversflöte/ Klasse Prof. Marten Root) wurde eingeladen, mit dem niederländischen Bachverein bei Bachs Matthäuspassion mitzuwirken.
Jorge Martinez Mendoza (Gesang AM, Klasse Prof Harry van der Kamp) hat einen zweijährigen Vertrag am Landestheater Schleswig-Holstein in Flensburg
bekommen; er ist außerdem Preisträger 2012 bei der Kammeroper Schloss Rheinsberg.
Anna Terterjan (Gesang AM, Klasse Tanya Aspelmeier) hat eine Gastrolle am Theater in Kiel angenommen.
Fringe:
Das Ensemble »La Bremenella« (Anna Terterjan (Gesang), Maria Gilman (Barock- und Renaissancetraverso), Joshua Keller (Viola da Gamba/Prof Hille Perl),
Nora Matthies (Violoncello/Viola de Hoog) und David Leeuwarden (Lauteninstrumenten/Prof Joachim Held) spielt auf dem MAFestival in Brügge;
desgleichen tun das auch die Mitglieder des Ensemble »Los Temperamentos«, Swantje Tams Freier (Absolventin, Sopran, Klasse Harry van der Kamp),
Anninka Fohgrub (Blockflöte, Traversflöte, im Moment Klasse Prof Marten Root), Hugo de Rodas Sanchez (Lauteninstrumente/Barockgitarre), Néstor Cortés
Garzón (Barockcello, Klasse Viola de Hoog), Nadine Remmert (Cembalo/Klasse Prof Carsten Lohff). Diese zwei Ensembles spielen in der Reihe Fringe,
bei der junge Ensembles vorgestellt werden, welche per Wettbewerb ausgewählt werden (Somit sind zwei der 10 ausgewählten Ensembles aus Bremen!).
Sie werden auch in Utrecht auftreten, ebenfalls Fringe.
Auch zukünftige Studentinnen spielen schon Fringe: Ester van der Veen (Fagott) spielt Blockflöte bei La musica dell’anima und Karin Gemeinhardt (Fagott)
spielt mit dem Trio Cammerton.
Joshua Keller spielte nicht nur bei der Eröffnung des Festivals Oude Muziek in Utrecht mit, er wirkte auch mit bei einer Produktion von Monteverdis
Ulisse bei Opera Studio Nederland in Amsterdam am 23. und 25. August, Instrumentalensemble ‘t Kabinet (unter Daniël Boothe), Dirigent Gary Thor
Wedow, Regie war von Timothy Nelson.
Tag des offenen Denkmals am 9.9.2012
Mehrere studentische Ensembles der HfK, zum größten Teil aus der Alten Musik, haben am 9. September beim Tag des offenen Denkmals kleine
Konzerte an historischen Orten gegeben.
Diplome der Alten Musik in WS2010/11 bis SoSe2012:
Franziska Kreutzer (Lauteninstrumente), Ursula Schmotzer (Barockoboe), Anna Schall (Zink), Anninka Fohgrub und Julia Fritz (Konzertexamen) (Blockflöte),
Ximena Espinosa Fernandez, Wiebke Corßen, Nadine Henrichs und Anna Markova (Violine), Maria Alejandra Saturno Perez und Néstor Cortés Garzón (Violoncello), Óscar Gallego Covarrubias, Ilemi Kemonah Martinez und Marthe Perl (Gambe), Eri Suzuki und Torsten Übelhör (Cembalo), Eun-Mi Kim (Hammerklavier), Eudald Dantí Roura, Brandon Lynn und You-Jeong Lee (Orgel), Angela Postweiler, Chiyuki Okamura und Swantje Tams Freier (Gesang);
Maria Gilman und Marika Oyama (Traverso), Magda Uhliøová, Anja Engelberg und Franziska Grunze (Viola da Gamba), Nadine Remmert und José Henriques
(Cembalo), Sachiko Kawakatsu, Tatyana Gavrilova und Shinon Nakagawa (Orgel, Shinon macht Konzertexamen), Alexander Kolomiets (Dulzian/Fagott),
Robert Herden (Oboe), Johannes Gontarski und Pedro Alcácer (Lauteninstrumente) und Efraín Parra Dominguez (Violine). Ich hoffe, dass ich keinen vergessen habe! Wo viele Studies sind, gibt es schließlich viele Abschlüsse!
IN MEMORIAM
Im Herbst 2011 haben uns drei Bremer Absolventen für immer verlassen:
Ulrich Oechslein
Dirk Lüking
Ulrike Mix
In diesem Herbst mußten wir leider drei Absolventen für immer verabschieden: nach einem Unfall Ulrich Oechslein, nach langer Krankheit Dirk
Lüking und Ulrike Mix. Drei Menschen mitten im Leben, teils mit noch kleinen Kindern. Sie studierten alle in den neunzigern an der Akademie
für Alte Musik. Ulrich Oechslein studierte Cembalo und machte 1995 seinen Abschluß, Ulrike Mix war Cellistin, sie machte 1993 ihren Abschluß
und Dirk Lüking war zur gleichen Zeit Kontaktstudent; er studierte Violone.
Ulrich Oechslein (1967-2011) war Kantor in Windsbach. Als ausgebildeter Kirchenmusiker kam er an die Aka zum Cembalostudium; somit konnte
er Orgel und Cembalo kombinieren (er konzertierte auf beide Instrumente). Außerdem komponierte er.
Dirk Lüking starb 2011 49jährig an Krebs; er hinterläßt eine Frau und eine kleine Tochter. Er legte sich nicht nur auf Alte Musik fest; er spielte in
mehreren Bands, war aber auch festes Mitglied in dem Ensemble Les Amis de Philippe unter Ludger Rémy. Aus einem Nachruf auf ihn kommen die
treffenden Worte »... So originell und original wie er selbst war sein musikalischer Lebenslauf. Die Bandbreite reichte von Barock über Jazz, Pop
und Schlager bis hin zu Theatermusik. Auf etwa 40 CD-Einspielungen verschiedenster Couleur war Lüking als Bassist vertreten. Die letzte CD,
Weihnachtskantaten von Georg Gebel unter Ludger Rémy, wurde ihm posthum gewidmet«.
Ulrike Mix (1955-2011) war eine starke Persönlichkeit und sie hinterläßt eine große Lücke. Sie spielte in mehreren
Ensembles in der Kölner Gegend, war aber auch international eine gefragte Cellistin (u.a. The Northern Consort).
Sie starb Anfang Dezember 2011 nach langer, schwere, mit großer Geduld getragener Krankheit.
Gedenkt unserer »Altbremern«
Unser Beileid gilt den Hinterbliebenen...
PROJEKTE
Großprojekte
Opernprojekt 2011 unter der Ägide der Alten Musik
Im Sommer betreute wieder die Alte Musik das jährliche Opernprojekt der HfK. Ausgewählt wurde Monteverdis Orfeo. Gespielt haben unsere Studies, gesungen wurde von sowohl »normalen« als auch
»alten« Gesangsstudierenden. Die italienische Sopranistin Gemma
Bertagnolli hat dabei in einigen Sitzungen die Sänger sprachlich, gesangstechnisch und interpretatorisch betreut. Die musikalische Leitung des ganzen Projektes hatte Thomas Albert; er wurde dabei von
unserem damals noch-Studenten Torsten Übelhör assistiert. Regie
führte Gregor Horres. Aufgeführt wurde das Werk, dessen Bühnenbild und Kostüme von Studierenden des Fachbereichs Kunst und Design entworfen wurden, im BLG-Forum in der Überseestadt. Das
BLG-Forum ist eigentlich eine alte Fabrikshalle, die als Mehrzweckraum für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird.
Die Vorstellungsreihe Anfang Juli war ein großer Erfolg. Bei den
Vorbereitungen zeigte sich das Hinzuziehen von Gemma Bertagnolli
für dieses Repertoire als sehr gute Idee: zunächst ist in einem Werk,
das so der Sprache verhaftet ist, wie L’Orfeo, die richtige Emission
des italienischen Textes von großer Wichtigkeit und mit Gemma
Bertagnolli hatten wir einen native speaker im Haus. Das hat sich stark
bewährt; auch die Sänger, die nicht aus der Alten Musik kommen,
haben von ihrer Erfahrung und ihren Kenntnissen sehr profitiert.
Gemma Bertagnolli hat nicht nur Wettbewerbe gewonnen (AsLiCo und
Francesco Viñas), sie tritt auch auf den wichtigsten Bühnen und im Konzert
auf, so u.a. das Teatro La Scala, Mailand, Teatro La Fenice, Venedig, Théâtre des
Champs-Élysées, Paris, die Opernhäuser in Rom und Zürich, der Maggio Musicale Fiorentino, Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom, Concertgebouw, Amsterdam, Musikfestspiele Potsdam Sansouci, die Festivals von La Coruña, Pesaro, und
Wexford sowie die Salzburger Festspiele.
Sie hat gearbeitet mit u.a. Roberto Abbado, Bruno Bartoletti, Maurizio Benini, Semyon Bychkov, Diego Fasolis, Gabriele Ferro, Danielle Gatti, Gianandrea Gavazzeni, Gianluigi Gelmetti, Fabio Luisi, Lorin Maazel, Zubin
Mehta, Riccardo Muti, Daniel Oren, Wolfgang Sawallisch, Andreas Spering
und Simone Young.
Vor allem aber ist sie bekannt als Interpretin des barocken Repertoires. Sie
war zu hören unter u.a. Rinaldo Alessandrini, Marc Minkowski, René Jacobs,
Ivor Bolton, Ottavio Dantone, Giovanni Antonini und Fabio Biondi, Alan
Curtis, Alessandro de Marchi. Inzwischen hat sie auch gearbeitet mit dem
Bremer Arp-Schnitger-Ensemble unter Thomas Albert.
Auf CD ist sie u.a. zu hören als Lisa (La sonnambula) mit Cecilia Bartoli und
Juan Diego Florez sowie Eva Mei und José Bros, Piacere (Il trionfo del tempo
e del disinganno) und Pergolesis Stabat Mater mit Concerto Italiano, Motetten
von Bonporti, Cavalieris Rappresentatione di Anima e di Corpo (Stradivarius CD),
Mendelssohns 2. Symphonie (RS CD) und Respighi Liriche da camera (Stradivarius CD), neulich auch Kantaten von Vinaccesi, 1700: el Siglo de los portugueses mit Divino Sospiro unter Enrico Onofri und Werke von Telemann.
Internationale Sommerakademie Mozarteum in Salzburg
Ein anderes Großprojekt der Alten Musik ist der Sommerkurs in Salzburg. Zum dritten Mal waren wir mit der Akademie für Alte Musik bei der Internationalen Sommerakademie Mozarteum zu Gast.
Zur zweiten Edition voriges Jahr haben wir gleich zwei Gastdozenten mitgenommen: Gemma Bertagnolli (Gesang) und Skip Sempé (Cembalo). Gemma
Bertagnolli hat mittlerweile eine richtige Beziehung zur Hochschule für Künste: Die Workshops in Bremen haben uns »Lust auf mehr« gegeben und
so haben wir sie auch dieses Jahr für den Sommerkurs als Gast dabei gehabt; der zweite Gast war aus Salzburg Hiro Kurosaki (Barockvioline). Der Kurs
hatte zwar weniger Teilnehmer als 2011, dafür waren sie aber rundum versorgt und, wie aus vielen Reaktionen zu hören war, sehr zufrieden. Es gab zwei
öffentliche Konzerte im Mozarteum, eines zum diesjährigen Kursschwerpunkt Debussy, mit französischer Kammermusik aus dem 18. Jahrhundert am
26. Juli 2012 (das von der Online-Zeitschrift »Drehpunkt Kultur« sehr lobend besprochen wurde) und das große Abschlußkonzert am 27. Juli, das wiederum unter dem Kursmotto MoMo (III) stand und bei dem Werke von Monteverdi bis Mozart zu hören waren. Vertreten waren u.a. Monteverdi,
Gabrieli, Tunder, Händel, Haydn, Mozart. Außerdem musizierten die Gamben Intavolierungen von Josquin Mille regretz und Cypriaan de Rores Anchor
che col partire auf dem Renaissancegambenconsort, das Henner Harders gebaut hat und das wir aus Bremen mitgebracht hatten. Es wurde auch Salzburger
Barockmusik gespielt: Den Abschluß des Konzerts bildete die Sonata Sancti Polycarpi von Heinrich Ignaz Franz Biber, für 8 Trompeten und Pauken.
(Zum Glück haben wir mehrfach begabte Dozenten; Thomas Albert hat Pauken geschlagen). Das zahlreich vorhandene Publikum war begeistert. Der
Kurs der Alten Musik ist der einzige, bei dem die Studenten ein richtiges rundes und abwechslungsvolles Programm zum Abschluß präsentieren, das
auch wirklich Publikum anlockt. Darunter befinden sich manchmal Exbremer, in diesem Jahr Kim Klausberger (Blockflöte) und Chareeb Al Tally (Laute).
Auch Marlies Reyer (früher: Sommersguter – Blockflöte) wurde gesichtet!
AEC-Tagung in Bremen
Vom 20. bis zum 22. April tagte die Early Music Platform der AEC (Association Européene des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen) in Bremen. Das Thema hieß Refreshing authenticity. Die eigentliche Tagung fand am 20. und 21. April statt, am 22. April gab es die Möglichkeit
zur Teilnahme an einer Orgelfahrt. Zu den Tagungen der AEC kommen die Verantwortlichen der europäischen Alte-Musik-Abteilungen (sofern sie
der AEC angeschlossen sind) und Musikhochschulrektoren oder Dekane, die einige Alte-Musikfächer anbieten (»Blockflöte, Gabe, Cembalo«) oder die
Interesse daran haben. Es gibt eine Steuergruppe innerhalb der Early Music Platform, die die Tagungsthematik ausarbeitet. Leiter der Platform ist Peter
Nelson, Konrektor der Musikhochschule Trossingen. Die Themen haben naturgemäß eine Verbindung zur Lehre; hier ging es um die Frage nach der
Verantwortung u.a. des Hauptfachdozenten als Katalysator von Entwicklungen und Neuerkenntnissen auf dem Gebiet der »historisch informierten
Praxis«. Die Tagungen bieten den Teilnehmern viel Chancen zum Austausch und Diskussion. Man lernt von den anderen, sie lernen (hoffentlich) von
uns. Auf jeden Fall zeigte sich, dass die Teilnehmer zufireden waren, denn die Tagung wurde mit der Punktzahl 8,2 (von 10) bewertet und war somit
die bis jetzt am höchsten bewertete EMP-Konferenz. Den Bericht dazu erscheint online www.aecinfo.org
Im Rahmen dieser Tagung fand am 21. April im Bremer Rathaus ein großes Festkonzert als Abschluß der 25-Jahre-Feier der Akademie für Alte Musik
statt, in dem wir einen Querschnitt zeigten von dem, was unsere Studenten zu bieten haben – vom Spätrenaissance und Manierismus zur Klassik, mit
Musik von Gabrieli und Monteverdi bis zu Bach und Mozart. Etliche Delegierte schickten uns nachher Glückwünsche für die Tagung mit ganz
besonderer Hervorhebung der musikalischen Beiträge unserer Studenten, vom Gambenconsort bei der Eröffnung bis zum klassisch-romantischen
Konzert am ersten Abend, den Beiträgen als Teasers für die Kongressteilnehmer zwischen den Vorträgen von der Oboenband und dem Schlußkonzert
am Samstagabend. Die (stark verregnete) Orgelfahrt am 22. April wurde von ungefähr 20 bis 25 Teilnehmern mit Begeisterung aufgenommen. Zwei
italienische Orgelstudenten waren kaum noch von den norddeutschen Orgeln wegzukriegen; für sie hat sich tatsächlich eine neue Welt eröffnet!
Es gab etwa 80 Teilnehmer aus ganz Europa, die sich wirklich sehr begeistert über Bremen geäußert haben. Einige Institute haben gleich nachgefragt,
ob es eine Möglichkeit zur Kooperation gäbe. Zu den schriftlichen Reaktionen, die uns sehr gefreut hat, gehören u.a eine Mail an Thomas Albert von
András Batta, dem Präsidenten der Ferenc Liszt Akademie in Budapest, also die Musikhochschule Ungarns, deren Wortlaut ich hier gerne wiedergebe:
Lieber Maestro Albert,
gestern in der Turbulenz und der Begeisterung habe ich die Möglichkeit verpasst Ihnen für das schöne Konzert zu gratulieren und mich zu verabschieden. Der alte Saal,
die junge Studenten, die Hingabe von allen Professoren und Musizierenden zauberte eine unwiederrufliche Stimmung vor. Es war ein grosser Genuss, wofür ich aufrichtig
und herzlichst gratuliere, Ihenen, ihren Studenten und allen Mitwirkenden. Ich bin sehr froh, dass ich an diesem Wochenende am Platform bei Ihenen teilnehmen konnte
und nicht zuletzt so viele sympathische Kollegen vom hohen Wissen kennenlernen durfte.
Ich wünsche Ihnen und dem ganzen Institut weitere interessante Fragestellungen, künstlerische Antworten und schöne Produktionen.
Mit Hochachtung und freundlichen Grüssen aus Budapest,
András Batta
Auch andere Delegierte waren begeistert; hier noch eine Reaktion:
Dear Greta,
On my return to Poland may I convey once more my sincere and cordial thanks to you and all conference team for the warm welcome in Bremen. I would like also express
my admiration for the wonderful organization of the Early Music Platform Meeting 2012.
Please accept my heartiest congratulations.
With best wishes,
Urszula Bartkiewicz
prof. Urszula Bartkiewicz
Haed of the Department
of Harpsichord, Organ and Early Music
The Academy of Music in Bydgoszcz
www.amuz.bydgoszcz.pl
Eine Würdigung zu 25 Jahren Akademie für Alte Musik schrieb Gennady Kuznetsov in der online-Ausgabe von Concerto:
http://www.concerto-verlag.de/news/index.html (Ganz nach unten scrollen)
Historic Brass Workshop
Zum dritten Mal fand vom 1.-3. März in Bremen der Historic Brass Workshop statt. Dozenten waren Susan Williams (Naturtrompete, die Initiatorin des
Projekts), Wim Becu (historische Posaune) und Ulrich Hübner (Naturhorn – als Gast). Der Zulauf war so groß, dass das Projekt sich selbst getragen hat!
Einige Teilnehmer haben außerdem Interesse bekundet, in Bremen ein Aufbau-/Masterstudium anfangen zu wollen (und haben Aufnahmeprüfung gemacht). Das heißt: Unsere Blechbläsergruppe breitet sich aus! Hinzukommen werden im Oktober auf jeden Fall zwei Naturtrompeten und eine Barockposaune.
Projekte in direktem Zusammenhang mit der Lehre
Barockorchesterprojekt
Das diesjährige Großprojekt des Barockorchesters war Händels Serenata Il Parnasso in Festa (1734). Wie für den Orfeo haben wir auch für dieses Werk
Gemma Bertagnolli als Vokal- und Sprachcoach herangezogen. Das Konzert war am 22. Mai in der Liebfrauenkirche in Bremen. Projekte wie dieses
können wir mittlerweile fast ganz »mit Bordmitteln« austragen; nur Hörner haben wir noch keine. Aber die Sänger kamen aus der HfK: Es sangen Sänger
und Sängerinnen aus der Alten Musik wie aus der »normalen« Abteilung. Auch der Chor war mit unseren AM-Sängern besetzt (und einem Kirchenmusiker sowie einem Studienplatzbewerber). Die Serenata, die Händel für die Hochzeit seiner ehemaligen Schülerin Prinzessin Anne mit dem niederländischen Prinzen Willem van Oranje geschrieben hat, umfaßt auf weitere Strecken Entlehnungen aus seinem 1733 komponierten Oratorium Athalia (wohl
z.T. auf Wunsch der Prinzessin). Es ist ein sehr schönes und selten gehörtes abendfüllendes Werk. Begeistertes Publikum. Und auch das Gefühl, dass
es durchaus möglich ist, mit Studierenden ein komplexes Werk, das mehrere Stunden dauert, aufzuführen und dabei auch das Publikum noch zu begeistern.
»Ensembles in die Orgel«
Klaus Eichhorn bietet seit einem Jahr einen Ensemblekurs »in die Orgel« an. Dabei wird Organistenmusik mit historischen Orgeln gemacht. Das Semesterabschlußkonzert des Wintersemesters fand am 13. Januar in Dedesdorf statt. Musiziert wurden Werke von Schelle und Buxtehude. Für das Sommersemester waren ursprünghlich mehrchörige Werke des 17. Jahrhunderts in St. Marien in Stralsund geplant; es gibt in dieser Kirche noch die alten Musikeremporen. Zusammen mit einer historischen Orgel in hoher Stimmung bieten Projekte wie dieses einen wahren Einblick in die Werkstatt der historisch
informierten Praxis! Auch das Konzert in Dedesdorf wurde von der Orgelempore aus musiziert, Stimmtonhöhe 460. Es geht aber nicht nur um die
Stimmtonhöhe oder die Temperatur der Instrumente, es geht auch um die Plazierung der Musiker und die daraus entstehenden Erkenntnisse für die
Aufführungsweise. Die direkte Fühlung mit den materiellen historischen Gegebenheiten gehört, wenn möglich, zum Studium der Alten Musik dazu und
hier ergibt sich eine Gelegenheit, zu einem besseren Verständnis für die Klangwelt der »Organistenmusik« aus dem 17. Jahrhundert zu kommen – auch
wenn man etwa in Sachen Frauenstimmen um gewisse Eingeständnisse nicht herumkommt und -kommen kann! Dennoch: Die Zusammenarbeit mit
einer »echten« oder »großen« Orgel hat zweifelsohne einen direkten Einfluß auf das Klangverständnis der Sänger und Instrumentisten (auch derer an
der Orgel selbst!) und lehrt indirekt etwas über Gesangs- und Instrumentaltechnik. Da im Moment in der Alten Musik gleich mehrere Abschlußprüfungen stattfinden, mußte das Projekt aus logistischen Gründen auf den Anfang des Wintersemesters verschoben werden. Denn bei den Diplomkonzerten
wirken bekanntlich viele Studierende mit! Allein im Sommersemester 2012, mit einer größeren Konzentration auf Ende Juni/Anfang Juli gab es 13
Diplomkonzerte.
»NON È, NON È CONSIGLIO DI GENEROSO PETTO/ SERVIR AL PROPRIO AFFETTO«
MONTEVERDIS O RFEO, MANTUA UND DIE ACCADEMIA DEI INVAGHITI
Die Uraufführung des Orfeo am 24. Februar 1607 steht nicht im Zusammenhang mit einem dynastischen Ereignis, wie
die Pastoralen, die für die Favola in musica Pate gestanden haben mögen, Jacopo Peris und Giulio Caccinis Euridice. Die
Vorstellung für einen gelehrt-adeligen Kreis mag indes ebenfalls Modelle gehabt haben, denkt man an die allerersten
musiktheatralischen Experimente in Florenz. In Mantua aber wurde die erste neuzeitliche Pastorale in pseudoantikem
Gewand, Polizianos Fabula d’Orpheo um 1480 uraufgeführt. Polizianos Stück ist ein wichtiger Meilenstein in der italienischen Theatergeschichte und wurde immer wieder neuaufgelegt und neuaufgeführt. Jedem gebildeten Italiener ist bis
jetzt das Stück ein Begriff. Polizianos Werk stand sicher Modell, nicht nur für Ottavio Rinuccinis Euridice, sondern auch
für Alessandro Striggios Orfeo, der das Modell von Rinuccini mitverarbeiten konnte und der mit seinem Orfeo ebenso
an die quasi mythische Aufführung der Fabula di Orpheo, sozusagen am gleichen Ort hinweisen konnte. Denn eine Fabula
(Favola) ist auch dieses Werk. Pate für alle genannten Werke stand Ovid, dessen Metamorphosen den Stoff für die meisten
frühen Pastoralen und Opern lieferten.
In welchem Raum des Palazzo ducale die Uraufführung stattfand, ist nicht mehr mit Sicherheit zu eruieren; das Palazzo
wurde später mehrfach und grundlegend umgebaut. Sicher wurde das Werk nicht in dem heutigen sogenannten Spiegelsaal dargeboten, sondern in einem viel kleineren Raum. Mittlerweile glaubt man, diesen Raum lokalisiert zu haben; es
geht um den älteren Spiegelsaal, der regelmäßig für Konzerte benutzt wurde. Nach Restaurierung wurde er wieder seinem ursprünglichen Zweck
zugeführt. Wenn Monteverdi also in seiner Vorrede schreibt, dass das Werk in einem kleinen und schmalen Raum gegeben wurde, so trifft dies zu. Das
Palazzo ducale in Mantua ist in unterschiedlichen Bauabschnitten errichtet und gleicht streckenweise einem Labyrinth – auch stilistisch.
Die Uraufführung fand also im Kreise einer Akademie statt, deren Vorsitzende Francesco Gonzaga war, der älteste Sohn des Herzogs. Das Publikum
war handverlesen und passte in einem kleinen Saal. Der regierende Fürst war also eher geladener Gast als Organisator (wobei ein Großteil derKosten
von ihm getragen wurde!).
Die Ac c ad e m ia d e i In v ag h iti und L’O rfe o
Die Accademia degli Invaghiti wurde 1562 von Giulio Cesare Gonzaga in Mantua gegründet; ihre Mitglieder gehörten nahezu ausnahmslos dem Adel an.
Das gelehrte adelige Publikum kannte den Mythos natürlich und zwar in all seinen Varianten, auch die unterschiedlichen Schlüsse, somit auch das »apollinische« Ende, bei dem Orpheus’ Leier (»Lyra«) zum Sternbild erhoben wird. Insofern ist das komponierte Ende für die versammelten Akademiker,
deren neoplatonische Ausrichtung sogar eher zu dem musikalischen als zum Text Striggios paßte, eine logische Folge, auf die die Komposition selbst
auch hinarbeitet. Sogar wenn das Ende erst später komponiert sein sollte, so fallen doch immer wieder Hinweise auf die Sonne oder auch auf den Sonnengott auf. Schon im ersten Auftritt (»Rosa del Ciel«) besingt Orfeo die Sonne, somit auch den Sonnengott, seinen Vater Apoll (oder Phoebus, Febo),
der auch am Anfang des 2. Aufzugs (»Mira che s’en alletta«) namentlich genannt wird. Bereits im Prolog fällt die neoplatonische Tendenz auf. (Io la Musica
son, ch’ai dolci accenti/ Sò far tranquillo ogni turbato core... E in guisa à l’armonia sonora/ De la lira del ciel più l’alme invoglio) und zugleich auch das Programm, das
sich durch die frühen musikdramatischen Werke zieht: Die Macht und Wirkung der Musik. Dieses Programm wird im Orpheusmythos exemplarisch
ausgeleuchtet.
Das Ende des gedruckten Textes unterscheidet sich grundlegend von dem des komponierten Textes. Der Text von Alessandro Striggio d.J. folgt mehr
oder weniger der ursprünglichen Vorlage von Ovid, in der Orpheus von aufgebrachten Bacchantinnen zerfleischt wird – Orfeo flieht, ehe sie ihn erwischen können –, in der Partitur steigt Apoll vom Himmel hinab und nimmt Orpheus mit in denselben. Über diese zwei unterschiedlichen Schlüsse
wurde in der Literatur zu L’Orfeo ausgiebig diskutiert. Eine Theorie besagt, dass das jetzt überlieferte Ende die Fassung ist, die für die zweite Aufführung
komponiert wurde, da in dieser nicht nur Mitglieder der Akademie geladen wurden, sondern auch Frauen anwesend waren. Ihnen sei der ursprüngliche
Schluß nicht zuzumuten und daher hätte man ihn kurzfristig geändert. Da dies nun eine »normale« höfische Aufführung gewesen sei, wäre es diese, die
im Druck erschienen ist. Man kann auch ganz anders argumentieren, und zwar mit dem neoplatonischen Gedankengut der Accademia dei Invaghiti und
deren daraus logisch folgendem Apoll- und Sonnenkult: Auch hier ließe sich das jetzige Ende logisch argumentieren, logischer sogar als das von Striggio,
der sich vielleicht aus Gründen der literarischen »Sauberkeit« an das Ovidische Modell anlehnen mußte und auch wollte. Unterschiede zwischen Libretto
und Musik sind in dieser Zeit nicht so ungewöhnlich. Der Text ist eine literarische Vorlage mit literarischem Anspruch und mißt sich mit Ovid, Poliziano
und Rinuccini. Die Partitur braucht dieses Wetteifern nicht. Außerdem ist die Einmischung Apolls in dem Geschehen sicher in Übereinstimmung mit
den Idealen der Invaghiti. Apoll, dessen Auftreten von langer Hand vorbereitet wird – Hinweise auf die Sonne und den Sonnenkult durchziehen den ganzen Text. Vom Anfang an wird der Bezug zur Sonne gelegt; schon der erste Hirtenchor bezieht die Sonne ein (»quasi un sol nascente«), Orfeos erster Text
(»Rosa del Ciel, vita del mondo«) besingt die Sonne, dann erst wendet er sich Euridice zu, Apoll (Febo) wird namentlich von den Hirten genannt, noch in
der Hölle wird immer wieder der Bezug zur Sonne hergestellt. Somit ist der Auftritt des Sonnengottes Apoll nicht unerwartet und nicht in dem Sinn,
in dem wir das vermuten würden, ein Auftritt eines Deux ex machina (obwohl gerade er der einzige ist, der Bühnenmaschinerie brauchen könnte). Hinzu
kommt, dass eine Anspielung auf Bacchus im Kreise der neoplatonischen Geister, die das Publikum ausmachten, weniger im Programm paßte als das
apollinische Ende, das man zudem auch besser mit gegenreformatorischen Idealen in Verbindung bringen konnte als ein Ende mit Mord und Totschlag
oder eines, bei dem Orpheus trotz der nicht bestandenen Prüfung (»Orfeo vinse l’Inferno e vinto poi/ Fu da gli affetti suoi./ Degno d’eterna gloria /Fia sol colui ch’avrà
di se vittoria.«) dennoch mit seiner Braut vereint wird.
Text und Musik weichen an mehreren Stellen voneinander ab, in den meisten Fällen sind diese Abweichungen aber nicht gravierend. Dennoch braucht
es manchmal auch den Text – es gab ein gedrucktes Libretto – um die unterschiedlichen Bedeutungsschichten zu verstehen. Dass im Prolog die Musica
gleich zu Anfang ihres Auftretens das Lob der Gonzagas singt (Incliti Eroi, sangue gentil de’ Regi,/Di cui narra la Fama eccelsi pregi,/Né giunge al ver, perch’è tropp’alto il segno) tut schließlich nur der Konvention genüge, andere Hinweise sind allerdings für das heutige Publikum nicht so selbstverständlich. Manches
wird man wohl nicht mehr verstehen. Die generell moralisierenden Tendenzen kennt man, dennoch ist die Interpretation des Orpheusmythos von einer
Vielschichtigkeit, die uns in Teilen verborgen bleibt. Ein einfacher Hinweis auf die jedem Humanisten geläufige Katabasis (Orpheus steigt ab die die Hölle) auch anderer Heroen oder mythische Figuren wird übrigens direkt angesprochen: Als die personifizierte Hoffnung (Speranza) mit Orfeo bis zum Eingang der Hölle kommt, zitiert sie aus Dantes Divina Commedia (Inferno): »Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate«; die Hoffnung muß Orfeo verlassen, Dante
steigt mit Vergil in die Hölle ab, Orfeos Katabasis ist eine einsame. Die Allegorie legitimiert und verbindet die heidnische Antike mit dem Christentum
(Orpheus selbst wird ab dem frühen Mittelalter gelegentlich als Vorabbildung von Christus gesehen). Und ist nicht der Text des Finalchors selbst eine
Anspielung auf christliche Tugend: »E chi semina fra doglie / D’ogni gratia il frutto coglie«?
Tragedia oder Favola?
Die Struktur der Favola ist die einer antiken Tragödie ohne dass sie eine Tragödie ist oder sein will. Es gibt einige formale Aspekte, die aus der Tragödie
übernommen werden und die für die Akzeptanz der musikalischen Ausarbeitung nicht unwesentlich sind. Eines ist der Einsatz des Chores: Der Chor
wird wie in einer antiken Tragödie (in der Regel) am Ende der Aufzüge als coro stabile eingesetzt. Auch hier gibt es diesen kommentierenden Chor am
Ende der Aufzüge, etwa Ecco Orfeo, Nulla impresa,È la virtute un raggio di celeste bellezza, Vanne Orfeo. In der Pastorale gibt es aber auch den coro mobile, z.B.
die Balletti (Vieni Imeneo/Lasciate i monti), die in die Aktion integriert sind und die keine kommentierende oder moralisierende Funktion haben. Dort sieht
man u.a., wie auch solistische Einwürfe aus den Chören kommen, (»Ninfa, Pastore del coro«). Striggio und Monteverdi lösen dieses Prinzip teilweise etwas
auf, indem in der Unterwelt auch in den core stabili »mobile« Elemente eingebaut werden oder sie von Geistern aus dem Chor eingeleitet werden. Abgesehen von einer gelegentlichen Vermischung zwischen mobile und stabile, gibt es ein weiteres Problem: Einige Abweichungen zwischen Text im Libretto
und gedruckter Partitur betreffen strophische Strukturen, die dadurch, dass (in einigen Fällen) nur eine Strophe gesetzt ist, das Ziel oder die Bedeutung
etwas verschleiern. Ein solcher Fall ist der Chor Nulla impresa im 3. Aufzug, der die menschliche Kraft besingt. Im gedruckten Libretto wird in jeder
Strophe ein spezifischer (mythlogischer) Fall angesprochen wird; im Partiturdruck ist jedoch nur die erste Strophe überliefert. Dadurch fehlt dem heutigen Publikum der Bezug – nicht Orfeo wird hier angesprochen, nicht die abstrakte Kraft, sondern auf Jason und das goldene Vlies wird hier bezug genommen (»aurea messe accolse (...) pose freno al Mar col fragil legno, Che sprezzò d’austr’ e d’aquilon lo sdegno«). Die anderen Strophen beziehen sich auf Daedalos
(»Per l’aeree contrade a suo viaggio / L’ali lievi spiegò Dedalo industre...« und wohl Phaeton (»Altri dal carro ardente e de la face/ ch’accende il giorno in terra al ciel salito,/
furò fiamma vivace«, bevor bezug auf Orpheus genommen wird – somit die Kraft nicht nur des Menschen, sondern auch der Musik extra hervorhebend
und ihn somit über die anderen Heroen stellend. Dabei wird nebenbei noch ein Hinweis auf die vier Elemente eingebaut, der in der gedruckten Partitur
ebenfalls verloren geht: Wasser (Jason und die Argonauten), Luft (Daedalus), Feuer (Phaeton), Erde (Orpheus in der Unterwelt). Die genannten Exempeln nehmen alle ein irgendwie schlechtes Ende und hiermit wird schon das Scheitern Orpheus’ vorweggenommen: Jasons Frau Creusa wird ermordet,
Daedalus verliert seinen Sohn Ikarus, Phaeton stirbt. Wie in der Tragödie wird Hybris bestraft; und diesem Schicksal wird auch Orpheus nicht entkommen – wie der coro stabile am Ende des vierten Aufzugs explizit singt: »Degno d’eterna gloria Fia sol colui ch’avrà da se vittoria« und diese hatte Orpheus nicht.
Dass er dennoch in den Himmel steigt, »dove ha virtù verace Degno premio di se«, von seinem Vater Apoll dorthin berufen, ist angesichts der Opernkonvention
des lieto fin für den Menschen des 17. Jahrhunderts kein Widerspruch.
Ottavio Rinuccini, der die Texte zu Peris Dafne und Euridice schrieb, merkt selbst in der Vorrade zu L’Euridice (1600) an, dass es anläßlich eines freudigen
Ereignisses – die Hochzeit Maria de’Medici mit Henri IV von Frankreich – erlaubt sei, das tragische Ende in ein freudiges umzuwandeln. Er sieht sich
damit sogar in eine Traditionslinie, in der auch Dante steht. Rinuccinis Einfluß auf die Operngeschichte ist enorm. Auch Striggio kann sich dem nicht
entziehen. Mit dem lieto fin tut er sich schwer, es kommt aber auch nicht zum tragischen Ende, denn Orfeo flieht vor den Bacchantinnen, die dann in
einem großangelegten Chor Bacchus preisen. Orpheus verläßt also sang- und klanglos die Bühne und entkräftet auf diese Art die im Prolog angedeutete
Parabel über die Wirkung der Musik. Das Apoll-Finale stellt ebendiese aber wieder in dem Mittelpunkt und ist somit, zumindest von der musikalischen
Seite her, das einzig richtige. Und hatte nicht schon Orpheus in der Hölle seine Leier besungen, der einen Platz unter den Sternen(bildern) gezieme?
Wie auch der Mythos besagt: Nach seiner Beerdigung tragen die Musen die goldene Leier des Orpheus in den Himmel, wo sie als Sternbild Lyra bis
jetzt weiterlebt.
ZUR MUSIKALISCHEN AUFFÜHRUNGSPRAXIS DES ORFEO
Jacopo Peri als Arion 1589
Seit hundert Jahren ist L’Orfeo zurück auf der Opernbühne – am 2. Mai 1911 wurde er in einer Matinee unter
Marcel Labey im Théâtre Réjane in Paris aufgeführt, mit Robert Le Lubez als Orpheus, und Claire Croiza als
Messaggera. Ausgehend von der (gekürzten) Edition von Vincent d’Indy war dies die erste szenische Aufführung seit dem 17. Jahrhundert. Anfangs waren die entsprechenden Aufführungen nicht ohne Bearbeitungen
im Instrumentarium denkbar; noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, die den Anfang der Rückkehr der Werke Monteverdis in das »normale« Opernrepertoire markierten, waren »Anpassungen« vonnöten,
auch jetzt noch findet kaum eine Aufführung des Orfeo ohne Änderungen der Vorschläge Monteverdis statt.
Teils ist dies, weil man in einem normalen Opernhaus nicht das richtige Instrumentarium hat, teils aber auch
unter Einfluß von Moden innerhalb der Anhänger der historisch informierten Praxis, die ohne Nachdenken
übernommen werden. Aus den Zeiten, da man das besonders farbige Continuo liebte, hat sich das Lirone in
die Instrumentenliste geschlichen (mit dem Einsatz dieses Instruments spart man gerne drei Baßgamben aus),
mal fügt man aus Gründen des Effekts Schlagzeug hinzu (was für eine Aufführung in einem gelehrten Kreis,
für die das Werk bestimmt war, ja fast blasphemisch zu nennen ist). Dass dies möglich ist, findet auch seinen
Grund darin, dass Monteverdi in den konkreten Zeilen der Partitur manchmal über die gewünschte Instrumentalbesetzung reichlich vage bleibt und also dem heutigen Ausführenden noch reichlich Interpretationsmöglichkeiten offen läßt. Einem Institut für Alte Musik, das seit 25 Jahren mit dem entsprechenden Instrumentarium hantiert, ist allerdings zuzumuten, sich an die Anweisungen Monteverdis zu halten und diese entsprechend umzusetzen. In diesem Sinne wurde für die Bremer Aufführungsserie radikal für eine saubere
Umsetzung der Monteverdischen Vorschläge optiert – ohne dass dies an die heutige künstlerische Substanz
geht. Wir konnten die Pastorale tatsächlich problemlos mit Studierenden besetzen, ob es um Blockflöten,
Cembali, Gamben, Barockgeigen, Orgeln, Lauteninstrumente oder um Zinken, Posaunen, Naturtrompeten,
Regal geht.
Besetzung
Zu jedem Besetzungsvorschlag Monteverdis gesellt sich eine Frage. Dazu kommen die Unterschiede zwischen Libretto und erhaltener Partitur – der
größte ist das völlig umgestaltete Finale – sowie die Umstände der Erstaufführung. Gesungen wurde das Stück nur von Männern; die Frauenrollen wurden
von Kastraten interpretiert; bei Zusammenkünften einer Akademie sind Frauen grundsätzlich unerwünscht.
Aller Wahrscheinlichkeit nach waren außerdem die »Chöre« nicht mit Extrasängern besetzt, sondern wurden sie von den Solisten gesungen (wie es auch
in dieser Aufführungsreihe der Fall ist), sodass insgesamt nicht mehr als (schätzungsweise) 10 Sänger beteiligt waren: 3 Sopranisten (Kastraten), 1 Alt
(Kastrat oder Falsettist), 3 Tenöre und 2 oder 3 Bässe. Von einigen Sängern kennt man den Namen; beteiligt waren u.a.der Tenor Francesco Rasi (wahrscheinlich in der Hauptrolle), weiter die Kastraten Giovanni Gualberto Magli und Girolamo Bacchini. Welche Bässe sangen, ist nicht bekannt und auch die
Zuordnung der Rollen zu den beiden Kastraten ist nicht hundertprozentig gesichert.
Schon die Liste der Mitwirkenden, die der gedruckten Partitur vorangstellt ist, enthält Inkonsistenzen: Bei den Protagonisten ist die Messaggiera vergessen,
doch eine nicht unwichtige Rolle; auch die Instrumentalbesetzung stimmt nicht ganz mit den Angaben innerhalb der Partitur überein – es braucht mehr
Posaunen und Trompeten sowie zwei Blockflöten statt einer, dafür aber eventuell nur einen Kontrabass.
Zu L’Orfeo gibt es keine Vorrede wie in den gedruckten Partituren von Peri oder Cavalieri, dafür sind in der Partitur Besetzungshinweise eingefügt. Diese
Angaben schwanken aber zwischen »hier und jetzt« und der Beschreibung, wie es in der Aufführung in Mantua gewesen ist, sodass man sich fragen muss,
welchen Stand der Druck darstellt: Welche Mischung zwischen Gewesenem und Vorschlägen des Komponisten zu einer zukünftigen Real- oder
Idealvorstellung beabsichtigte Monteverdi – da er doch zumindest ahnte, dass eine solche nur in einem höfischen Umfeld stattfinden konnte und die
Partitur somit nichts Anderes als eine Dokumentation einer gewesenen Vorstellung und Studienmaterial sein konnte? Dass es eventuell zwischen 1614
und 1619 Aufführungen in Salzburg gegeben hat, die vom ersten Orfeo, Francesco Rasi, ausgingen, konnte er 1609 nicht vermuten. Ob die zweite Auflage des Werks, 1615, mit diesen Aufführungen in Verbindung stand, wage ich sehr zu bezweifeln.
Die Aufführung des Orfeo stellt jedem heutigen Dirigenten vor Fragen. Es gilt nicht sosehr, eine »Bearbeitung« zu machen, es geht mehr darum, die Fragen,
die in der Partitur auftauchen, einigermaßen adäquat zu lösen. Das geht nur, wenn man die »Sprache« dieses Werks versteht: Affektgehalt und Textausdeutung, aber auch die Bedeutung des Orpheusmythos für den (damaligen und jetzigen) Zuhörer; wenn man weiß, was recitar cantando wirklich heißt und
wenn man die Schwelle zwischen theatralischem Rezitieren und Musik kennt und sich zwischen diesen beiden natürlich zu bewegen weiß.
Instrumentalbesetzung
Trotz der vielen Angaben in der Partitur gibt es immer noch reichlich Fragen; zunächst betreffen die meisten
die Besetzung des Continuo. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es ein paar Prinzipien gibt: Soli
werden (wenn nichts gegenseitiges gefordert wird) in der Regel von einem Cembalo und einem Chitarrone
begleitet, bei traurigen Affekten von einer Orgel und einem Chitarrone; in der Unterwelt ist das »natürliche«
Begleitinstrument das Regal, gelegentlich mit einer Orgel verdoppelt. Orfeo selbst bringt sozusagen seine eigenen Instrumente mit, die sonst nicht in der Unterwelt zu hören sind – in seiner großen Bitte Possente Spirto
zu Caronte, dem zentralen Stück der Oper, hört man auch seine Leier, die die ganze Instrumentalmusik in sich
vereint, vom Streichinstrument (Violinen) über die Bläser (Zinken) bis zu den gezupften und mehrstimmigen,
somit vollkommenen Instrumenten (Harfe). Wenn Duette gesungen werden, gibt es zwei Chitarronen; in größer
besetzten Abschnitte werden entsprechend mehr Instrumente eingesetzt. Hier ist Monteverdi oft sehr präzise.
Das Regal wird nie mit Cembalo oder mit Chitarronen kombiniert; wenn das Regal gespielt wird, gibt es auch
nur eine einzige Orgel, sodass man geneigt ist, zu vermuten, dass einer der Organisten auch Regal gespielt
hat. Im fünften Aufzug wechselt dann der Regalspieler wieder zu seiner Orgel. Die Chöre werden unterschiedlich begleitet, auch hier aber weiß man nicht in jedem Fall, wie sie zu besetzen sind.
Der Hinweis Alle Instrumente kann sich in den Oberweltszenen nicht auf die Unterweltinstrumente beziehen –
es ist auch möglich, dass z.B. die zwei Blockflötisten der Oberwelt die gleichen sind wie die zwei Zinkenisten
der Unterwelt. Denn in der Oberwelt haben die Zinken sowenig Platz wie die Blockflöten in der Unterwelt.
Ein letzer Hinweis zur Instrumentalbesetzung: Der Ausdruck »viole da brazzo« bezieht sich nicht nur auf die
Oberstimmen der Violinfamilie, sondern bezeichnet zwei Violinconsorts, also Sopran1/2 -Alt-Tenor-Bass;
das untere Instrument ist eine Bassgeige, kein Cello. Die Trompeten spielen ausschließlich die Toccata.
Z inken, Posaunen un d N atur trom peten aus: M ichael
Praetorius, Syntagma M usicum II, W olfenbüttel 1618.
Monteverdi ist in der Instrumentierung seines Orfeo ein Produkt des manieristischen Umgangs mit Instrumentalensembles. Bestimmte Klangkörper und -kombinationen werden bewußt eingesetzt. So wird in der Oberwelt (1.,2.,3. Aufzug) ein Instrumentarium eingesetzt, das sofort eine »Klangcoulisse« schafft, gewissermaßen ein klingendes Bühnenbild ist. Das Ritornello, das zwischen den Strophen der Musica klingt, wird von den gesamten Streichern der Violinfamilie (10 Instrumente), einem Kontrabass, 2 Cembali,
3 Chitarronen, 2 Orgeln und eine Harfe begleitet. Dieses Ritornello kommt in den genannten Aufzüge immer wieder und stellt die thrakische Oberwelt
dar, in der sich das Werk eigentlich abspielt. Sobald man sich im 3. Aufzug der Unterwelt nähert, ändert sich die Klangcoulisse: Cembali, Violinen und
andere Oberweltinstrumente (Harfe, [Orgeln], Chitarronen, Blockflöten) schweigen und an ihrer Stelle treten Sinfonien und Ritornellen, die von Zinken
und Posaunen gespielt werden; die Begleitung dieser Stücke wird vom Regal übernommen. Sofort wird hier die Klangcoulisse der Unterwelt gesetzt.
Orpheus, der in der Unterwelt nicht hineingehört, bringt sinngemäß aber sein eigenes Instrumentarium mit und dazu gehört auf jeden Fall ein Chitarrone.
Je nach Stimmungslage spielt sie zusammen mit Orgel oder Cembalo. In der zentralen Bitte Possente Spirto spielt er seine goldene Leier und diese wird
durch mehrere Oberweltnstrumente symbolisiert. Wenn nach dem 4. Aufzug Orpheus wieder an die Oberwelt gelangt, hört man wieder das Oberweltritornello, auch wenn die Stimmungslage eine ganz andere ist als am Anfang des Werks. Auch ohne Bühnenbild wüßte man sofort, dass Orpheus wieder
in Thrakien ist.
Aufführungsumstände
Die Uraufführung von L’Orfeo fand, laut Monteverdis Widmung, in einem schmalen Raum statt, nicht in einem höfischen Theater. Dieser Raum befand
sich in den Gemächern von Margherita Gonzaga d’Este, der verwitweten Schwester des Herzogs, die im Palazzo ducale wohnte (»nella sala nel partimento
che godeva Madama Serenissima di Ferrara«; so ein Brief von Carlo Magno am 23. Februar 1607). Man vermutet jetzt, dass es sich um die ursprüngliche »Sala
Mantua, Palazzo ducale
dello Specchio« handelt. Die heutige Sala degli Specchi kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage; ihre
jetzige Einrichtung stammt aus dem 18. Jahrhundert. Außerdem entspricht sie nicht der Beschreibung
Magnos, der auf einen Raum hinweist, der entschieden kleiner sein muß. Bei baulichen Änderungen
im Palazzo ducale in Mantua wurden jedoch mehrere Räume grundlegend geändert. Die alte Sala dello
Specchio, in der regelmäßig musikalische Aufführungen stattfanden, befindet sich in der Tat in dem
Teil des Palazzo, in dem sich die Gemächern von Margherita Gonzaga befunden haben mögen. Ein
in Frage kommender Raum wurde Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts freigelegt. Er ist
entschieden kleiner und in der Anlage trapezförmig, mit einem kleinen Vestibül am Eingang. Für die
Uraufführung mußte er zweifellos extra theatralisch eingerichtet werden; zudem kann man davon ausgehen, dass für den Auftritt Apolls im fünften Akt eine Theatermaschine vorgesehen war, wie klein
auch immer – wenn das von Monteverdi überlieferte Finale das ursprüngliche ist. Das trompe l’oeil, das
dank der Spiegel entsteht, könnte vielleicht ebenfalls für ein solches Finale verwendet werden und
vielleicht gar eine Theatermaschinerie suggerieren, die wegen der Enge des Raums nicht wirklich einsetzbar gewesen ist. Diese ursprüngliche Sala dello Specchio wurde nach ihrer »Wiederentdeckung« restauriert. Sie wird wieder für Konzerte genutzt.
»Hieri fu recitata la Comedia«, »parleranno musicalmente«: das »Recitar Cantando«
Hieri fu recitata la Comedia nel solito scenico Teatro con la consueta magnificenza et dimani sera il Ser.mo S.r Principe ne fa recitare una, nella sala del partimento che
godeva Mad.ma Ser.ma di Ferrara, che sarà singolare posciaché tutti gli interlocutori parleranno musicalmente dicendosi che riuscirà benissimo onde per curiosità dubio
che mi vi lasciare’ ridurre, caso che l’angustia del luogo non mi escluda.
Carlo Magno
Dieser Bericht zur Aufführung des Orfeo spricht nicht über virtuose Arien, sondern über Rezitieren, parlare musicalmente oder, wie Giulio Caccini, einer
der frühen Protagonisten der neuen Musik, es in einer Vorrede 1602 nennt, favellare in harmonia – sprechen auf Musik. Die Idee einer Trennung zwischen
Rezitativ und Arie existiert noch nicht; ja, die Arie als Affektträger gibt es noch nicht. Diese Rolle liegt einzig und alleine im recitar cantando, im singenden
Rezitieren. Gerade in den frühesten Zeiten der neuen Gattung »Pastorale« war das Spielen genauso wichtig wie das Singen: Die Glaubwürdigkeit der
Darstellung war, gerade wegen der Neuigkeit der Gattung, oberstes Gebot. Theatralisches Singen oder Rezitieren auf Tönen von epischer Literatur hat
allerdings in Italien eine längere Tradition, die in bestimmten Gebieten bis heute lebendig ist. Insofern war der Sprung von Rezitation bis zur begleiteter
Rezitation in Italien vielleicht eher ein Schritt denn ein Sprung. Man soll außerdem nicht vergessen, dass das Rezitativ sich nicht nach »normalem« Sprechen richtet, sondern nach dem Rezitieren des Schauspielers. Und die Theaterliteratur ist in Versen geschrieben, die ein Scansum haben.
Über alte Gesangstechnik und gerade über die Änderungen, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vollzogen und die zum Bel Canto führten,
wissen wir längst nicht so viel, wie wir vorgeben zu wissen. Wichtig zu wissen sind einige Fakten: Dank des Diminutionsstudiums, das sowohl technische
als ästhetische Anforderungen stellt, erweiterte sich der Ambitus der Stimme. Sie wurde sozusagen für das Solosingen präpariert. Wenn man die frühesten
Ansätze zur manieristischen Ausdeutung »antiken« Gesangs sieht, merkt man noch, wie klein der Ambitus der Stimme ist. Auch das recitar cantando an
sich braucht keinen Riesenambitus. Dennoch ist Possente Spirto hier als Demonstration zeitgenössischer Gesangstechnik deutlich ambitionierter. Man weiß
dass Francesco Rasi, der vermutlich den Orfeo sang, ein Tenor mit baritonalen Tiefen war. Das trainieren der Stimme zur Erweiterung der Tessitur
sowohl nach oben als auch nach unten, ist mehrfach dokumentiert.
Auch über die Stimmbildung selbst, über die Änderungen, die das neue Solosingen mit sich brachte (u.a. im Gebracuh des Vibratos) sind wir noch nicht
eingehend genug dokumentiert. Es gibt zwar mehrere Äußerungen zum Gesang, es gibt die Vorrede von Giulio Caccini zu seinen Nuove Musiche, dennoch
braucht es zur alten Gesangstechnik noch weitere Forschungen, die nicht von Vorurteilen und fertigen Vorstellungen belastet sind. Ein Problem dabei
bleibt die Sprache bzw der völlig andere physiologische Kenntnisstand des 17. und 18. Jahrhunderts, der mit einer für uns nicht immer nachvollziehbaren
Terminologie gepaart ist.
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