Oberhammer_ted:sala_it.qxd 30/04/2016 11:15 Pagina 4 Das „Konzertante Praeludium“ ist die erste Komposition von Günther Andergassen für die Orgel. Die Uraufführung fand in der Innsbrucker Basilika Wilten anläßlich der Eheschließung des Komponisten mit seiner Elvira statt. Dieses Werk ist nicht nur vom damals dominierenden neobarocken bzw. neoklassizistischen Geist erfüllt. Es beinhaltet auch alle Charakteristiken der späteren Musik von Günther Andergassen: starke Motorik und Spielfreudigkeit gepaart mit konsequentem Liniendenken. Günther Andergassen hat sein größtes und dichtestes Orgelwerk „Fantasie über BACH“ als Auftragswerk des Brucknerhauses Linz für das J.S. Bach-Gedenkjahr 1985 komponiert. Basis dieser Komposition ist eine von der Viertonfolge b – a – c – h beherrschte Tonreihe. Wie die meisten Komponisten, welche die Viertonfolge b – a – c – h für ihr Schaffen benützen, fühlt sich auch Andergassen zu einer kompositorischen Höchstleistung herausgefordert und verpflichtet für seine „Hommage a Bach“. Die Omnipräsenz dieser Viertonfolge garantiert dichteste Verklammerung der zahlreichen Spiegelungen und Symmetriebildungen: eine thematisch-motivische Konzentration wie in den späten Kompositionen von J.S. Bach. Cesar Bresgen war der Kompositionslehrer von Andergassen; eine starke Freundschaft hat die beiden Komponisten lebenslänglich miteinander verbunden. Cesar Bresgen hat seine Fantasie „Sacris solemniis“ für die Ehrung des bayerischen Kulturministers Hans Maier in der schweizerischen Akademie Amriswil komponiert. Er hat dafür die Melodie des gregorianischen Hymnus „Sacris solemniis“ als Ausgangspunkt gewählt, die in mannigfachen Verschränkungen und Verwebungen in dieser Fantasie präsent ist. Andergassen hat seine Komposition „Symmetrien und Choral“ für die Uraufführung an der großen Orgel im Dom zu Bozen im Jahre 1975 bestimmt. (Dem Komponisten war zu jener Zeit eine Einreise nach Italien noch verwehrt.) Der Komponist reiht hier fünf Blöcke aneinander, welche von ihm hinsichtlich der Klangfarben sehr genau ausgehört und gekennzeichnet sind. Sie alle sind konsequent symmetrisch gestaltet. Den Abschluß dieser Komposition bildet ein ungemein dichter Choral: je sechs Stimmen für die beiden Füße und für die beiden Hände, und das im fff mit voller und einfach überwältigender Kraft! Bruno Oberhammer 45. Festival 2016 Sonntag, 22. Mai Bozen, Franziskanerkirche, 20.00 Uhr Bruno Oberhammer Pirchner-Orgel In Memoriam Günther Andergassen (17.4.1930 Magreid – 19.1.2016 Innsbruck) In Zusammenarbeit mit Südtiroler Künstlerbund Oberhammer_ted:sala_it.qxd 30/04/2016 11:15 Pagina 2 Programm Günther Andergassen Konzertantes Praeludium (1956) J. S. Bach (1685-1750) Fünf Choralbearbeitungen: Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr BWV 662 An Wasserflüssen Babylon BWV 653 Wo soll ich fliehen hin BWV 646 O Mensch, bewein dein Sünde groß BWV 622 Vor deinen Thron tret‘ ich hiemit BWV 668 G. Andergassen Fantasie über BACH C. Bresgen (1913-1987) Fantasie „Sacris solemniis“ (1982) Puccini Promotion zum Dr. phil. Anschließend Kompositionsstudium bei Cesar Bresgen und Studium der Musikpädagogik am Salzburger Mozarteum, wo auch bald Lehraufträge in den Fächern Tonsatz, Musikgeschichte, Kulturgeschichte und Chorleitung folgten. Parallel dazu in denselben Fächern ab 1961 auch am Innsbrucker Konservatorium tätig, wo Günther Andergassen die Abteilung für Musikpädagogik aufbaut. Von 1964 bis 1970 Inhaftierung in italienischen Gefängnissen wegen seines Kampfes für die Rechte Südtirols. In diese Zeit fällt auch seine Übersetzung des Standard-Kontrapunktlehrbuches von Knud Jeppesen in die italienische Sprache. Ab Jahresende 1970 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit in Innsbruck. 1990 Berufung zum Direktor des Vorarlberger Landeskonservatoriums Feldkirch. Das kompositorische Schaffen beinhaltet alle Sparten der Musik, ausgenommen freilich die sog. U-Musik, nämlich Instrumental- und Vokalwerke für verschiedenste Besetzungen von Klavier solo und Orgel solo bis zu großen Kompositionen für Soli, Chor und Orchester; z.T. als Auftragswerke verschiedener öffentlicher Institutionen. Internationales Renommee nicht nur als Komponist, sondern auch als Dirigent großer Oratorienkonzerte (z.B. von Joh. Seb. Bachs „Johannes-Passion“ und „Matthäus-Passion“). Aufnahmen der meisten Kompositionen bei verschiedenen Rundfunkstationen sowie diverse CD-Dokumentationen. Zum Programm: G. Andergassen Symmetrien und Choral (1975) Bruno Oberhammer, Orgel. Studium der Geschichte, Philosophie/Psychologie, Musikwissenschaft (Dissertation über die Orgel-Improvisationslehre), Klassische Philologie, Klavier, Orgel und Komposition (bei Günther Andergassen) in Österreich, Schweiz und Deutschland. Professor für Orgel, Tonsatz und Kulturwissenschaft an mehreren Hochschulen. Internationale Konzerttätigkeit (Europa, Amerika), verbunden mit zahlreichen Aufnahmen (Radio, TV, CDs). Referent/Dozent bei internationalen Kongressen/Meisterkursen. Kompositionen. Publikationen. Günther Andergassen. Nach Kindheitsjahren in Bozen und Gymnasialzeit in Innsbruck Studium der Anglistik, Romanistik (Italienisch und Französisch), Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an der Universität Innsbruck; mit der ersten deutschsprachigen Dissertation über Giacomo Für Johann Sebastian Bach war es eine Selbstverständlichkeit, die Aussage von Liedtexten mit einer pointiert gewählten Musik zu überhöhen. Schließlich war er ja rhetorisch sehr gebildet, wie Johann Birnbaum, sein Freund und Professor der Rhetorik an der Universität Leipzig, mehrfach bezeugt hat. Wenn hier nur auf ein paar Aspekte aufmerksam gemacht werden soll: die vielen absteigenden Septimen und Portamentfiguren in „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ symbolisieren die Herabkunft Jesu Christi und erinnern an seine schmerzvolle Erlösungstat - „An Wasserflüssen Babylon“ mit den vielen dissonanten Akzenten meditiert das leidvolle Exil der Juden in der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft - hastige Figuren bei „Wo soll ich fliehen hin“ verdeutlichen die Unruhe im Menschenleben - „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ ist ein einziges und gleichzeitig auch einzigartiges großes Rezitativ klagender Betroffenheit - „Vor deinen Thron tret‘ ich hiemit“ ist Bachs letzte und schmuckärmste Komposition überhaupt, die er auf seinem Sterbebett seinem Schwiegersohn Johann Altnikol in die Feder diktiert hat.