WANN LIEGT EIN ÖFFENTLICHER VERTRIEB KOLLEKTIVER

Werbung
AU S D E R R E C H T S P R E C H U N G
WANN LIEGT EIN ÖFFENTLICHER VERTRIEB
KOLLEKTIVER KAPITALANLAGEN VOR ?
Anmerkungen zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 14. Dezember 2009 (Abteilung II B-7765/2008)
STEFAN GRIEDER
JANA ESSEBIER
Welche Kriterien sind für die Annahme eines öffentlichen Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen in der Schweiz
massgebend? Der öffentliche Vertrieb von kollektiven
Kapitalanlagen führt insbesondere für ausländische Anlagefonds zu einer Bewilligungspflicht in der Schweiz.
Die restriktive Praxis der Finma zu diesem Thema wurde
in einem jüngeren Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts korrigiert. Dieser Entscheid ist zwar rechtsstaatlich zu begrüssen. In der praktischen Konsequenz
führt er aber für die Fondsanbieter zu (altbekannten)
Rechtsunsicherheiten.
1. EINLEITUNG
Gemäss Art. 120 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die kollektiven
Kapitalanlagen (KAG) dürfen ausländische kollektive Kapitalanlagen (Fonds) in oder von der Schweiz aus nur öffentlich
vertrieben werden, wenn sie von der Eidg. Finanzmarktaufsicht
(Finma) bewilligt sind [1, 2]. Eine klare Vorstellung, wann ein
Vertrieb als öffentlich im Sinne des KAG gilt, ist umso wichtiger, als ein unbewilligter Vertrieb einer kollektiven Kapitalanlage mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit einer
Busse bis zu CHF 250 000 bestraft werden kann.
Der Begriff des öffentlichen Vertriebs ist im KAG nicht
definiert. In Art. 3 KAG findet sich jedoch eine Definition
des Begriffs der öffentlichen Werbung. Nach allgemeiner
Ansicht ist der Begriff des öffentlichen Vertriebs lediglich
eine unterschiedliche sprachliche Ausprägung für öffentliche
Werbung [3]. Gemäss Art. 3 Satz 1 KAG gilt als öffentliche
Werbung jede Werbung, die sich an das Publikum richtet.
Werbung gilt gemäss Art. 3 Satz 3 KAG als nicht öffentlich,
wenn sie sich ausschliesslich an qualifizierte Anleger gemäss
Art. 10 Abs. 3 KAG richtet.
Bereits unter dem früheren Anlagefondsgesetz (AFG) hatte
die Eidg. Bankenkommission (EBK) ihre Verwaltungspraxis
zur öffentlichen Werbung in einem Rundschreiben (EBKRundschreiben 03/1) dargelegt. Dieses Rundschreiben wurde
nach dem Inkrafttreten des KAG angepasst und per 1. Januar
2009 durch das Finma-Rundschreiben 2008/8 ersetzt. In dem
Rundschreiben wird der Begriff öffentliche Werbung gestützt auf Art. 3 Satz 3 KAG restriktiv ausgelegt: Als öffentlich gilt demgemäss grundsätzlich jegliche Werbung, welche
sich nicht ausschliesslich an qualifizierte Anleger richtet.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat in einem Entscheid
vom 19. Dezember 2009 der diesbezüglichen Praxis der
Finma die Anwendung versagt und ist zu der im Vergleich
liberalen Praxis unter dem früheren AFG zurückgekehrt.
Demgemäss ist das Vorliegen öffentlicher Werbung nur zu
bejahen, wenn sich die Werbung nicht an einen eng umschriebenen Kreis von Personen richtet. Der Entscheid des
BVGer ist zwar noch nicht in Rechtskraft erwachsen, da
eine Beschwerde beim Bundesgericht hängig ist. Anhand
des Entscheids lassen sich jedoch lehrbuchmässig die Bedeutung und die Schwierigkeiten bei der Auslegung des
Begriffs der öffentlichen Werbung nachvollziehen.
2. WERBUNG
Werbung liegt gemäss Lehre und Rechtsprechung dann
vor, wenn eine Tätigkeit darauf abzielt, direkt oder indirekt
auf eine kollektive Kapitalanlage aufmerksam zu machen
und diese abzusetzen und zu vertreiben [4]. Gemäss dem
Finma-Rundschreiben 2008/8 ist Werbung die Verwendung
von Werbemitteln jeder Art, deren Inhalt dazu dient, bestimmte Fonds anzubieten oder zu vertreiben. Es reicht
von der Veröffentlichung von Inseraten, über die direkte
Kundenansprache bis hin zu Road-Shows. Die Erwähnung
der Zeichnungsmöglichkeit unter Kontaktangabe genügt.
Werbung liegt nicht vor, wenn ein Anleger einen Zeichnungsauftrag aus eigener Initiative erteilt oder von sich aus Informationen über einen bestimmten Fonds verlangt [5]. Der
Begriff der Werbung erfasst somit grundsätzlich jegliche
Aktivitäten im Vorfeld zur Zeichnung von Fondsanteilen und
nicht nur das effektive Angebot zum Vertragsabschluss. Die
Grenzziehung zu einer bewilligungsfrei möglichen Vorabinformation ist schwierig. Will ein ausländischer Fonds,
welcher nicht in der Schweiz bewilligt ist, kein Risiko einge-
STEFAN GRIEDER,
JANA ESSEBIER,
DR. IUR., ADVOKAT,
DR. IUR.,
VISCHER AG,
RECHTSANWÄLTIN,
BASEL/ZÜRICH
VISCHER AG,
ZÜRICH/BASEL
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hen, sollte er somit keinerlei Aktivitäten in der Schweiz vornehmen, welche als im Zusammenhang mit der Auflage eines
Fonds stehend verstanden werden könnten, es sei denn, die
Werbung ist nicht öffentlich. Damit kommt dem Kriterium
«öffentlich» die entscheidende Bedeutung zu.
3. BEGRIFF DER ÖFFENTLICHKEIT
GEMÄSS RUNDSCHREIBEN
Im Finma-Rundschreiben heisst es, dass jede Art von Werbung, die sich nicht ausschliesslich an qualifizierte Anleger richtet, als öffentlich gilt. Auf den ersten Blick scheint
dies eine Wiederholung des Gesetzeswortlauts zu sein. Tatsächlich liegt jedoch eine wesentliche Einschränkung der
gesetzlichen Bestimmung vor. Art. 3 Satz 3 KAG sagt nur,
dass Werbung, die sich ausschliesslich an qualifizierte Anleger richtet, als nicht öffentlich gilt. Die Bestimmung sagt
jedoch nicht, dass jede andere Werbung per se Öffentlichkeit
herstellt. Im Gegenteil: Die Grundaussage ist in Art. 3 Satz 1
KAG enthalten. Sie lautet: Als öffentliche Werbung (…) gilt
jede Werbung, die sich an das Publikum richtet. Wenn der
Gesetzgeber gewollt hätte, dass Werbung nur dann nicht
öffentlich ist, wenn sie sich ausschliesslich an qualifizierte
Anleger richtet, hätte er dies so explizit formulieren und auf
den ersten Satz des Art. 3 KAG verzichten können. Die Finma
kann sich in ihrer restriktiven Haltung auch nicht auf den
historischen Willen des Gesetzgebers abstützen. So hält
die Botschaft des Bundesrats vom 23. September 2005 zum
KAG ausdrücklich fest, dass als öffentliche Werbung jede
Werbung gilt, die sich nicht an einen eng umschriebenen
Kreis von Personen richtet [6]. Der Gesetzeswortlaut, die Gesetzessystematik und die Gesetzesmaterialien legten somit
den Schluss nahe, dass Werbung, die sich zwar nicht ausschliesslich an qualifizierte Anleger, aber jedenfalls nicht an
das Publikum richtet, nicht öffentlich und damit nicht bewilligungspflichtig ist. In der Literatur wurde das FinmaRundschreiben denn auch überwiegend kritisiert. Es wurde
bezweifelt, ob die Finma ermächtigt ist, die gesetzliche Bestimmung entgegen dem Wortlaut und der Systematik in
ihrer Verwaltungspraxis einzuschränken [7]. Die Fondspraxis musste sich jedoch, wollte sie kein Risiko eingehen, am
Finma-Rundschreiben orientieren.
4. QUALIFIZIERTE ANLEGER IM SINNE DES K AG
Art. 10 Abs. 3 KAG listet bestimmte Kategorien von Anlegern auf, welche als qualifiziert gelten, so insbesondere
Banken und Versicherungen, Unternehmen mit professioneller Tresorerie und vermögende Privatpersonen. Der Begriff der professionellen Tresorerie wird im Gesetz nicht
definiert. Professionelle Tresorerie liegt nach allgemeiner
Ansicht dann vor, wenn mindestens eine fachlich ausgewiesene, im Finanzbereich erfahrene Person damit betraut ist,
die Finanzmittel des Unternehmens, d. h. dessen flüssige und
nicht betriebsnotwendigen Mittel dauernd im Rahmen eines
professionellen Cash bzw. Treasury Managements zu bewirtschaften [8]. Der Begriff der vermögenden Privatperson wird
nicht im KAG selbst, sondern in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung
über die kollektiven Kapitalanlagen (KKV) definiert. Danach gilt
als vermögende Privatperson, wer schriftlich bestätigt, dass
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er direkt oder indirekt über Finanzanlagen von mindestens
CHF 2 Mio. netto verfügt. Art. 10 Abs. 4 KAG ermächtigt den
Bundesrat, weitere Kategorien von qualifizierten Anlegern
festzulegen. Der Bundesrat hat von dieser Ermächtigung
Gebrauch gemacht. Gemäss Art. 6 Abs. 2 KKV gelten als
qualifizierte Anleger, welche mit einem unabhängigen Vermögensverwalter einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben, sofern bestimmte Kriterien erfüllt werden [9].
5. URTEIL DES BVGER
Das BVGer hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in
dem es neben Verstössen gegen das Banken- und Börsengesetz auch um einen Verstoss gegen das KAG ging. Die
Finma hatte in ihrer Verfügung festgestellt, dass der Beschwerdeführer einen ausländischen Fonds ohne Bewilli-
«Das BVGer schliesst sich in seinem
Urteil der in der Literatur geäusserten
Auffassung an, wonach die Auslegung
der Finma zu einschränkend ist und dem
Wortlaut des Gesetzes widerspricht.»
gung öffentlich angeboten und vertrieben hat. Das BVGer
prüfte in seinen Erwägungen lehrbuchmässig, ob ein öffentlicher Vertrieb vorgelegen hatte. Laut dem BVGer liegt
ein öffentlicher Vertrieb dann vor, wenn öffentliche Werbung betrieben wird [10]. Es schliesst sich somit der allgemeinen Auffassung an, dass es sich hier nur um sprachliche
Differenzierung des gleichen Grundsatzes handelt.
Gemäss BVGer liegt Werbung dann vor, wenn eine Tätigkeit darauf abzielt, direkt oder indirekt auf einen Fonds aufmerksam zu machen und diesen Fonds abzusetzen. Es legt
somit in Übereinstimmung mit der Praxis der Finma eine
weite Auslegung des Begriffs der Werbung zugrunde. Das
BVGer ging davon aus, dass der Beschwerdeführer Anleger
über den Fonds informiert und als Kunden für den Fonds
gewonnen hatte. Da somit Werbung vorgelegen hatte, stellte
sich nun die Frage, ob diese Werbung auch öffentlich war. Die
Finma hatte diese Frage bejaht, da es sich bei den Anlegern
jedenfalls auch um nichtqualifizierte Anleger handelte.
Laut dem BVGer ist das Rundschreiben eine Verwaltungsverordnung und kann daher keine neuen Rechte oder Pflichten für Private statuieren. Es sei für das BVGer nicht bindend [11]. Das BVGer schliesst sich in seinem Urteil der in der
Literatur geäusserten Auffassung an, wonach die Auslegung
der Finma zu einschränkend ist und dem Wortlaut des Gesetzes widerspricht. Laut dem BVGer liegt öffentliche Werbung nur vor, wenn sich die Werbung an das Publikum, d. h.
nicht an einen eng umschriebenen Kreis von Personen richtet. Ein eng begrenzter Personenkreis liege dann vor, wenn
einerseits das Publikum bestimmt ist (z. B. aufgrund vorbestehender Beziehungen) und andererseits dieses zahlenmässig klein ist. Somit liege auch dann keine öffentliche
Werbung vor, wenn sich die Werbung zwar nicht ausschliess-
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lich an qualifizierte Anleger, jedoch an einen zahlenmässig
kleinen, vorbestimmten Personenkreis richtet [12]. Damit
knüpfte das BVGer wieder an die Praxis des Bundesgerichts,
die herrschende Lehre und im übrigen auch die Praxis der
EBK zum AFG an [13]. Damit kommen aber auch wieder die
alten Streitfragen und Unsicherheiten in der Auslegung des
Begriffs der öffentlichen Werbung zum Tragen, welche die
Finma mit ihrer rigorosen, aber immerhin sehr klaren Praxis
überwunden hatte [14]. Nachfolgend sollen die wichtigen
Auslegungsfragen in diesem Zusammenhang, d. h. zu der
Frage, wann ein Personenkreis bestimmt und wann er zahlenmässig klein ist, kurz erläutert werden.
6. WANN IST EIN PERSONENKREIS BESTIMMT?
Ein Personenkreis ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung dann bestimmt, wenn zwischen dem Werbenden
und dem Anleger eine qualifizierte Beziehung besteht. Die
Qualifikation dieser Beziehung kann z. B. in einem besonderen Vertrauensverhältnis bestehen. Aufgrund dessen kann
das Schutzbedürfnis beim Beworbenen so vermindert sein,
dass sich aus Gründen des Anlegerschutzes eine Unterstellung unter das KAG nicht rechtfertigt [15]. Ob eine qualifizierte Beziehung vorliegt, beurteilt sich aufgrund der
konkreten Umstände im Einzelfall. Ein direkter Bezug zur
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Anlageberatung und Vermögensverwaltung kann bereits
genügen. Lehre und Rechtsprechung sind sich allerdings
einig, dass es für die Annahme eines qualifizierten Verhältnisses zwischen Beworbenen und Werber nicht genügt, dass
der Beworbene bereits Kunde des Werbers ist [16]; ebenso
wenig reicht die reine Mitgliedschaft in einer Organisation
oder die Zugangsberechtigung zu einer Datenbank [17].
Eine besondere Beziehung kann sich auch aus der Nähe
des Anlegers zum Produkt ergeben, so z. B. wenn der Anleger bereits in das beworbene Produkt investiert ist oder er
an dessen Ausgestaltung mitgewirkt hat. Auch hier erscheint
das Schutzbedürfnis des Beworbenen vermindert [18]. Je
vertrauter der Beworbene mit dem Werber oder dem beworbenen Produkt ist, desto weniger streng sind jedenfalls die
Anforderungen, weil die Schutzbedürftigkeit des Beworbenen mit zunehmender Professionalität abnimmt [19].
7. WANN IST DER BEWORBENE PERSONENKREIS ZAHLENMÄSSIG KLEIN?
Schon im Hinblick auf das allgemeine Sprachverständnis
fehlt es am Kriterium der Öffentlichkeit bzw. des Publikums,
wenn sich die Werbung nur an einige wenige Personen richtet. Darüber bestand in der Praxis und herrschenden Lehre
zum AFG Einigkeit [20]. Entgegen der Praxis der Finma [21]
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scheint auch in der Lehre zum neuen KAG die Auffassung
zu überwiegen, wonach die Auslegung des Begriffs öffentliche Werbung ein quantitatives Element beinhaltet bzw.
Werbung, die sich an einen zahlenmässig kleinen Personenkreis richtet, nicht öffentlich ist [22]. Das BVGer ist nunmehr
in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre zur alten
Praxis zurückgekehrt. Demgemäss ist Werbung für einen
«Im Internet liegt öffentliche
Werbung daher nur dann
nicht vor, wenn eine Zugangsbeschränkung auf qualifizierte
Anleger besteht.»
Anlagefonds nicht öffentlich, wenn sie sich «nur an einen
oder ganz wenige potentielle Anleger richtet» [23]. Das BVGer
lässt jedoch bewusst offen, wann ein Personenkreis zahlenmässig klein ist und stellt ausdrücklich fest, dass keine festgesetzte numerische Freigrenze von Beworbenen besteht [24].
Damit muss aufgrund der konkreten Umstände in jedem
Einzelfall geprüft werden, wann das numerische Höchstmass erreicht ist. Dabei dürfte weiterhin gelten, dass Angebote an bis zu 20 Personen kaum als öffentlich qualifiziert
werden können [25, 26].
8. VERHÄLTNIS ZWISCHEN DEM QUALITATIVEN
UND QUANTITATIVEN ELEMENT DER WERBUNG
Gemäss dem zitierten Entscheid des BVGer, aber auch gemäss der Bundesgerichtspraxis scheint klar zu sein, dass
das qualitative und quantitative Element kumulativ vorliegen müssen, damit die Öffentlichkeit einer Werbung verneint werden kann. Die Werbung ist somit dann nicht öffentlich, wenn sie sich sowohl an einen (vor-)bestimmten als
auch an einen zahlenmässig kleinen bzw. begrenzten Personenkreis richtet [27]. Dies würde an sich bedeuten, dass
selbst bei einem Angebot an einen sehr kleinen Personenkreis, letztlich sogar bei einem Angebot an nur eine Person,
immer auch verlangt werden müsste, dass diese Personen in
einem qualifizierten Verhältnis zum Werbenden oder zum
Produkt stehen. Dass dies dem allgemeinen Sprachempfinden in der Auslegung der Begriffe Öffentlichkeit und Publikum zuwider läuft, wurde vorstehend bereits ausgeführt. Die
EBK war in ihrer Praxis zum AFG denn auch präziser und
prüfte das Vorliegen einer qualifizierten Beziehung zum
Werbenden erst, wenn die Freigrenze von Angeboten an mehr
als 20 Personen im selben Geschäftsjahr überschritten
war [28, 29]. Dem ist grundsätzlich bereits aus Gründen der
Praktikabilität zuzustimmen.
Allerdings bestehen zwischen dem qualitativen und quantitativen Element der Werbung durchaus wesentliche Wechselwirkungen. Keines der beiden Elemente sollte isoliert und
unabhängig vom anderen geprüft werden. Je intensiver die
besonderen Beziehungen zwischen Beworbenen und Werber sind, desto höher dürfte auch die entsprechende numerische Freigrenze anzusetzen sein. Umgekehrt muss gelten,
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dass je kleiner die Anzahl der angesprochenen Personen ist,
desto lockerer dürften die Beziehungen zwischen Beworbenen und Werber sein, ohne dass eine Öffentlichkeit im Sinne
des KAG hergestellt würde [30].
So einleuchtend das Zusammenspiel von qualitativen und
quantitativen Kriterien in der Erfassung der Begriffe Öffentlichkeit und Publikum erscheint, so wenig voraussehbar und justiziabel sind diese Kriterien in der Praxis. Insbesondere die betroffenen ausländischen Anlagefonds werden deshalb in der Praxis auch nach allfälliger Rechtskraft
des zitierten Urteils des BVGer gut beraten sein, ihre Fondsanteile weiterhin nur an qualifizierte Anleger im Sinne des
KAG oder aber nur an einen zahlenmässig sehr kleinen Kreis
von Anlegern zu vertreiben.
9. EINFLUSS DER VERWENDETEN
WERBE MITTEL AUF DIE FRAGE DER
ÖFFENTLICHKEIT DER WERBUNG
Unabhängig von der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung zur öffentlichen Werbung im KAG, müssen die ausländischen Anlagefonds, welche ihre Anteile in der Schweiz
vertreiben wollen, beachten, dass bestimmte Werbemittel per
se eine Öffentlichkeit herstellen und somit eine Unterstellung unter das KAG begründen. So wird etwa Werbung für
einen Fonds im Internet, welche sich an Anleger in der
Schweiz richtet, weiterhin als öffentliche Werbung anzusehen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Zeichnung des Fonds
online nicht möglich ist und faktisch nur eine geringe Anzahl
an Investoren erreicht werden soll. Entscheidend ist, dass jede
Veröffentlichung im Internet einen nicht vorbestimmten
Personenkreis anspricht. Im Internet liegt öffentliche Werbung daher nur dann nicht vor, wenn eine Zugangsbeschränkung auf qualifizierte Anleger besteht.
10. KRITISCHE WÜRDIGUNG
Dem Begriff der öffentlichen Werbung kommt entscheidende Bedeutung zu für die Frage der Unterstellung ausländischer Anlagefonds unter das KAG. Das KAG definiert
die öffentliche Werbung in Art. 3 als jede Werbung, die sich
an das Publikum richtet. Die Finma legt dies in ihrer Praxis,
welche im Rundschreiben 2008/8 festgelegt ist, sehr weit und
damit für die Fonds sehr einschränkend aus: Die Finma erachtet jegliche Werbung, welche sich nicht ausschliesslich
an qualifizierte Anleger richtet, als öffentlich bzw. an das
Publikum gerichtet. In einem im Dezember 2009 ergangenen Entscheid versagte das BVGer dem Finma-Rundschreiben die Anwendung. Gestützt auf den Wortlaut, die Systematik und die Entstehungsgeschichte von Art. 3 KAG sei das
Vorliegen von öffentlicher Werbung nur zu bejahen, wenn
sich die Werbung nicht an einen eng umschriebenen Kreis
von Personen richte. Das BVGer knüpfte dabei an die herrschende Lehre und Praxis zum AFG an. Demgemäss liegt
ein eng begrenzter Personenkreis dann vor, wenn einerseits
das Publikum bestimmt ist (z. B. aufgrund vorbestehender
Beziehungen) und dieses andererseits zahlenmässig klein
ist.
Der Entscheid des BVGer, gegen den Beschwerde beim
Bundesgericht erhoben worden ist und der deshalb noch
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nicht in Rechtskraft erwachsen ist, ist angesichts des klaren
Wortlauts von Art. 3 KAG, aber auch angesichts der Bedürfnisse des Anlegerschutzes, rechtsstaatlich zu begrüssen.
Mit der Anknüpfung an die unter dem AFG geltende Praxis
und Lehre verliert der Begriff der Öffentlichkeit jedoch seine
scharfen Konturen. Die ausländischen Anlagefonds und
Fondsvertreiber sind wieder mit den früheren Auslegungsunsicherheiten konfrontiert: Wann qualifizieren die Beziehungen zwischen Werber und Beworbenen als bestimmt
genug, und wann ist der Adressatenkreis der Werbung klein
genug, damit eine Werbemassnahme nicht als öffentlich gilt?
Was gilt, wenn der Adressatenkreis zwar klein ist, aber zwischen Werber und Beworbenen keine besonderen (vorbeste-
Anmerkungen: 1) Die Genehmigung wird nur
erteilt, wenn die Finma zum Ergebnis gelangt,
dass die Aufsicht und Ausgestaltung des ausländischen Fonds mit dem KAG gleichwertig ist. Bei
offenen Fonds hat die Finma für bestimmte Staaten, wie den Mitgliedstaaten des Europäischen
Wirtschaftsraums, festgehalten, dass diese Fonds
einer dem Anlegerschutz dienenden öffentlichen
Aufsicht unterstellt sind, die mit den Bestimmungen des KAG gleichwertig ist. Wurden die offenen
Fonds in anderen Staaten errichtet, muss der Gesuchsteller ebenso wie für geschlossene Fonds jeweils im Bewilligungsverfahren der Finma nachweisen, dass Gleichwertigkeit gegeben ist (vgl.
dazu Wegleitung der Finma vom 14. 10. 2010 für
Gesuche betreffend die Genehmigung der massgebenden Dokumente ausländischer kollektiver
Kapitalanlagen, die nicht EU-kompatibel sind,
S. 3). Insbesondere bei geschlossenen Fonds gelingt dieser Nachweis häufig nicht. Dem Kriterium des öffentlichen Vertriebs kommt damit in
der Praxis häufig nicht nur die Bedeutung zu, zu
entscheiden, ob eine Bewilligung der Finma erforderlich ist, sondern auch, ob ein öffentlicher Vertrieb in der Schweiz überhaupt möglich ist. 2) Der
öffentliche Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen
dient ausserdem als Unterstellungskriterium für
Vertriebsträger (Art. 19 Abs. 1 KAG) und als Abgrenzungskriterium für die internen Sondervermögen von Banken und Effektenhändlern (Art. 4
Abs. 1 lit. c KAG), wobei in letzterer Bestimmung
der Begriff öffentliche Werbung statt öffentlicher
Vertrieb verwendet wird. 3) René Bösch, Basler
Kommentar zum Kollektivanlagengesetz, Basel
2009, (BSK KAG-Bösch), Art. 3 N 7 spricht von
einem gesetzgeberischen Versehen. 4) BVGer II
B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009, Erw. 8.3;
BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 12 m. w. H. 5) Die Abgrenzung zu einem aktiven Verhalten des Fondsanbieters kann dabei im Einzelfall schwierig sein
(vgl. dazu BSK KAG-Bösch, Art. 3 N. 13 m. w. H.).
6) BBl 2005 6438. 7) BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 22 f.
m. w. H.; Matthias Courvoisier, in: Baker & McKenzie, Zürich [Hrsg.], Recht der kollektiven Kapitalanlagen, Bern 2007, C. 5, S. 28 m. w. H. 8) Werner
W. Wyss, Basler Kommentar zum Kollektivanlagengesetz, Basel 2009, Art. 10 N 16. 9) Im Vergleich
zu Art. 3 KAG enthält Art. 3 Abs. 1 KKV die zusätz-
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henden) Beziehungen bestehen? Solange sich diese Fragen
nicht durch eine gefestigte Praxis genauer beantworten lassen, sind die ausländischen Anlagefonds und die Fondsvertreiber selbst bei Rechtskraft des Urteils des BVGer gut beraten, sich mit ihren Werbemassnahmen ausschliesslich an
qualifizierte Anleger oder aber an einen zahlenmässig sehr
begrenzten Adressatenkreis zu richten. Von der Finma wäre
diesfalls zu wünschen, dass sie mit einem neuen Rundschreiben den Auslegungsunsicherheiten möglichst rasch
entgegentritt und insbesondere eine numerische Freigrenze
(Safe Harbor) für die Anzahl von Anlegern bestimmt, bei
deren Unterschreiten davon ausgegangen werden darf, dass
keine öffentliche Werbung vorliegt.
„
liche Einschränkung, dass eine öffentliche Werbung bei qualifizierten Anlegern nur dann nicht
vorliegt, wenn die Werbemittel verwendet werden,
mit denen üblicherweise qualifizierte Anleger angesprochen werden, so z. B. Road-Shows oder persönliche Kontaktaufnahme. Art. 3 Abs. 2 KKV
präzisiert des weiteren, dass die Publikation von
Inventarwerten oder Preisen nur dann nicht als
öffentliche Werbung gilt, wenn sie keine Kontaktangaben enthält. Dadurch soll der Zugang von
nichtqualifizierten Anlegern zu den nicht bewilligten Fonds erschwert werden, um so eine Umgehung des Art. 120 KAG zu verhindern (Erläuterungen zur KKV, November 2006, S. 6). 10) BVGer
II B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009, Erw. 8.1.
11) BVGer II B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009,
Erw. 8.4.1. 12) BVGer II B-7765/2008, Urteil vom
14. 12. 2009, Erw. 8.4.3 f. 13) BGE 107 Ib 358 E. 3b/
bb; Hans Rudolf Steiner, Kommentar zum schweizerischen Kapitalmarktrecht, Basel 1999 (AFGSteiner), Art. 2 AFG N. 36 f m. w. H.; Peter Forstmoser, Kommentar zum schweizerischen Anlagefondsgesetz, Zürich 1997 (Kommentar AFG),
N. 71 ff. zu Art. 2 AFG; EBK-RS 03/1 Rz 8. 14) Die
Unsicherheiten in der Auslegung wirken sich um
so stärker zulasten der Fondsanbieter aus, als
diese gemäss Auffassung eines Teils der Lehre die
Beweislast dafür tragen, dass sich ihre Werbung
nicht an das Publikum richtet (so z. B Forstmoser,
Kommentar AFG, N. 79 zu Art. 2 AFG m. w. H.;
a. M. etwa AFG-Steiner, N. 39 zu Art. 2 AFG).
15) BVGer II B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009,
Erw. 8.4.4; BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 28 ff. m. w. H.;
AFG-Steiner, N. 37 zu Art. 2 AFG m. w. H. 16) So
schon ausdrücklich bereits Art. 2 Abs. 2 AFG; EBKRS 03/1 Rz 10; BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 28 m. w. H.;
AFG-Steiner, N. 37 zu Art. 2 AFG m. w. H.; Forstmoser, Kommentar AFG, N. 73 zu Art. 2 AFG.
17) BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 28 m. w. H. 18) BVGer
II B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009, Erw. 8.4.4;
BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 30 m. w. H. 19) AFGSteiner, N. 37 zu Art. 2 AFG m. w. H. 20) BGE 107
Ib 358, E. 3b/bb; EBK-RS 03/1 Rz 9; AFG-Steiner, N.
37 zu Art. 2 AFG m. w. H.; Forstmoser, Kommentar
AFG, N. 74 zu Art. 2 AFG. Steiner und Forstmoser
wiesen jedoch zur Geltung des AFG u. E. zu Recht
darauf hin, dass weniger die Kleinheit der Zahl,
sondern die zahlenmässige Begrenztheit des Ad-
ressatenkreises der Werbung massgebend sei. Im
Ergebnis sind beide Autoren ebenfalls der Auffassung, dass bei einem Adressatenkreis der Werbung von unter 20 Personen im Regelfall nicht
mehr von öffentlicher Werbung gesprochen werden kann. 21) Die Finma hat mit der Neufassung
des Rundschreibens 2000/8 die in ihrer ursprünglichen Version des Rundschreibens verankerte
Freigrenze von Angeboten von 20 Anlegern pro
Jahr ersatzlos gestrichen. 22) BSK KAG-Bösch,
Art. 3 N 28 m. w. H. 23) BVGer II B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009, Erw. 8.4.4. 24) BVGer II B-7765/
2008, Urteil vom 14. 12. 2009, Erw. 8.4.4. 25) Ebenso
BSK KAG-Bösch, Art. 3 N 32; AFG-Steiner, N. 36
zu Art. 2 AFG; Forstmoser, Kommentar AFG, N. 75
zu Art. 2 AFG. 26) Das Abstellen auf eine numerische Freigrenze von 20 Angeboten liegt insofern
nahe, als dieselbe Grenze auch im Bankenrecht
für die Annahme der gewerbsmässigen Entgegennahme von Publikumseinlagen gilt (Art. 3 a Abs. 2
BankV); vgl. auch Art. 4 BEHV). Im Einzelfall bleiben einige Fragen offen: Zählen etwa die Angebote pro Geschäftsjahr, d. h. fängt in jedem neuen
Geschäftsjahr die Freigrenze wieder neu an zu
laufen? Ist es entscheidend, ob die Beworbenen
gleichzeitig oder gestaffelt angesprochen werden
oder ob die Werbung Erfolg hatte oder nicht? Die
erste Frage bejahend, die zweite und dritte Frage
verneinend die EBK in ihrer Praxis zum AFG, vgl.
EBK-RS 03/1 Rz 9. 27) BVGer II B-7765/2008, Urteil vom 14. 12. 2009, Erw. 8.4.4.; BGE 107 Ib 358
E. 3b/bb; grundsätzlich ebenso Forstmoser, Kommentar AFG, N. 72 zu Art. 2 AFG. 28) EBK-RS 03/1
Rz 9; im Ergebnis gl. M. AFG-Steiner, N. 36 zu
Art. 2 AFG und letztlich auch Forstmoser, Kommentar AFG, N. 75 zu Art. 2 AFG. Wohl gl. M. BSK
KAG-Bösch, Art. 3 N 32. 29) Auch das BVGer scheint
im zitierten Entscheid seinem eigenen Grundsatz
nicht stringent zu folgen, indem es bei der Rechtsanwendung im konkreten Fall festhält, dass ein
Informationsgespräch gegenüber einem bzw. zwei
Interessenten bereits in quantitativer Hinsicht
nicht ausreiche, um die Werbung als öffentlich zu
qualifizieren (BVGer II B-7765/2008, Urteil vom
14. 12. 2009, Erw. 8.4.5). 30) Gl. M. BSK KAG-Bösch,
Art. 3 N 32; Sandro Abegglen, CapLaw No. 3/2010,
S. 22, Ziff. 5, dritte Alinea.
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