Rede zur Verleihung des Brecht-Preises an Albert Ostermeier 10. Februar 2010 Goldener Saal Zum sechsten Mal vergibt die Stadt Augsburg am Geburtstag des Dichters den Bertolt-Brecht-Preis. Zur heutigen Verleihung dieses Preises heiße ich Sie ganz herzlich im Goldenen Saal unseres Rathauses willkommen! Der Brecht-Preis soll – nach der Intention des Stadtrats – die literarische Arbeit einer Persönlichkeit würdigen, „die sich durch die kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart in ihrem literarischen Schaffen ausgezeichnet hat“ - so heißt es im Beschluss. Die Jury, die das Erbe des Namensgebers dieses Preises wahrt, hat in diesem Jahr den Preis einem Mann zugesprochen, der, wie es in der Begründung heißt, „dessen lyrisches und dramatisches Schaffen, aber auch seine Arbeit als Herausgeber Hochschullehrer und Festivalleiter von der Reibung an Brechts Werk und Leben geprägt sind.“ Begrüßen Sie mit mir herzlich den Gast dieses Abends: Einmal mehr willkommen in Augsburg und herzlichen Glückwunsch zum Brecht-Preis, Herr Ostermaier! Ich freue mich ganz besonders zur Verleihung des Brecht-Preises die Tochter des Dichters begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen, Frau Barbara Brecht-Schall! Ganz herzlich begrüße ich, verbunden mit meinem Dank, die Mitglieder der Jury: Dr. Uwe Wittstock, Dr. Helmut Gier, Prof. Dr. Sabine Doering, Prof. Mathias Mayer, Prof. Hans Jürgen Drescher vom Suhrkamp Verlag sowie Peter Grab als JuryVorsitzenden. Ein herzliches Willkommen in Augsburg gilt Friedrich Ani als dem Laudator. Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Ani, für Ihr Kommen und verspreche Ihnen, mich zu bemühen, nichts von Ihrer Laudatio vorwegzunehmen. Wir freuen uns auf Ihren spannenden Vortrag, den Sie uns als Krimiautor sicher nicht schuldig bleiben. Des Weiteren darf ich sehr herzlich begrüßen: Die bayerische Justizministerin Dr. Beate Merk, Staatsminister a. D. Dr. Thomas Goppel, sowie die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Frau Claudia Roth. Mein Gruß gilt ferner Peter Grab - diesmal als Bürgermeister und Kulturreferent sowie den Mitgliedern des Stadtrats und der Fraktionen. Sehr geehrte Damen und Herren, eine Stadt erkennt man an ihren Bauten und Unternehmen, Parks und Straßen, man erkennt sie auch an ihren Preisen. Es handelt sich dabei um sogenannte „freiwillige Leistungen“, und doch erkennt man daran, was einem Gemeinwesen wichtig ist. Das Wort „Preis“ ist sehr viel älter als der Bertolt-Brecht-Preis; im Deutschen umfasst es die Bedeutungen „Wert“, „Kaufpreis“, „Lohn“ und „Belohnung“. „Preis“ ist mehr als ein Etikett auf einer Ware, obwohl Preise - als Anerkennungspreise - sicher nicht unbeliebt sind, da sie sich auch bezahlt machen. Handelt es sich um Literaturpreise, freut sich auch der Autor, denn Preisverleihungen tragen erfreulicherweise auch dazu bei, dem Preisträger mehr Popularität zu verschaffen und auf ihn neugierig zu machen, umgekehrt aber auch, ihn zum Weitermachen zu ermuntern. Wir wollen unserem neuen Brecht-Preisträger Albert Ostermaier vor allem natürlich Anerkennung bekunden. Bei ihm sind wir allerdings schon etwas spät dran – etwa zehn Preise hat er schon erhalten. Unter anderem 2003 den Kleist-Preis, den übrigens auch Brecht 1922 und die diesjährige Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller 1994 bekommen hatten. Ich hoffe trotzdem, dass unser neuer Preisträger in seiner Erwiderung diesen Augsburger Brecht-Preis zu seinem wichtigsten erklärt! Schließlich sind die Gemeinsamkeiten zwischen Albert Ostermaier und Bertolt Brecht vielfältig und unübersehbar. Experimentierfreudigkeit in den unterschiedlichsten literarischen Gattungen kennzeichnet das Werk beider Autoren, dabei auch Medien unerschrocken und virtuos nutzend, sowie eine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen literarischen Ausdrucksformen. Sprachlich wie auch thematisch alles Andere als Leisetreter, mutig und gekonnt in verschiedene Rollen als Regisseur, Librettist, Hochschullehrer und Festivalleiter schlüpfend mit einer besonderen Begabung für das Dramatische und Lyrische, mit dem Albert Ostermaier 1988 mit 21 Jahren als Autor debütierte. Brechts Erbe ist Ostermaier auch in Hinsicht auf die frühe und hohe Anerkennung, die seinem Werk zuteil wurde, wichtig. Heute gilt er als einer der erfolgreichsten deutschen Lyriker und Dramatiker der Gegenwart, ein Liebling des Feuilletons, der nicht selten auch polarisiert. Berührungsängste mit Altem und Neuem sind ihm fremd: Sein Name verbindet sich mit dem ehrwürdigen Wiener Burgtheater, dessen Hausautor er von 2003 bis 2009 war, ebenso wie mit FußballLyrik oder dem Wagnis, eine Theaterversion des Oscar-gekrönten Filmerfolgs „Das Leben der Anderen“ zu schaffen. Mit Spannung erwarten sicher schon viele Theaterbegeisterte die Uraufführung der komisch-utopischen Oper „Die Tragödie des Teufels“ am 27. Februar – ein Auftragswerk der Bayerischen Staatsoper, für das Ostermaier das Libretto schrieb. Ohne zu übertreiben können wir sagen, dass wir heute mit Albert Ostermaier den vielseitigsten unter den jungen deutschen Autoren mit dem Brecht-Preis auszeichnen. Sehr geehrte Damen und Herren, je mehr Preise verliehen werden, desto mehr verlieren sie - abgesehen von der Dotierung - an Bedeutung. Deshalb - und nicht nur aus sprichwörtlich schwäbischer Sparsamkeit - verleihen wir den Bertolt-Brecht-Preis auch nur alle drei Jahre. Der Brecht-Preis ist auch nicht der einzige Preis, den wir vergeben. Einen ganz besonderen Augsburger Preis möchte ich dabei hauptsächlich erwähnen: unseren Friedensfest-Preis, auch er alle drei Jahre vergeben. Frieden und Literatur. Augsburg, Stadt des Friedensfestes und Literaturstadt. Mit beiden Preisen werden Anstöße gewürdigt, nicht alles hinzunehmen, wie es ist, sondern umzudenken. Anregungen zum Umdenken zu geben - von dieser Idee war auch seine dreijährige Festivalleitung in Augsburg geprägt. Mit dem abc-Festival ist es dem Brecht-Preisträger 2010 gelungen, das Brecht-Bild in Augsburg grundlegend zu verändern und zu entkrampfen. Mit seiner Festival-Konzeption hat Albert Ostermaier eine neue Sichtweise auf Brecht gewagt und dies mit nationaler Ausstrahlung – wie es in den zahlreichen Kritiken landauf landab nachzulesen war. Durch ihn haben gerade wir in der Geburtsstadt Brechts gelernt, den „Stückeschreiber“ lebendig und zeitgemäß zu würdigen und das „abc“, die Verbindung Augsburg – Brecht, neu zu buchstabieren. Nach unserer Überzeugung steht Albert Ostermaier in einer würdigen Reihe mit den bisherigen Preisträgern Franz Xaver Kroetz, dem viel zu früh verstorbenen Robert Gernhardt, mit Urs Widmer, Christoph Ransmayr und Dea Loher. Sehr geehrte Gäste, Brecht selbst zeichnete sich nicht gerade durch übergroße Bescheidenheit aus. 1921 - mit 23 Jahren wohlgemerkt - zählte er sich selbst bereits zu den „Klassikern der Vernunft“. Klassisch ja, das ist er wirklich zu Recht geworden, aber altehrwürdig im Sinne von beweihräuchert und verstaubt, das nicht. Wodurch würde dies deutlicher als durch die Herausforderung, die sein Werk für ganz unterschiedliche Künstler geblieben ist? Die Reihe der Augsburger Brecht-Preisträger belegt übrigens die ganz unterschiedlichen Impulse, die von seinem Werk ausgehen. In ganz besonderem Maße gilt dies für Albert Ostermaier. Die Lesung von Ostermaier´schen Texten, die heute Abend von Hannelore Elsner, Birgit Minichmayr, Axel Milberg und Adnan Maral vorgetragen werden, wird uns davon überzeugen. Den Ritterschlag als Brecht-Kenner hat Albert Ostermaier ja bereits 1998 erhalten, als ihn das Bayerische Staatsschauspiel München mit einem Auftragswerk zu dessen 100. Geburtstag betraute. Der Brecht-Preis 2010 soll Sie, sehr geehrter Herr Ostermaier, ermutigen zu weiterer Experimentierfreudigkeit. Und viele Leser auf die fast unerschöpfliche Vielfalt Ihrer Texte hinweisen. Denn, und damit sind wir wieder bei Brecht, dem Namensgeber dieses Literaturpreises, den wir heute vergeben, Brecht schrieb: „Wenn der Sinn für Literatur in einem Menschen sich erschöpft, ist er verloren.“ „Die im Dunkeln sieht man nicht“, heißt es in der „Dreigroschenoper“. Sie, Herr Ostermaier, stehen längst nicht mehr und erst recht nicht heute im Dunkeln, sondern im Licht des Medieninteresses und - was noch wichtiger ist - der Leser und der Gäste. Freuen Sie sich - wir freuen uns mit Ihnen!