Vom Umgang mit knappen Ressourcen

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Vom Umgang mit knappen Ressourcen
Können die Märkte ihre regulierende Funktion heute noch wahrnehmen?
Von Rolf Jakobi und Daniel Zöbeli *)
Viele lebenswichtige Rohstoffe sind bereits knapp und werden immer teurer.
Zunehmend geraten wir in Abhängigkeit von Förderländern, deren politische
Strukturen instabil sind. Der Preisbildungsmechanismus gerät durch starke
Schwankungen von Angebot und Nachfrage ausser Kontrolle, und die Beschaffung wird
v.a. für produzierende Unternehmen immer unberechenbarer. Noch besteht der Glaube
an die Selbstregulierung der Märkte, angesichts enormer Spekulationsgewinne scheint
jedoch das Ende dieser Illusionen in Sicht zu sein.
«Der Preis bestimmt sich durch Angebot und Nachfrage und bringt jeden Markt ins
Gleichgewicht“ – so lautet ein Kernsatz der Volkswirtschaftslehre. In dieser
Ausschliesslichkeit hat das jedoch in der realen Welt nie gestimmt – einerseits herrscht keine
vollständige Marktransparenz, andererseits können psychologische Aspekte zu grossen
Preisbewegungen führen, die realwirtschaftlich jeder Grundlage entbehren. Die derzeit
irrationalen Preisausschläge an den Rohstoffmärkten zeigen, dass sich Preise nicht mehr
ausschliesslich an der physisch verfügbaren Menge orientieren. Durch die lockere Geldpolitik
der wichtigsten Notenbanken wurde in den letzten Jahren eine enorme Liquidität freigesetzt,
die ihrerseits auf den Gütermärkten preisbestimmend wirkt. Bildlich gesprochen, sucht sich
viel zusätzliches, ‹umhervagabundierendes› Geld kurzfristig möglichst rentable
Anlageobjekte aus, wobei sich lebensnotwendige Rohstoffe dazu besonders anbieten. Da
entweder Industrie oder Konsumenten auf solche Güter nicht verzichten können, werden
Preise weit über dem Marktgleichgewicht bezahlt. Ein Beispiel: Je nach Schätzung beträgt die
Spekulationsprämie beim Erdöl inzwischen 15 und 35 Prozent der gegenwärtigen
Preisnotierung. Hier sind also auch Händler am Werk, die von Gerüchten und
Knappheitsängsten profitieren, ohne dass sie selbst diese Rohstoffe benötigen. Keine Werte
zu schaffen und dennoch Profite einstreichen zu wollen, kann aber nicht im Interesse unserer
Volkswirtschaft sein. Die Argumentation, dass Spekulation nur ein Anzeichen für die
Knappheit des jeweiligen Guts sei, greift aufgrund der gegenwärtigen Preisverzerrungen zu
kurz. Noch wird seitens von Staaten und internationalen Organisationen kaum regulierend
eingegriffen. Teile der Finanzwirtschaft haben sich von der realen Produktion völlig losgelöst
und bedrohen nicht nur unsere Wirtschaft, sie gefährden auch den gesellschaftlichen Frieden.
So preisen einige Banken, die noch vor Kurzem durch staatliche Hilfe gerettet werden
mussten, Rohstoffe wie Gold, Erdöl, Kaffee oder Weizen als besonders rentable
Anlageobjekte an. Eine missverstandene Liberalisierung der Märkte hin zur Spekulation
pervertiert den Handel zum Selbstzweck. Müssen wir uns darauf einstellen, dass demnächst
Optionen auf Cervelats gehandelt und die Produkte im Supermarkt auf der Basis von
aktuellen Börsenkursen bezahlt werden?
Die Rohstoffmärkte brauchen zumindest für strategisch wichtige Materialien und für alle
Lebensmittel einen neuen Rahmen. Einen solchen zu planen, läutet deswegen noch lange
keine Planwirtschaft ein. Wenn die Rohstoffpreise wegen der Finanzindustrie und der
Überliquidität auf den Anlegermärkten aus dem Gleichgewicht geraten und dafür in
Drittweltländern die Versorgung zusammenzubrechen droht, muss auf politischer Ebene
gehandelt werden.
Die Bewirtschaftung von knappen Ressourcen muss so geregelt werden, dass der Preis als
Knappheitsindikator seine Funktion auch weiterhin wahrnehmen kann. Und dies kann nur
dadurch geschehen, dass die spekulative Nachfrage aus solchen Märkten verdrängt wird.
Doch es braucht dazu noch mehr – die Versorgung der Volkswirtschaften mit wichtigen
Gütern muss globaler als heute geplant und gesichert werden. So ist die Versorgung mit
einigen der seltenen Erden nur noch auf wenige Jahrzehnte gesichert, sofern nicht neue
Quellen erschlossen werden und eine rigorose Kreislaufwirtschaft eingeführt wird. Unsere
gesamte Hochtechnologie basiert auf der Verfügbarkeit dieser strategisch wichtigen
Ressourcen. Um ein Land erpressbar zu machen, braucht man heute keine Armeen mehr – es
genügt, dieses von der Zufuhr abzuschneiden.
Auch die Kreislaufwirtschaft steht nicht im Einklang mit dem Dogma der selbstregulierten
Märkte, denn Freiwilligkeit ist kein verlässliches Steuerungselement. Ein Beispiel: Beim
Recycling von Elektroschrott verschwinden gerade diese seltenen Elemente in der Schlacke
oder in dunklen Kanälen, oft auf vergifteten Müllhalden in Entwicklungsländern. Hier werden
zusätzlich Abhängigkeiten erzeugt, die es mittels einer gesamtheitlichen Entsorgungslogistik
zu mildern gilt.
Die Industrie wird nicht auf die Politik warten können, bis diese sich zu neuen Regeln aufrafft
oder sich aus den Fängen der Lobbyisten befreit. Sie muss sich daher eigene Strukturen der
Rohstoffversorgung und der Planungssicherheit schaffen, wie es beispielsweise die gerade
gegründete Rohstoff-Allianz in Deutschland zeigt, die die physische und logistische
Versorgungsicherheit zum Ziel hat. Es werden neue Plattformen für Rohstoffmärkte entstehen
müssen, abseits der traditionellen Institutionen und ausschliesslich solchen Marktteilnehmern
zugänglich, welche diese Stoffe tatsächlich auch benötigen.
Am 14. Juni 2012 bietet die FFHS in Zürich-Regensdorf mit ihrer Tagung zum
Ressourcenmanagement eine Diskussionsplattform dazu an.
*) Rolf Jakobi ist Professor an der Fachhochschule Ludwigshafen und an der
Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) sowie Mitinitiant der Rohstofftagung am 14. Juni 2012
in Regensdorf; Daniel Zöbeli ist Professor an der FFHS und Leiter des Instituts für
Management und Innovation (IMI).
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