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Ostern 1925 Liebwerther Herr E. Robert Schmitz, Sie erwarten wohl nicht von mir, daß ich Ihnen ein regelrechtes Musik Referat über die bisher verflossene Wiener Konzert‐Saison erstatte. Das was ich Ihnen davon berichte, kann schon aus dem Grund nicht vollständig sein, weil mir die wichtigste Fähigkeit des Musik kritikers: an mehreren Orten zu gleicher Zeit zu sein, abgeht und mir auch sonst jedwede Neigung und Eignung zu diesem Beruf fehlt. Sehr gern erzähle ich Ihnen aber von jenen musikalischen Ereignissen Wiens von denen ich annehme, daß sie für die Leser des F. A. M. Bulletins von Interesse sind und von denen ich Ihnen ganz subjektiv sagen will »wie ich sie sehe«. Wäre Arnold Schönberg zu Beginn dieser Saison nicht fünfzig Jahre alt geworden, so wäre auch diese Wien er Musik Saison—ebenso wie ihre Vorgänger—für die wahrhaft neue Musik verloren gewesen. So aber, erlebten wir—im Herbst 1924—wenigstens die Uraufführung seines Dramas mit Musik: »Die glückliche Hand.« Die Premiere erfolgte nicht etwa in der Wiener Staatsoper, wo man es bis heute nicht für nothwendig gefunden hat, Schönbergs zwei (=12 bis 16 Jahre alten =) Bühnenwerke auf zu führen (—ebenso wie auch in unseren »Philharmonischen Konzerten« noch nicht eine Note von Schönbergs Musik erklang—) sondern in der Volksoper unter der Leitung seines derzeitigen sehr modern orientierten Direktors Dr. Fritz Stiedry. Kurz bevor hörte man Schönbergs neuestes Werk: Das Bläser‐
Quintett op. 26 (uraufgeführt mit Bläsern der Staatsoper unter der Leitung Felix Greissles) und bald darauf—zum erstenmal in Wien—in einem Arbeiter‐Symphonie‐Konzert unter der Leitung PauI von Klenaus: die zwei in Amerika uraufgeführten Choralvorspiele von Joh. Seb. Bach, für großes Örchester instrumentiert von Arnold Schönberg. Aber diese Aufführungen fanden im Rahmen eines großen Musik und Theaterfestes statt. Von der Stadt Wien und ihrem Kunstreferenten: Dr. J. D. Bach inszeniert, sollte es »einen gewaltigen Überblick österreichischen Schaffens, mit besonderer Berücksichtigung der Moderne« bieten. Und zwar teils in einer circa 4 Wochen wahrenden Serie von Konzerten und Theateraufführungen, teils auf Grund einer großen Ausstellung: »Ernste Musik in Wien von Anton Bruckner bis zur jüngsten Gegenwart.« Von in unserem Sinn. bemerkenswerten Aufführungen dieses Musikfestes seien außer den schon genannten Werken Schönbergs noch die Uraufführung zweier Satze aus der nachgelassenen X. Symphonie Gustav Mahlers (im Opernhaus unter Direktor Schalk) erwähnt. Die Staatsoper brachte außerdem als einzige Novität eines lebenden Autors: Julius Bittners »Rosengärtlein«. Zemlinskv wurde unbegreiflicherweise überhaupt nicht aufgeführt, Schreker fehlte ebenfalls. Die Programme der vielen, vielen Konzerte enthielten unter anderrn Werke von Joseph Mathias Hauer (Orchester Suite), Wellesz (geistliches Lied), Hanns Eisler (Klaviersonate op.I) Hindemith (Solosonate für Violine ‐ ‐ ‐), Webern (geistliche Lieder Op ... ) und Quartette von Pisk und mir. Letztere zwei wurden vom neugegründeten »Wr. Streichquartett« gespielt, der ersten und—
man kann sagen—einzigen Quartettvereinigung Wiens, die sich fast ausschließlich mit moderner Musik befaßt. Ihr und namentlich ihrem Geiger Rudolf Kolisch ist es zu danken, wenn wir in dieser Saison auch sonst noch neue Musik zu hören bekamen. Aus ihrem großem Repertoire 1 spielten sie außer den genannten Werken auch in einem Konzert der 1 es enth:alt noch folgende Quartette: Bartók (op. 7 und 17), Bax (G dur), Bloch, Schwarz, Goosens (Two Sketches), G [?] etc.— »Internationalen Gesellschaft für neue Musik« die Quartette von Carol Rathaus (Uraufführung) Casella Concerto), Szymanowski (op. 17 Uraufführung) und Wellesz op. 28.— Die monatlich einmal stattfindenden Abende der Wiener Sektion dieser internationaken Gesellschaft (welcher Sektion seit einiger Zeit als Vertreter des Schönberg Kreises: auch der Kapellmeister Dr. Heinrich Jalowetz, der Musikschriftsteller Erwin Stein und ich angehören) brachten heuer u a. absolvierten bisher folgendes Programm Nern. Außerhalb dieser Veranstaltungen erscheint mir von größter Wichtigkeit die Uraufführung von Zemlinskys IlI. Quartett (Buchsbaum‐Pollak Quartett) und als eine der ersten Aufführungen von einem Hauptwerk Strawinskys: sein großer »Sacre de printemps« in einem der »Philharmonischen Konzerte«. Gilt Schönberg den Wienern heute schon als »Klassiker« und wird er dementsprechend ebenso respectvoll vernachlässigt, wie das früher respectlos geschah (—so wurden z. Bsp. seine Jahre alten Orchesterstücke op. 16 wurden in Wien überhaupt noch nicht gespielt!—) so steht Strawinsky erst am Anfang dieser spezifisch wienerischen Komponisten Carrière: Seine »Sacre de printemps« erlebten nicht nur am Schluß sondern schon während ihre Aufführung die wildesten Lärmscenen, die in der 2. Aufführung tags darauf nur darum gemildert aus fielen, weil ihr Dirigent, Direktor Franz Schalk, hiebei besonders »gefährliche« Partien ganz einfach weggestrichen und ausgelassen hatte. So geschehen im Jahre 1925 in Wien, die nicht grundlos die Bezeichnung »Musikstadt« führt! Auch sonst macht sie diesem Names viel Ehre: Unsere alte Musikakademie ist zur Hochschule für Musik ernannt worden. Ein Avancement, das man einzig dadurch bewerkstelligte, daß man ihre Lehrer mit höheren Titeln, wie Professor, Hofrat, Regierungsrat etc. beteilte. Konnten wir schon mit Genugtuung konstatieren wie z. B. das Orchester unsere weltberühmten »Philharmoniker« seitdem es von fast lauter Professoren gespielt wird, ganz anders klingt, als früher (etwa zu der Zeit Gustav Mahlers) als es dort nur einfache Orchestermusiker gab. . ., wie erst wird sich diese mit dem Lehrkörper der Akademie vorgegangene Veränderung erst in den Fortschritten des Schülermaterials fühlbar machen! Noch dazu, wo Sr. Magnifizenz der Rektor der Hochschule für Musik (und Akademie für darstellende Kunst) in Wien, der Herr Hofrat, Professor Dr. Josef Marx in seiner Inaugurationsrede auch schon die beruhigende Erklärung abgegeben hat, daß obwohl der selbst ein begeisterter Anhänger der modernen Musik, die von ihm geleitete Anstalt nach wie vor keine Stätte für die Exponenten der der atonalen Musik bilden werde. »The Rest is silence.« 
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