White Paper Götz Blechschmidt (DQS) über die ISO 9001:2015 und erfolgreiches Qualitätsmanagement im aktuellen Diskurs Ein Qualitätsmanagementsystem ist heutzutage wichtiger denn je. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Marken individuell zu positionieren und damit die Marktposition zu behaupten. Aktuelle Megatrends und die Auswirkungen der Globalisierung erweitern die Komplexität um ein Vielfaches. Gefordert ist eine permanente Leistungs- und Wirkungskontrolle der Maßnahmen, um erfolgreich am Markt zu bestehen. Im Zeitalter des Überangebotes stehen Unternehmen bei dem Versuch, Kundenbindung zu schaffen und aufrechtzuerhalten, aufgrund gleicher Qualitätsstandards von Produkten vor einer Mammutaufgabe. Da kaum noch eine Differenzierung über die Leistungseigenschaften eines Produkts mehr möglich ist, müssen Unternehmen auf anderem Wege versuchen, Differenzierung zu erzielen um sich so von der Konkurrenz abzugrenzen. Wie sie das bestmöglich umsetzen, und warum gerade Wissensmanagement und Prozessorientierung zu mehr Erfolg beitragen, erfahren Sie im White Paper von Götz Blechschmidt. Qualitätsmanagement und Markenwahrnehmung Spricht man mit Organisationen über ihr Qualitätsmanagement, wird häufig darunter die Fehlerfreiheit von Produkten und Dienstleistungen verstanden. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass Fehlerund Folgekosten eine enorme Auswirkung auf die betriebswirtschaftliche Stabilität einer Organisation haben können. Im Extremfall können Fehler in Produkten zu existenzbedrohenden Risiken werden, beispielsweise wenn daraus Massenklagen oder Rückrufaktionen entstehen. Nicht selten werden Qualitätsmanager mit der Verhinderung oder Behebung von Fehlern betraut bzw. mit dieser Aufgabe identifiziert. Qualitätsmanagement im Sinne der ISO 9001, also die Erfüllung von Kundenerwartungen und gesetzlichen Produktanforderungen, geht jedoch über Fehlerfreiheit hinaus, wie im Folgenden dargestellt werden soll. Die Markterfahrung über unterschiedliche Branchen hinweg zeigt, dass Unternehmen immer dann besonders erfolgreich sind, wenn sie eine erkennbare Marktposition entweder als Preis-MengenAnbieter oder als Hochqualitätsanbieter einnehmen. In Bezug auf die Organisation liegen zwischen diesen Positionen zwei grundlegende Ansätze: einerseits die durchgängige Ausrichtung aller Prozesse auf Kostenführerschaft, andererseits die ständige Investition in Entwicklung, Services und Produktinnovationen. In beiden Fällen lässt sich bei konsequenter Umsetzung nachhaltig gut wirtschaften, die Gewinnmarge liegt bei Qualitätsanbietern in der Regel höher. Auf die Erfüllung von Kundenerwartungen kann keine der beiden Ausprägungen verzichten. Während sich der Mengen-Anbieter auf die Basiseigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung konzentriert, muss sich der Qualitätsanbieter auf die Erfüllung von Erwartungen verstehen, die darüber deutlich hinausgehen und/oder die Basisanforderungen in erlebbar besserer Weise erfüllen. 1|5 White Paper (Er)Kennen Sie als Qualitätsmanager die grundlegende Ausrichtung Ihrer Organisation? Allerdings bleiben die Erwartungen von Kunden im Zeitverlauf nicht stabil: was heute als vergleichsweise hohe Qualität empfunden wird, kann morgen zur Selbstverständlichkeit werden. Zwei Megatrends fördern diese Entwicklung besonders: die nahezu vollständige Marktübersicht und Verfügbarkeit von Informationen durch das Internet sowie die zweite Welle der Globalisierung. Wurden zunächst von Unternehmen Produktionsstandorte in Niedriglohnländer verlagert, zählen deren eigene Marken und Unternehmen zu den am stärksten wachsenden in den traditionellen Industrienationen. In diesem Umfeld werden vorhandene Leistungsunterschiede mit zunehmender Geschwindigkeit egalisiert – Nachahmung lässt sich nicht verhindern. Häufig entsteht daraus die Situation, dass sich Produkte über ihre Leistungseigenschaften kaum mehr differenzieren lassen. Somit befinden sich Anbieter in einer zunehmenden Leistungs-Ähnlichkeit, nicht selten auf hohem Niveau. Wer allerdings in der Leistungsdifferenzierung zurückfällt, muss erhöhte Anstrengungen aufbringen, um wieder ins Rennen (im Sinne der Endauswahl der Anbieter durch die Kunden) zu kommen. Weiß Ihre Organisation, welche Leistungsbestandteile für ihre Kunden kaufentscheidend sind? Und kennt sie diesbezüglich den Abstand zum besten / größten / nächsten Wettbewerber? Ebenso entkoppeln sich Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zunehmend. Die Treue zu einer Marke, einem Produkt, einer Dienstleistung oder einem Unternehmen ist nicht mehr in demselben Maß mit der Zufriedenheit verbunden, wie es früher der Fall war, sprich: auch hochzufriedene Kunden wechseln. Hat ihre Organisation Erkenntnisse zur Kundenzufriedenheit in Relation mit der Kundenbindung? Haben Sie als Qualitätsmanager Zugang dazu? Somit entsteht für Organisationen die Notwendigkeit, Differenzierungen zusätzlich über empfundene, der Marke zugeschriebene Eigenschaften aufzubauen, da sich diese als stabil und die Kundenbindung fördernd erweisen. Die Erkenntnisse der neueren Marktforschung deuten darauf hin, dass diejenigen Alternativen besonders aussichtsreich sind, die klar auf unbewusste „limbische“ Grundbedürfnisse einzahlen; dies gilt übrigens sowohl für Endverbraucherprodukte wie auch für Produkte und Dienstleistungen im Austausch zwischen Unternehmen. Um dies zu erreichen, müssen Marken, Produkte und Unternehmen in dieser Ausrichtung stimmig sein, d.h. sie müssen an jedem Kontaktpunkt als konsistent im Sinne einer unterbewussten Zuschreibung erlebt werden. Ein als unprofessionell oder zu langsam erlebter Verkaufsprozess passt beispielsweise nicht zu Produkten oder Dienstleistungen, die auf das Dominanzbedürfnis eines Kunden einzahlen, wie etwa Produktionsgüter, IT-Systeme oder Dienstleistungen, mit Hilfe derer ein Kunde Wettbewerber verdrängen will. Hat Ihre Organisation Informationen über die Kundenerwartungen an allen wichtigen Kontaktpunkten im Gesamtprozess? Sind Ziele und Strategien danach ausgerichtet? Qualitätsmanager und Managementbeauftragte tun gut daran, das System des Unternehmens regelmäßig und konsequent auf Übereinstimmung mit den Zielen, Erkenntnissen und Bedürfnissen an der Absatzseite zu überprüfen. Natürliche Verbündete sind vor diesem Hintergrund Vertriebsund Marketingbeauftragte. 2|5 White Paper ISO 9001:2015 und Megatrends Die häufig genannten Neuerungen der Norm ISO 9001:2015 liegen in einer stärkeren Berücksichtigung der interessierten Parteien, dem risikobasierten Denken, einer nunmehr klaren Forderung nach Prozessorientierung und einer stärkeren Betonung der Pflichten des Managements. Zwei weitere, in der Umsetzung komplexe Änderungen sollen hier vor dem Hintergrund weltweiter Entwicklungen genauer betrachtet werden. In Abschnitt 7 der ISO 9001:2015 werden die Kompetenz der Mitarbeiter sowie als Ressource ausdrücklich auch das Wissen der Organisation genannt, welches zur Prozessdurchführung und Realisierung von Produktqualität (im Sinne der Erfüllung von kundenseitigen, gesetzlichen und behördlichen Anforderungen) benötigt wird. Dieses muss bestimmt, aufrechterhalten und zur Verfügung gestellt werden. Dabei verweist die Norm deutlich auf Erfahrungswissen, welches meist nicht dokumentiert ist. Diese Anforderung gewinnt angesichts der demographischen Bewegungen an Komplexität und Bedeutung: Während in den westlichen Industrienationen das Durchschnittsalter steigt, sinkt es in den Schwellenländern. Der Transfer von Erfahrungswissen gelingt nicht wirklich gut. Zu häufig gehen Wissensträger in den Ruhestand, ohne dass Nachfolger deren Erfahrung erfahren konnten. Vereinzelt sind positive Ansätze zu erkennen, wenn beispielsweise CoachingTeams aus ausscheidenden und nachrückenden Mitarbeitern gebildet werden. Doch auch zwischen jüngeren Mitarbeitern ist das gegenseitige Lernen nicht selbstverständlich. Die regelmäßig höhere Mitarbeiterfluktuation in anderen Ländern macht das eigene Wissen zum Karrieremittel – die Bereitschaft, andere anzulernen, ist hier beobachtbar niedrig. Wie wird in Ihrem Unternehmen der Transfer von Erfahrungswissen üblicherweise gehandhabt? Welche Chancen könnten aus Verbesserungen entstehen? Das Internet und seine Technologien eröffnen mittlerweile gute Möglichkeiten, gemeinschaftliche Wissensarbeit zu fördern – etwa durch FAQs, Blogs, soziale Medien, etc. Der Aufwand, dieses Wissen systematisch zu erfassen und zielgerichtet zur Verfügung zu stellen, ist beträchtlich und stellt für viele Organisationen eine Herausforderung dar, ganz zu schweigen vom Aspekt der Bewahrung von Betriebsgeheimnissen. Qualitätsmanager können aus den Statistiken des Systems Hinweise geben, an welchen Stellen Erfahrungswissen Fehler verhindert hat oder wo durch Fehler Erfahrungswissen entstanden ist. Auch hier finden sich gleichgerichtete Interessenslagen mit den Verantwortlichen für Personalmanagement, Personalentwicklung, Weiterbildung oder Wissensmanagement (falls vorhanden). Die zweite Änderung findet sich in Abschnitt 8 der 2015er Version: die bisherige Sicht auf Lieferanten ist erweitert worden auf extern bereitgestellte Prozesse. Somit kann beispielsweise auch ein externes Call Center oder ein IT-Dienstleister unter die Pflichten der Organisation zur Auswahl, Kontrolle, Steuerung und Information fallen, wenn die Fähigkeit der Organisation zur Bereitstellung konformer Produkte oder Dienstleistungen von einer solchen Auslagerung beeinflusst wird. Wenn beispielsweise der Online Shop eines Unternehmens an einen spezialisierten Anbieter ausgelagert ist, sollten dessen zugesicherte Service Level mit den Kundenverträgen übereinstimmen. Hat Ihre Organisation Prozesse ausgelagert, deren Ergebnisse die Kundenzufriedenheit mit ihren Produkten oder Dienstleistungen beeinflussen können? Wie prüfen Sie diese heute? Die teilweise oder vollständige Auslagerung von Geschäftsprozessen ist mittlerweile in vielen Organisationen nicht nur üblich, sondern unverzichtbar. Hierin spiegelt sich ein weltweiter Trend, dass die Grenzen von Organisationen sich allmählich auflösen. Insbesondere an den Schnittstellen von Prozessen entstehen neue Dienstleistungen, Produkte und Unternehmen. Die 2015er Version erweitert nicht nur das Spektrum auf das qualitätsrelevante Outsourcing, sondern fordert auch dokumentierte Information zur Steuerung ausgelagerter Prozesse. Wer sich nach der ISO 9001:2015 orientiert, wird prüfen müssen, ob sein bisheriges Lieferantenmanagement auch die relevante Prozess-Vernetzung der Organisation mit externen Anbietern abbildet. 3|5 White Paper Führung – moderne Ansätze im Vergleich zu den Forderungen der ISO 9001 Ein Manager, der vor den Augen seiner Belegschaft die Produkte mit einem Hammer zertrümmert, weil er mit der Qualität unzufrieden ist (Zhang Ruimin, 1984), mag als kulturell fremd und nicht zeitgemäß wirken; im Sinne der Norm wäre er jedoch ein Beispiel für persönliche Betroffenheit und Engagement – er führt persönlich Qualitätsziele und die Bedeutung von Qualitätsmanagement buchstäblich vor Augen. Die ISO 9001:2015 spricht von der Verantwortung für die Wirksamkeit des Systems, die das Top Management übernehmen muss. „Führung und Verpflichtung“ gemäß Abschnitt 5 beschreibt das persönliche, aktive Mitwirken der obersten Leitung im Managementsystem. Wo erleben Sie die oberste Leitung Ihrer Organisation als aktiv und persönlich involviert in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem? Nachweise für eine solches Mitwirken der obersten Leitung finden sich in Form von aussagekräftigen, faktenbasierten Management Reviews, in Protokollen, persönlichen Botschaften, Entscheidungen und, nicht zuletzt, in einer beständig hohen Qualität der Produkte und Dienstleistungen. Mit Führung ist in aller Regel auch die Delegation von Aufgaben verbunden. Dies wird seitens der Norm keineswegs in Frage gestellt, allerdings werden höhere Anforderungen gestellt: es muss vermittelt werden, angeleitet, unterstützt, gefördert. Moderne Führungsmodelle berücksichtigen hierzu den Reifegrad des jeweiligen Mitarbeiters: ein niedriger Reifegrad (etwa in Anlernphasen oder bei geringem Ausbildungsstand) erfordert eine sehr exakte Definition und Gestaltung von Arbeitsvorgaben, während ein hoher Reifegrad mit entsprechenden Freiräumen und der Aufforderung zur Gestaltung verbunden sein sollte. Wirksame Delegation befähigt und ermächtigt Mitarbeiter und Führungskräfte, initiativ und unternehmerisch die Qualitätsziele zu erreichen. Zwischen den gesetzlichen Organisations- und Kontrollpflichten der obersten Leitung und dem Streben, die eigenen Mitarbeiter zunehmend zu eigenständigem Handeln im Sinne der Unternehmensziele zu befähigen und ermächtigen, entsteht ein gewisses Spannungsfeld, Die ISO 9001:2015 bietet dem Management einen Rahmen, um systematische Organisation und Kontrolle belegen zu können – ein Umstand, der beispielsweise in Compliance-Verfahren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Am Anfang steht allerdings die Einsicht des Managements, dass ein Managementsystem Werkzeug für jeden Manager darstellt, um seine Organisationspflichten erfüllen zu können. Ein Grundverständnis ist unabdingbar, ein Nutzen für die eigenen Ziele gewollt. Der QM-Verantwortliche ist aufgerufen, dies der obersten Leitung regelmäßig ins Gedächtnis zu rufen. Fazit: Chancen für Qualitätsmanager und Beauftragte Wie die Prozessorientierung der ISO 9001 deutlich macht, ist Qualität kein singuläres Anliegen oder Problem der Leistungserstellung (Produktion oder Dienstleistung). Im Austausch mit anderen Fachbereichen und deren Zielen können die Akzeptanz und das Verständnis für Qualität und Qualitätsmanagement auf ein neues Niveau gehoben werden. Für „Qualitäter“ gilt es daher, sich zunächst selbst in den Themen Prozessorientierung und Wissensmanagement schlau zu machen, um dann mit einer pragmatischen, unternehmerischen und ergebnisorientierten („output matters“) Argumentation die natürlichen Verbündeten sowie die Führung der Organisation für die Qualitätsanliegen einzunehmen. 4|5 White Paper Götz Blechschmidt (geb. 1964), seit 2012 Geschäftsführer der DQS GmbH, ist gelernter Kommunikationswirt. Nach dem BWL-Studium war er in der Automobilzulieferindustrie tätig, danach sammelte er Führungserfahrung in IT, Marketing und Vertrieb bei T-Systems. 2009 wechselte er zur DQS GmbH und war bis zu seiner Ernennung zum Geschäftsführer als Leiter Marketing und Geschäftsentwicklung tätig. Dieses White Paper ist entstanden für www.erfolg-durch-qualitaet.de „Erfolg durch Qualität“ ist eine Initiative des Beuth Verlags. Als multimedialer Wissensdienstleister und Tochterunternehmen von DIN ist der Beuth Verlag die zuverlässigste Informationsquelle rund um das Thema Normung. Der Full-Service-Dienstleister reduziert durch eine effiziente Wissensorganisation die Komplexität thematisch verschiedenster Aufgaben und erleichtert so die tägliche Arbeit vieler Berater, Auditoren sowie Normungsverantwortlicher in Unternehmen. Mit „Erfolg durch Qualität“ will der Beuth Verlag auf die bevorstehende Revision der DIN ISO EN 9001:2015 vorbereiten und bietet exklusive Informationen von Branchen- und Qualitätsmanagement-Experten, Auszüge aus Büchern zur ISORevision sowie Tests, Videos und Webinare. Informationen zum gesamten Portfolio des Beuth Verlags finden Sie unter www.beuth.de. 5|5