Material zur Vor - und Nachbereitung Glaube, Liebe, Holländer! Herausgegeben von: Theater Dortmund / Kinder- und Jugendtheater und Junge Oper Erika Schmidt-Sulaimon u. Heike Buderus (Theaterpädagoginnen), Ilona SeippelSchipper (Dramaturgin) Spielzeit 2011 / 2012 www.theaterdo.de Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 1 Inhaltsverzeichnis Begrüßung Besetzung und Vorstellungstermine Der fliegende Holländer Glaube, Liebe, Holländer! Biografisches zu Richard Wagner Wagners Frauenbild Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski Die Holländer-Arie Die Sentaballade Die Singstimmen in der Oper Arbeitsblatt: Interviews Quellen Theater Dortmund 2011/2012 3 5 6 6 7 7 8 10 12 14 17 18 Glaube, Liebe, Holländer! 2 Begrüßung Liebe Pädagoginnen und Pädagogen, schön, dass Sie sich für die Produktion „Glaube, Liebe, Holländer!“ interessieren. Diese Materialien sollen Ihnen Anregungen und Tipps zur Vor- und Nachbereitung des Stückbesuchs mit Ihrer Gruppe bieten. Wir freuen uns immer über Feedback, sei es zur Inszenierung oder zu diesen Materialien. Schreiben Sie uns mit Ihren Schülern einfach eine E-Mail an [email protected] oder [email protected]. Vorab möchten wir ihnen einige Hinweise mit auf den Weg geben, die Ihnen und uns den Theaterbesuch verschönern und vereinfachen sollen: 1. Ankunft im Theater: Das Kinder- und Jugendtheater ist zwar eine Sparte des großen Theater Dortmund, hat aber eine externe Spielstätte in der Sckellstr. 5-7, Dortmund Hörde. Es empfiehlt sich, 15 – 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Theater zu sein, damit genug Zeit ist, Jacken und Taschen an die Garderobenständer im Untergeschoß zu hängen. Sie dürfen nicht mit in den Theatersaal genommen werden. 2. Einlass: Ca. 5 Minuten vor Vorstellungsbeginn gongt es, dann gehen alle in den Theatersaal, am Eingang werden die Karten kontrolliert. Es gibt keine nummerierten Sitzplätze, sondern Sitzreihen, die lückenlos besetzt werden. Die Schauspieler, Sänger, Musiker und alle, die an der Produktion beteiligt sind, tun alles dafür, dass Ihr Ausflug ins Theater zu einem gelungenen Erlebnis wird. Doch auch die Zuschauer müssen etwas zum Gelingen beitragen. Gerade Jugendliche, die selten oder nie ins Theater kommen, wissen oft nicht, was im Theater erlaubt ist und was nicht. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, sich im Theater so zu verhalten, dass alle auf ihre Kosten kommen. Wir möchten Sie deshalb darum bitten, mit den Schülern über die Besonderheiten eines Besuchs im Theater zu sprechen und Ihnen die Verhaltensregeln zu vermitteln: 1. Während der Vorstellung: Respekt Anders als im Kino, wo das Erleben einseitig in den Zuschauersitzen stattfindet, lebt eine Theatervorstellung von der Kommunikation zwischen Schauspielern und Publikum. Die Schauspieler nehmen ihr Publikum sehr genau wahr und müssen bei jeder Vorstellung auf Lacher, Zwischenapplaus und anderer Reaktionen spontan reagieren. Gespräche mit dem Nachbarn, das Spiel mit dem Handy oder gar ein Telefonklingeln, eine raschelnde Bonbontüte oder Kaugummi-Kauen können eine Vorstellung erheblich stören. Deshalb braucht es Respekt auf Seiten des Publikums. Wer die Arbeit der Schauspieler respektiert, redet, trinkt, isst und telefoniert vor oder nach der Vorstellung und verlässt den Zuschauerraum während der Vorstellung nur im Notfall. Handys, I-Phones, MP3-Player und sonstige elektronische Geräte müssen ganz ausgeschaltet werden. Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 3 2. und am Ende: Applaus! Am Ende der Vorstellung verbeugen sich die Schauspieler. Das Publikum applaudiert. Mit dem Applaus zeigt man, dass man den Einsatz der Schauspieler wertschätzt. Man sagt: Der Applaus ist das Brot des Künstlers. D.h. auch wenn einem die Aufführung in Teilen nicht gefallen hat, spendet man Applaus. Natürlich kann man mehr oder weniger begeistert in die Hände klatschen, aber gar nicht zu klatschen ist respektlos. Unsere Schauspieler stehen gerne für ein Nachgespräch im Anschluss an die Vorstellung zur Verfügung. Bei Interesse schicken Sie bitte eine Anfrage an [email protected]. Auch bei weiteren Fragen, Anmerkungen und Wünschen rund um das Theater und die Oper stehen wir gerne zur Verfügung. Tipp: Auf der Homepage des Theaters unter www.theaterdo.de kann man sich einen kurzen Videotrailer zu „Glaube, Liebe, Holländer!“ anschauen und bekommt so vorab eine kleine Kostprobe. Herzliche Grüße und einen schönen Theaterbesuch wünschen Erika Schmidt-Sulaimon & Heike Buderus, Ilona Seippel-Schipper (Theaterpädagoginnen) (Dramaturgin) Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 4 Glaube, Liebe, Holländer! Koproduktion des KJT Dortmund mit der Jungen Oper Dortmund in Anlehnung an Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ ab 14 Jahren Besetzung Senta Holländer Nadine Sträter Mohsen Rashidkhan Es spielen Désirée von Delft, Roman Konieczny, Andreas Ksienzyk, Bettina Zobel Mit Musikern der Dortmunder Philharmoniker und dem Mädchenchor „Zauberlehrlinge“ unter der Leitung von Christian Scheike und Mitgliedern des Schulchores des Gymnasiums Kamen, Leitung Anette DumpeFischer E-Gitarre Tobias Albrecht Regie: Antje Siebers Musikalische Einrichtung: Michael Kessler Musikalische Leitung: Michael Hönes Bühne: Oliver Kostecka Kostüme: Jula Reindell Dramaturgie: Ilona Seippel-Schipper, Heike Buderus Theaterpädagogik: Heike Buderus, Erika Schmidt-Sulaimon Dramaturgieassistenz: Marie Helbing Regieassistenz: Veronika Metz Vorstellungstermine März: 24.3., 19:00 Uhr (Uraufführung) Mai: 30.5., 11:00 Uhr / 31.5., 19:00 Uhr. Juni: 08.06., 19:00 Uhr / 11.06., 11:00 Uhr / 23.06., 19:00 Uhr / 24.06., 18:00 Uhr. Juli: 01.07., 16:00 Uhr / 02.07., 03.07., 04.07., 5.07., jew. 11:00 Uhr. Das Stück wird im nächsten Schuljahr 2012/2013 nicht mehr zu sehen sein. Alle Aufführungen finden im KJT an der Sckellstr. 5 – 7 statt. Tickethotline für Gruppenvorbestellungen 0231 / 50 22 442 (Mo.–Fr. 10.00 – 15.00 Uhr). Der Vorverkauf startet 10 Wochen vor dem jeweiligen Vorstellungstermin. Karten auch im Foyer Opernhaus (Eingang Opernvorplatz – Platz der alten Synagoge) Di. – Fr. 11.00 – 18.30 Uhr, Sa. 10.00 – 15.00 Uhr Eintrittspreise: Jugendliche und Erwachsene 7,00 €, ermäßigt 5,-€ Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 5 Der fliegende Holländer Als der in Geldnot geratene Richard Wagner 1841 seinen Gläubigern in Deutschland entkommen wollte, vermied er den Landweg und setzte mit einem kleinen Segelschiff zunächst nach London über. Die Überfahrt dauerte dreieinhalb Wochen und prägte sich tief in Wagners Gedächtnis ein: schwere Stürme zwangen das Schiff in einen norwegischen Hafen einzulaufen und die Fahrt durch die norwegischen Schären fortzusetzen. Die Sage vom „Fliegenden Holländer“, der ruhelos und verflucht über die Meere irrt, machte die Runde unter den Matrosen und Passagieren. Wagner entsann sich an Heinrich Heines Fassung der Sage und beschloss, daraus ein Opernsujet zu machen. Am 2. Januar 1843 wurde die Oper in Dresden uraufgeführt. Die Ouvertüre beschreibt musikalisch Wagners Eindrücke seiner Seereise: das Toben des Meeres, der Gesang der Matrosen, gleichzeitig stellt sie aber musikalisch bereits das Motiv des Holländers und die von Senta gesungene Ballade als Bausteine vor. Wie Wagner selbst gerät der Kaufmann Daland mit seinem Schiff in einen schweren Sturm, vor dem er in einer Bucht an der norwegischen Küste Schutz sucht. Der Steuermann hat die Wache übernommen und versucht durch Singen gegen den Schlaf anzukämpfen. Da taucht in der Ferne wie eine Erscheinung das Schiff des Holländers auf. Er bittet Daland um Gastfreundschaft und belohnt ihn reichlich dafür. Seit undenklichen Zeiten fährt der Holländer über die Meere, verflucht und zu ewigem Leben verdammt. Nur die immerwährende Treue einer Frau kann ihm die Rettung bringen. Als Daland den Reichtum des Holländers erkennt, sieht er in ihm den richtigen Schwiegersohn und bietet ihm die Hand seiner Tochter Senta an. Auch Senta kennt die Sage vom ruhelos umherirrenden Holländer und als dieser als Gast ihres Vaters vor ihr steht, beschließt sie, ihm Rettung bringen zu wollen. Dafür schickt sie Erik, einen jungen Mann aus ihrem Dorf fort, obwohl sie zuvor noch von Heirat gesprochen hatten. Für den Holländer scheint endlich die Erlösung möglich. Doch Erik gibt nicht so schnell auf. Er sucht Sentas Nähe, erinnert sie an ihr Versprechen und warnt vor dem Holländer. Dieser belauscht das Gespräch und fühlt sich von Senta betrogen. Er kehrt auf sein Schiff zurück, um wieder ohne Hoffnung über die Meere zu ziehen. Senta aber will ihm ihre Treue beweisen und stürzt sich von einem Felsen aus, seinen Namen rufend, ins Meer. Im gleichen Augenblick versinkt das Schiff des Holländers im Meer, er ist erlöst. Glaube, Liebe, Holländer! Das KJT hat gemeinsam mit der Jungen Oper eine Form entwickelt, um den Stoff des „Holländers“ für ein jugendliches Publikum erlebbar zu machen. Wagners Musikdrama wurde von Michael Kessler für eine kleine Orchesterbesetzung in einer neuen Instrumentierung arrangiert und durch weitere Kompositionen von ihm ergänzt. Auf der Bühne stehen gemeinsam Schauspieler des KJT, Opernsänger und Musiker der Dortmunder Philharmoniker. Der Erlösungsglaube, der in Wagners Oper die Figur der Senta antreibt, wird in „Glaube, Liebe, Holländer!“ mehr zum Starkult und Erlösungswahn. Senta ist bereit, für die Erlösung des Holländers – einen Mann, den sie zunächst nur von einem Bild her kennt – in den Tod zu gehen. Das lässt an die ekstatische Verehrung denken, die besonders Mädchen gegenüber ihnen völlig unbekannten Stars aus Film und Musik empfinden. Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 6 Auch wenn Senta in „Glaube, Liebe, Holländer!“ das größte aller Opfer bringen will, ist sie dennoch eine Figur voller Stärke und Entschlossenheit. Von den Themen Verehrung, ewiger Liebe und Treue bis in den Tod handeln dokumentarische Texte, die auf Interviews mit heutigen Jugendlichen basieren und mit in das Stück einfließen. Des Weiteren werden auch Experten zum Thema Starkult zu Wort kommen! Biografisches zu Richard Wagner Richard Wagner wurde 1813 in Leipzig geboren und verstarb im Jahr 1883 in Venedig. Er war ein deutscher Komponist, Dramatiker, Philosoph, Dichter, Schriftsteller, Theaterregisseur und Dirigent. Er gilt als einer der bedeutendsten Erneuerer der europäischen Musik im 19. Jahrhundert. Mit der Schaffung des Musikdramas veränderte er die Ausdrucksfähigkeit der romantischen Musik. Die Erneuerungen waren gekennzeichnet durch die Wahl der Stoffe aus dem Mittelalter bzw. aus Heldensagen sowie durch die Verschmelzung von Wort, Gesang, Orchestersprache, Handlung, Gebärde, Spiel und Bühnengestaltung zu einem Gesamtkunstwerk. Er gründete 1876 die bis heute stattfindenden Festspiele in Bayreuth. Anlass war die Uraufführung des „Ring des Nibelungen“. Wagners Frauenbild Wagner war überzeugt von der „natürlichen“ Fundierung der Geschlechter. Der Mann ist aktiv und zeichnet sich durch seine Fähigkeit als Lenker, Denker und als Leitfigur aus, während die Frau das schwache und passive Wesen ist, das zu großer Stärke findet, wenn es sich für einen Mann einsetzen kann. Die Frau, geprägt von opferbereiter Weiblichkeit, soll dem Mann bedingungslos zugetan sein, ihm treu sein bis zum Tod. Wagners Frauenbild ist somit gekennzeichnet von einer Sehnsucht nach einer Partnerin, die ihm in seinem Bedürfnis nach Stärkung seiner männlichen Identität sowie seinem Streben nach beruflicher Anerkennung nachkommt. Diese Anerkennung fand er in seiner ersten Ehe mit Minna Planer nicht. Sein Hang zum Luxus, seine Unfähigkeit mit Geld umzugehen, seine krankhafte Eifersucht sowie seine neurotische Art ließen die Ehe scheitern. Die Frau, die er sich ersehnte, fand er in seiner zweiten Ehefrau Cosima von Bülow, der Tochter von Franz Liszt. Sie verkörpert die Senta in Wagners Leben, die Skandale in Kauf nahm und nach seinem Tod für sein Werk lebte. Die Sehnsucht nach der lebenslangen weiblichen Treue und das christliche Motiv der Erlösung bilden das Kernstück bei Wagner und durchdringen sein gesamtes späteres Werk, ebenso bereits den früh entstandenen „Fliegenden Holländer“. Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 7 Die untenstehende Version der Sage vom Fliegenden Holländer des Dichters Heinrich Heine aus dem Jahr 1831 hat den Komponisten Richard Wagner inspiriert. „Aus den Memoiren des Herrn Schnabelewopski“ ist ein satirischer Märchen- und Mythenroman, daher die ironische Sprache. Heinrich Heine, 1831 Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski Erstes Buch, Kapitel VII Die Fabel von dem fliegenden Holländer ist euch gewiß bekannt. Es ist die Geschichte von dem verwünschten Schiffe, das nie in den Hafen gelangen kann, und jetzt schon seit undenklicher Zeit auf dem Meere herumfährt. Begegnet es einem anderen Fahrzeuge, so kommen einige von der unheimlichen Mannschaft in einem Boote herangefahren, und bitten, ein Packet Briefe gefälligst mitzunehmen. Diese Briefe muß man an den Mastbaum festnageln, sonst widerfährt dem Schiffe ein Unglück, besonders wenn keine Bibel an Bord oder kein Hufeisen am Fockmaste befindlich ist. Die Briefe sind immer an Menschen adressiert, die man gar nicht kennt, oder die längst verstorben, so daß zuweilen der späte Enkel einen Liebesbrief in Empfang nimmt, der an seine Urgroßmutter gerichtet ist, die schon seit hundert Jahren im Grabe liegt. Jenes hölzerne Gespenst, jenes grauenhafte Schiff, führt seinen Namen von seinem Kapitän, einem Holländer, der einst bei allen Teufeln geschworen, daß er irgend ein Vorgebirge, dessen Namen mir entfallen, trotz des heftigen Sturms, der eben wehte, umschiffen wolle, und sollte er auch bis zum jüngsten Tage segeln müssen. Der Teufel hat ihn beim Wort gefaßt, er muß bis zum jüngsten Tage auf dem Meere herumirren, es sei denn, daß er durch die Treue eines Weibes erlöst werde. Der Teufel, dumm wie er ist, glaubt nicht an Weibertreue, und erlaubte daher dem verwünschten Kapitän, alle sieben Jahre einmal ans Land zu steigen und zu heiraten, und bei dieser Gelegenheit seine Erlösung zu betreiben. Armer Holländer! Er ist oft froh genug, von der Ehe selbst wieder erlöst und seine Erlöserin los zu werden, und er begiebt sich dann wieder an Bord. Auf diese Fabel gründete sich das Stück, das ich im Theater zu Amsterdam gesehen. Es sind wieder sieben Jahre verstossen, der arme Holländer is des endlosen Umherirrens müder als jemals, steigt aus Land, schließt Freundschaft mit einem schottischen Kaufmann, dem er begegnet, verkauft ihm Diamanten zu spottwohlfeilem Preise, und wie er hört, daß sein Kunde eine schöne Tochter besitzt, verlangt er sie zur Gemahlin. Auch dieser Handel wird abgeschlossen. Nun sehen wir das Haus des Schotten; das Mädchen erwartet den Bräutigam zagen Herzens. Sie schaut oft mit Wehmut nach einem großen verwitterten Gemälde, welches in der Stube hängt und einen schönen Mann in spanisch niederländischer Tracht darstellt; es ist ein altes Erbstück, und nach der Aussage der Großmutter ist es ein getreues Konterfei des fliegenden Holländers, wie man ihn vor hundert Jahren in Schottland gesehen, zur Zeit König Wilhelms von Oranien. Auch ist mit diesem Gemälde eine überlieferte Warnung verknüpft, daß die Frauen der Familie sich vor dem Originale hüten sollten. Eben deshalb hat das Mädchen von Kind auf sich die Züge des gefährlichen Mannes ins Herz geprägt. Wenn nun der wirkliche fliegende Holländer leibhaftig hereintritt, erschrickt das Mädchen; aber nicht aus Furcht. Auch jener ist betroffen bei dem Anblick des Porträts. Als man ihm bedeutet, wen es vorstelle, weiß er jedoch jeden Argwohn von sich fern zu Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 8 halten; er lacht über den Aberglauben, er spöttelt selber über den fliegenden Holländer, den ewigen Juden des Ozeans; jedoch unwillkürlich in einen wehmütigen Ton übergehend, schildert er, wie Mynheer auf der unermeßlichen Wasserwüste die unerhörtesten Leiden erdulden müsse, wie sein Leib nichts anderes sei als ein Sarg von Fleisch, worin seine Seele sich langweilt, wie das Leben ihn von sich stößt und auch der Tod ihn abweist; gleich einer leeren Tonne, die sich die Wellen einander zuwerfen und sich spottend einander zurückwerfen, so werde der arme Holländer zwischen Tod und Leben hin und her geschleudert, keins von beiden wolle ihn behalten; sein Schmerz sei tief wie das Meer, worauf er herumschwimmt, sein Schiff sei ohne Anker und sein Herz ohne Hoffnung. Ich glaube, dieses waren ungefähr die Worte, womit der Bräutigam schließt. Die Braut betrachtet ihn ernsthaft, und wirft manchmal Seitenblicke nach seinem Konterfei. Es ist, als ob sie sein Geheimnis erraten habe, und wenn er nachher fragt: Katharina, willst du mir treu sein? antwortet sie entschlossen: Treu bis in den Tod. [...] Als ich ins Theater noch einmal zurückkehrte (Herr Schnabelewopski hatte sich zwischenzeitlich mit einer „holländischen Blondine“ vergnügt, Erg. Schmidt-Sulaimon), kam ich eben zur letzten Szene des Stücks, wo auf einer hohen Meerklippe das Weib des fliegenden Holländers, die Frau fliegende Holländerin, verzweiflungsvoll die Hände ringt, während auf dem Meere, auf dem Verdeck seines unheimlichen Schiffes, ihr unglücklicher Gemahl zu schauen ist. Er liebt sie und will sie verlassen, um sie nicht ins Verderben zu ziehen, und er gesteht ihr sein grauenhaftes Schicksal und den schrecklichen Fluch, der auf ihm lastet. Sie aber ruft mit lauter Stimme: Ich war dir treu bis zu dieser Stunde, und ich weiß ein sicheres Mittel, wodurch ich dir meine Treue erhalte bis in den Tod! Bei diesen Worten stürzt sich das treue Weib ins Meer, und nun ist auch die Verwünschung des fliegenden Holländers zu Ende, er ist erlöst, und wir sehen, wie das gespenstische Schiff in den Abgrund des Meeres versinkt. Die Moral des Stückes ist für die Frauen, daß sie sich in Acht nehmen müssen, keinen fliegenden Holländer zu heiraten; und wir Männer ersehen aus diesem Stücke, wie wir durch die Weiber im günstigsten Falle zu Grunde gehn. Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 9 Die Holländer-Arie Die Frist ist um, und abermals verstrichen sind sieben Jahr'. Voll Überdruß wirft mich das Meer ans Land. Ha, Stolzer Ozean! In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen! Dein Trotz ist beugsam, doch ewig meine Qual! Das Heil, das auf dem Land ich suche, nie werd' ich es finden! Euch, des Weltmeers Fluten; bleib' ich getreu, bis eure letzte Welle sich bricht, und euer letztes Naß versiegt! Wie oft in Meeres tiefsten Schund stürzt' ich voll Sehnsucht mich hinab: doch ach! den Tod, ich fand ihn nicht! Da, wo der Schiffe furchtbar' Grab, trieb mein Schiff ich zum Klippengrund; Doch ach! mein Grab, es schloß sich nicht. Verhöhnend droht' ich dem Piraten, in wildem Kampfe erhofft ich Tod. "Hier," rief ich, "zeige deine Taten, Von Schätzen voll sind Schiff und Boot!" Doch ach! des Meer's barbar'scher Sohn schlägt bang das Kreuz und flieht davon. Wie oft in Meeres tiefsten Schlund stürzt' ich voll Sehnsucht mich hinab. Da, wo der Schiffe furchtbar Grab trieb mein Schiff ich im Klippengrund: Nirgends ein Grab! Niemals der Tod! Dies der Verdamnis Schreckgebot. Dich frage ich, gepriesner Engel Gottes, der meines Heils Bedingung mir gewann; war ich Unsel'ger Spielwerk deines Spottes, als die Erlösung du mir zeigtest an? Vergeb'ne Hoffnung! Furchtbar eitler Wahn! Um ew'ge Treu' auf Erden - ist's getan! Nur eine Hoffnung soll mir bleiben, nur eine unerschüttert steh'n: Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 10 so lang' der Erde Keim' auch treiben, so muß sie doch zugrunde gehn! Tag des Gerichtes! Jüngster Tag! Wann brichst du an in meine Nacht? Wann dröhnt er, der Vernichtungsschlag, mit dem die Welt zusammenkracht? Wann alle Toten auferstehn. Dann werde ich in Nichts vergehn. Ihr Welten, endet euren Lauf! Ew'ge Vernichtung, nimm mich auf! Figurine Holländer Entwurf von Jula Reindell, Kostümbildnerin von „Glaube, Liebe, Holländer!“ Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 11 Die Ballade der Senta Johohohe! Johohohe! Johohohe! Johohe! Traft ihr das Schiff im Meere an, blutrot die Segel, schwarz der Mast? Auf hohem Bord der bleiche Mann, des Schiffes Herr, wacht ohne Rast. Hui! - Wie saust der Wind! - Johohoe! Hui! - Wie pleift's im Tau! - Johohe! Hui! - Wie ein Pfeil fliegt er hin, ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh'! Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden, fänd' er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden!. Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden? Betet zum Himmel, daß bald ein Weib Treue ihm halt'! Bei bösem Wind und Sturmeswut umsegeln wollt' er einst ein Kap; er flucht' und schwur mit tollem Mut: In Ewigkeit laß' ich nicht ab! Hui! - Und Satan hört's! - Johohe! Hui! - nahm ihm bei'm Wort! - Johohe! Hui! - und verdammt zieht er nun durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh'! Doch, daß der arme Mann' noch Erlösung fände auf Erden, zeigt' Gottes Engel an, wie sein Heil ihm einst könnte werden. Ach, könntest du, bleicher Seemann, es finden! Betet zum Himmel, daß bald ein Weib Treue ihm halt'! Vor Anker alle sieben Jahr', ein Weib zu frei'n, geht er ans Land: er freite alle sieben Jahr', noch nie ein treues Weib er fand. Hui! - Die Segel auf! Johohe! Hui! - Den Anker los! Johohe! Hui! - Falsche Lieb', falsche Treu', Auf, in See, ohne Rast, ohne Ruh! Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 12 Mädchen Ach, wo weilt sie, die dir Gottes Engel einst könnte zeigen? Wo triffst du sie, die bis in den Tod dein bleibe treu eigen? Senta Ich sei's, die dich durch ihre Treu' erlöse! Mög' Gottes Engel mich dir zeigen! Durch mich sollst du das Heil erreichen! MARY und Mädchen Hilf, Himmel! Senta! Senta! Nadine Sträter als Senta (links) und Désirée von Delft (rechts), im Hintergrund Mohsen Rashidkhan als Holländer Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 13 Die Singstimmen in der Oper Die Singstimmen und Stimmlagen werden bis auf wenige Ausnahmen nach dem Geschlecht in Frauen- und Männerstimmen unterschieden. Die jeweiligen geschlechtsspezifischen Stimmlagen werden untereinander durch tonale Bandbreiten unterschieden, sind aber keine festen und unüberwindbare Abgrenzungen. Zudem gibt es innerhalb einer Singstimme, z.B. Sopran, Einordnungen hinsichtlich der Rolle, der Liedart und des Darstellungs-gegenstandes des Sängers (z.B. lyrischer, dramatischer, Koloratursopran). Ausbildung und Training der menschlichen Stimme für einen gekonnten Gesang ist ein langwieriger und intensiver Prozess. Deswegen ist eine Spezialisierung auf eine Singstimme notwendig, die auch von körperlichen und physischen Gegebenheiten abhängt (z.B. Brust, Kehlkopf, Stimmbänder, Lunge). Die weiblichen Singstimmen • Sopran Sopran ist die hohe Frauenstimme oder Knabenstimme. Der Tonumfang geht von „h bis f´´“. Sopran ist die meistgesungene Frauenstimme, daher ist die rollenspezifische Unterscheidung in lyrischen, jugendlich-dramatischen, dramatischen, hochdramatischen und Koloratursopran vielfältig. • Mezzosopran Mezzosopran (ital. „mezzo“ = halb) ist die mittlere Frauenstimme zwischen Sopran und Alt. Der Umfang geht von „g bis c´´“. Man unterscheidet lyrischen, dramatischen und KoloraturMezzosopran. • Alt Alt (lat. „altus“ = hoch) bezeichnete früher die mittlere Tonlage von Frauen, heute ist das die tiefe Frauenstimme, vergleichbar mit dem männlichen Bass. Der Stimmumfang geht von „e bis a´´“. Die männlichen Singstimmen • Tenor Der Tenor ist die hohe männliche Stimme und reicht von „a bis d´“. Wie der Sopran bei Frauen ist der Tenor die meistgesungene Männerstimme. Tenöre kombinieren Kopf- und Bruststimme. Man unterscheidet in Spieltenor, lyrischen Tenor, Helden- und Charaktertenor. • Bariton Bariton ist die mittlere Männerstimme und liegt zwischen Tenor und Bass. Der Tonumfang geht von „F bis b´“. Tendiert der Bariton hin zu Bass so spricht man Bassbariton. Es gibt lyrische, Kavalier-, Helden-, Charakterbaritone. Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 14 • Bass Bass (lat. „bassus“ = tief) ist die tiefe Männerstimme und die tiefste Stimme einer Komposition mit dem Umfang von „C bis g´“. Man unterscheidet Bassbuffo, Charakterbass, seriöser Bass, Basso cantante. Sonderstimmen • Falsett-Stimme Falsett ist die hohe Männerstimme, eine reine Kopfstimme. Falsett heißt wörtlich „Falschgesang“, ein Falsettist ist ein „Falschsinger“, weil er nur die Kopfstimme benutzt. • Countertenor (engl. „Gegentenor“). Dies ist die höchste männliche Stimme (Umfang „c bis e´´“). Dies wird durch Kopf- und Falsettstimme erreicht. Countertenöre singen die Stimmen, die früher Kastraten gesungen haben (ohne selbst welche zu sein). • Kastratenstimmen Vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts durften in weiten Teilen Italiens Frauen nicht öffentlich sängerisch auftreten (vor allem im Kirchenstaat). Deshalb bediente man sich „bearbeiteter“ Männer und Knaben, die diese weiblichen Stimmen sangen und in sogenannte „Rockrollen“ schlüpften. Man kastrierte Knaben im frühen Alter, konnte sehr früh mit deren Stimmausbildung beginnen und musste nicht mit einer Stimmänderung durch Stimmbruch und Mannwerdung rechnen. Meistens entschieden sich die Eltern für die Beschneidung ihrer Söhne in der Hoffnung, wirtschaftliche Vorteile für die Familie durch die Gesangskarriere ihres Sohnes zu erlangen. Diese Rechnung ging nur in seltenen Fällen auf. Die Kombination von Stimmen Neben Solo-Arien von Stimmen wird der musikalische Ausdruck erst dann besonders schön, wenn unterschiedliche Stimmen in gemeinsamen Arien und Auftritten dargeboten werden. Die klassische Kombination von Sopran und Tenor findet man z.B. in Verdis „La Traviata“, in Puccinis „La Boheme“; Sopran und Bariton in Wagners „Der fliegende Holländer“. Es gibt eine einzige Oper mit ausschließlich weiblichen Stimmen (5 x Sopran, 3 x Mezzosopran, 1 x Alt): Giacomo Puccini, „Suor Angelica“ (Schwester Angelica). Ist die weibliche Stimme in einer Oper Protagonist, die herausragende Rolle, und ist eine Opernsängerin weltweit erfahren und berühmt, eine Könnerin auf ihrem Gebiet, dann spricht man von „Primadonna“ oder gar von „Primadonna assoluta“. „Seconda donna“ ist eine weitere, die zweite wichtige Frauenstimme und –rolle neben der Primadonna. Bei Männern spricht man von „Primo uomo“, „Secondo uomo“. Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 15 • Koloratur Koloratur (lat. „color“ = Farbe) ist die Ausschmückung, “Färbung” einer Stimme durch Triller, schnelle Läufe oder Sprünge. Seit dem 17. Jahrhundert sind Koloraturarien, insbesondere des Sopran, unverzichtbarer Bestandteil italienischer Opern. Zu unterscheiden sind virtuose und dramatische Koloratur. Erstere ist die individuelle Darstellung der sängerischen und stimmlichen Fähigkeiten einer Sängerin (man gibt der Rolle und Stimme eine persönliche und brillante „Farbe), zweitere ist der in der Rolle und der Komposition vorgesehene Ausdruck einer Rolle, z.B. „dem Wahnsinn verfallen“ (in Donizettis „Lucia di Lammermoor“). In der SopranStimmlage gibt es das Stimmfach eines Koloratur-Soprans. Quellen/Literatur: - Harenberg Opernführer, Harenberg Kommunikation, Dortmund 2001 - Hans Koeltzsch, Der neue Operführer, Deutscher Bücherbund, Stuttgart o.J. (~1961) - Musiklexikon, Brockhaus Riemann, Schott/Piper Verlag, Mainz 1989 Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 16 Arbeitsblatt Interviews Die Regisseurin Antje Siebers hat im Rahmen ihrer Vorarbeiten zu „Glaube, Liebe, Holländer!“ 120 Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren interviewt. Sie hat ihnen Fragen gestellt, um die es in dem Stück geht. Viele Antworten aus den Interviews sind nun Bestandteil des Textes von „Glaube, Liebe, Holländer!“ und sind auch in Projektionen auf der Bühne zu sehen. Beantworte auch du die Interviewfragen! 1) Beim christlichen Eheversprechen heißt es u.a.: „Ich verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet.“ Was bedeutet für dich der Begriff „ewige Treue“? 2) Der „fliegende Holländer“ ist ein bleicher, schwarz gekleideter Mann und hat ein von Unglück und Qualen gezeichnetes Gesicht. Er hat weder Frau noch Kind, aber sein Schiff ist mit Reichtümern aus der ganzen Welt beladen. Er ist dazu verdammt, mit seinem Schiff und seiner Mannschaft unsterblich und für immer auf den Weltmeeren umherzufahren, ohne jemals seine Heimat wiederzufinden. Alle sieben Jahre jedoch darf er an Land gehen, und wenn er dort eine Frau findet, die ihm ewige Treue bis in den Tod schwört, kann er von seinem Schicksal erlöst werden. Sollte sie aber ihre Treue brechen, wäre auch sie auf ewig verdammt. Senta, eine junge hübsche Frau, die im Haus ihres Vaters an der norwegischen Küste lebt, ist vom Schicksal des fliegenden Holländers tief berührt. Sie will die Frau sein, die ihn erlöst. Was glaubst du, findet Senta an dem Holländer faszinierend, was sie bei Gleichaltrigen nicht findet? 3) Was bedeutet für dich Liebe? 4) Wie weit würdest du für einen Menschen gehen, den du liebst? 5) Gibt es einen prominenten Menschen, für den du schwärmst, den du verehrst? 6) Du hast die Möglichkeit, einen Tag mit diesem Prominenten zu verbringen. Wie sähe dieser Tag in deinen kühnsten Träumen aus? 7) Du hast die Möglichkeit, einen Tag jemand anderes zu sein. Wer wäre das? Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 17 Quellen - Heinrich Heines Sämtliche Werke , Verlag von Hermann Dürselen, Leipzig; n.d. - Rieger, Eva: Leuchtende Liebe, lachender Tod. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik. Patmos Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf, 2009 - www.wikipedia.de - Harenberg Opernführer, Harenberg Kommunikation, Dortmund 2001 - Hans Koeltzsch, Der neue Operführer, Deutscher Bücherbund, Stuttgart o.J. (~1961) - Musiklexikon, Brockhaus Riemann, Schott/Piper Verlag, Mainz 1989 Theater Dortmund 2011/2012 Glaube, Liebe, Holländer! 18