Heute mit Die unabhängige Schweizer Tageszeitung Dienstag 4. Oktober 2016 124. Jahrgang Nr. 231 Fr. 3.80, Ausland: € 3.50 / AZ 8021 Zürich Pedro Lenz Der neue Roman des Berners liest sich wie im Rausch. Skifahrer, Obacht! Jetzt gibt es schon selbstfahrende Pistenfahrzeuge. Bernoulli-Häuser Die Siedlung ist ein kleines Zürcher Widerstandsnest. Nobelpreis Räumen heute zwei Genfer Physiker ab? – Live ab 11.30 Uhr. 29 8 25 tagesanzeiger.ch Jede vierte Firma wird von Migranten gegründet Maulkorb für ausländische Redner Besonders aktiv sind Unternehmer aus den Nachbarländern. Erfolg haben aber längst nicht alle. Jorgos Brouzos In den letzten zehn Jahren wurden in der Schweiz rund 400 000 Firmen neu gegründet – 113 000 davon von Ausländern. Bei den Unternehmen handelt es sich entweder um Einzelfirmen oder um Gesellschaften, die mehrheitlich in ausländischer Hand sind. Dies geht aus einer Auswertung des Wirtschaftsinformationsunternehmens Crif hervor. Besonders aktiv sind Unternehmer aus den Nachbarländern. So haben Deutsche rund 25 000 neue Firmen in der Schweiz gegründet, gefolgt von den Italienern mit mehr als 20 000 Unternehmensgründungen und den Franzosen mit beinahe 15 000 Neufirmen. Doch auch Türken, Serben und Kosovaren haben in der Schweiz in den letzten zehn Jahren Tausende von Betrieben lanciert. Zahl der Arbeitsplätze ist unklar Die Schweiz ist damit kein Einzelfall. Auch in Deutschland sind ausländische Firmengründer so aktiv wie noch nie. Dies belegt eine jüngst veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigten 2014 in Deutschland rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer. Das ent- spricht einem Plus von mehr als 30 Prozent in den letzten zehn Jahren. Verlässliche Angaben darüber, wie viele Arbeitsplätze von ausländischen Unternehmern in der Schweiz neu geschaffen wurden, gibt es nicht. Ohnehin ist über die Bedeutung von ausländischen Unternehmern in der Schweiz nur wenig bekannt – dies ganz im Gegensatz zur Rolle von ausländischen Arbeitnehmern. Deren Anzahl wird genau erfasst und der Bedarf bei Drittstaatenangehörigen über Kontingente gesteuert. Daher ist auch nicht untersucht, weshalb Unternehmen von Firmengründern aus Serbien oder Sri Lanka deutlich häufiger in Konkurs gehen als solche von Unternehmern aus Deutschland oder Grossbritannien. Experten gehen davon aus, dass sich viele Migranten selbstständig machen, da sie schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Sie versuchen, sich zum Beispiel mit einem Bau- oder Gastronomiebetrieb eine eigene Existenz aufzubauen. Allerdings scheitern auch viele. Oft, weil die Firmengründer über zu wenig Know-how verfügen und kaum Kapital besitzen, um auch einmal eine längere Durststrecke durchzustehen. – Seite 9 Heute Angeklagter bestreitet Tötungsabsicht in Adeline-Prozess Zum Auftakt des Prozesses um die Tötung der Genfer Sozialtherapeutin Adeline hat der Angeklagte die Tötungsabsicht bestritten. Seiner Darstellung nach handelte es sich um eine «Flucht, die aus dem Ruder lief». – Seite 4 Mord an Kremlgegner Nemzow: Angeklagte weisen Vorwürfe zurück Anderthalb Jahre nach dem Mord am Kremlgegner Boris Nemzow hat in Moskau der Prozess gegen fünf Tatverdächtige begonnen. Diese wiesen vor einem Militärgericht sämtliche Vorwürfe zurück. – Seite 6 Wähler von SVP und FDP sagen Ja zum Atomausstieg Bei der atomaren Energie entfernen sich die bürgerlichen Parteien SVP und FDP von ihrer Wählerschaft. Während die Parteien weiterhin auf AKW setzen, befürwortet eine Mehrheit ihrer Wähler den Atomausstieg. – Seite 4 Zellforscher Yoshinori Ohsumi erhält Medizin-Nobelpreis Der Nobelpreis für Medizin geht an den Japaner Yoshinori Ohsumi. Er wird für die Erforschung der Autophagie geehrt. Dabei handelt es sich um einen zentralen Mechanismus, wie die Zelle «Abfall» abbaut und recycelt. – Seite 40 Service Kommentare & Analysen Börse Stellenanzeiger Leserbriefe Todesanzeigen 10 14 15 22 Fernsehprogramme 34 Veranstaltungen 36 Rätsel 38 Wetter 39 Abo-Service 044 404 64 64 www.tagesanzeiger.ch/abo Inserate 044 248 40 30 E-Mail: [email protected] Inserate online buchen: www.adbox.ch Redaktion 044 248 44 11, Werdstrasse 21, 8004 Zürich, Postadresse: Postfach, 8021 Zürich [email protected] Leserbriefe www.tagesanzeiger.ch/leserforum Online www.tagesanzeiger.ch,[email protected] «Oft unbeholfene Stiftungsräte sind auf geradezu kriminelle Art beraten worden. » Rudolf Strahm über Geschäfte mit den Pensionskassen. – Seite 13 Im Kashmir-Konflikt lässt die indische Regierung mit Schrot auf Jugendliche schiessen. – Seite 7 Warum muss man Autorin Elena Ferrante enttarnen, wenn sie dies explizit nicht will? – Seite 13 Bis 1998 benötigten Ausländer eine Bewilligung, wenn sie in der Schweiz eine politische Rede halten wollten. CVPNationalrat Daniel Fässler (AI) möchte diese Bewilligungspflicht wieder einführen. Er hat eine Motion eingereicht, die unter anderem von den Präsidenten von CVP und SVP mitunterzeichnet wurde. Fässler versteht seinen Vorstoss «präventiv»: «Wir dürfen nicht zulassen, dass ausländische Redner ihre Bürger in der Schweiz gegeneinander aufhetzen.» Auslöser für den Vorstoss war eine Demo in Köln Ende Juli, an der sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan per Video an die Demonstranten richten wollte – was ihm das deutsche Verfassungsgericht aber verbot. Der Vorstoss sorgt für Kritik. Für Nationalrat Kurt Fluri (FDP) ist er «völlig übertrieben». (daf ) Kommentar Seite 2, Bericht Seite 3 Imam-Ausbildung an Diese Fragen muss Uni schwer umsetzbar Wolff beantworten Santos sucht neue Friedensgespräche Die Forderung nach einer Ausbildung für islamische Geistliche an Schweizer Universitäten ist schon älter. Aber bis auf ein Weiterbildungsangebot an der Universität Freiburg existiert bis heute kein universitärer Imam-Lehrgang. Und obwohl zahlreiche «Import-Imame» in der Schweiz nach wie vor unter dem Verdacht stehen, einen radikalen Islam zu predigen, verschliessen sich Schweizer Universitäten der Forderung nach einer eigenen Ausbildung. An deren Zweckmässigkeit zweifelt nun sogar einer der Urheber der Idee, Professor Antonio Loprieno vom Zentrum für Islam und Gesellschaft: «Die Ausbildung zum Imam ist berufsorientiert und zielt auf praktische Fähigkeiten. Darum ist sie nicht unbedingt vereinbar mit der akademischen Ausrichtung einer Universität.» Loprieno setzt nun auf die langfristige Entwicklung eines Euroislam. Dafür brauche es im Westen geborene Imame, die aber einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland genossen haben. (TA) – Seite 12 Obwohl eine hauchdünne Mehrheit der Abstimmenden den Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Farc-Guerilla abgelehnt hat, will Präsident Juan Manuel Santos den Friedensprozess retten. Er rief zu einem «nationalen Dialog» auf. Daran soll auch der ehemalige Präsident Álvaro Uribe beteiligt werden. Uribe hatte das von seinem Nachfolger ausgehandelte Abkommen entschieden bekämpft, weil es den Guerilleros faktisch eine Amnestie zugesteht und ihnen zehn Sitze im Kongress garantiert. Uribe zeigte sich zwar zu Gesprächen bereit. Er forderte jedoch, mehrere Punkte des Vertrags seien neu auszuhandeln. Von seiner Partei abgesehen, hatten sich sämtliche wesentlichen politischen Kräfte und fast alle Medien für ein Ja ausgesprochen. Umfragen hatten den Befürwortern einen klaren Sieg prophezeit. Umso grösser war das Erstaunen über das Endergebnis. (ben) Analyse Seite 5 Zürichs Polizeivorsteher Richard Wolff (Alternative Liste) muss bis Ende Oktober einen Fragenkatalog des Statthalters des Bezirks Zürich beantworten. Mathis Kläntschi (Grüne) verlangt dabei die Beantwortung von rund zehn Fragen, wobei folgende zwei Fragen von zentraler Bedeutung sind: Führt die Stadtpolizei vollumfängliche Ermittlungen im Koch-Areal durch? Wie unterscheiden sich diese Ermittlungen von den üblichen polizeilichen Ermittlungen? Vonseiten der Nachbarschaft kam immer wieder der Vorwurf, dass die Stadtpolizei wegen Lärmimmissionen und anderer Klagen nichts unternehmen dürfe, auf Befehl von «ganz oben». Inzwischen haben zwei FDP und ein SVP-Vertreter im Kantonsrat eine dringliche Anfrage eingereicht. Die Parlamentarier fragen den Regierungsrat, was er künftig konkret tun werde, um den Gesetzesvollzug zu erzwingen, und ob die Kantonspolizei Zürich den Zutritt ins Areal durchsetzen könne. (hoh) – Seite 17