Organisatorisches GKC Morphologie Komposition Anke Lüdeling [email protected] Sommersemester 2005 Flexion: Überblick • Form: – Lemma, Wortform, grammatisches Wort, Zitierform, Flexionskategorien, Paradigmata – morphologische Modelle • Item and Arrangement • Item and Process • Word and Paradigm • Funktion: Flexion und Syntax • Unterscheidung Flexion – Wortbildung • Klausur am 13.06. (für Magister) • MAP für BA-Studierende in der Phonetik/Phonologie-Vorlesung von Bernd Pompino-Marschall • bitte mailen Sie mir noch offene Fragen, die am 06.07. besprochen werden sollen, bis Mo 04.07. Lemma – Wortform – grammatisches Wort • Lemma/Lexem: abstrakte linguistische Einheit, die einer bestimmten Wortart angehört Unterscheidung Lemma – Morphem – Lemma kann beliebig komplex sein – nicht alle Morpheme gehören einer Wortart an (theorieabhängig!, vgl. Diskussion über Wortart bei Affixen) Lemma – Wortform – grammatisches Wort • Beispiele: TISCH, LANDTAGSKANDIDAT, SCHLAFEN, GRÜN, NASSKALT • Vorsicht: diese Bezeichnungen sind arbiträr, man könnte auch sagen: das Lemma, das die Bedeutung tisch(x) eine Lautform hat • Konvention: Zitierform Zitierform • die Zitierform ist die Grundform, wie sie im Wörterbuch nachgeschlagen werden kann – für Verben: • Deutsch, Französisch, Englisch, Türkisch, ...: Infinitiv • Latein, Griechisch, ...: 1.Pers.Sg.Präs.Ind. – für Nomina • Deutsch, Latein, ...: Nominativ Singular • Ergativsprachen: Absolutiv Singular • wichtig ist, dass man aus der Zitierform/den Zitierformen alle anderen Flexionsformen ableiten kann 1 Lemma – Wortform – grammatisches Wort • Wortform: eine flektierte Form eines Lemmas • jede Wortform wird nach allen vorhandenen Flexionskategorien markiert • Flexionskategorien gelten für alle Lemmata einer bestimmten Wortart in einer gegebenen Sprache • aus den Flexionskategorien & seinen Werten ergibt sich das Paradigma Flexionskategorien • wichtige Unterscheidung: – inhärente Flexion: hängt lexikalisch am Lemma, nicht kontextabhängig; ein Nomen im Dt. z.B. hat inhärent (lexikalisch) ein Genus und eine Flexionsklasse – kontextuelle Flexion: je nach Kontext veränderbar, bei Nomina im Dt. zB Kasus und Numerus Kontextuelle Flexion: Kongruenz • Kongruenzeigenschaften (agreement properties) – asymmetrisch: die Flexion des einen Elements hängt von einem anderen ab – Kongruenz ist aber auch symmetrisch: beide Elemente (das abhängige und das bestimmende) teilen die Eigenschaften Flexionskategorien im Deutschen • Flexionskategorien für Nomina: Kasus, Numerus, Genus, Flexionsklasse ¾ dh, jedes Wortform eines Nomens muss immer für Kasus und Numerus etc. spezifiziert sein • Flexionskategorien für Verben: Finitheit, Tempus, Numerus, Person, Modus, Flexionsklasse, (Genus Verbi) • Flexionskategorien für Adjektive: Genus, Kasus, Numerus, Definitheit, Flexionsklasse, (Gradation) Kontextuelle Flexion • kontextuelle Flexion teilt sich auf in – Kongruenzeigenschaften – abhängige (regierte) Flexion Kontextuelle Flexion: Kongruenz – in einer Nominalphrase kongruieren zB Artikel und Adjektiv(e) in Kasus, Genus & Numerus mit dem Kopfnomen: eine kleine Tasse ein kleiner Becher – Subjekte im Dt. kongruieren in Numerus mit dem Verb ich schlafe – wir schlafen 2 Kontextuelle Flexion: regierte Flexion • bei der regierten Flexion (governed properties) bestimmt ein Element Flexionseigenschaften des anderen Elements, ohne die zu teilen Werte für Flexionskategorien • für jede Flexionskategorie sind bestimmte Werte definiert • zB Kasus – Präpositionen regieren einen Kasus mit regiert Dativ (mit dir) ohne regiert Akkusativ (ohne dich) – Verben regieren Kasus ihrer Argumente – Deutsch: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ – Latein: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ, Vokativ – Finnisch (insg. 15): Nominativ, Genitiv, Inessiv (in), Elativ (heraus aus), Illativ (hinein), Adessiv (auf), ... Werte für Flexionskategorien Werte für Flexionskategorien • zB Tempus – Deutsch: Präsens, Imperfekt, Futur, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur 2 (wobei Perfekt, Plusquamperfekt, Futur, Futur 2 periphrastische Kasus sind, dh, sie bestehen aus zwei/drei Teilen) – Altgriechisch: Präsens, Imperfekt, Futur, Aorist, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur 2 • zB Numerus – Deutsch: Singular, Plural – Altgriechisch, Arabisch, ...: Singular, Plural, Dual – Fiji, austronesische Sprachen: Singular, Plural, Dual, Trial (Aorist hat mehrere Funktionen: punktuelle vergangene Ereignisse, auf die Gegenwart wirkende Erfahrung, ... (Ars Graeca 1981)) weitere Flexionskategorien & Werte • es gibt noch viele weitere Flexionskategorien – hier eine Auswahl • Verben – Aspekt • Englisch: progressiv vs simple talk – be talking • (was ist mit Deutsch am arbeiten sein) • Kikuyu (Stump 1998, 28f) ... Kikuyu-Aspekt continuous: tũraagũraa nyama ‚we are buying meat‘ habitual: tũgũraga nyama ‚we buy meat‘ projected: tũũkũgũra nyama ‚we are going to buy meat‘ completive: twagũra nyama ‚we have bought meat‘ (gerade eben) initiative: tũgũriite nyama ‚we have bought meat‘ (Resultatszustand ist gültig) experiential: twanagũra ‚we have (at some point) bought meat‘ 3 weitere Flexionskategorien & Werte ... Verben ... – Polarität (negativ – positiv) Kikuyu (Stump 1998, 29): tũ-kagwaata ‚we will take hold‘ tũ-ti-kagwaata ‚we will not take hold‘ – Voice (genus verbi; Aktiv, Medium, Passiv) Sanskrit (Stump 1998, 29) weitere Flexionskategorien & Werte • Nomina: Definitheit, semantische Klasse (zB Belebtheit), ... (semantische Klasse kann mit Genus zusammenfallen, muss aber nicht) • Aktiv, wenn Subjekt Agens, aber nicht Benefaktor odanam apnoti ‚s/he obtains porridge (for someone else) Medium, wenn Subjekt gleichzeitig Agens und Benefaktor odanam apnute ‚s/he obtains porridge (for herself/himself)‘ Passiv, wenn Subjekt Thema odanam apyate ‚porridge is obtained‘ – Kausativität, Objektkongruenz, ... Paradigma Paradigma SINGULAR NOMINATIV PLURAL NOMINATIV • Nomen im Dt.: – inhärent: Genus, Flexionsklasse, – kontextuell: Kasus, Numerus • dh pro Genus und Flexionsklasse (im folgenden vernachlässigt) SINGULAR GENITIV PLURAL GENITIV SINGULAR DATIV PLURAL DATIV SINGULAR AKKUSATIV PLURAL AKKUSATIV Paradigma, Beispiele Masc: Tisch Fem: Uhr Neut: Haus Tische Uhren Häuser Tisches Uhr Hauses Tische Uhren Häuser Tisch Uhr Haus Tischen Uhren Häusern Tisch Uhr Haus Tische Uhren Häuser Synkretismus, Form vs. Funktion • nicht alle Wortformen sind eindeutig! → Synkretismus • (soweit ich weiß, gibt es im Deutschen kein Nomen mit 8 verschiedenen Formen) • die Flexionskategorien Numerus und Kasus können nicht eindeutig Morphen zugeordnet werden (keine 1:1 Abbildung von Form und Flexion, Portemanteaumorpheme) 4 Grammatisches Wort • eindeutige Zuweisung einer Wortform zu einer Zelle im Flexionsparadigma grammatische Wörter Masc: Tisch, Nominativ Singular Fem: Uhr, Nominativ Singular Neut: Haus, Nominativ Singular Tische, Nominativ Plural Uhren, Nominativ Plural Häuser, Nominativ Plural Tisches, Genitiv Singular Uhr, Genitiv Singular Hauses, Genitiv Singular Tische, Genitiv Plural Uhren, Genitiv Plural Häuser, Genitiv Plural Tisch, Dativ Singular Uhr, Dativ Singular Haus, Dativ Singular Tischen, Dativ Plural Uhren, Dativ Plural Häusern, Dativ Plural Tisch, Akkusativ Singular Uhr, Akkusativ Singular Haus, Akkusativ Singular Tische, Akkusativ Plural Uhren, Akkusativ Plural Häuser, Akkusativ Plural Funktionen von Flexion • Markierung von syntaktischen Funktionen (Subjekt, Objekt etc.) – Flexionsmorphologie – Wortstellung – Partikeln (Präpositionen) • Markierung von Kongruenz – Flexionsmorphologie – Wortstellung – Partikeln Funktionen von Flexion • der kleine Mann, ein kleiner Mann • ein kleiner Mann sieht eine große Frau Funktionen von Flexion • • • • • • • • der Mann begrüßt die Frau die Frau begrüßt den Mann den Mann begrüßt die Frau Maria begrüßt Peter Mary greets Peter Seneca Lucilio suo salutem the woman greets the man the man greets the woman Literatur • Ars Graeca Grammatik (1981) Ferdinand Schöningh, Paderborn • Stump, Gregory T. (1998) Inflection. In: Spencer, Andrew & Zwicky, Arnold (eds) The Handbook of Morphology. Blackwell, Oxford 5