Leseprobe - VH

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Beratungsgespräche bedarfsgerecht führen
In einem denkmalgeschützten Altstadtgebäude möchte die Ärztegemeinschaft
Dr. Anna Dere & Partner in drei Monaten eine Praxis eröffnen. Frau Dr. Dere
nimmt Kontakt mit der SH Haustechnik GmbH auf, um einen Termin für ein
Beratungsgespräch zu vereinbaren, in dem es um die Einrichtung und Gestaltung der neuen Labor- und Sanitärräume sowie die Installation einer raumlufttechnischen Anlage geht. Nach Abstimmung zwischen Geschäftsführer Stefan
Hoffmann und Kauffrau für Büromanagement Svenja Friedrichs wird Frau Dr.
Dere ein Termin in der kommenden Woche um 15.00 Uhr vorgeschlagen. Der
von ihr bestätigte Termin wird in den betriebsinternen Terminkalender und in
das Smartphone von Stefan Hoffmann gespeichert.
„Guten Tag, Frau Dr. Dere“, begrüßt Stefan Hoffmann gegen 15.20 Uhr die Kundin mit kräftigem Handschlag. „Ich bin Stefan Hoffmann, Inhaber der SH Haustechnik GmbH für Sanitär, Heizung und Klima. Bitte entschuldigen Sie nochmals
meine Verspätung. Ich hatte eine Notfallarbeit im örtlichen Zahntechnikerlabor:
Zwei junge Mitarbeiter hatten Probleme bei der Instandsetzung einer Lüftungsanlage, da musste ich kurz eingreifen und erklären. Ich hoffe, Sie haben Verständnis.“
„Sie haben ja frühzeitig Bescheid gesagt, dass Sie etwas später kommen. Aber
kommen Sie bitte zuerst einmal rein. Hier im Dachgeschoss dieses Hauses werde ich meine Gemeinschaftspraxis mit geplanten Labor- und Behandlungsräumen eröffnen. Bevor wir jedoch über die Praxis sprechen, habe ich ein akutes
Anliegen: Der heftige Gewitterregen heute hat den Abfluss in der Mitte des
Dachbalkons überfordert und nun fließt Wasser nach innen unter der Balkontüre hindurch. Könnten Sie sich das anschauen?“
„Natürlich, dann machen wir erst den Abfluss frei, das wird sicher nicht lange
dauern. Ich hole nur meine Werkzeugtasche aus dem Wagen. Auf diesem Weg
bringe ich gleich die Materialmuster und verschiedene Ideen zur Laborgestaltung mit, die möglich sind. Darüber bekommen Sie Anregungen und können mir
sagen, was Ihnen gefällt und was Sie sich vorstellen.
Erleichtert strahlt Frau Dr. Dere „Sehr schön, Muster zum Anfassen – damit kann
ich mir alles besser vorstellen. Während Sie den Abfluss frei machen, bereite
ich Kaffee und Tee vor, dann reden wir über die Gestaltung meiner Labor- und
Sanitärräume.“
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A Beratungsgespräche bedarfsgerecht führen
In der Regel haben die Art des ersten Auftritts gegenüber dem Kunden und die
Wirkung, die man auf den Kunden hat, einen sehr großen Einfluss darauf, ob das
Unternehmen eine Chance hat, den Auftrag zu bekommen.
Selbst wenn ein Betrieb sehr gute handwerkliche Arbeit leistet, werden Beratungsgespräche, in denen der Kunde sich nicht gut aufgehoben fühlt, nicht in
einem Auftrag enden. Vielmehr wird das Unternehmen gar nicht dazu kommen,
seine handwerklichen Fähigkeiten zu zeigen. Auf die Dauer wird man damit den
Erfolg des Unternehmens gefährden.
Deshalb muss die aktive Gestaltung der Kommunikation mit dem Kunden geschult werden. Kennt man die Hürden in der Kommunikation, die bewussten
und unbewussten Verhaltensweisen in ihrem Verlauf, dann kann man genauer
wahrnehmen, was im kommunikativen Miteinander gut bzw. nicht gut läuft. Um
bei Schwierigkeiten passgenau gegensteuern zu können, sollte man auch praktisch einzusetzende Gesprächswerkzeuge beherrschen.
Kunden – das sind Menschen, die in ihren Bedürfnissen und ihrem Verhalten
sehr unterschiedlich sind. Für ein erfolgreiches Kundengespräch ist es wichtig
zu erkennen, mit welcher Art von Kunden, Kundentyp, man es zu tun hat und
was der Kunde vom Gespräch und Unternehmen erwartet. Die Beratungsstrategie kann dann auf den jeweiligen Kundentyp ausgerichtet werden.
1 Kundengespräch vorbereiten
Wer ein erfolgreiches Kundengespräch führen möchte, muss sich gut darauf
vorbereiten. Neben der Organisation von Ort, Zeit, Zeitpunkt ist die Vorbereitung auf den jeweiligen Kunden wichtig, damit er sich im ersten Gespräch mit
seinen Bedürfnissen gut aufgehoben fühlt. Je nachdem, um welches Gewerk es
sich handelt und welchen Umfang der Auftrag hat, bedarf es einer mehr oder
weniger intensiven Vorbereitung.
Beispiel: Herr Hoffmann hat sich bereits in Vorbereitung auf das Gespräch
mit seinen Mitarbeitern und auch mit Handwerkerkollegen über die
Kundin und deren Vorhaben unterhalten.
Zunächst prüft Herr Hoffmann, ob es früher schon Kontakte zu
Frau Dr. Dere gegeben hat bzw. ob schon Aufträge für sie abgewickelt wurden. Bei einem Gespräch mit Tischlermeister Thomas
Walter erfährt er, dass dieser Fenster und Türen für die Arztpraxis
eingebaut hat. Er kann Stefan Hoffmann erste Informationen über
die Kundin und deren denkmalgeschützte Baustelle geben. Auch
die Befragung der eigenen Mitarbeiter ist hilfreich: Der ortskundige Altgeselle Fritz ist seit drei Jahren Patient bei Frau Dr. Dere.
Er schildert diese als sehr freundlich, mit einem hohen Maß an
Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Sie hinterfrage alle Informationen
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Kundengespräch vorbereiten
sehr präzise. Daher plant Stefan Hoffmann für das Gespräch mit
Frau Dr. Dere ungefähr zwei Stunden ein und verschiebt vorsorglich den nachfolgenden Termin.
Auch im Internet sucht er nach Informationen über die bestehende
Ärztepraxis und stellt fest, dass viele Privatpatienten aus dem weiteren Umkreis die Praxis aufsuchen.
Das Internet bietet ihm darüber hinaus Anregungen und Beispiele,
wie eine moderne Praxis aussieht und welche Anforderungen sie
erfüllen muss. Abschließend überlegt er, was er selbst als Kunde
in einem Erstgespräch zur Gestaltung einer Praxis erfahren, sehen
oder auch anfassen möchte.
Leitfragen der
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Handelt es sich um einen Neukunden oder wurde bereits ein Auftrag für ihn Vorbereitung
abgewickelt? Was ist bei diesem Auftrag gut gelaufen, was weniger gut?
Folgende Überlegungen sind Grundlage einer guten Vorbereitung:
Welche Informationen helfen, sich dem Kunden mit seinen Bedürfnissen
schnell und gut anzunähern? Welche Informationsquellen stehen zur Verfügung?
Bei der Beantwortung der Fragen helfen erste Überlegungen, was der Kunde
wissen bzw. erfragen könnte. Wenn es sich nicht um einen Privatkunden
handelt, sind Informationen über Branche, Marktlage, Produkte des Kunden
hilfreich.
Wenn es um eine Baustelle geht: Was kann ich über die Besonderheiten der
Baustelle erfahren (Neubau, Altbau, Denkmalschutz)?
Wie kann der Kunde im ersten Schritt von der Kompetenz und Zuverlässigkeit des Betriebes überzeugt werden, damit er die Zusammenarbeit gerade mit diesem Handwerksbetrieb sucht? Welche Stärken und Schwächen
zeichnen den eigenen Betrieb im Verhältnis zur Konkurrenz aus?
Mit welchen Mitteln kann die Leistungsfähigkeit des Betriebes überzeugend
vorgestellt werden? Kundengerecht vorbereitete Unterlagen für ein erstes
Gespräch können z. B. sein:
—— vergleichbare Arbeiten des Betriebes anhand von Fotos, Videos (Präsentation per Laptop und ggf. Beamer, Präsentationsmappe mit Bildern),
—— Prospektmaterial,
—— 3-D-Software, für eine erste Planung Materialproben, Musterstücke.
Wie spreche ich den Kunden an?
Mit den ersten Informationen über den Kunden wird klar, wie man ihn ansprechen und sich auf ihn einstellen kann. Eine Rolle spielen dabei Alter,
sozialer Status, Branche etc.
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A Beratungsgespräche bedarfsgerecht führen
Wie viel Zeit benötigt ein Erstgespräch?
Mit der ersten Einschätzung des Kunden und des möglichen Auftrags erfolgt
eine Planung, wie viel Zeit das Erstgespräch erfordern wird, um eine Vertrauensbasis zu schaffen und die wesentlichen Informationen auszutauschen.
Mit einer guten Vorbereitung auf den Kunden und die Dienstleistung
bzw. das Produkt, um das es bei dem Auftrag geht, wird sich der Kunde schon bei der ersten Begegnung gut aufgehoben fühlen und Vertrauen in das Unternehmen entwickeln.
2 Kunden situationsgerecht ansprechen und begrüßen
Die erste Begegnung mit dem Kunden hat i. d. R. entscheidenden Einfluss darauf, ob es zur Auftragsvergabe kommt oder nicht. Der positive Verlauf des
Gesprächs ist steuerbar. Zentral ist der erste Eindruck, den man dem Kunden
vermittelt und für den es keine zweite Chance gibt. Die Distanz, die zu Anfang
der Begegnung bestimmend ist, muss sich zugunsten einer geschäftsmäßigen
und vertrauensvollen Beziehung entwickeln. Damit das gelingt, sind grundlegende Dinge des menschlichen Miteinanders zu beachten.
Wer gute Umgangsformen beherrscht, eröffnet sich im geschäftlichen
wie im privaten Leben einen leichteren Zugang zum Gegenüber. In
„Über den Umgang mit Menschen“ stellte Freiherr von Knigge 1788
Regeln auf, wem man sich wie gegenüber angemessen zu verhalten
habe. „Knigge“ ist noch heute der Inbegriff für Anstands- bzw. Benimmregeln. Unter Business-Knigge versteht man die Regeln, deren
Anwendung gerade im Geschäftsverkehr einen guten Eindruck hinterlassen.
2.1 Erster Eindruck
Der erste Eindruck entsteht beim Kunden schon, bevor das erste Wort gewechselt wird. Wahrscheinlich könnte er gar nicht konkret beschreiben, was nun
genau Eindruck gemacht hat. Es ist die Summe von vielen Faktoren, die meist
sehr schnell und unbewusst auf ihn wirken.
Das Eisbergmodell des Psychoanalytikers Sigmund Freud fasst die Bedeutung
des Unbewussten in ein gutes Bild. Ein Großteil dessen, was an Einflüssen auf
uns einwirkt und wie es wirkt, bleibt unsichtbar unter der Wasseroberfläche.
Übertragen auf die Begegnung im Erstgespräch zwischen Handwerksbetrieb
und Kunden sind es die Eindrücke des Kunden vom Unternehmer, vom Betrieb
und dessen Leistungsfähigkeit, die er gewinnt, ohne dass sie ihm bewusst sind.
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Informationen
Interpretationen
in Bezug auf die Leistungsfähigkeit
des Unternehmens
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Stimmungen
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Gefühle
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Fakten
Eisbergmodell
nach Sigmund
Freud
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Kunden situationsgerecht ansprechen und begrüßen
Im Erstgespräch kommt es also nicht nur darauf an, was man sagt (verbale
Kommunikation) und wie man es sagt. Sondern die ganze Erscheinung, das gesamte Auftreten spielen eine Rolle (nonverbale Kommunikation) und dies in einem größeren Ausmaß als das gesprochene Wort, wie folgende Abbildung zeigt:
verbale/nonver­bale
Kommunikation
Wortbeiträge
7%
Stimmlage
38%
Kleidung und
Körpersprache
55%
Beispiel: Als Altgeselle Fritz seinem Chef Stefan Hoffmann Frau Dr. Dere
beschreibt, fällt ihm auch eine Begebenheit ein, die er vor Kurzem
bei seinem jährlichen Gesundheits-Check-up mit ihr hatte. Herr
Fritz hatte gleich morgens den ersten Termin, und weil er von der
Praxis direkt zu seinem ersten Kunden fahren wollte, erschien er
in seinem „Blaumann“ zum Check-up. Der Blaumann fiel auch Frau
Dr. Dere auf. Vor allem, dass nicht nur das Firmenlogo vorne auf
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A Beratungsgespräche bedarfsgerecht führen
der Brusttasche eingestickt war, sondern auch sein Name, gefiel
Frau Dr. Dere. „Da weiß man doch gleich, dass man es mit Profis zu tun hat, die nicht nur ihr Handwerk gut verstehen!“, sagte
sie begeistert. Stefan Hoffmann muss schmunzeln, als er diese
Geschichte hört: „Du wolltest mir ja nicht glauben, dass ein gepflegter Blaumann mit Firmenlogo und Namensschild überall einen
guten Eindruck macht!“
2.1.1 Nonverbale Kommunikation
Mit dem Wissen um die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation besteht die
Möglichkeit, diese bewusst einzusetzen, um den Kunden für sich zu gewinnen
durch:
Bestandteile
­nonverbaler
­Kommunikation
äußeres Erscheinungsbild
Beim ersten Kundenkontakt ist auf angemessene Kleidung und ein gepflegtes Äußeres zu achten. Ein Erscheinen in verschmutzter Baustellenkleidung
wird der Kunde eventuell als mangelnden Respekt ihm gegenüber deuten.
Gestik
Die Bewegungen des Körpers, des Kopfes, der Arme und Hände sollte das
unterstützen, was man sagen will: aufrecht und mit leicht geöffneter Arm-/
Handhaltung dem Kunden zuwenden. Hände in den Hosentaschen signalisieren z. B. keine Offenheit, eher Desinteresse.
Mimik
Ein offener, zugewandter Blick mit einem angedeuteten Lächeln signalisiert
dem Kunden Interesse und Sympathie und die Absicht, für die Bedürfnisse
des Kunden eine Lösung zu finden.
Auftreten
Ein aufrechter Gang, ein sicherer Schritt auf den Kunden zu, ein fester Händedruck vermitteln dem Kunden, dass er es mit jemandem zu tun hat, der
offen auf Herausforderungen zugeht und weiß, wie man sie anpackt.
Farben
Dunkle Farben verleihen Autorität. Grün und Blau beruhigen und vermitteln
Freundlichkeit und Zugänglichkeit. Kontrastreiche Kleidung verleiht einen
durchsetzungsfähigen Eindruck. Dies ist nur dann von Bedeutung, wenn keine gewerkespezifische, farblich festgelegte Kleidung getragen wird.
Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Die erste Begegnung mit dem Kunden stellt die Weichen, ob es zum Geschäftsabschluss kommt oder nicht.
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